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Der gefangenen Gräfin
Leonorae Christinae
Leidens-Gedächtniss.

.

Vorrede

An meine Kinder.


.Ertzliebe Kinder! Wol kann ich mit Hiob sagen: Wenn man meinen Jammer wöge und mein Leiden zusammen auff eine Wage legte, so würde es schwerer seyn denn Sand am Meer. Ja gewiß waren meine Leiden groß und ihrer sind viel, sie waren schwer und unzählbar. Lange bin ich in meinem Sinn über diese Leidens-Geschichte mit mir uneins gewesen, da ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich nicht eher darnach trachten sollte, meine Leiden zu vergessen als mich ihrer zu erinnern. Doch endlich haben dringende Ursachen mich getrieben, nicht allein meines Jammers mich zu erinnern, sondern ihn auch mit der Feder fest zu halten und für Euch, meine lieben Kinder, nieder zu schreiben. Da ich itzt hoffen kann, daß meine Schriften Euch zu Handen kommen; meine Gefangenschafft ist in diesen drei letzten Jahren sehr viel leichter.

Erste dringende Ursach ist die Erinnerung an Gottes Allmacht, denn ich kann meinen Jammer und Schmertz, meine Angst und Noth nicht in's Gedächtniß zurück rufen, ohne mich zugleich der Allmacht Gottes zu erinnern, der in allen meinen Leiden, meinem Elend, meiner Herzenssorge und Betrübniß auch meine Krafft und Hülffe, mein Trost und Beystand gewesen ist; denn jeweilen Gott mir eine Bürde auferlegt hatte, gab er mir auch nach der Bürde Last die Stärcke, so daß die Bürde mich wol niederbeugte, mich hart drückte und zwängte, aber durchaus nicht niederwarff, erdrückte und zermalmte, wofür der Allmacht des unbegreiflichen Gottes sey Lob und Preis in Ewigkeit. Will mich also nicht allein meines Jammers erinnern und Gott für seinen gnädigen Beystand in allen mir widerfahrenen Zufällen dancken, sondern auch Euch, meinen lieben Kindern, Gottes Güte gegen mich kund thun, auff daß Ihr nicht nur des Allmächtigen un-begreiffliche Hülffskrafft bewundern, sondern auch mit mir in den Danck dafür einstimmen könnt. Denn mit Fug sollt Ihr sagen können, daß Gott wunderliche Dinge mir hat widerfahren lassen; daß er mächtig in mir Schwachen war und seine Krafft in mir, dem allergebrechlichsten Werckzeug, erwiesen hat. Denn wie wäre es sonst möglich gewesen, daß ich so vielen großen, plötzlichen und un-vermutheten, un-glücklichen Zufällen hätte widerstehen können, wenn nicht sein Geist in mir seine Krafft gewirkt hätte? Gott war es, der selbst mit mir in die Thurmthür trat, er war es, der mir seine Hand reichte und für mich stritt im Gefängniß der Missethäter, so die Dunckle Kirche genannt wird. Er war seitdem stets, nun fast elff Jahre, innerhalb der Thür meines Gefängnisses und meines Hertzens, hat mich gestärkt, getröstet, erquickt, ja offt sogar erfreuet. Gott hat wunderliche Dinge an mir gethan, denn das ist mehr als un-begreifflich, daß ich die großen mir widerfahrenen Unglücksfälle habe überleben können und darbey meine Vernunfft, meinen Sinn und Verstand behalten habe. Darüber mag man sich höchlichst verwundern, daß meine Glieder nicht krummb und contract sind von liegen und sitzen, daß meine Augen nicht matt, ja gantz blind worden sind von weinen, von Rauch und Schmauch, daß ich nicht kurtzathmig bin von eitel Kertzen-Qualm und Dunst, von Stanck und beklommener Lufft. Gott allein die Ehre!

Die andere dringende Ursach ist der Trost, den Ihr, meine lieben Kinder, haben werdet, sintemal Ihr durch diese Leidens-Geschichte versichert seyd, daß ich unschuldig leide, daß ich nicht der geringsten Sache überwiesen und keiner Schuld geziehen bin, vor der Ihr, meine lieben Kinder, zu erröthen oder die Augen in Schande nieder zu schlagen braucht. Ich leide dafür, von einem tugendsamen Herrn und Gatten geliebt worden zu seyn und ihn im Unglück nicht verlassen zu haben; werde susspicirt, von einer Verrätherey zu wissen, über die man niemals mit ihm gesprochen, noch weniger ihn der selbigen überwiesen hat, welcher Beschuldigung Ursache mir nie erkläret ward, so demüthig und wehmüthig ich solches auch begehrte. Laßt es Euer Trost seyn, meine lieben Kinder, daß ich einen gnädigen Gott, ein gutes Gewissen und einen freyen Fuß habe, auff dem ich stehen kann, daß ich niemals eine schimpffliche That beging. Das ist Gnade bey Gott, sagt der Apostel St. Peter, wenn einer böses leidet umb eines guten Gewissens willen und Unrecht erduldet. Ich leide, Gott sey die Ehre! nicht für meine Missethaten, denn da wäre es mir keinerley Ruhm, doch kann ich mich rühmen, von Jugend auff Christi Kreutzträgerin gewesen zu seyn, und hatte un-glaubliche stille Leiden, die für meine Jahre und mein Alter wol schwer zu tragen waren.

Obwol meine Leidens-Geschichte nichts weiter enthält oder meldet, als was in diesem Gefängniß mit mir in elff Jahren sich zugetragen hat AdÜ Die Vorrede wurde am 18. Juli 1674 geschrieben, d. i. nach elf Jahren Gefangenschaft; die letztere dauerte jedoch bis 19. Mai 1685., so darff ich doch nicht versäumen, Euch, meinen lieben Kindern, meine früheren Leiden kurtz in's Gedächtniß zurück zu rufen, indem ich Gott dancke, daß sie überstanden sind.

Ihr, meine hertzlieben Kinder, nicht allein wißt es, sondern es ist im gantzen Lande bekannt, welch große Leiden und nachfolgenden Mißgeschicke Dina und Walter mit ihrem mächtigen Anhang unserem Haus Anno 1651 zufügten.

Wenn ich auch nichts von so vielen muthigen und beschwerlichen Reisen, von See-Noth und mancherley Fährlichkeiten melde, die ich in fremden Ländern ausstand, so will ich doch die einzige Reise Euch zu Gemüthe führen, welche mein Herr gegen meinen Sinn mir befahl, Anno 1657 in Dänemarck zu unternehmen. Es war Winter Tag, beschwerlich und gefahrvoll. Ich litt Spott und Verfolgung, und hätte Gott mir nicht Muth gegeben und ihn denen genommen, die mich greiffen sollten, so wäre ich zu jener Zeit dem Unglück der Gefangenschafft nicht entronnen.

Es ist Euch wol erinnerlich, meine lieben Kinder, was ich in dem Arrest zu Malmö während vierzehn Monaten litt und ausstand; wie die größte Gnade, welche Se. königl. Majt. von Schweden, König Carl der zehnte, mir damals erwies, war, daß er es meiner Willkür anheim stellte, entweder auff freiem Fuß zu bleiben, und für unser Hab und Gut Sorge zu tragen, oder mit meinem Herrn arrestirt zu seyn. Ich erkannte die Gnade und wählte das letztere als meine Schuldigkeit, indem ich als ein Glück erachtete, daß ich meinen sorgenvollen und später von Kranckheit gequälten Gatten trösten und ihm dienen durffte. Ich nahm es auch als Gnade an, daß mir zugestanden ward, (da mein Herr vor Schwachheit nicht selber konnte), für ihn vor Gericht zu gehen. Welche Hertzenssorge und Betrübniß ich für meinen gebrechlichen Herrn hatte, welche Mühe, Beschwerde und Kümmerniß der Proceß (so über neun Wochen täglich betrieben ward) mir verursachte, das weiß der allerhöchste Gott, welcher mein Trost und Beystand und meine Stärcke war, welcher mir Muth und Hertz gab, vor denen Richtern meines Herrn ehrlichen Namen zu vertheidigen.

Ihr werdet wol nicht vergessen haben, wie schnell ein Unglück dem andern folgte, wie ein Leiden noch nicht vorüber war, als schon ein weit größeres ihm die Hand reichte; auch ging es uns damals, wie der Poët sagt: Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charibdin. Wir entgingen einem Arrest und fielen in harte Gefangenschafft, ohne Zweiffel durch Gottes Schickung, der meinen Herrn (gegen unsere Verabredung) den Gedancken eingab, sich nach Copenhagen anstatt nach Lübeck zu verfügen. Wie hertzbeklommen mir ward, als ich wider alle Vermuthung meinen Herrn in Copenhagen traf, (welchen ich der Macht und Gewalt aller seiner Feinde entkommen wähnte), das kann ich mit keiner Feder beschreiben. Ich erwartete das jenige, was mein Herr nicht glaubte, doch ungesäumt darauff erfolgte, und ein Arrest war; und wurden wir den zweyten Tag nach meiner Ankunfft gefangen genommen und nach Bornholm geführt, woselbst wir siebzehn Monat hart gefangen saßen. Was ich dort litt, dar von habe ich eine vollkommene Beschreibung gemacht, welche sich, wie ich vermuthe, in Euerer, meiner lieben Kinder, Verwahrung befindet, und aus welcher Ihr seht, was ich und mein schwacher Herr ausstanden, wie offt ich größeres Unglück abwehrte, indem mein Herr nicht allzeit mit Geduldt des Gouverneuren, Adolff Fossis (der sich Fux nannte), böses Tractament verschmertzen konnte. Schwer und hart war es, von eines Bawern Sohn verspottet und gehöhnet zu werden, von ihm Hunger zu erdulden, bedroht und geängstigt zu seyn, aber schwerer noch und härter war es, unter seiner Gewalt kranck zu seyn und von ihm die Worte zu hören, daß, wenn mir auch der Tod auff den Lippen säße, doch kein Diener des Wortes Gottes zu mir kommen sollte. O große Tyranney! Seine Bosheit war so über alle Maßen groß, daß er nicht leiden konnte, daß wir einander das Kreutz erleichterten, weßhalb er es denn so veranstaltete, daß man uns nach Verlauff von elff Monaten von einander schied, und jedes besonders auff das härteste gefangen setzte. Mein Herr (so damals schon ein alter Mann war) ohne Diener, und ich, ohne Dienerin, erhielten nicht länger Licht als die Abend-Mahlzeit währte. Ich kann nicht unterlassen, die sechs Monat lange, harte Trennung und den betrübenden Abscheidt, den wir von einander nahmen, schmertzlich in mein Gedächtniß zurück zu rufen; denn für menschliche Augen sah es nicht anders aus, als wie der Gouverneur es uns ankündigte, nemlich daß wir uns zum letzten Mal hier auff der Welt sehen und sprechen würden. Gott weiß am besten, wie schwer die Leiden waren, denn er war es, der tröstete, der wider alle Erwartung Hoffnung gab, der Muth verlieh, als der Gouverneur mich besuchte und mir übeln Trost geben wollte. Gott bestätigte meine Hoffnung, Güter und Vermögen lösten unsere Gefangenschafft, und wir bekamen einander wieder zu sehen und zu sprechen. So betrübt mein Herr war, als wir auff Borringholm von einander getrennt wurden, so fröhlich war er, als er mich zwey Jahre später zu der englischen Reise überredete, nicht denckend, daß diese uns auff immer scheiden sollte. Mein Herr, so eine allzu gute Opinion von dem König von Engeland AdÜCarl II. war ziemlich nahe verwandt mit Leonora Christinen. Christian's IV. Schwester Anna war die Gemalin Jacob's I., die Mutter Carl's I. hegte, meinte, daß er itzt, da er auff den Thron gekommen, nicht allein seiner großen mündlichen und schriftlichen Versprechen gedencken, sondern sich auch erinnern werde, wie ich zur Zeit seiner Noth und Landflüchtigkeit die Ringe von den Fingern zog und sie für seine und seiner Diener Mahlzeiten hergab. Aber wie ungerne ich die Reise unternahm, das ist einigen von Euch, meinen lieben Kindern, bekannt, da ich wohl wußte, daß von einem Undanckbaren nichts anders als Undanck zu holen und zu erwarten sey. Ich hatte die Exempel anderer, umb mich darin zu spiegeln, aber es war mir so zugedacht. Da waren bittere Stücke Brod für mich zugeschnitten, und bittere Kreutz-Galle für mich eingeschencket drinnen im Blawen Thurm auff Copenhagens Schloß; dahin mußte ich, umb es dort zu essen und aus zu trincken.

Es ist Euch nicht unbekannt, wie fälschlich der König von Engeland gegen mich handelte, wie gut er mich bei meinem Kommen empfing, wie er mich mit einem Judas-Kuß begrüßte und seinen Finken titulirte, wie sowol er selbst als auch seine hohen Ministri alle königl. Gunst und Gnade zusicherten und mir für die vorgestreckten Gelder Bezahlung gelobten. Ihr wisset, wie hinterlistig er (auff Begehren Sr. königl. Majt. von Dänemarck) mich zu Dovers arrestiren und mir später durch den Verräther Lutenant Braten weißmachen ließ, daß er mich heimlich wolle entkommen lassen, indem er mich dadurch in des dänischen Residenten, Simon Petcons, Hände liefferte, der mich von acht bewaffneten Männern anfallen ließ; selbst hielt er sich in der Ferne und wagte nicht, mir nahe zu kommen. Sie setzten mir Degen und Pistoll auff die Brust, und zween nahmen mich zwischen sich und setzten mich in ein Boot, welches mich nach einem Schiff führte, das vorbem. Resident bereit hielt, und hatte einem Kerl mit Namen Peter Dreyer befohlen, mich nach Copenhagen zu geleitten.

Von hier aus hat diese Leidens-Geschichte ihren Anfang. Sie meldet darvon, was mir innerhalb der Thür des Blawen Thurmes begegnet ist. Bedencket, meine hertzlieben Kinder, diese harten Leiden; erinnert Euch aber auch Gottes großer Güte gegen mich. Sehet: aus sechs Trübsalen hat er mich befreyet; seyd nu sicher, daß er mich in der siebenten nicht wird stecken oder umbkommen lassen. Nein! er wird der Ehre seines Namens halber gewaltig mich heraus reißen.

Meiner Leiden Erzählung ist betrübend zu hören und kann die allerhärtesten Hertzen zu Mitleid bewegen; doch lasset deren Lesen Euch nicht höher betrüben, als daß die Freude nicht dargegen überwiegen könne. Betrachtet meine Un-schuld, Freimüthigkeit und Geduldt; frewet Euch darüber.

Viele kleine Widerwärtigkeit und manch täglichen Verdruß habe ich der Weitläuffigkeit wegen übergangen, obwol der geringste darvon hart in der Wunde meiner schmertzlichen Betrübniß brannte.

Ich bekenne meine Schwachheiten und hege keine Scheu, sie Euch zu erzählen. Ich bin ein Mensch und voll menschlicher Gebrechen. Die ersten Bewegungen stehen nicht in unserer Macht, man wird offt übereilt, ehe man sich besinnen kann. Gott weiß, daß ich mich offt taub und blindt gemacht habe, umb nicht von Zorn hingerissen zu werden. Ich schäme mich, Schloßvoigt Johan Jaegers, Kresten Maansen Thurmwächters, Karen Ollis' Tochter AdÜd. i. Karen, die Tochter des Ole. Diese Benennung der Kinder nach dem Taufnamen des Vaters war zu der Zeit und später in Dänemark gebräuchlich, hat sich aber bei den Töchtern nicht so lange erhalten, wie bei den Söhnen, z. B. Kresten Maansen, nämlich Christian Mogensen, d. i. der Sohn des Mogens. Man findet auch die Beschäftigung des Mannes dem Namen angehängt: Kresten Maansen Thurmwächter, sowie weiter unten Peter Kutscher. und Catharina Wolffs unzüchtige Worte, schmutzige Reden und grobe Plumpheiten anzuführen und auff zu zählen; das würde höfliche Ohren all zu sehr lediren. Doch kann ich Euch versichern, es übersteigt alles, was unziemblich, schmutzig, tölpisch und un-schicklich seyn kann; denn grobe Worte und faulle Reden waren das Zeichen ihrer Freundlichkeit und Milde, und blutige Flüche der Schmuck und die Zierde ihrer Unwahrhafftigkeit, so daß ihr Umbgang mir sehr un-angenehm war. Ich war nie froher, als wenn die Thür zwischen mir und denen geschlossen war, die sie schließen sollten; dann hatte ich nur das Weyb allein, welches ich bald in gutem, bald in bösem und mit Drohungen zum schweigen brachte.

Ich habe auch guten Umbgang gefunden und habe ihn noch; der Dienste und Höflichkeiten erinnere ich mich billigerweise und will derselben, so lang ich lebe, gedencken. Ihr, meine lieben Kinder, wollet dessen auch nach Möglichkeit erkenntlich seyn. C

Ihr findet auch in dieser Leidens-Geschichte zween der Haupt-Feinde unseres Hauses, nämlich Jörgen Walter und Jörgen Skröder AdÜDas ist wol ein Irrthum, denn Jörgen Skröder, von dem man auch nicht weiß, daß er der Ulfeldt'schen Familie Feindschaft erwiesen hat, wird in dem Manuscript Leonora Christinens nicht weiter erwähnt., an denen Gott mich gerächt hat und wollte, daß sie zu mir kamen, und ich sie sollte trösten und erquicken. Walter gibt mir Anlaß, daß ich etwas mehr, als mein Vorsatz war, über ihn vermelde.

Von denen Psalmen und geistlichen Liedern, die ich componiret und translatirt habe, erwähne ich nur einige zu dem Zweck, daß Ihr, meine lieben Kinder, sehen und erkennen mögt, wie ich mich stets fest zu Gott gehalten habe, welcher meine Mauer gegen jeden Anlauff war und noch ist und meine Zuflucht bei jeder Art Mißgeschick und Widerwärtigkeit. Gebet nicht Acht auff die Reime; sie sind nicht nach allen Regeln, welche die Poëten sich machen; aber gebet Acht auff die Materie, den Sinn und Nutzen. Ich habe auch meinen anderen kleinen Zeitvertreib nicht unerwähnt lassen wollen, denn daraus könnet Ihr meines Gemüthes Ruhe erkennen und sehen, daß ich keine müßige Stunden habe, ja daß sogar eine (für andere abscheuliche) Ratze mir zur Kurtzweil diente. AdÜNach diesem Absatz kommt folgendes Stück, das jedoch später ausgestrichen wurde: – Zwei Observationen habe ich verzeichnet. Obwol sie geringe und verächtliche Thiere betreffen, so sind sie doch merkwürdig, und zweifle ich, daß sie von irgend einem naturkundigen früher sind beobachtet worden. Denn daß es eine Art Raupen gibt, die lebende kleine Raupen gebären und ebensolche, wie sie selbst, glaube ich nicht, daß früher ist notirt worden. Noch weniger, daß ein Floh einen fertigen Floh gebiert und nicht eine Nisse von einer Nisse kommt.

Zum Schluß bitte ich Euch, meine hertzlieben Kinder, es möge Euch nicht wunderlich fürkommen, daß ich nicht die Gelegenheit benutzen wollte, durch welche ich hätte zu meiner Freyheit kommen können. Wenn Ihr es recht bedenckt, so wäre solches weder Euch noch mir dienlich gewesen. Ich bekenne, daß, wenn mein Herr, selig bey Gott, am Leben gewesen wäre, ich dann nicht allein das Anerbiethen entgegengenommen, sondern auch mein Aeusserstes gethan hätte, dem Gefängniß zu entkommen, umb ihn auffzusuchen, seiner bis zum letzten Athem-Zug zu warten und ihm zu dienen; meine Schuldigkeit hätte dieses verlangt. Doch sintemal er damals schon bey Gott war in Ruhe und Frieden und keines Menschen Dienste mehr bedurffte, so habe ich billigerweise erachtet, daß die selbstgenommene Freyheit uns nach allen Seiten mehr zu Schaden als nützlich gewesen wäre, und daß dieses nicht der Weg sey, zu unserem uns genommenen Vermögen zu gelangen, weßhalb ich denselben ausschlug und statt dessen suchte, mein Hertz zur Ruhe zu schicken und das mir auferlegte Kreutz geduldig zu tragen. Will Gott es so fügen, und liegt es in seinem göttlichen Willen, daß ich durch königliche Gnade meine Freyheit erlangen soll, so werde ich auch mit Freude nach besten Kräfften für Euch, meine hertzlieben Kinder, sorgen und durch die That beweisen, daß ich nie von meiner Pflicht weiche, daß ich nicht minder eine gute und rechtschaffene Mutter bin, als ich eine getreue Gattinn war. AdÜNach dem Schluß des ersten Satzes – als ich eine getreue Gattin war – kommt folgende Stelle, die später ausgestrichen ist: – Inzwischen lasset Gottes Wille Euer Wille sein, er wird alle Dinge so wenden, fügen und machen, daß es Euch und mir vor Leib und Seele nützlich sey; unter seinen sichern Schutz will ich Euch Alle getroßt befehlen und ihn bitten, daß er Euer Vater und Euere Mutter, Euer Rathgeber und Geleitsmann sein möge. Bittet Ihr dagegen für mich, daß Gott mit seinem guten Geist mich regieren und fürderhin wie bisher mir Geduldigkeit vergönnen möge. Das ist Alles, um was Euch bittet,

  Geschrieben im Blawen Thurm
  Anno 1674 den 18 Julii, meines
  Gefängnisses elftem Jahr, meines
  Geburtstags und Alters 53. Jahr.

  Meine hertzlieben Kinder,
  Eure holde Mutter
  Leonora Christina
  V. E. G.


Ich gedencke auch mit allergrößter unterthäniger Dancksagung unseres allergnädigsten Erb-Königs Gnade gegen mich, gleich nachdem Königl. Majt. zur Regierung kam.

Desgleichen gedencke ich unserer allergnädigsten Regierungs-Königinn und Ihr. Durchleuchtigkeit der Chur-Fürstinn von Saxens Mitleid über mein un-glückliches Geschick; dann auch Ihr. Majt. der Königinn besonderer Gnade.

Ich habe auch nicht vergessen, mit gebührender Schuldigkeit Ihr. Majt. der Königinn Frau Mutter, der tugendsamen Landt-Gräffinn von Hessens, Gnade gegen mich zu gedencken.

Habe auch unterschiedliches verzeichnet, was sich während der Zeit von Anno 1663 bis Anno 1674, in meinem Gefängniß zugetragen hat, in der Meinung, damit meine Leidens-Geschichte zu schließen, da ich ein Vergnügen in mir empfand und mich offt selber tröstete, daß es besser sey, unschuldig gefangen zu sitzen als frey zu seyn und Gefangenschafft verschuldet zu haben. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, daß Gefangenschafft manchen als Schirm vor größeren Fährlichkeiten gedient und ihn davor behütet habe, daß er in die Hände seiner Feinde fiel. Es hat schon solche gegeben, die ihrem Gefängniß entkommen waren und strax darauff ermordet wurden. Auch solche gab es, die ihr gutes Auskommen im Gefängniß hatten und später in der Freyheit Noth leiden mußten. Unschuldige Gefangenschafft nimmt einem nicht die Ehre, sondern vermehrt die Ehre. Manch einer hat im Gefängniß große Wissenschafft erlangt und Dinge erfahren, zu denen er früher nicht gelangen konnte. Ja, Gefangenschafft führet zum Himmel. Sagte gar offt zu mir selber: Tröste dich, du gefangene, du bist glückselig.

Sintemal das 1674. Jahr nur die Hälffte der Tage meiner Gefangenschafft ausmachte, so habe ich in dieser meiner Leidens-Geschichte in welcher ich unterschiedliche Widerwartigkeiten verzeichnet habe, die mir zugestoßen sind und die für manchen härter auszustehen seyn möchten als der Gefangenschafft Bedrängniß. Gott gab Stärcke. das hinzugefügt, was seit der Zeit innerhalb der Thüren meines Gefängnisses sich zugetragen hat. Ich nähere mich dem Abend meiner Freyheit, 1685 den 19. Maj. Gott allein sey die Ehre, der Se. königl. Majt. zur Rechtfertigkeit bewogen hat!

Hierbey will ich ihrer gedencken, deren tödtlicher Abgang mir während meiner Gefangenschafft berichtet ward:

  1. Königl. Majts. Premier Ministre, Graf Christian von Rantzov starb im September Monat 1663. Erlebte nicht den Tag, umb auff die Gesundheit unserer Princessinn und des Cur-Printzen von Sachsen bei dem Fest ihrer Verlöbniß zu trinken. Weit weniger erreichte er den Tag, ein hölzernes Bildniß nach seiner eigenen Angabe zu meines sel. Herrn Spott zu sehen. Der Tod war ihm sehr bitter.

  2. Der Königinn-Wittib Hofmeisterinn, die so sehr strenge in meiner großen Betrübniß war, hatte eine lange schmertzliche Kranckheit; sagte vor Ungeduld, daß die Pein der Hölle nicht größer sey als ihre Pein. Man konnte auff dem Thurm sie schreien hören. Sie ward auff einer Sänfte in die Stadt getragen und starb dort.

  3. Able Catharinae Tod war sehr schmertzhaft. Hatte sie früher bey mir an heimblichen Stellen nach Brieffen gesucht, so wurde sie später von denen Balbierern sehr befühlt, da sie Beulen an heimblichen Stellen hatte. Sie ward geschnitten und gebrennt. All diese Pein ertrug sie in der Hoffnung, zu leben, doch weder die Betriebsamkeit der Bader noch die Besuche der Königinn konnten sie vor dem Tode retten.

  4. Secreterer Erich Krag, der seines Hertzens Bosheit in meinem Gefängniß in der Dunckeln Kirche hatte sehen lassen, ward an un-reinem Ort vom Tode schnell hinweggerafft; war frisch und gesund, hatte zu Mittag Gäste geladen, saß und schrieb an seinem Tisch, ging hinaus, umb seine Notdurfft zu thun, da finden seine Leute ihn (nach langem Warten) todt.

  5. General Major Fridrich von Anfeldt AdÜ General Major Friderich von Anfeldt, d. i. Friedrich von Ahlefeldt., der mehr als einmal seine Freude über mein Unglück zu erkennen gab, starb so wie er gelebt hatte; war ein gottloser Mensch und ein Gottes-Lästerer. Er konnte des Glückes scheelen Augen-Blick nicht ertragen, ward rasend, weil ein anderer einen Ehren-Tittel erhielt, dem er nachstrebte; das war wol gering, umb darüber Sinn und Verstand zu verlieren. Er wollte von Gott nichts hören, noch weniger sich mit Gott versöhnen. Beide Königinnen, die Königinn-Wittib und die regierende Königinn, überredeten ihn endlich darzu. Als er das Sacrament angenommen hatte, sagte er: ›Nu haben Ihr. Majetäten Ihren Willen gehabt, wo zu ist das nu guth‹? fuhr fort mit fluchen und lästern und starb so hin.

  6. Nach langer Kranckheit starb der Feldt-Herr Sckak.

  7. Desgleichen Canzeler Peter Retz.

  8. Königl. Majt. König Fridrich des 3. Tod beförderte den Tod des Statthalters Cristoffer Gabel. Er fühlte, daß der Haß der Königinn-Wittib viel gegen ihn vermochte, wünschte sich den Tod; Gott erhörte ihn.

  9. Es hat Gott gefallen, daß ich selber Zeuge war, wie Walter eines erbärmlichen Todes starb, ja, daß ich ihn selber beklagen sollte. Wenn ich ihn schreyen hörte, kamen mir frühere Zeiten in den Sinn, und dachte offt, wie ein Mensch sich doch verführen lassen könne, böses denen zu thun, von welchen er nur gutes und Ehre genossen hatte.

  10. Magister Buck, mein Beicht-Vater, der so übel gegen mich handelte, litt sehr viel Pein auff seinem Siech-Bett; war drey Tage sprachlos, bevor er starb.

  11. Der Schelm und gottvergessene Kerl Christian, welcher mir in meinem Gefängniß so viel Verdruß machte, gerieth, als er auff freyen Fuß und zu seinem Gutsherrn Maans Armfeld in Jütland kam, mit dem Prediger in Streit, welcher wollte, daß er für ein Frauenzimmer Rede stehen sollte, so er verlockt hatte. Der Schelm steckt des Predigers Hoff in Brandt; die Gattin des Predigers verbrennt darinnen, als sie etwas von ihrem Vermögen retten wollte, und all das Hab und Gut des Predigers lag in Asche. Der Prediger wollte den Schelm nicht mit Gericht verfolgen, befahl ihn dem rechten Richter und diesem allein die Rache. Des Mordbrenners Gewissen begann zu erwachen; er lebte lange Zeit in Furcht und erschrak, wenn er jemand kommen sah, der etwas schnell ging, rieff dann laut und sagte bebend: ›Nu holen sie mich,‹ lieff hin und her, wußte nicht wo hin. Endlich fandt man ihn todt auff dem Felde und unter solchen Umständen, sich selbst erschossen zu haben, denn man fandt eine lange Büchse zwischen seinen Beinen liegen, den Lauf grade gegen die Brust und einen langen Stecken in seiner Hand, mit welchem er den Drücker zu gestoßen hatte; also starb er nicht so christlich, als wenn er unter Büttels-Hand gestorben wäre, wovon er so leichtfertig sprach, daß er sich nichts daraus mache, wenn er nur jemandem Verdruß bereiten könnte.

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