Friedrich von der Trenck
Des Freiherrn von der Trenck seltsame Lebensgeschichte
Friedrich von der Trenck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Kapitel

Ich beschuldige den Herrn Kammerpräsidenten nicht, daß er sich selbst direkt in Besitz meiner Güter gesetzt habe, er hat sie mir aber in allen Fällen entrissen und sie seinen Freunden auf solche Art in die Hände gespielt, daß die Staatskasse dennoch bei dem Verkaufe derselben nicht 150 000 fl. gewonnen hat. Ich hingegen verlor aber an innerem Werte samt Mobilien gewiß einundeinehalbe Million und vielleicht ebensoviel an Immobilien.

Nun betrugen die Kauf- und Einschreibegebühren für alle diese großen Güter nur 149 000 fl.; diese wurden zwar von der Kammer an die Trencksche Masse bezahlt, der Herr Präsident aber fand für gut, noch 10 000 weniger als diese Summe für Pakratz zu zahlen, unter dem Vorwande, das Vieh wäre daselbst weggetrieben worden. Er zog auch von diesem Kapital noch andre 36 000 fl. unter folgender himmelschreiender Rubrik ab: Er sagte nämlich, der Trenck habe zur Errichtung seiner Panduren seine Herrschaften entvölkert, und während der Zeit, da er sich mit den Feinden seiner Monarchin so rühmlich herumschlug, wären von diesen Leuten 3600 Mann verlorengegangen und nie zurückgekommen. Folglich müßten dem Lande 30 fl. pro Kopf vergütet werden, und hierzu wollte er den Ueberrest der summa inscriptitia verwenden. Mit vieler Mühe wurde diese Forderung, der man den Namen Slawonische Exzesse beilegte, mit 36 000 fl., also per Kopf mit 10 fl., verglichen.

Ich habe also, obgleich ich vom Pandurenoberst Trenck keinen Heller erbte, dennoch für 3600 Mann, die im Kriege für die große Theresia den Heldentod starben, die für sie so viele Millionen Kontributionen in Feindesländern eintrieben, so viele Städte mit dem Säbel in der Faust erstürmten und so viele tausend Feinde töteten und gefangennahmen, nicht von des Trencks erbeutetem Gelde, sondern von meinen eigenen Familienkapitalien bar bezahlen müssen. Wird man dieses Verfahren wohl im Auslande glauben? Und dennoch kann ich die reine Wahrheit mit Verlust meines Kopfes beweisen.

Von den übrigen Geldern dieses Trenckschen Güterrestes wurden seine Stiftungen und Legate mit 76 000 fl. bezahlt. Es blieben also für mich nur 86 000 fl. vom ganzen Slawonischen Vermögen übrig, wovon man noch die Kommissarien, Administratoren und Rechnungsführer remunerierte.

Indessen ging die Abhandlung der Trenckschen Verlassenschaft im Jahre 1753 zu Ende, und es blieben vom ganzen Reichtum nur noch 76 000 fl. übrig: während meines Magdeburger Gefängnisses wurden hiervon noch 13 000 fl. für anhängig gebliebene Prozesse abgerechnet, folglich blieben mir nur 63 000 fl. übrig; hiermit habe ich im Jahre 1779 die Herrschaft Iwerbach gekauft und noch gegen 6000 fl. für das österreichische Indigenat und Diplome bezahlen müssen.

Aus Verdruß über diese Zustände und Behandlung machte ich eine Reise nach Venedig, Rom und Florenz. Mißvergnügt mit meiner Lage, mit meinem ganzen hiesigen Schicksal, reiste ich sodann nach Ungarn zum Regiment, um dort ein besseres abzuwarten.

Mein Oberst, der Graf Bettoni, war ein rechtschaffener Mann, dessen Vertrauen und Freundschaft ich gleich gewann; ich wurde sein Hauptmitarbeiter, und 1753 gab er im Lager bei Budapest der Monarchin selbst das Zeugnis, ich habe das Meiste zur Ausbildung des Regiments beigetragen.

Die slawonischen Güter blieben aber dennoch verloren, und meine Einkünfte waren nie hinlänglich, die Prozesse in Wien zu bestreiten. Der Diensteifer reizte mich nicht, um materiell zu arbeiten, weil der ganze Verlust meines Vermögens, mein Wohlstand in Rußland und die verächtliche Behandlung in Wien mir stündlich vor dem forschenden Auge der Zukunft schwebte. Ich war also mit vollem Rechte mißvergnügt. Dennoch wurde auch im Soldatenrock mehr als meine Pflicht erfüllt. Die Jagd und der Umgang des Grafen Bettoni waren meine Erholungsstunden. Ich reiste mit ihm im Winter nach Wien, fand aber dort nichts als Verachtung und Gleichgültigkeit, die ich in vollem Gegengewichte erwiderte. Mein Regimentsinhaber, der alte Feldmarschall Cordova, liebte mich; er versprach mir alle seine Protektion, sein hohes Alter ließ mir aber wenig Aussicht für die Zukunft hoffen und da meinen Feinden nunmehr meine Unterdrückung zum Hauptgeschäft wurde, so war ich bei Vorgängen gleichgültig, auch vielleicht nachlässig, die ich hätte ergreifen sollen, auch leicht erhalten können, um näheren Zutritt bei einer Monarchin zu finden, die von eigennützigen Menschen in meinem Falle hintergangen wurde, die mir aber mein Recht sicher hätte widerfahren lassen, wenn es ihr noch zur rechten Zeit beleuchtend vorgetragen worden wäre.

Im März 1754 starb meine Mutter in Preußen.

Ich forderte vom Hofkriegsrat Erlaubnis auf sechs Monate nach Danzig zu reisen, um meine Familienangelegenheiten mit meinen Geschwistern zu vergleichen, weil in Preußen mein Vermögen, folglich auch alle möglichen Erbschaften konfisziert waren. Diese Erlaubnis erfolgte, und ich reiste im Mai nach Danzig.

Ich hatte meine beiden Brüder und Schwestern dahin berufen, um unsere Familiengeschäfte in Ordnung zu bringen. Die Hauptabsicht war aber, eine Reise nach Petersburg zu machen, um dort meiner Freunde Rat und Hilfe zu suchen, weil die Wiener Prozesse und Verfolgungen noch immer fortwüteten und meine wenigen Einkünfte, auch sogar meine Rittmeistergage, kaum hinlänglich waren, um Advokaten und Kosten zu bestreiten.

Besonders merkwürdig ist aber, was mir in der Folge der Herzog Ferdinand von Braunschweig, Gouverneur von Magdeburg, versichert hat, daß er nämlich wirklich bereits Befehl aus Berlin erhalten hatte, mein Gefängnis zu bereiten, ehe ich aus Ungarn abgereist war. Noch mehr! Man hatte aus Wien nach Berlin berichtet: der König möchte auf seiner Hut sein, der Trenck würde sich in der Gegend von Danzig aufhalten, wenn er zum Feldlager nach Preußen zu reisen beschlossen hätte. Kann wohl der ärgste Bösewicht auf Erden solche Bosheit erdichten, um einen redlichen Mann zu entfernen und unglücklich zu machen, damit man den Raub desto sicherer erhalten könne! Niemand hat begreifen können, warum der große und wirklich großmütige König in der Folge auf eine so grausame Art gegen mich verfahren konnte, die das Herz aller Rechtschaffenen empört, und warum er bis zum Grabe gegen mich allein wirklich unversöhnlich blieb.

Böse Menschen, die in Wien mein Gut geteilt hatten, haben in Berlin mit einem gewissen Herrn von Weingarten, der damals bei dem kaiserlichen Gesandten Grafen Puebla als Gesandtschaftssekretär und Hausliebling in Diensten war, im Einvernehmen gestanden und durch ihn mein Unglück befördert.

Eben dieser Weingarten, der wie nunmehr weltkundig ist, alle unsere Staatsgeheimnisse verraten hatte, auch im Jahre 1756 endlich entdeckt wurde, unsere Dienste hingegen mit den preußischen wechselte und bei ausgebrochenem Kriege in Berlin blieb, hat mir damals nicht nur diesen tödlichen Streich versetzt, sondern auch im März 1755, als er noch im vollen Vertrauen in des Gesandten Hause lebte, meiner Schwester Tod verursacht und zwei unschuldige Soldaten unglücklich gemacht, wie ich in der Folge meiner Geschichte noch erzählen werde.

In Danzig besuchten mich nun sogleich nach meiner Ankunft im Monat Mai meine beiden Brüder, auch meine Schwestern. Wir lebten vierzehn Tage vergnügt zusammen, verglichen uns wegen meines mütterlichen Erbteils, meine Schwester rechtfertigte sich auch vollkommen wegen ihres Betragens, da ich im Jahre 1746 Hilfe bei ihr suchte und aus ihrem Hause fliehen mußte, und wir schieden brüderlich einträchtig voneinander.

Inzwischen war unsere einzige Bekanntschaft in Danzig der kaiserliche Resident Herr Abramson, an den ich aus Wien Empfehlungsschreiben mitgebracht hatte, und der uns mit Höflichkeit fast verschwenderisch überhäufte. Dieser Mann war ein geborener Preuße und in seinem ganzen Leben nie in Wien gewesen, hatte aber durch Empfehlung des Grafen Bestuscheff unsere kaiserliche Residentenstelle in Danzig erhalten, ohne daß man Bürgschaft für seine Rechtschaffenheit gesucht, noch seine Fähigkeit, Herz oder Verdienst geprüft hatte. Er war eigentlich das Werkzeug meines Unglücks, und mit dem preußischen Residenten Reimer genau verstanden.

Kaum waren meine Geschwister nach Hause gereist, so war ich entschlossen, sogleich zur See nach Rußland zu fahren, um dort meine alten Freunde zu besuchen; Abramson hingegen wußte mich durch tausend Ränke noch acht Tage in Danzig aufzuhalten, um die Falle für mich fertig zu machen, in die ich gestürzt werden sollte, wozu er mit Reimer gemeinschaftlich mitwirkte. Denn da der König von Preußen meine Auslieferung vom Danziger Magistrate forderte, dieses aber ohne Beleidigung des kaiserlichen Hofes unmöglich geschehen konnte, weil ich als wirklicher Rittmeister in dessen Diensten stand, auch mit hofkriegsrätlichen und Staatskanzlei-Pässen versehen war, so hat vielleicht eine oder die andere Einwendung das Hin- und Herschreiben erfordert, das den Entschluß verzögerte; und eben deshalb wurde Abramson gebraucht, um mich noch einige Tage aufzuhalten, bis die letzte Entscheidung aus Berlin eintraf, und der Magistrat in Danzig zu offenbarer Verletzung des Völkerrechts und der öffentlichen Sicherheit bewogen wurde.

Weil ich nun ein solches Verfahren unmöglich vermuten konnte und in stolzer Sicherheit lebte, auch Herrn Abramson für meinen besten Freund hielt, so war es ihm desto leichter, mich noch einige Tage in Danzig aufzuhalten.

Endlich rückte aber doch der Tag heran, da ich mit einem eben nach Riga segelfertigen schwedischen Schiffe abreisen wollte; mein Schicksal hatte aber etwas anderes beschlossen, Abramson betrog mich; er schickte seine Leute auf die Reede, um die Zeit der Abfahrt zu erfahren; ich verließ mich auf seine Antwort – um vier Uhr nachmittags sagte er mir, er habe selbst den Schiffer gesprochen, der erst am folgenden Tage in die See gehen werde, und dann wollte er mich nach eingenommenem Frühstück in seinem Hause bis an Bord begleiten. Ich wollte dennoch meine Bagage an das Schiff bringen lassen, und auf demselben schlafen, weil ich eine gewisse innere Unruhe in mir empfand, die mich von Danzig forttrieb; hiervor hielt er mich zurück, riß mich halb gewaltsam mit sich; die Gesellschaft war bei ihm groß und angenehm, ich mußte bei ihm zu Mittag essen, auch soupieren, und gegen elf Uhr ging ich nach Hause.

Kaum war ich im Bette, hatte ein Buch vor mir und las, so klopfte man an meine Tür, die nicht verschlossen war, und zwei Kommissare der Stadt, von mehr als zwanzig Grenadieren begleitet, traten so geschwind um mein Bett herum, daß ich keine Zeit mehr hatte, nach dem Gewehr zu greifen, oder mich zu verteidigen. Meine drei rechtschaffenen Bedienten, die ich bei mir hatte, waren bereits arretiert, um mir nicht zu Hilfe zu kommen, und es wurde mir bedeutet: »Der löbliche Magistrat sei genötigt, mich als einen Deliquenten Seiner Majestät dem Könige von Preußen auszuliefern.«

Man kann sich vorstellen, wie mir in diesem Augenblick unter Verrätershänden zumute war. Man führte mich ganz in der Stille in das Gefängnis der Stadt. Dort blieb ich vierundzwanzig Stunden; gegen Mittag kam der kaiserliche Resident Abramson zu mir, stellte sich bestürzt, mitleidig und aufgebracht, kündigte mir an, er habe bei dem Magistrate gegen meine Auslieferung ernsthaft protestiert, weil ich wirklich in kaiserlichen Diensten stände, aber zur Antwort erhalten: Man habe im Jahre 1752 in Wien gar keine Achtung für die zwei Danziger Bürgermeistersöhne namens Rutenberg gehabt, folglich bediene man sich in meinem Falle gerechter Repressalien mit einem kaiserlichen Rittmeister, und könne auch dem Könige von Preußen meine mit äußerstem Ernst und Bedrohung geforderte Auslieferung nicht abschlagen.

Herr Abramson, der im Grunde gar nichts für mich, noch seine Pflicht getan, gar nicht protestiert hatte, sondern vielmehr bestochen und gemeinschaftlich mit dem preußischen Residenten als mein Seelenverkäufer mitwirkte, riet mir nun, ich sollte ihm meine Schreibtafel und Pretiosen anvertrauen, weil man mir ohnedies alles abnehmen würde. Er wußte, daß ich von meinen Geschwistern gegen 7000 fl. in Wechselbriefen empfangen hatte. Diese übergab ich ihm, behielt aber meine Ringe, die allein bei 4000 fl. wert waren, und ungefähr sechzig Louisdor im Beutel. Er umarmte mich, versprach noch alles zu tun, ja sogar Anstalten zu treffen, daß der Pöbel meine Auslieferung verhindern sollte, die ohnedies erst binnen acht Tagen erfolgen könnte, weil der Magistrat selbst noch unentschieden über einen so wichtigen Schritt wäre, und ging, Krokodiltränen weinend, als mein bester Freund davon.

In der folgenden Nacht traten zwei Kommissare von der Stadt nebst dem preußischen Residenten Reimer und einer Häscherschar in das Zimmer, ein preußischer Offizier nebst etlichen Unteroffizieren war dabei, und ich wurde von der Stadt ihnen förmlich übergeben.

Hierauf ging sogleich das Plündern an. Reimer riß mir die Ringe vom Finger, nahm mir die Uhr, Tabatiere und alles weg, was ich hatte. Man gab mir weder einen Rock, noch Hemd von meiner Ausrüstung mit, und führte mich in eine überall geschlossene Kutsche, in die drei Preußen mit mir einstiegen. Ein Kommando Danziger Miliz umringte den Wagen, und so führte man mich bis an das Tor. Dieses wurde geöffnet, und vor demselben empfing mich ein Haufen Stadtdragoner, die den Wagen bis Lauenburg an die pommersche Grenze begleiteten, der so schnell als möglich vorwärts getrieben wurde und mit vier Postpferden bespannt war.

In Lauenburg empfing mich ein preußisches Husarenkommando von 30 Pferden mit einem Leutnant, und so wurde ich von Garnison zu Garnison bis Berlin transportiert.

Der Transport ging von einer Garnison zur andern, zwei bis drei, auch höchstens fünf Meilen. In allen Städten, wo ich eintraf, fand ich Mitleid, Menschenliebe und alle mögliche Achtung. Nur zwei Tage dauerte die Husarenbedeckung mit einem Offizier im Wagen und zwölf Mann um denselben. Am vierten Tage kam ich nach N. N., wo der Herzog von Württemberg, Vater der gegenwärtigen Großfürstin von Rußland, kommandierte und seines Regimentes Standquartiere anfingen. Dieser Herr ließ sich mit mir in Unterredung ein, ward gerührt und behielt mich zur Tafel, auch den ganzen Tag in seiner Gesellschaft, wo ich gar nicht als Arrestant behandelt wurde. Er ließ mich sogar, da ich seinen Beifall gewann, Rasttag machen, den ich gleichfalls in seinem Hause zubrachte, wo alles versammelt war, und die Herzogin, die erst vor kurzem geheiratet hatte, mir alle mögliche Gnade, Mitleid und Achtung bezeigte. Auch den dritten Tag blieb ich noch bei seiner Tafel. Erst nachmittags stieg ich nebst einem Leutnant seines Regiments in einen offenen Wagen und ward ohne alle Bedeckung von ihm allein weiter transportiert.

Ich habe erst in der Folge bemerkt, daß der großmütige Herzog von Württemberg mir Gelegenheit zur Flucht geben wollte und deshalb ganz besondere Befehle an seine Offiziere gegeben haben mußte. Er hätte vielleicht gerne einen Verweis vom König erlitten, wenn ich die Gelegenheit benutzte, mich durch die Flucht auf diesem Transport zu retten. Fünf Tage dauerte die Reise durch die Gegenden, wo sein Regiment in Garnison stand, und überall blieb ich über Nacht in der Offiziersgesellschaft, die mich mit Freundschaft und Menschenliebe überhäufte. Ich wurde gar nicht bewacht, schlief in ihren Quartieren und fuhr mit ihren Equipagen ohne andre Bedeckung als mit dem Offizier selbst im Wagen.

An den meisten Orten geht die Poststraße kaum eine oder drei Meilen von der Landstraße vorbei; nichts wäre leichter gewesen, als mich zu retten und zu fliehen. Ich war aber mit Blindheit geschlagen, und derselbe Trenck, der sich in Glatz durch 30 Mann durchschlug, um seine Freiheit zu behaupten, der niemals empfunden hat, was Furcht ist, blieb hier vier Tage lang unentschieden . . .

Ich kam in die Garnison eines kleinen Städtchens, wo ein Rittmeister kommandierte. Bei diesem logierte ich im Hause ohne Schildwache. Er tat alles, mich mit Höflichkeit und Freundschaft zu überhäufen. Nachmittags ritt er gar mit der Eskadron aus, wie die Preußen gewohnt sind, ohne Sättel auf Decken vor dem Tore spazierenzureiten. Ich blieb ganz allein im Hause zurück, ging in den Stall, daselbst standen noch drei Pferde, die Sättel und Zäume hingen dabei. Im Zimmer waren Pistolen, Degen und Gewehre. Ich durfte nur aufsitzen und zum andern Tore hinausreiten. Ich machte Betrachtungen; wollte mich entschließen, und ein geheimer Zug machte mich unentschlossen, kurz gesagt, der Rittmeister kam nach Hause und schien verwundert, als er mich noch da fand.

Tags darauf fuhr er mit mir ganz allein weiter mit seiner eigenen Equipage. Unterwegs hielt er sogar in einem Walde still, sah einige Champignons oder Schwämme und hieß mich aus dem Wagen steigen, um sie zu suchen und mitzunehmen. Hier entfernte er sich wohl 100 Schritte von mir und ließ mir offenbar Gelegenheit zur Flucht, und dennoch fuhr ich mit ihm weiter und ließ mich wie ein Schaf zur Schlachtbank schleppen.

Weil ich mich so gut behandelt und so unvorsichtig eskortiert sah, machten sich meine Begriffe ein blindes Gaukelspiel. Ich bildete mir ein, daß, da der Transport gerade nach Berlin ging, mich der König sprechen würde, weil ich ihm damals recht viel von dem bevorstehenden Plane des angezettelten Siebenjährigen Krieges hätte sagen können, indem das ganze Geheimnis durch die Bestuscheffsche Korrespondenz vor meinen Augen aufgedeckt war, und daß ich diese Korrespondenz führte, war in Berlin besser bekannt, als in Wien. Deshalb glaubte ich nicht, daß ich in Berlin unglücklich sein würde, und blieb wirklich mit Blindheit geschlagen. Doch ach! Wie verwandelte sich meine Hoffnung, mein Traumgebilde in Schrecken und Verwirrung, als ich am vierten Tage aus den Standquartieren der württembergischen Dragoner der ersten Infanteriegarnison in Köslin übergeben wurde. Der letzte Offizier von der württembergischen Eskorte verließ mich mit Wehmut, und nunmehr wurde ich dem buchstäblichen Befehl gemäß mit starker Bedeckung und aller möglichen Vorsicht bis Berlin geführt.

In Berlin erhielt ich ein Zimmer über der Hauptwache auf dem Neumarkt mit zwei Schildwachen bei mir und einer vor der Türe. Der König war in Potsdam. In diesem Zustande verblieb ich drei Tage. Am dritten traten einige Stabsoffiziere herein, setzten sich um einen Tisch und stellten mir Fragen. Sobald ich aber merkte, wo man hinaus wollte, gab ich auf alle Fragen gar keine Antwort. Ich sagte nur: Ich sei im Jahre 1745 ohne Verhör noch Kriegsrecht auf die Festung Glatz verurteilt worden, wo ich mir, dem Naturgesetze gemäß, eigenmächtig meine Freiheit verschafft hätte. Jetzt diente ich als Rittmeister der Kaiserin Maria Theresia. Ich bäte nunmehr um ein ordentliches Verhör über die Ursache meines Unglücks im Vaterlande, dann würde ich alle Fragen beantworten und mich rechtfertigen. Ich blieb also stumm, und antwortete nichts mehr, weil man mir sagte: Man habe hierzu keine Order.

Man schrieb noch über zwei Stunden, Gott weiß was. Dann kam ein Wagen vor die Tür, – man visitierte mich am ganzen Leibe, ob ich etwa Gewehre bei mir hätte, nahm mir ungefähr 13 oder 14 Dukaten ab, die ich noch versteckt hatte, und mit starker Bedeckung wurde ich über Spandau nach Magdeburg gebracht. Hier überlieferte mich der Offizier dem Kapitän von der Hauptwache auf der Zitadelle. Gleich erschien der Platzmajor und führte mich in das mir bestimmte Gefängnis, das bereits für mich zugerichtet war. Man nahm mir hier meine Uhr ab und ein kleines in Brillanten gefaßtes Porträt meiner Freundin aus Petersburg, das ich auf dem bloßen Leibe versteckt hatte, und schloß die Tür hinter mir zu.



 << zurück weiter >>