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Nunquam ad liquidum fama perducitur
Q. CURTIUS
Ganz Italien spricht von ihm; die Apenninen und die Täler Siziliens hallen wider von dem Namen Rinaldini. Er lebt in den Canzonetten der Florentiner, in den Gesängen der Kalabresen, und in den Romanzen der Sizilianer. Er ist der Held der Erzählungen in Kalabrien und Sizilien. Am Vesuv und am Ätna unterhält man Rinaldinis Taten. Die geschwätzigen Städtebewohner Kalabriens versammeln sich abends vor ihren Häusern und jeder in der Versammlung weiß ein Geschichtchen von dem valoroso Capitano Rinaldini zu erzählen. Es ist ein Vergnügen, sie darinnen wetteifern zu hören. Die Hirten in Siziliens Tälern unterhalten sich wechselseits mit Rinaldinis Abenteuern, und der einsilbige Landmann, der des Tages Last und Hitze trug, wird belebt, wenn er des Abends im Zirkel seiner Bekannten von Rinaldini sprechen kann. Weib und Mädchen, Jünglinge und Knaben hören mit Entzücken ihre Väter und Männer von Rinaldini sprechen. Kein Schlaf kommt in ihre Augen, will der Hausvater bei der Arbeit sie munter erhalten, und erzählt von Rinaldini. Er ist der Held der Erzählungen in den einsamen Wachttürmen der verschlossenen Soldaten an der Küste, und gibt den Seeleuten Stoff zur Unterhaltung, wenn die Langeweile eines müßigen Landlebens oder einer Windstille auf dem Meere sie quält. Von Verdecken wie von Berggipfeln, in Spinnstuben wie in blumigen Tälern ertönen die Canzonetten, die auf Rinaldini gedichtet wurden, und über so manche küßliche Lippe schleicht harmonisch der Sang:
»An der lauten Meeresküste,
In dem Tal, in Feld und Wald,
In der öden Berge Wüste
Such ich deinen Aufenthalt.
Rinaldini! dich zu finden
Eil' ich ängstlich durch die Flur,
Und um mich Verlaßne schwinden
Alle Reize der Natur.«
Sanfte Rosa, die Betrübte,
Die ihn im Gefecht verlor.
Ängstlich weinte die Geliebte,
Die Rinaldo sich erkor.
Sieh, da glänzt' im Mondenschimmer
Hell ein aufgespanntes Rohr.
Rosa sah des Rohrs Geflimmer,
Das in Büschen sich verlor.
»Ach dahin! Ich werd' ihn finden,
Sagt des Herzens Ahnung mir.
Und wenn alle Sterne schwinden,
Zeigt die Liebe Pfade mir.
Saht ihr nicht, ihr hellen Sterne,
Saht ihr nicht den kühnen Mann,
Den ich suche nah und ferne,
Ach! und ihn nicht finden kann?
Husch! und horch! es rauscht dort drüben,
Ha! es pfeift! Das ist sein Ton.
Ja! ich find ihn, meinen Lieben,
Seine Stimme hör' ich schon.« u. s. w.
Wollen wir sie nicht auch hören? – Wenn's gefällig ist, herbei! Hier ist Rinaldini's Geschichte. Die Abenteuer, welche man von ihm erzählt, sind geordnet, wie es die Zeitfolge fordert, und wenn die Erzählung derselben meinen Lesern nur halb soviel Vergnügen macht; nur halb soviel Unterhaltung gewährt, als das bei Kalabriens und Siziliens Bewohnern, als es bei Florentinern und Römern ganz der Fall ist: so werden sie das Buch, zu welchem Neugier oder Langeweile sie führte, nicht unbefriedigt aus den Händen legen. – Das ist es, was ich wünsche!
Geschrieben am Rosalientage 1798; renoviert zur dritten Auflage, an meinem Geburtstage, den 22. Jänner 1800; zur vierten Auflage, an Helenens Namenstage, 1801. Erneuert zur fünften, rechtmäßigen Auflage (die fremden Ausgaben, Nachdrucke, Bearbeitungen und Übersetzungen ungerechnet,) neu bearbeitet, von dem Verfasser. Geschrieben am Tage Maria Himmelfahrt, 1823.