Wilhelm Waiblinger
Bilder aus Neapel und Sicilien
Wilhelm Waiblinger

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Das Meer.

Hymnus.

Erstes Lied
                    Töchter der kühlenden Fluth, des Vaters
Dunklem, lebendigem Haus
Eingeborne, heiter entschwebet ihm.
Hat uns gezeugt doch der Ewige;
Aber Wiege dem Kind war das Meer!
Schaukelt' uns auf und ab,
Ammenlied der Welle gewalt'ger Klang,
Und der Winde fröhlicher Wechsellaut.
Nun den munter Erwachsenen
Lächeln die Götter zu. Sterbliche, sagt,
Wo verweilet des Sonnengotts
Heiliger Strahl blendender, als auf uns?
Nicht Wohltäterinnen dir
Sind wir, o Menschengeschlecht, Sterblichen euch
Dulden euch gerne, tragen euch willig
Auf dem flüssigen Nacken von Land zu Land,
Bringen dem Vater den Sohn,
Bringen den Liebling der klagenden Braut? 72
 
Gegenlied.
Sei gepriesen, Mutterhaus,
Reich des Okeanos, sei gepriesen du,
Göttern Geheimnisse birgst du in deinem Schooß,
Und dem irrenden Menschen.
Freundin bist du ihm, liebest die Erde,
Fassest sie an dich, umarmest sie
Mit unendlichem, brünstigem Arm;
Innig bist du dem Lichte selbst
In geselligem Bund, bist du dem holden Reich
Seines allerquickenden thätigen Spiels,
Bist du der heiligen Luft verwandt.
Euer verbunden schwesterlich Weben
Bildet die Welt, segnet die Welt.
Drum aus dem tiefen Brautgemach,
Wo uns der Herr, wo uns der Gott
Zum Hochzeitsschmaus das träufende Haar
Mit Perlen schmückt und mit Muscheln,
Steiget empor, Schwestern, des Lichts
Freundinnen, steigt empor.
 
Lied.
Wo ich lieber verweilte,
Reigenführende, sagt mir an:
Ob, wo des Wassers Oede die Königin,
Herrlicher Männer einst, herrlicher Thaten voll,
Nun so still und traurend verlaßner
Marmorpaläste Schwermuth entsteigt;
Ob, wo die Nachbarin der Vorzeit
Glänzende Lust, Genua glücklicher noch bewahrt?
Oder Spezia's Bucht,
Von liebäugelnder Berge Zauber umarmt?
Oder der Strand, der tyrrhenische, da Ulyß
Liebe genoß mit der mächtigen Fee, 73
Da noch heut' holdseliger Blumen voll,
Wie ein Eiland, sichtbar ist das Gebirg,
Von Cora's Tempel und Feigenhügel
Wunder dem Anblick?
Oder lieb' ich im Schatten der Grotte
Lustig zu scherzen im klaren Spiegel,
Dem der zitternde Grund, die Felsen Sorrents,
Ueberdeckt von der Südfrucht
Nie verwelkender Füll', entglänzt,
Lieb' ich in Fernen zu schauen,
Da der Duft Inseln umschmachtet,
Wie ein blaues Auge bräutliche Scham?
 
Gegenlied.
Allenthalben das große,
Gleich unendliche, heilige Meer ist es.
Früher mit frommer Scheu
Ehrt' es der Mensch, und als die Erde längst
Seine Schuld befleckt, sein Blut getränkt,
Unentweiht blieb noch sein Bereich.
Mit gezimmertem Boot, dem Sturme zum Trotz,
Zu durchschneiden die salzige Fluth,
Weder Neugier wagt' es, noch Habsucht,
Nur das liebliche Wesen war's,
In der Kindheit der Welt ihm zur Gespielin
Von den Göttern gesellt, da der Mensch
Zu sinnen begann, im Lebensfrühling,
Erster schüchterner Flug des Schmetterlings,
Nur die Fabel eilte schwärmend hinweg
Ueber den Horizont. Goldene Zeit
Nennt's der Mensch, da die Liebliche noch,
Schönste zärtlichste Blüthe des Geists,
Zwischen Himmel und Erde ging,
Jedem Rosenkelch entlächelt' ein Liebesgott. 74
 
Lied.
Doch der Seele vergleich' ich das Meer
Tief wie sie und unergründlich
Ist es! Wer kennt
Seinen Ursprung, sein End'? Es ist,
Und in ew'ger Bewegung ist's,
Selbst sich erneuernd. Es lockt mit grünlichem Aug',
In die Tiefe lockt's mit wenigem Wiegen,
Doch den Kühnen, leicht verschlingt es ihn,
Der sich stürzt in die falsche Fluth,
Wie die Seel' in die Seele.
Wundersam erblühet auch
Feenartig im Abgrund Gewächs
Von Korall' und Muschel, und lebendig
Regt sich's innen von wachsendem Gebild.
Tausendfaches, es nährt sich drin;
Wer hätt's alle gesehn die Märchenwelt,
Die verborgne, wer in des Meeres dunkelm Schooß
Hätte das liebliche,
Hätte das zarte kristallne Geblüth'
Alle gesehn, und doch auch der Schlangen tückische Brut?
So auch forschte keiner mir aus,
Was in der Seele von Leben, und was von Kraft.
 
Gegenlied.
Klar ist das Meer und ruhig,
Aeugelt, der Seele gleich,
Alle Schöne dem Himmel spiegelnd zurück.
Heißer brennt der Sonnenstrahl in der Fluth,
Und die Morgenröthe sie kühlt
Ihre Flamm' im leuchtenden Wasser nicht.
So Gedanken kühnster und heiligster Art
Denkt dem Himmel die Seele nach.
Aber wehe! der Winde Macht, 75
Schwestern gehört das wogende Meer an.
Buhlerisch wiegt es des Westes zärtlicher Hauch,
Schwillt es zu süßem, lüsternem Wallen,
Doch der Nord
Regt's aus schwarzem Abgrund stürmend auf.
Dem Wahnsinn ähnlich, schlägt's verderblich empor,
Wie die Seele. Dem Winde gehorcht das Meer,
Dem Schicksal gehorcht die Seele.
Sternumwölkender Sturm verfinstert sie,
Und von Grund auf braust's in zerrauschendem Schaum,
Oeffnend der Tiefe Nacht, und leckend
Mit der Blitze Flammenzunge, der Leidenschaft Gewog.
 
Chor.
Sammelt euch auf grünen Wassern,
Feuchte Kinder des Elements,
Lobet die Erde nicht, lobet das Meer.
Unsre Rosen haben auch wir,
Aurora streut sie mit glühenden Armen
Ueber das Wasser, über des Meeres Wiederglanz!
Preiset es, Nymphen, vereint,
Und den Reigen tanzen wir ihm zum Gesang,
Daß die jauchzende Well' wollüstigen Klangs
Um des Busens Wärm' uns hüpfe,
Preiset das Meer, und Alles, was in ihm,
Jeglich Gewächs und werdend Gebild,
Preist das bewegliche, stets sich erneuende,
Herrlich befruchtende, wolkengebärende,
Preiset das Meer!
Aber im Sturm nicht, Okeaniden, sei es gelobt,
Sondern da einst die Lüfte schwiegen,
Und aus beruhigter Tiefe Vollkommnes,
Da aus ungerührten Wassern die Göttin stieg.

 


 

Oden.

An seinen Eser.

1.
                Verschied'nes Lob ist jedem. Mir sei der Kranz
Der weinlaubduft'ge, den mir die Götterhand
    Des holden schöpferischen Jünglings
        Drückt in die Schläfe, mir sei Begeist'rung!
 
Sei's, daß verblühter Frühlinge Liebeslust
Voll Nachtigallenstimmen, voll Mädchenreiz;
    Sei's, daß der traur'gen Herbste Schwermuth
        Wieder in's klagende Herz zurückkehrt;
 
Sei's, daß Neapels Inseln der Fabelduft,
Und der Geschichte lebenerweckender,
    Gluthvoller Hauch mit Morgenröthe,
        Strömen von purpurnem Blut verkläre;
 
Daß in Sorrents Orangengeruch, am Fels,
Den mir die Fluthen klarer als Aug' und Herz
    Des reinsten Engels wiederstrahlen,
        Tasso's gereinigter Geist mir aufsteigt, 77
 
Daß mir des Dreizacks schrecklicher Gott am Strand
Tyrrhen'schen Meers der Säulen gigant'sche Pracht,
    Den Tempelbau mir zeigt, der ewig
        Wie das unsterbliche Element ist.
 
Stets fühl' ich mir das glühende Herz bewegt;
Dem Gold vergleich' ich seine Gedanken, die
    Erst roh und unrein, endlich lauter
        Aus der Begeisterung Flamme springen.
 
Dann nicht der Erde kleinliche Sorgen mehr,
Der Noth unbeugsam drückende Kraft, den Sieg
    Nur fühl' ich, den ich mir erkämpfe,
        Fühle den Stolz nur des nahen Lorbeers.
 
Schon in den Blüthen ehrt man die Frucht. Am Grab
Achill's einst stand der junge Eroberer
    Und weint'; in einer Thräne glänzten
        Alle Triumphe zukünft'ger Hoheit.
 
Blind treibt der Gott, der innr'e, beseelende,
So in der Knospe, daß sie zur Rose sich
    Entfalte, wie im Menschenherzen,
        Daß es zu höherem Werth sich öffne.
 
Der Berg Vesuv auch, wenn ihn des Feuers Strom,
Dem Weine gleich, der über den Becher schwillt,
    Bis an den Kranz füllt, strudelt schäumend
        Herrliche Gluth in die schöne Nacht aus.
 
2.
Nicht Schlachten will ich preisen, noch Könige,
Nachforschen, wer Rom's würd'ger, ob's Cäsar ist,
    Ob Brutus, Namen der Geschichte,
        Glänzende nicht und gerühmte Schatten. 78
 
Ich singe meinem Freund, und auf stolzeren,
Auf tiefern Wogen kühnen Gesangs sei mir
    Vergönnt, mit Stromsgewalt und Kraft ihn
        Jauchzend zu tragen zum Ozeane,
 
Da sich die Zukunft eint mit Vergangenheit,
Beid' aber unvergängliche Gegenwart,
    Ohn' Anfang beid' und ohne Ende,
        Beide die göttliche Ewigkeit sind.
 
Dich kenn' ich, seit ich kenne, was schön ist, Freund
Dich lieb' ich, seit ich liebe, was gut ist, Freund! –
    In meinem Herzen lebst du einzig,
        Seit es der delphische Gott bewohnet.
 
Dein Lob, es dünkte schon mir Unsterblichkeit,
Erweckte Blüth' und Frühling, wie Sonnenschein,
    Dein Tadel reinigte, gleich Wettern,
        Dünste der Erde, die mich umfingen.
 
Entrissen sind wir uns, und im kalten Hauch
Des Nordens athmest Seufzer der Sehnsucht du
    Nach meinem Süden, wo einst Menschen
        Wandelten besserer Art, dir ähnlich.
 
Dir hat, uralter römischer Tage werth,
Kraftvollen Geists und hohen Gemüths ein Weib
    Das Leben schon bekränzt, und ewig
        Hält in ermüdender Wirksamkeit es
 
Lebendig dir der Grazie schönern Dienst:
Mir nimmt aufopfernd keines des Herzens Gram
    Und Sorg' ab, kein verjüngtes Abbild
        Lächelt mir zärtlich mein Selbst entgegen. 79
 
Die Gräber Rom's sind meine Vertrauten nur;
Oftmals jedoch am Fuße des aschigen
    Vulkans, am blauen Meer, im Glanze
        Parthenopeischer Lüfte fühl' ich
 
Die Seel' aus jener Gräber Melancholei
Ersteh'n, mit Psyche's seliger Lust am Strand
    Des Lethe schwärmen, und in Düften
        Schwelgen der purpurnen Hesperiden.
 
Wenn dann in Bajä's trümmerumgeb'nem Golf,
Wo gern im Kahn ich über die Spiegelfluth
    Hinschaukle zu Misenums Felsen,
        Oder zum Tempelgewölb' der Venus,
 
Mir wohl erhab'ne Namen der Vorwelt sich
Gebietrisch zeigen, bringst dem gepeinigten
    Orest doch du des weisern Freundes
        Theuerstes, heiligstes Bild zurücke.
 
3.
Komm, Freund, Geleiter bin ich und Führer dir,
Komm nach Pompeji. Willig hast du mir stets
    Geöffnet manchen Quell der Schönheit,
        Manchen Gedanken von höh'rer Weisheit
 
Enthüllt vor mir, drum ladet der Dankbare
Dich ein zum Weinberg. Hoch an der Ulme rankt
    Vielästige, fruchtbeladne Rebe,
        Wurzelnd und blühend aus tausendjähriger
 
Vulkan'scher Asche Drunten im großen Grab
Schlief eine Stadt, der Götter und Menschen voll,
    Als noch die Sonn' ihr schien; verlassen
        Aber von beiden, da sie des heißen 80
 
Schreckbaren Regens tödtlich Gewölk bedeckt,
Aus dessen Graus nun wieder der Tempel steigt,
    Und heit're Säulen, und das farb'ge,
        Kleine Gemach, die gemalte Hausflur,
 
Und selbst des Forums tempelumhegter Platz,
Da längst gestürzt ist früherer Götterdienst
    Und jene, die des Donn'rers Adler
        Und Amathusiens Rosen ehrten,
 
Des Heidenthums holdsinniger Name schmückt
Die Glücklichen! Der kalte Gedanke, wie
    Empfindung, Wunsch, und Schmerz und Sehnsucht –
        Alles zum heitern Bild verklärte
 
Sich ihrem frischen schöpfrischen Geist. O Freund,
Komm, sieh' und fühl's hier, offen ist Thür' und Haus,
    Komm, dich umfängt der Säulen Anmuth,
        Dich des verschwiegnen Gemaches Schönheit.
 
Sagt dir's nicht selbst die bunte gemalte Welt,
Der Arabesken schwärmende Fantasie,
    Und all' der Bilder Lieblichkeit nicht,
        Wie sie gefühlt und gedacht die Vorwelt?
 
O Freund, was wären wir, wenn Jahrtausende
Zuvor uns dieses Himmels Azur geblüht,
    Däucht mir doch, jener bessern Zeit ist
        Wenigstens unsere Freundschaft würdig.
 
4.
Der Städte Raffael ist Neapel Freund!
Das fühlten wohl Rom's alte Tyrannen, das
    Des felsigen Capri's Ungeheuer,
        Jener bepurpurte blöde Wahnwitz, 81
 
Der auf vermeß'ner Brücke Puteoli's
Meerbusen überschritt, der entmenschte Narr,
    Der hier gesungen und gebadet,
        Wo er gemordet die eigne Mutter.
 
Doch, ob auch Ischia's feurige Traube mir
Nektar verheißt, ob auch um Amalfi's Fels
    Gern meinem Geist in duft'ger Ferne
        Dorische Tempel dem Meer entsteigen,
 
Ob auch durch's Schattengrün von Camaldoli
Die Vorgebirg' und blühenden Inseln all'
    Im schönen Elemente schimmern
        Und aus dem Berge Gewölk aufwirbelt,
 
Doch treibt's zurück mich. Wehmuth erfüllt mich schon
Und kind'sche Wonne, denk' ich die Säulen mir
    Der gold'nen Basilik, an alter
        Mauer, am stillen begrünten Platze,
 
Wo an Remesses thebischem Obelisk
Der Brunnen plätschert, einsame Straßen auch
    Hier Kuppeln in der Abendröthe,
        Dort des zertrümmerten Colosseums
 
In Sonnenflammen athmende Riesenwand
Prachtvoll mir zeigen! Traurende Roma, hier
    Der Völker großem Gott, dem ew'gen
        Schicksal geheiligt ertönt mein Lied dir.
 
Zweimal hast du mit eiserner Hand die Welt
Gedrückt, Herrschsüchtige, größer als du war nur
    Das Schicksal, d'rum auch zweimal hat dir's
        Strafend entwunden den schweren Szepter, 82
 
Den Könige, Senatoren, Cäsare einst
Geführt, und unerbittlicher noch zuletzt
    Dreifach gekrönte Priester, deren
        Heiliger Waffe der Hohenstaufen
 
Großherz'ger Heldenstamm als ein Opfer sank
Der Völkerblindheit, denen die Kaiserhand
    Den Bügel hielt, und deren Bannstrahl
        Könige stürzte vom Thron der Väter.
 
Ach, sänft'ge nun, o Rom, dein tyrannisch Herz,
Und beuge dich der Zeit. Der gefallene
    Herrschgier'ge Engel rang vergebens
        Einst mit dem Himmel um seine Krone.
 
Im Grabe deiner Cäsar Auguste, wo
Britannicus ein heuchlerisch Todtenmahl
    Geehrt, vergißt in Spiel und Stierkampf
        Nun das entartete Volk die Vorwelt.
 
Des Forums Siegesbögen und Tempel, jetzt
Durchzieht sie nur schwermüthiger Mönche Schwarm,
    Der Wand'rer nur aus fernen Landen,
        Fremd, wie der Römer im eig'nen Rom ist.
 
Eins bleibt dir noch, der himmlische Genius
Der Kunst ist's! Freund, d'rum laß mich, da And'res nicht
    Vergönnt ist, einer bessern Zukunft
        Thaten und Werke der Muse weihen. – 83

 


 

Sehnsucht nach Neapel.

Der Dichter war auf einer Reise nach Neapel begriffen, als er auf einmal zu Genzano am Fieber erkrankte und sich wieder nach Rom zurückbringen lassen mußte.

 

                  Kaum dieser Erde lieblichstes Schattengrün,
Ariccia's alte Sikulerburg, und kaum
    Der Cynthia Hain, und ihres Spiegels
        Duftiges Seeblau und Eichendunkel,
 
O Freund, erreicht' ich, und des Tyrrhenermeeres
Glanzreiche Pracht, und brennend im Abendgold
    Lanuvium's Berg und meines Latium's
        Trümmerbesäte Campagna schaut' ich,
 
Und der Erinn'rung freudige Wehmuth rief
Mir schon lustselige Tage zurück, da mir
    Im Golf Parthenope's, in Capri's
        Felsiger Heimath und holder Wildniß
 
Die goldne Fluth, die lebensverjüngende,
Aus ros'gem Becher Hebe zu schlürfen gab, –
    Und sieh' zum kaum verlass'nen Thore
        Führet den Trauernden schon der finst're, 84
 
Von keinem Lied' besänftigte Gott zurück.
O Rom! was ist's, das heute so viel des Gifts
    Durch deine Lüfte streut, und tödtlich
        Hügel und Ufer und Thal entathmet?
 
Ist es der Vorwelt drückender Moderhauch,
Des großen Kirchhofs, den ich durchwandere,
    In dessen Denkstein, Grab und Inschrift
        Einsame Wand'rer und ernste Denker
 
Die Weltgeschichte lasen; vielleicht das Blut,
Das hier geströmt Jahrtausende durch, und tief
    Befleckt die Erde, welch ein Tiber
        Faßt' es in seines Gestades Gränze?
 
Nicht weiß ich's, Freund, doch sei dir bekannt: Zwar pflegt
Mich treue Sorgfalt: Amor, mein steter Freund,
    Wenn längst auch mit gesenktem Flügel,
        Ist er doch immer noch mein Begleiter,
 
Und kürzt der Stunden Kummer und Ungeduld,
In Traum und Schlaf einwiegend das Herz, wenn nicht
    Mit Diotima's Lehre, doch mit
        Raffael's Freuden und Benvenuto's.
 
Wohl rühm' ich deß mich! Aber in Rom dünkt mir,
Als ob im Grab' ich schlummr', und im Zaubergolf
    Neapels Psyche bald zur reinen
        Schönheit Elysiums auferstünde.

 


 


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