Ludwig Tieck
Leben des berühmten Kaisers Abraham Tonelli
Ludwig Tieck

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Erster Abschnitt

1.

Habe hier in meiner Einsamkeit und mitten unter meinen Regierungsgeschäften vernommen (weil mich auch stets für Literatur interessiere), daß man sich sehr um wunderbare Begebenheiten in Deutschland, meinem lieben Vaterlande, bekümmert. Aber noch ist kein König oder Kaiser aufgestanden und hat seine Memoirs oder Confessions niedergeschrieben, so daß mir dieses vorbehalten scheint, in diesem Fache der Erste zu sein. Ich schreibe also mein eignes, wahrhaftiges Leben für den Druck und für die Nachwelt nieder, weil dergleichen Denkwürdigkeiten oft eine nützliche Nacheiferung veranlassen, und so der Weg der Tugend und der wahren Größe immer mehr ausgetreten und gangbarer wird. Daneben ist meine Geschichte so anziehend, so sehr mit Wunderwerken und Gespenstern angefüllt, daß sie zugleich eine überaus angenehme und anmutige Unterhaltung vorstellen kann. Ich kann mir's vorstellen, daß man neugierig sein wird, und darum will ich lieber sogleich zum Anfang schreiten.

2.

Ich bin nur von geringem Herkommen und nicht sonderlicher Erziehung. Meine Eltern wohnten in der Nähe von Wien; es waren arme Handwerker, die mich zu einem Schneider in der Stadt in die Lehre taten. Mein Taufname war Abraham Anton, und ich wurde von meinem Meister und den Gesellen gewöhnlicherweise nur Tonerl genannt.

Die Stadt Wien ist eine große Stadt und liegt an der Donau; das hab' ich dazumal mit meinen eignen Augen gesehn, und kann es daher auch um so dreister behaupten. Man nannte sie auch zu meiner Zeit die Residenz; auch soll sie die Hauptstadt von ganz Österreich sein. Will manchmal, wo's paßt, Statistik und dergleichen einfließen lassen. Ist um Politik und alle Kenntnis gut Ding.

Ich fühlte bald, daß ich zu größern Dingen bestimmt sein müßte; denn ich merkte keinen sonderlichen Trieb zur Arbeit in mir. Ich wünschte mir immer zaubern zu können, oder ein König zu werden, und vertiefte mich dann mit meinen inwendigsten Gedanken oft in delikate Gerichte, so, daß man mich ordentlicherweise mit der Elle wieder in die Richte messen mußte, wollt' ich nicht gar darüber einschlafen.

Hört' ich nun vollends von wunderseltsamen Hexenkünsten, von Geistern und unterirdischen Schätzen, so konnte oft davor den ganzen Tag kein Auge zutun; schlief dann aber in der Nacht desto besser. Manchmal wünschte mir nur unsichtbar sein zu können, oder zu fliegen, oder ein Tischtuch, das alle Speisen, Braten, Kuchen und Wein brächte; – war aber Alles vergebens.

3.

Indessen ich nun obgedachtermaßen meine Phantasie in dergleichen Idealen abarbeitete, machte ich auch in der Schneiderkunst nicht wenige Progressen. Gedachte nämlich in meinem kindischen Gemüte, den güldenen Boden anzutreffen, den jedes Handwerk in sich führen soll, wollte auch schon Land rufen und Anker auswerfen, als mir einmal prächtige goldene Tressen in die Hände fielen, wenn mich nicht glücklicherweise der Meister darüber erwischt und mich auf den Pfad der Tugend, sogar bei den Haaren, zurückgerissen hätte.

4.

Je älter ich ward, je mehr Lust verspürte ich zu einem wunderbaren Lebenswandel in mir. War unzufrieden, daß es den einen Tag wie den andern herging, und nur sehr selten Trinkgelder einliefen. Ich suchte zwar aus meinem Stande so viel zu machen, als mir nur möglich war, denn ich sprach Jedermann an, sobald ich auch nur eine Bestellung hatte; aber es geriet mir nicht immer, denn oft ward ich ausgescholten; woran mich aber bald gewöhnte.

Was mich noch verdroß, war, daß alle Menschen über mein Handwerk spotteten, denn wenn ich einmal zu Biere ging, wobei mir immer mit Schinken und andern Leckerbissen aufwarten ließ, ward ich von allen anwesenden Gästen herumgenommen und dermaßen tribuliert, daß ich oft aus den Eßwaren den Wohlgeschmack gar nicht herausschmecken konnte, sondern nur in der Eil Alles hinunterschluckte. Was mich sehr verdroß.

Ich klagte dem Meister meine Not, der mich ermahnte, keinen Anstoß daran zu nehmen, weil das einmal eine hergebrachte Gewohnheit sei; die Leute ließen sich von der Religion und ihren herkömmlichen Sitten nicht gern etwas schmälern. Die Juden würden ja noch mehr verfolgt, oft sei es nur Neid, der aus den Leuten spreche; ich solle nur tapfer darauf antworten.

5.

Ich hatte die Lehrjahre überstanden, und glaubte nun ein ganzer Kerl zu sein; aber nun ging mein Leiden unter den übrigen Handwerksburschen erst an. Da war Keiner, der nicht den neuen Gesellen vexiert hätte, um seinen Verstand an mir zu beweisen; ja es geschah wohl zuweilen, daß sie sogar Händel suchten. Ich trachtete gewöhnlich, mich durch eine glückliche Flucht zu retten. Mein Meister führte mir meine Zaghaftigkeit zu Gemüte, und sagte etwas unfreundlich: Lumpenhund! (NB. Muß lachen, wenn ich daran gedenke, daß ich jetzt ein Kaiser bin.) also: Lumpenhund! hast Du denn keinen Witz, keine Einfälle? Ist Dir der Verstand denn ganz verregnet, daß Du Alles so auf Dir sitzen lässest?

Nun ging wieder in's Wirtshaus und nahm mir fest vor, gewiß etwas Tüchtiges und Gesalzenes aus meinem Munde hören zu lassen. Kaum war ich hineingetreten, so nahm richtig die Schrauberei wieder ihren Anfang; sonderlich taten sich zwei Leinwebergesellen hervor. Nun überlegte ich meinen Spruch eine kleine Weile (denn man soll nie aufs Geratewohl sprechen, wenn der Himmel uns auch noch so große Weisheit verliehen hat), und nach einiger Überlegung fuhr ich so heraus: Ihr erzdummen Esel! Ihr untersteht Euch, über einen Schneider zu spotten, da Ihr selber doch nur Leinweber seid?

6.

Alle Gäste lachten über meinen Einfall so laut, daß man es gemächlich über die Gasse hören konnte; ich war in meinem Herzen mit dem Gefühl zufrieden, daß ich es ihnen reichlich vergolten hätte und verblieb über meinen Sieg so ziemlich bescheiden, ob es mir gleich etwas sauer ward; denn es war in meinem Leben das erste Mal, daß ich meinem Witze so den Zügel schießen ließ, hatte auch nicht erwartet, daß mein bischen Mutterwitz einen so gütigen, aufmunternden Beifall finden würde; aber es waren noch mehr Leinweber zugegen, die plötzlich zu den Prügeln griffen, da sie keinen Verstand bei der Hand hatten. Das zog mir zu Gemüte und entwich eiligst, worauf ich dann zum Meister kam, und sagte: Mein Witz bekömmt mir noch schlechter, so daß ich sogar, ohne mein Bier auszutrinken, habe davon laufen müssen. Das ist hier ein übler, ungesunder Ort, ich will mich auf die Wanderschaft begeben, vielleicht, daß es mir in andern Gegenden besser geht.

Der Meister war mit meinem Entschluß zufrieden; ich nahm von den Eltern Abschied und begab mich unverdrossen auf die Wanderschaft.

7.

Nun war ich auf der Wanderschaft, von der ich oft so Vieles hatte erzählen hören. Es ereignete sich, daß ich immer einen Fuß vor den andern setzen mußte, worauf jener wieder nicht der hinterste sein wollte, indem der andere voranlief und aus diesem Wettstreit war das Wandern zusammengesetzt. Im Anfange däuchte mir diese Übung ganz lustig und ich glaubte sogar, ich würde hinter dem nächsten Hügel schon in ein ganz fremdes, wundervolles Land geraten. Ich hatte dazumal noch gar keine Erfahrung, und stellte mir daher vor, wie leicht es mir fallen müsse, binnen Kurzem ein großer und wohl vornehmer Mann zu werden. Ja, mein geliebter Leser, es kostet manche Künste, ehe man es nur dahin bringt, Graf oder Herzog zu werden, wie du im Verlaufe meiner Begebenheiten gewahr werden sollst.

Bald ging mir der Proviant aus, das Reisegeld nahm ab und mußte nun die Künste treiben, in denen die meisten Handwerksburschen wohl bewandert sind. Das ging noch an. Aber nach einigen Tagereisen geriet ich in eine fürchterliche Wüste, die so einsam war, daß ich auch nicht einen einzigen Menschen darin antraf.

8.

Hatte mir unter einer Wüste immer ganz etwas Anderes vorgestellt, als was mir jetzt vor der Nase lag; denn das war eben nichts Besseres, als ein Wald. Ich konnte den großen Weg nicht wieder finden, dabei auch keinen Menschen, kein Haus, kein Dorf. Ich dachte anfangs, daß das auch mit zum Reisen gehöre; da aber endlich der Hunger allzusehr überhand nahm, wurde ich meines Irrtums gewahr. Ich hatte mich nämlich verirrt, und lief bald links, bald rechts, wobei mir die Knie vor Furcht zitterten; auch rief ich um Hülfe, aber Alles vergebens. Wobei mich bis Dato noch darüber verwundere, daß sich alle Menschen ihre Häuser und Städte von dieser Wüste so weit ab gebaut haben; vielleicht, daß sie eben so vielen Abscheu dagegen haben, als ich selber, und dem Hunger eben so gern aus dem Wege gehn.

Das wär' Alles noch zu ertragen gewesen; aber nun brach gar die finstre Nacht herein. Darüber kam ich in großes Schrecken, und dazumal habe ich es eingesehn, daß die Nacht wirklich keines Menschen Freund ist. Denn es dauerte nicht gar lange, so machten sich Wölfe, Bären und dergleichen Kreaturen in meiner Nähe etwas zu tun; im Grunde nur Vorwand, weil sie mich fressen wollten. Selber nichts zu beißen und zu brechen und noch dergleichen Zumutungen. Sehr fatal!

Mußte in den Umständen auf einen Baum steigen, was ich sonst noch nie getan hatte: aber die Löwen turnierten und lärmten um mich herum, daß ich mich dazu zu resolvieren genötigt sah. Sie kehrten sich aber daran nicht, sondern gingen insgesamt mit Brummen und Zähneblöcken um meinen Baum herum. Wünschte mir wieder, nur auf die gewöhnliche Art im Wirtshaus vexiert zu werden, und hätte viel darum gegeben.

9.

Die Nacht über hatte ich in der Tat eine schlechte Schlafstelle gehabt. Das Morgenrot brachte mir viele Freude, denn nun gingen die ungebetenen Gäste wieder von meinem Baume weg. Ich stieg vom Baum herunter und sah mich genötigt, einige rohe Wurzeln zu frühstücken, die mir nicht sonderlich schmeckten. Ich lief umher und traf auf kein besser Mittagsbrot. Hätte mich geschämt, wenn mich ein einziger Mensch hätte die rohen Wurzeln essen sehn; aber bei so bewandten Umständen war von meiner Seite eben nichts anders zu tun. Ich verfluchte oft meine Auswanderung und meinen Stolz, daß ich in der Welt was Besonderes hatte werden wollen: aber das war nun alles zu spät.

10.

So bracht' ich noch zwei Tage zu, indem ich immer in meiner Wüstenei herumreiste. Ich glaube, daß ich an manche Stellen drei bis vier Mal hingekommen bin, weil, wie gesagt, kein Weg anzutreffen war, sich auch alles Buschwerk so gleich sah, daß ich es nicht einmal wissen konnte. In der dritten Nacht war heller Mondenschein und ich retirierte mich wieder auf eine sehr hohe Tanne. Als ich noch mein Unglück bejammerte, kamen zwei Kerls aus dem Dickicht, mit zwei geladenen Gewehren, die sie nach mir hinzielten. Ei, wie hätte ich die Löwen lieber gemocht, als diese verruchten Mörder! War auch nicht verzagt, sondern fing gar erbärmlich an zu schreien, und sie möchten Mitleid haben u. s. w.; ich wäre ganz ohne mein Zutun und unverhofft in diese Wüstenei geraten; ich sei ein wandernder Schneidergesell u. s. w.; sie möchten ein Einsehen haben, und um Gotteswillen das liebe Schießen lassen; ich sei nicht der Mühe wert u. s. w.

Weil sie die Absicht hatten, Mörder zu sein, kehrten sie sich an meine beweglichen Reden nicht, sondern zielten mir mit den Röhren immer noch unter die Nase. Der eine meinte, wenn ich Schätze bei mir hätte, sollte ich sie nur gutwillig herausgeben, denn sie wären Straßenräuber, die sich am liebsten in solchen Wüsten aufhielten, widrigenfalls wollten sie mich wie einen Vogel von meiner Tanne herunter schießen, und mir nachher das Meinige mit Gewalt wegnehmen.

Erwiderte, daß mich schäme, nicht mehr als zwei bare Groschen in meinem Vermögen zu haben, wenn ihnen damit gedient wäre, sollten diese ihnen gern gegönnt sein. Ich wüßte aber nicht weit von Polen einen vergrabenen Schatz, den ich ihnen anzeigen wollte, wenn sie mir das Leben gönnen möchten. Ich sei eigentlich aus dieser Ursach von Wien abmarschiert, um diesen Schatz zu heben, den mir eine weise Frau angezeigt habe. Diesen wollt' ich ihnen lieber gönnen, wenn sie mir zur Vergeltung nur das Leben lassen wollten.

11.

War Alles nicht wahr, mein hochgeehrter Leser, sondern 'ne verflucht fein ausgesonnene Lüge von mir; es war eine Kopfarbeit, die sich sehn lassen durfte, die ich da oben auf meiner Tanne nächtlicherweise vornahm. Beinahe wäre ich vor purem Zittern herabgefallen, mitten unter die Mörder hinein, wenn mich nicht die Vorsehung glücklicherweise zu etwas Besserm aufgehoben hätte.

Die Mörder glaubten meinen Worten, sie sagten, ich möchte heruntersteigen und ihnen den Weg weisen. War contentiert und willigte ein, falls sie mich nur aus der Wüstenei hinausführen wollten. Das versprachen sie ihrerseits auch, und somit stieg ich wirklich hinab.

Habe in meinem Leben nicht wieder Leute angetroffen, die nach einem Schatze so überaus begierig gewesen wären, als diese Mörder. Sie konnten mit Fragen kein Ende finden, und ich wußte ihnen immer wieder etwas Neues aufzuheften. Als wir eine Weile mit einander gegangen waren, war ich mit den Mördern ordentlicherweise bekannt und vertraut: sie konnten sich recht freundschaftlich anstellen, und ich hätt' es nimmermehr hinter ihnen gesucht, wenn sie nicht vorher so tückischer Weise mit den Flinten nach mir gezielt hätten. Der einzige Umstand war unsrer Freundschaft im Wege.

Sie erkundigten sich bei mir, wie und auf welche Art der Schatz gehoben werden müsse. Ich erzählte ihnen darauf recht umständlich, wie es damit noch gar manche Bedenklichkeiten habe; denn es sei nichts Kleines, einen unterirdischen Schatz zu heben, und die Gespenster, die ihn bewachten, hätten oft wunderbare Grillen. Die Kerls glaubten das Alles. Ich sagte weiter, kein Eisen dürfe dem Schatz nahe kommen, sonst versinke er viele tausend Klafter tief in die Erde hinein. Dies war nun mein Hauptkniff, auf den Alles ankam, und die dummen gutherzigen Mordbrenner schmissen nun auch ihre Gewehre, Säbel und grausam langen Messer von sich. Mir kam ein Grausen bei diesem Spektakel an, und doch war ich froh, daß ich sie nur so weit hatte.

Unter diesen künstlichen Lügen waren wir nun wirklich aus der Wüstenei heraus gekommen. Das Herz wurde mir leichter. Nicht weit davon lag ein Dorf vor uns, und nun dachte ich: jetzt ist es Zeit, daß du von den bösen Buben loskommest! sagte ihnen also, sie sollten sich ein Herz fassen, denn nicht weit von dem Dorfe wäre der Schatz vergraben.

Sie gingen noch hitziger nach dem Dorfe zu, als ich; aber als wir ganz nahe waren, fing ich aus vollem Halse an, um Hülfe zu rufen; ich schrie Feuer und Mord und Gewalt, Alles durcheinander. Darüber kamen die Leute zusammen, weil sie gern sehn wollten, was da so schrie; die Mörder waren aber auch nicht dumm, sie merkten, daß sie mit einem klugen Vogel zu tun gehabt hatten, daß Alles nur Finten wären, sie liefen weg und waren nur froh, daß sie mit heiler Haut davon kamen.

Bin übrigens wohl der erste Mensch, den Mörder aus einer Wüstenei haben zurecht weisen müssen.

12.

Da ich nun meine Lebensgefahr überstanden hatte, ließ ich es mir im Wirtshause tapfer schmecken. Das Essen bekam mir nach der langen Reise sehr gut; auch gönnten mir's die Leute.

Es war mir zuwider, daß ich mich gezwungen sah, meine Reise fortzusetzen. Ich hatte auf Wüsten, Löwen, Mörder und Hunger nimmermehr gerechnet, konnte auch nicht wissen, ob mir mein Verstand in der Not immer so beistehn würde; denn, wie man zu sagen pflegt, so ist nicht alle Tage Sonntag. Ging also unter Herzklopfen weiter.

Es war auch wirklich ein miserables Wesen; denn der Hunger mußte bei mir noch oft seine Rolle spielen. Endlich kam ich in Polen an.

Damit war mir auch nicht viel gedient; denn kein Meister wollte mir Arbeit geben. Endlich hörte ich von einem polnischen Edelmanne, von dem mir die Leute sagten, daß er sich einen geschickten Schneider zum Bedienten wünsche. Ich lief sogleich zu ihm und er fragte mich, ob ich im Stande sei, die Kleider nach der neuesten Mode zu machen. Ich schwur darauf und es war auch der Fall. Zur Probe mußte ich mir meine eigne Liverei machen: war mir herzlich lieb, denn mein Rock war ganz abgerissen.

13.

Der Baron hatte an meinen Kleidern nichts auszusetzen, und ich merkte bald, daß ich ihm mit meiner Kunst sein ganzes Herz gestohlen hatte; denn ich konnte von ihm verlangen, was ich nur wollte. Er war ein guter, unansehnlicher Herr, der viel auf seine Kleider hielt.

Er schickte mich oft aus, um in der Nachbarschaft etwas zu bestellen, weil ich zu dergleichen Aufträgen ein sonderbares Geschick in mir verspüren ließ. So kam ich einmal wieder, und will meinem Herrn die Antwort bringen, wie ich aber seine Tür aufmache, ist er nicht in der Stube, sondern ein großer Affe sitzt in des Herrn Lehnstuhl.

Erst wollt' ich lachen, besann mich aber eines Bessern und fing an, mich zu fürchten. Lief spornstreichs die Treppe hinunter und schrie nach meinem gnädigen Herrn. Die Bedienten fragten, ob ich unsinnig wäre, der Herr sei in seiner Stube. Ich ging zurück, und der Baron war auch wirklich da. Ich war ganz verblüfft, wollt es ihm doch nicht auf den Kopf zusagen, daß ein Affe in seinem Stuhle gesessen hätte, weil ich keine Zeugen aufführen konnte. War mir doch bedenklich.

14.

Ein andermal hatte ich für meinen Baron etwas eingekauft, und so wie ich mit meinem Paket in die Stube trete, spaziert ein großer, gewaltiger Löwe darin umher. Ich besann mich nicht lange, sondern lief mit großem Schreien wieder zurück und sagte, daß oben ein großer Löwe in der Studierstube sei. Die Bedienten lachten und der eine sagte: Wer weiß, was Ihr Narr da oben gesehen habt.

Nun ist es mir nicht gegeben, lange Spaß zu verstehn, sagte daher mit dem größten Unwillen: Sakkerment! (vielleicht fuhr ich auch mit Sapperlot! heraus, wollte aber nicht bei'm Teufel fluchen, weil mir hier Alles so bedenklich schien,) werde doch wohl noch einen Löwen kennen, da müßte es ja schlimm mit mir stehn! haben sie mich doch schon einmal fressen wollen, so genau kenn' ich die Bestien; werde sie ja nicht mit einem Menschen verwechseln! Die Bedienten gaben mir nach, da ich so ungemein böse wurde; der Koch erbot sich endlich aus Mitleid, mich hinauf zu begleiten, weil sie dachten, ich könnte am Ende wohl gar toll darüber werden. Der Koch mußte vorangehn, damit, wenn eins von uns gefressen würde, ihn das Schicksal dazu ausersehn hätte. Aber es kam besser, als ich dachte. Oben war Niemand weiter, als der Baron, der in seinem Zimmer auf und ab ging; kein Löwe zu sehn oder zu hören.

Auf der einen Seite war mir's lieb, auf der andern aber auch gar nicht. Ich merkte nun wohl, daß mein Herr diese Verwandlungen anstelle; aber damit war mir wenig gedient. Wenn ich ihm einmal ein Ding nicht recht machte, so könnte er wohl gar darauf verfallen, sich in den leibhaftigen Teufel zu verstellen, um mir so mit der besten Manier den Hals umzudrehen, weil es nachher Niemand auf ihn bringen könnte.

15.

Seit der Zeit ging ich sehr sauber und behende mit meinem Herrn um, weil ich nun wußte, daß so viele Bestien in ihm verborgen lagen, die sich bei der ersten Gelegenheit entwickeln könnten. Der Baron war aber nur desto freundlicher. Ich tat meine Dienste sehr pünktlich, weil es mir sonst übel geraten wäre.

An einem Tage ließ mich der Edelmann zu sich kommen und sagte: Mein lieber Schneider, Du hast Dich in meinem Hause immer gut verhalten, ich liebe Dich darum, wie ich nur meinen leiblichen Bruder lieben könnte.

Bedankte mich gar höflich und machte darüber ein tüchtiges Kompliment, so, daß dem Baron über meine Freundlichkeit das Herz im Leibe lachte. Als ich das sah, versuchte ich's noch besser, so daß ich nach der Länge in die Stube fiel. Drauf nahm er mich in die Arme und sagte mit tränenden Augen: Mein vielgeliebter Schneider! es ist wahr, daß ein unvernünftiges Tier aus mir werden kann, zu welchem ich nur Lust und Belieben trage. Alles dies macht diese kleine Wurzel, wenn ich nur daran rieche und den Namen eines Tiers ausspreche, so wird alsbald dasselbige aus mir. Wenn Du mir nun treu und redlich dienst und Gefallen an dergleichen Kunststücken hast, so sollst Du ein Stück von dieser Wurzel dermaleinst, als eine Verehrung, von mir erhalten.

Ich hatte nur zu große Lust dazu, und diente auch von dem Tage an noch eifriger, als zuvor.

16.

Der Baron schenkte mir bald darauf wirklich die Wurzel, und ich konnte kaum die Zeit erwarten, mein erstes Probestück damit abzulegen. Ich ging also in den Wald und roch an meiner Wurzel, und verwandelte mich augenblicklich in einen kleinen, niedlichen Steinesel. Es war die erste Kunst, die ich trieb, und ich konnte mich nicht genug über meine Geschicklichkeit verwundern.

Ich kostete in der Einsamkeit das Gras und die Disteln, die da herum wuchsen, und fand sie alle von vortrefflichem Wohlgeschmack. Mit dieser Wurzel in der Tasche bot ich nun allen künftigen Wüsteneien und jedem Hunger Trotz. Sie war so gut, wie eine Pension, oder eine Stelle als Akademicien.

Darüber kam's denn auch, daß ich wohl eine Stunde über gar keine Lust verspürte, wieder zum ordentlichen Menschen zu werden. Kann man mehr als sich satt essen? sagte ich in Gedanken zu mir selber; warum, Tonerl, willst du die Nase immer so hoch tragen? Kannst du nicht auch einmal mit deinem Stande zufrieden leben? – und fraß von Neuem in die herrlichen Disteln hinein.

17.

Ich konnte mich, wie gesagt, aus meinem neuen Glücke nicht wieder herausfinden. Endlich zwang ich mich doch ein Bischen und roch an meiner Wurzel, und war wieder zum Menschen. Als ich ein Mensch geworden war, stachen mir die Disteln im Leibe, die ich erst mit so vielem Appetite gegessen hatte. Das kam daher, weil ich es sonst vorher noch nie versucht hatte; denn jedes Ding erfordert seine Übung.

Da das Kneifen gar nicht aufhören wollte, sagte ich: Tonerl! bist du nicht ein rechter Narr? Wo hast du deinen Witz und Verstand gelassen? Wirst zum Schein und Spaß ein Esel, und frissest zum Angedenken so überaus wahrhaftige Disteln in dich hinein! Muß denn eben Alles gefressen sein? Kannst du die Schönheit der Welt mit keinem uninteressierten Auge betrachten? – Und es ist auch wohl ein großes Glück, nach dem du deine Lebenszeit über getrachtet hast, ein Esel zu werden! Sind das die Zauberkünste alle?

Ich schämte mich vor mir selber; um mich zu zerstreuen und Erholungs wegen verwandelte mich Augenblicks in eine Katze, und lief so nach Hause, nahm mich aber sehr in Acht, unterwegs nicht die etwanigen Mäuse wegzufangen. Der Appetit dazu versagte mir wirklich nicht.

18.

Seitdem übte ich mich Tag für Tag, allerhand Tiere nach dem Leben und der Wahrheit zu repräsentieren, brachte es auch darin zu einer erstaunenden Vollkommenheit; muß aber gestehen, daß mir die vierfüßigen am besten gelangen, und bin ungewiß, ob solches an der Wurzel oder an mir selber mag gelegen haben. Wenn ich mich eiligst verwandeln wollte, verfiel ich gewöhnlich auf eine Maus, oder dergleichen kleines Haustier, mußte aber immer die Gedanken ein bischen zusammen haben, wenn ich zum Adler oder Löwen, in Summa, Raubtier werden wollte.

An einem Tage hatte er mich ausgeschickt, und des verfluchten Saufens wegen, verspätete mich an demselben Tage. In aller Unschuld geh' ich nach Hause, und verwandle mich vor den Augen meines Herrn in einen kleinen Hund, um ihm ein unschuldiges Vergnügen zu machen. Der Baron war über mein Wegbleiben böse und machte sich zu einem ungeschlachteten Elephanten, worauf er so wild durch das Haus rumorte und tobte, auch mich gegen die Wände schmiß und mit dem Rüssel schlug, daß ich nicht anders gedachte, als der jüngste Tag sei vielleicht unterwegs. Faßte einen kurzen Entschluß, und lief gar aus dem Hause.

19.

Lief und lief in eins fort, und kam endlich gar an die See, wo ich stille stand, in Willens, auf ein Schiff zu warten und in irgend ein andres Königreich oder Land überzusetzen, um da mein Heil besser zu versuchen.

Ich hatte mich schon wieder zu einem Menschen gemacht, um mit den Schiffern eine vernünftige Abrede zu nehmen; war aber vom Hunde her noch ziemlich müde auf den Beinen. Als ich noch wartete, kamen ein Kuppel Bediente von meinem vorigen Herrn angesprengt, die mich aufjagen oder lieber gleich massakrieren sollten. Ich merkte den Vorsatz und war bald eine Fliege; denn es kostete mich nur ein Wort und ein Riechen. So war ich in der Luft über den Narren und hörte, daß sie mich umbringen wollten, im Fall sie mich erwischen könnten.

Sogleich war ich wieder zum Schneider, da setzten sie hinter mir her; aber ich war eben so geschwind eine Fliege und nahm mich nur vor Schwalben und Sperlingen in Acht, daß ich nicht mitten unter meinen Kunststücken weggeschnappt würde.

Die Bedienten wußten gar nicht, was sie denken sollten, denn bald war ich wieder da, bald aber auch nicht; es war mir lächerlich, wenn sie mich sahen und hinter mir herjagten; dann war ich wieder weg; konnte aber als Fliege nicht lachen und mußte mir es also zwischen den Zähnen verbeißen.

So mußten die Bedienten unverrichteter Sachen wieder zurückreiten; denn sie hatten mich nicht gefangen, ja nicht einmal massakriert: worüber im Herzen sehr kontentiert war.

20.

Da ich nun sicher war, wurde ich wieder zum ordentlichen Schneider, weil ich so, wie gesagt, den Sperlingen weniger ausgesetzt war, und ging wieder an das Seeufer. Da sah ich über's Meer einen ungeheuern Vogel mit großen Krallen herüberschweben, mit dem mir eine artige Anekdote begegnete.

Ich fing mich nämlich vor seinen Klauen an zu fürchten, ob ich gleich wieder ein großer Schneider war; verkroch mich daher und vermaskerierte mich gleichsam in eine kleine, unansehnliche Maus, um nicht in Ungnaden vermerkt zu werden. Da half kein Privatstand, keine Unbedeutendheit. Das fliegende Ungeheuer faßt mich (Maus) zwischen seinen Krallen und immer damit weg über's wüste, wilde Meer, hoch in die Luft hinein.

Brauchte nun auf kein Schiff mehr zu warten, das ist wohl wahr; aber ich stand vor Schwindeln die Seekrankheit oben in den himmlischen Lüften aus. Ich war bange, mein Patron, unter dessen Flügeln ich wohnte, würde mich in's Wasser fallen lassen, oder unterwegs verspeisen. Aber er schien nur am Fliegen einen Narren gefressen zu haben; denn das Ding hatte gar kein Ende.

21.

Endlich kamen wir an ein hohes Schloß, das viele Zierraten hatte, da setzte mich der hohe Unbekannte auf den allerobersten Gipfel nieder, und begab sich von Neuem auf's Fliegen, ohne auch nur ein Trinkgeld von mir zu erwarten.

Ich blieb noch ein Weilchen Maus und stieg behende das ganze Schloß hinunter, bis auf den Boden; denn ich überlegte als Maus, daß ich als Mensch gewiß den Hals brechen würde. Nun war ich unten in dem Schloßhofe, wo Leute standen; an ihrer Kleidung merkte ich, daß es Perser waren, denn bei meinem ehemaligen Schneidermeister hatten Kupferstiche von ihnen an den Wänden gehangen.

Sie wunderten sich, wo ich herkäme; der König kam gelaufen, denn sie erzählten, daß plötzlich ein fremder Mensch in einer unbekannten Kleidung da stehe. Der König fragte mich, wer ich sei, ich scharrte und neigte, und konnte durchaus das Maul nicht halten, denn das Herz saß mir auf der Zunge; ich plauderte was durcheinander, bald zischend, bald miauend, und siehe da, es war das schönste Persisch. Ich hatte kein Wort davon verstanden, was ich erzählte; die übrigen Perser hatten Alles begriffen und freuten sich darüber. Eine wunderbare Gabe, die mir der Himmel da unversehens mitgeteilt hatte. Ich redete den ganzen Tag; weiß aber bis dato noch nicht, was es gewesen ist.

22.

Mein erstes Bestreben war nun dahin gerichtet, meine eigne persische Sprache zu verstehn, weil in der Besorgnis stand, ich möchte endlich gar die menschliche Vernunft darüber verlieren, wenn ich Tag für Tag so viele Worte ohne Sinn redete. Übte mich in der Sprache bei dieser Gelegenheit, und ging in der Philosophie augenscheinlich rückwärts; verspürte auch einige Neugier, zu erfahren, was ich den ganzen Tag wohl schwatzen möchte; denn das Maul stand mir wirklich nicht eine Minute still. Lernte also aus Leibeskräften, und nahm jeden Tag ein paar Stunden in der persischen Landessprache.

Bald brachte ich es dahin, daß ich mit Verstand reden konnte, und wunderte mich bei der Gelegenheit oft über meine eigenen Einfälle; was mir nachher noch oft begegnet ist.

Der König hatte von mir schon längst erfahren (ohne daß ich es wußte), welcherlei Kunststücke ich in meiner Gewalt besäße; ich wurde daher überaus köstlich gehalten. Man pflegte mich, man gab mir die größten Delikatessen zu essen, die schönsten Weine zu trinken, Geld obenein und Hochachtung, in Summa, ich führte ein Leben, wie im Paradiese; denn ich hatte nichts weiter dabei zu tun, als daß ich mich manchmal ein Bischen verwandelte. Nun hatte ich es doch durchgesetzt, was ich mir von Kindesgebeinen an vorgenommen hatte.

O Ihr Sterblichen! ermüdet nur nicht zu früh in Euren Bestrebungen, und bleibt auf halbem Wege stehn, so muß es Euch jederzeit gelingen; denn die Tugend dringt doch immer hindurch.

23.

Der König in Persien liebte die Vögel besonders, und ich ließ es mir daher angelegen sein, mich oft als einen solchen zu präsentieren. An einem Tage befahl er mir, einen großen persischen Vogel zu repräsentieren, den ich bis dahin noch niemals gesehen hatte; indessen tat mir das fast gar nichts zur Sache; ich machte es, und sah ungemein schön aus. Der König fragte mich darauf, wie man dieses Tier in meinem Vaterlande tituliere? ich sagte hierauf: daß es nichts anders als ein Nußknacker oder Nußbeißer wäre. Womit er denn auch zufrieden war.

24.

Dieser König liebte die Künste aus der Maßen, er zog alle geschickten Leute an seinen Hof; aber einen so wunderbaren Menschen, wie ich war, hatte er noch nie gesehn. Wußte mich darum auch nach Würden zu schätzen und zu belohnen, maßen ich in meinem Hofdienste ansehnlich dick wurde, daß auch selbst die gemeinen Lakeien einen Respekt vor mir hatten. Solche Konstitution hatte mir immer gewünscht, und mich bei meinem ehemaligen Handwerk am meisten über die Dünnigkeit geärgert; nun aber war ich ordentlich ein Mann von Stande.

Der König ließ den benachbarten Kaiser zu sich invitieren, und schrieb ihm, daß er einen gar wunderbaren Menschen und Künstler an seinem Hofe habe, der ihm tausend Ergötzlichkeiten verschaffen würde. Ich hatte dafür gesorgt, daß ich mir eine große blecherne Büchse hatte machen lassen, womit ich immer herumging, wenn ich ein Kunststück gemacht hatte. Erwartete also den türkischen Kaiser mit vielem Wohlgefallen.

25.

Dieser türkische Kaiser kam nun wirklich an, und der König nahm sich vor, ihm ganz außerordentliche Ehren zu erzeigen. Verließ sich dabei vorzüglich auf meine raren Kunststücke.

Auf den allergnädigsten Befehl meines Königs mußten Trompeter und Pauker dem Kaiser entgegenziehn, und so wie er herankam, wurde die kompletteste Janitscharenmusik ausgemacht; dann wurden zugleich alle Kanonen abgefeuert, und als der König das hörte, rief er mir zu: Nun, Tonerl, halt' Dich in's Himmels Namen fertig! Ich merkte mir diese Worte sehr gut und brauchte eben nicht viele Anstalten zu treffen.

26.

Der Kaiser kam an und mein König hatte ihn unter'm Arm, um ihn gleich nach dem Speisesaal zu führen. So wie der Kaiser die Tür aufmachte, lag ich als ein ungeheurer Drache dahinter und spuckte ihm, jedoch manierlich, ein Bischen Feuer entgegen. Der Kaiser trat zurück und wurde ganz blaß vor Entsetzen, was meinem Könige sehr lieb war, daß er ihm so eine heimliche Freude hatte veranstalten können; er sagte hierauf: Geruhen Ew. kaiserliche Majestät nur dreist voranzugehen, dieser Drache tut Niemandem etwas, der ihm eine kleine Verehrung gibt. Der Kaiser suchte in der größten Angst seine Geldbörse hervor; ich stellte mich sogleich höflich auf meine zwei Hinterbeine und hielt ihm mit vieler zierlichen Reverenz meine Büchse entgegen; er warf wirklich die Börse hinein, worüber eine große Freude empfand; glaube, er hat es in der Angst getan; denn ich hatte nur auf ein Paar Goldstücke gerechnet.

Die Majestäten setzten sich zu Tische und ich blieb als Drache immer noch vor der Türe liegen. Es wurde prächtig gespeist; denn der persische König hatte bei dieser feierlichen Gelegenheit kein Geld angesehen, wollte auch nicht am türkischen Hofe von sich sagen lassen, daß er geizig sei. Ich leckte mir als Drache oft das Maul, von wegen den delikaten Gerichten, die aufgetragen wurden, worüber die beiden Majestäten inständigst zu lachen geruhten. Ich dachte immer: Lacht nur über mich, müßt Ihr mir doch jedes Lachen bezahlen.

27.

Bei Tische sagte der Türke: Aber Ihro Majestät haben mir von einem wunderlichen, raren Menschen geschrieben, der sich an Ihrem Hofe aufhielte; wo ist derselbe? Der König wies darauf lachend nach mir hin, und sagte: Da liegt er vor der Tür, Ihnen aufzuwarten, als Drache. Worauf mich sogleich zum Menschen verwandelte, und dem Kaiser die Hand küßte. Es gelang mir auch trefflich; denn ich wurde sogleich an die delikate Tafel gezogen, und ließ es mir trefflich wohlschmecken. Der Türke konnte in seiner Verwunderung über mich kein Ende finden. Als der König ihm aber gar sagte, daß dieses Kunststück mit dem Drachen nicht mein einziges sei, sondern daß ich mich in jedes beliebige Tier verwandeln könne, schlug er gar die Hände über seinem Turban zusammen, wie den die Türken gewöhnlich zu tragen pflegen. Verwandelte mich auch auf Befehl sogleich in einen Wolf, wieder in mich; dann in einen kostbaren Vogel, dessen Federn wie Gold und Edelgestein in der Sonne glänzten, setzte mich auf die Tafel und sang ein liebliches Lied, zur ergötzlichen Verwunderung aller Anwesenden.

28.

Ich mußte in dieser Zeit trefflich mit meinen Kunsttalenten herhalten, und war des Abends wacker müde, weil ich im Tierreich so viel zu tun hatte. Die hohen Majestäten stellten sich zuweilen mit der Naturgeschichte vor mir hin, und lasen die Beschreibung eines jeden Tiers, wobei ich denn als Exemplar vor ihnen stehen mußte. Der Türke fand ein so großes Gefallen an meiner Wenigkeit, daß er mich meinem Könige für eine Menge türkischer Kleinodien abkaufen wollte; doch dieser sagte: Mein Herr Bruder, dieser rare Mensch ist meine einzige Ergötzlichkeit in meinen müßigen Stunden; auch gehört er mir gar nicht zu, sondern er ist völlig sein eigner Herr; er ist aus der Luft plötzlich herunter gekommen, so daß ich nur Gott danken muß, wenn es ihm noch länger wohlgefällig ist, an meinem geringen Hofe vorlieb zu nehmen.

Dermaßen war mir bis dahin noch niemals geschmeichelt worden; ich glaubte in meinem Sinn, der alleroberste und fürnehmste Künstler in der ganzen Welt zu sein. Ich blies das Gesicht auf und erwiederte: es gefalle mir noch an diesem Hofe und gedenke also für's Erste noch dorten zu verbleiben; worüber mir mein König die Hand drückte, dem Türken aber die Tränen in die Augen kamen; so lieb hatte er mich gewonnen. Reiste auch bald nachher ab, nachdem er mir eine ansehnliche Verehrung zurückgelassen hatte.

29.

Ich war immer noch in meiner vollen Herrlichkeit, als sich am Hofe ein fremder Künstler anmelden ließ. Er gab vor, er komme aus Arabien und habe einen sehr kostbaren arabischen Stein bei sich, mit dem er alle möglichen wilden Tiere so bannen könne, daß sie sich nicht aus der Stelle zu rühren vermöchten.

Es war mir ungelegen, daß mir Einer am Hofe in die Quere kommen sollte, und ich lachte also nur darüber und gedachte, der andere Virtuose solle keine Gewalt über mich haben, da ich mich nur in die Tiere verstellte. Ward aber leider bald das Gegenteil inne. Denn der König war voller Freude, daß sich ein Künstler von ganz andrer Sorte an seinem Hofe hatte melden lassen, befahl uns Beiden sogleich, unsre Künste zu probieren. Um meiner Sache gewiß zu sein, machte ich mich zu einem polnischen Ochsen, in der Meinung, den Künstler auf die Hörner zu nehmen und ihn in der Stube herumzutragen, daß seine Kunst zu Schanden würde. Der wischte aber mit seinem Steine hervor, und bannte mich von Stund' an so fest, daß ich mich nicht von der Stelle rühren konnte.

30.

Ich war sehr böse, daß der Stein so viele Gewalt über mich hatte. Der König rief endlich: Ihr Künstler, von einander! Sogleich nahm er den Bannstein zurück, und nun war ich erst meiner Glieder wieder mächtig.

Ich machte dem Könige recht schiefe Gesichter, und hätte den Fremden gern umbringen mögen; denn ich merkte, daß ihm der König schon mehr zugetan war, als mir selber. Der König sagte: Künstler! ich will Euch Beide an meinem Hofe behalten, mit einem gleichen Gehalte, aber keiner muß dem andern zuwider sein, sondern Ihr müßt nur immer fleißig dahin trachten, wie Ihr mir die Zeit vertreiben wollt. Das ist Euer Hauptaugenmerk, und darum laßt nur allen Neid und Zwiespalt, denn das ist mir zuwider.

Wir versprachen es dem Könige und ergötzten ihn auch wirklich unverdrossen.

31.

Es war nun an dem, daß der König ein großes und kostbares Fest geben wollte, wozu alle Minister und auch die fremden Gesandten eingeladen wurden. Uns Beiden war vorher aufgegeben, die Fremden vollkommen zu erlustrieren, wenn sie erschienen wären. Wir taten es aus allen Kräften, und als die Tafel aufgehoben war, verfügten sich alle in den herrlichen Schloßgarten. Auch hier verwandelte ich mich in unterschiedliche Tiere und wurde dann gebannt; auch wurde ich zu einem schönen Pudel, auf dem der Zauberer herumritt. Alle Menschen gestanden, daß sie noch nie dergleichen gesehn hätten.

Unter andern Denkwürdigkeiten machte ich mich zum Adler und nahm dem obersten Staatsminister die Perücke vom Kopf, mit der ich in der Luft auf eine artliche Weise spielte, sie mir auch selber auf meinen Adlerskopf setzte, und so hin und her flog, worüber ein lautes allgemeines Lachen entstanden, so, daß sich der König, so wie die Übrigen, gewiß rechtschaffen von ihren Regierungsgeschäften erholten.

32.

An dem Tage löste aus meiner Kunst sehr vieles Geld; denn ich sprach den Herren mit meiner Büchse gar fleißig zu. Der Zauberer wurde darüber neidisch und eifersüchtig, was ich aber nicht gleich gewahr wurde.

Verwandelte mich in aller Unschuld in ein wildes Schwein, um die Hoflustbarkeiten fortzusetzen; der neidische Künstler bannte mich, wie immer geschehen war, nahm aber zum Überfluß einen derben Knittel, womit er dermaßen auf mich zuschlug, daß ich fast alle Besinnung verlor.

Lag noch in Ohnmacht und hörte, wie der ganze Hof über mich lachte. Die Wahrheit geht mir nur über Alles, sonst würde dergleichen Abenteuer lieber verheimlichen. Der König insonderheit wollte sich vor Lachen beinahe ausschütten; kurz, es war keiner, der an meinem Unglücke nicht eine innige Ergötzlichkeit genossen hätte.

Ich sahe, daß der Fremde dadurch noch beliebter ward, wurde augenblicklich dadurch und durch die empfangenen Prügel disgustiert, verwandelte mich in eine Fliege und flog nach dem türkischen Hof, wo der Kaiser meines Umgangs so gern hatte teilhaftig werden wollen.

33.

Des türkischen Kaisers Freude läßt sich durchaus nicht beschreiben, als er hörte, daß ich mich nun an seinem Hofe aufhalten wollte. Er fiel mir um den Hals, und kreuzigte und segnete sich vor lauter Entzücken. Mir war es lieb, daß er von meiner Person so viel hielt.

Er schenkte mir sogleich eine Equipage, damit ich beständig um ihn sein könnte, ohne so viel zu Fuß zu laufen. Da es so weit gekommen war, mußte ich ihn in meinem Wagen auf seinen Spazierfahrten, Reisen und Jagden begleiten, damit ich ihn gleich erlustigen könnte, sobald es ihm nur in den Sinn käme. Ich war mit allen diesen Einrichtungen sehr zufrieden.

Nach einiger Zeit wurde beschlossen, eine große Jagd einzurichten, zu der ich ebenfalls eingeladen wurde. Unterwegs vexierte ich die Bedienten auf eine ziemlich sinnreiche Art, indem ich mich bald in einen Vogel, bald in ein wildes Tier verkleidete, und sie so erschreckte.

Auf der Jagd selbst hatte kein sonderliches Glück, welches daher kam, daß ich mit meinem Gewehre immer weit daneben schoß, worüber auch viele Sticheleien von den Bedienten aushalten mußte. Dies ging mir durch die Seele, weil von jeher auf meine Ehre gehalten habe. Der Kaiser verlangte, ich sollte mich als Mensch davon machen und lieber als ein Tier erscheinen, weil er mich so lieber leiden mochte. Gehorsamte auch augenblicklich, und lief als ein Bär im Walde unter den übrigen Tieren herum.

Meine Bereitwilligkeit hätte beinahe zu meinem größten Unglücke ausschlagen können; denn ein Bedienter, der mir nicht sonderlich gewogen war, zielte nach mir, und ich hörte die Kugel dicht vor meinen Ohren vorbei sausen. Das war ein Schreck!

War auch nicht faul, sondern ging gleich in meiner eigenen Person zum Kaiser und klagte ihm diese Niederträchtigkeit. Er war erschrecklich ungehalten; der Bediente gab vor, er hätte gar nicht nach mir geschossen, es sei unbekannterweise geschehn, und es sei nur einem veritabeln Bären zugedacht gewesen. Mußte mich mit dieser kahlen Ausflucht zufrieden stellen, weil es ihm nicht beweisen konnte.

Seitdem wurde etwas bange, mich zu verändern. Der Kaiser befahl aber, daß niemand von seinen Bedienten schießen sollte, er wollte es allein verrichten; sollte sich auch Keiner unterstehn, nur geladen Gewehr zu führen. Worauf mir wieder etwas ein Herz faßte.

34.

Ich machte mich nun zu einem Wolf und spazierte so in den grünen Wald hinein. Es war in der Tat ein angenehmes Wetter, und von jeher bin für schöne Natur empfindlich gewesen. Dachte aber auch daran, nicht bloß so müßig herum zu laufen, sondern Nutzen zu stiften; trieb also alle erschreckten Tiere im Walde meinem gnädigsten Kaiser entgegen, daß er sie desto besser schießen konnte. Die Aufmerksamkeit wurde gut vermerkt und so der ganze Tag zugebracht.

Auf dem Rückwege neckte die Bedienten wieder in unterschiedlichen Gestalten, weshalb mir auch fast alle ziemlich aufsäßig wurden. Doch macht sich ein Mann meinesgleichen niemals etwas daraus, was dergleichen gemeine Bedienten von ihm denken mögen.

35.

Es ist eine Einrichtung des Schicksals, daß die größte Herrlichkeit des Menschen niemalen allzu lange dauert; und das war auch leider mit mir der Fall. War so hübsch dick geworden und mußte bald wieder um so Vieles rückwärts kommen.

Der Kaiser gab allen seinen Bedienten, worunter ich mich diesmal auch mit zählen ließ, einen großen Schmaus. Da war an Wein und allen Eßwaren ein großer Überfluß. Wir ließen es uns Alle herrlich schmecken, sonderlich ich, der ich mich in dieser Gesellschaft für den Vornehmsten hielt. Es kam bald dahin, daß so gut, wie besoffen war, worauf mich denn so gemein machte, unter diesen schlechten Bedienten mit meiner Wurzel allerhand Kunststücke anzustellen. Hätte es dazumal wohl schon überdrüßig sein können.

Die Canaillen merkten sich die Wurzel und als ich nachher in einen tiefen Schlaf verfiel (hatte kaum noch so viel Besinnung, mich wieder zum Menschen zu machen), nahm mir einer von diesen Schurken die Wurzel heimlich weg und warf sie in's Wasser. Liefen darauf nach Hause und ließen mich im Wirtshause schlafen.

36.

Ich erwachte erst am folgenden Mittag und erschrak, daß es schon so spät sei, und daß ich meinen Kaiser in so langer Zeit nicht gesehen hatte. Ich ging nun sogleich an den Hof.

Man saß schon bei der Tafel und der Kaiser hatte schon viele Künste von mir wollen machen lassen, deshalb war er ungehalten, als ich so spät erschien: Ich sollte gleich ein Pferd werden, und war auch willig und bereit dazu; aber ich mochte mich abarbeiten, wie ich wollte, es half nichts, ich blieb immer nur ein Mensch. Erst sah ich mich an, dachte, wäre noch besoffen; da ich aber an meinen Füßen deutlich die Schnallen sah, blieb mir kein Zweifel übrig. Quälte mich von Neuem, aber es wollte durchaus nichts aus mir werden.

Ich suchte in der Tasche, und nun merkte ich, daß mir die Wurzel fehlte. O wie fing ich an zu heulen und zu schreien! Der Kaiser glaubte erst, das sollte eine Kunst vorstellen, und sagte: es wäre gut, ich sollte mich nun aber auch sputen und ein Pferd werden. Worauf ihm denn mein Anliegen entdeckte, daß mir meine Wurzel gestohlen wäre, und fing von Neuem an zu heulen. Nun aber erschrak er und wurde ungehalten. Ich wußte nicht, wo mir der Kopf stand, da ich nicht zum Tier werden konnte.

Einer am Hofe, der mich immer mit Neid angesehn hatte, sagte: meine ganze Kunst sei gewiß nur eitel Blendwerk gewesen und das mit der Wurzel ein leeres Vorgeben. Meine Zeit sei nun aus und ich könne darum nichts mehr machen.

Der Kaiser glaubte, was der Esel sagte, und wurde sehr ergrimmt über mich, daß ich mich bisher unterstanden hätte, ihm einen blauen Dunst vorzumachen, und daß nichts hinter mir sei. Er sagte mir also ohne Weiteres, ich möchte mich aus seinem Schlosse fortscheren und ihm nie wieder unter die Augen kommen. Mit welchen Worten er fortging.

Die Bedienten warfen mich lachend zur Tür hinaus; der Türhüter ergriff sogar die Peitsche, womit er mir meinen Abschied gab, und so gelangte ich Unglückseliger aus der Türkei, die ich mit keinem Auge wieder zu sehen wünschte.


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