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Ungefähr in der Zeit, da sich der Türke in Wien einnisteln wollte, wurden die Bauern des Dorfes Schönwillkumm aufrührerisch und weigerten sich, das vorgeschriebene gutsherrliche Bier zu trinken. Selbes war ein dünnes, gelbes, dämmeriges, pechiges Trünklein, das essiglich schmeckte, und davon roch es aus allen Krügen der Landschaft arg sauer und hatten die Untertanen in den herrschaftlichen Örtern lauter saure Gesichter.
Das Dorf Schönwillkumm widersetzte sich dem unmenschlichen Bierzwang, in dem zunächst die Bauern jeden Krug in zwei hurtigen Zügen leerten und damit ihre Obrigkeit verhöhnten und kränkten. Etliche Wochen später huben sie gar an, dem Genuss des Bieres mannhaft zu entsagen. Sie, die einst ihr redliches Maß getrunken, gaben dem Wirt nichts mehr zu lösen, und so konnte das Unerhörte geschehen, dass im Dorfwirtshaus wider jegliches Verhoffen ein Fass drei Wochen lang vom Zapfen rann.
Da fuhr denn der herrschaftliche Bierschreiber Frigidian Frissgensel wie ein Uhu fauchend ins Dorf, erinnerte die Bauernschaft an ihre altverbriefte Verpflichtung, alle acht Tage ein halbes Fass Schlossbier zu vertilgen, ganz abgesehen von dem Hochzeits- und Kirchweihbier, und drohte den Dorfgeschworenen, sie mit einer bissigen Lauge zu waschen, wenn das widerwärtige, eigenköpfige und hochverfängliche Unwesen nicht augenblicklich aufhöre.
Die Bauern aber kümmerten sich wenig um sein galliges Gespei und gingen nach wie vor dem Krug aus dem Weg. Weil aber schließlich das Loch unterm Bart etwas haben wollte und das liebe, beschwerliche Ackerwerk den Durst auf die Dauer nicht vertrug, so richteten sie eine Bittschrift an die Schlosskanzlei, es möge ihnen gnädigst verstattet werden, das Bier aus dem nachbarlichen Städtlein zu holen, das sich ebenfalls der Braugerechtigkeit erfreute und darin ein Meister der Biersiedekunst ein kräftiges, die Kehlen durchschmeichelndes, angenehmes Gebräude herzustellen wusste. Diese Bitte wurde aber dem Dorf in einem Brief, darin Blitz und Donner knallten, schroff verwidrigt.
Nichtsdestoweniger verschafften sie sich einige Fässlein Stadtbier, und dieses rann reißend weg, und der Wirt brauchte den Hahn gar nicht zuzudrehen und konnte die Piepe laufen lassen, so eilig hatten es die Gurgeln.
Das aber wurde bald ruchbar, und die Bauern wurden bei ihrer Herrschaft aufs Gehässigste angeschwärzt, sie hätten wie die Kühe das verbotene Bier gesoffen, und nun schickte ihnen der Bierschreiber Frigidian Frissgensel einen steingroben Brief, er wolle sie alle in die Katzenkammer sperren und dort mit Jauche kräftig bewirten lassen, und der Donner möge sie allsamt erschießen.
Daraufhin ließ der Bürgermeister von Schönwillkumm Dionys Schneppel den Gemeindestecken umgehen, und seine Bauern versammelten sich bei der abgestorbenen Fichte hinter dem Dorf und steckten die Köpfe über dem Brief zusammen.
Der Dionys Schneppel zupfte an seiner schlauen, füchsischen Nase. Es war weit und breit bekannt, dass er auf dem Viehmarkt so listig zu handeln verstand, dass er selbst die ältesten und verhärtetsten Rosstäuscher weinen machte. Er hatte einen dünnen, misstrauischen Mund und pflegte ansonst zu sagen: »Ich sag nicht so oder so, denn wenn ich so oder so saget, könnt einer sagen, ich hätt so oder so gesagt.« Heute aber redete er frei von der Leber weg und meinte, der gemeine Bauersmann könne bei den grimmigen Zeiten nimmer klecken, und statt dass die Herrschaft ihnen in diesem Missjahr die Obrigkeitsgefälle nachlasse, kuranze sie die bescheidenen Untertanen aufs Schärfste. Nimmer aber könnten sie es sich bieten lassen, dass ihnen das elende Schlossbier in den Hals gezwungen werde. An all dem Zwang sei der Bierschreiber Frissgensel schuld, der habe ein Herz aus Felsen.
Als der Bürgermeister mit derlei Worten die Bauern aufgewiegelt hatte, schrie der Rubenbauer: »Den Schreibern soll man die Schädel in die Tinte tauchen, bis sie hin sind!« Und der Windmeisinger fluchte: »Kreuz noch einmal, wir lassen uns nicht ins Bockshorn stoßen!«
Der Bürgermeister Dionys Schneppel wiegte den spitzen, verschlagenen Rattenkopf und sagte: »Das muss uns erst bewiesen werden, dass wir das schwache Schlossbier trinken müssen. Wir lassen uns nicht vergiften. Der Bauer ist kein Schuhfetzen.«
»Soll der Bierschreiber das Gesöff selber in sich hineinschütten!« murrte der Irlinger. Und der Geißmeier klagte: »Das Bier ist zu rau, meine Zähne vertragen es nicht!« Und der Lindenrainer ballte die Faust gen die Ferne: »Frissgensel, das dich der Schwefel !«
»Auf keinen Fall dürfen wir dasmal nachgeben«, bestärkte sie der Bürgermeister. Und als sie genugsam gerölzt und gegrölzt hatten, setzte der Dionys Schneppel vorsichtig ein neuerliches Ansuchen auf, darin geschrieben stand, die Bauern von Schönwillkumm anerkennten in schuldigster Dankbarkeit alle Wohltaten, die ihnen die Herrschaft erwiesen, und wollten sich gern zu allem willfährig zeigen. Aber da sie notdürftige Leute seien, von denen man ja nicht glauben solle, dass ihnen in diesen armseligen und betrübten Zeiten das Leben blutsauer werde, so möge eine gnädige Herrschaft ihnen die letzte Kraft nicht schwächen, indem sie ihnen den schnöden Absud des Schlossbieres in den Leib nötige, sondern ihnen vielmehr freigeben, mit einem frömmeren Gebräude ihrem harten Durst Abbruch zu tun.
Als diese Bittschrift dem Bierschreiber Frigidian Frissgensel zu Handen kam, ging ihm die Galle über, und er kratzte den Bauern eine Antwort hin, darin er sie verräterische und hochschädliche Buben, Bundschuher, Justamentvögel und störrsinnige Waldesel schalt, deren Rebellerei er mit aller Strenge begegnen wolle. schließlich forderte er sie auf, sie sollten in seine Kanzlei kommen.
Wieder steckten die Bauern die Köpfe zusammen.
»Der Teufel spuckt Tinte«, spottete der Dionys Schneppel. »Aber die eiserne Pflugschar ist unser Wappen, und wir müssen uns eisern halten, und wenn wir mit unserer Sache bis zum Kaiser gehen müssen!«
Da wurden die andern aber doch ein bisslein kleinlaut. »So, so! Einen Prozess sollen wir führen?« murmelte der Geißmeier. Und der Irlinger seufzte: »Das müssen wir und neunundneunzigmal überlegen! Weil der Prozess und das Elend Geschwister sind!«
»Was?!« fuhr der Bürgermeister auf. »Sollen wir weiter das mörderliche Bier schlucken? Da muss ein Ende nehmen! Wir gehen alle sechs in die Kanzlei, und ich will dem Schreiber die Wahrheit pfeffern. Ich bin nur ein schlechter, einfältiger Bauer. Aber die Ehre lass ich mir nicht aus der Seele reißen. Nachgegeben wird nicht!«
Also redete er den Bauern zu, und er ließ es sich so hitzig und leidenschaftlich angelegen sein, dass sie beschlossen, lieber ihre Haut zuzusetzen als auch nur einen einzigen Schritt zurückzuweichen.
Anderntags begaben sie sich auf den Weg zum Schloss. Der Wind kämmte sanft durchs junge Korn, das Vieh graste im Gemüse der Wiesen, der Riedfink schrie. Und im Dorfteich sang die Unke.
Herr Frigidian Frissgensel war von seiner Herrschaft für heute mit der schärfsten Vollmacht versehen worden. Umgeben von den handfesten Brauknechten, ein schwerfälliger Leib, den Speckhöcker im Genick, Fettposter über den winzigen Augen, weißblond die Brauen, weiß die Wimpern, kupferfarbene Sommersprenkel über die Stirn und die hängenden Backen hingesät, empfing er die sechs Bauern.
»Ihr grundarges Volk! Euer Gesuch ist abweislich beschieden worden und damit basta! Was wollt ihr noch? Wollt ihr gar den Spieß zücken gegen die gottverordnete Obrigkeit?«
Der Dionys Schneppel trat vor, die Haube fest in der Stirn, und hinter ihm der Rubenbauer, den Hut schief übers Ohr, und hinter dem wieder der Windmeisinger, das Hütel weit hinten im Genick. Bauernsteif und trotzig dahinter die andern drei.
»Ehrbarer und vorsichtiger Herr!« hub der Schneppel an.
»Aha, du führst sie!« fauchte der Schreiber. »Du leuchtest wie der Kuhdreck in der Latern!«
Der Schneppel ließ sich nicht irren. »Wohlfürnehmer, ehrsamer und mannhafter Herr! Wir kommen bittweise. Ihr handelt gegen Brief und Siegel. Aber wir gedrückten Bauern wollen das matte Bier nimmer leiden. Wir wollen unser Recht behaupten, und wenn wir bis zum Kaiser gehen müssen!«
Dabei zog der Schneppel den Hut tiefer in die Stirn, der Rubenbauer rückte ihn noch verwogener übers Ohr und der Windmeisinger noch weiter hinten ins Genick. Die drei andern grinsten kühn und dumm.
Aber der Schreiber war schon in der Höhe. Die Brauen des poltrigen Mannes sträubten sich, er riss sich die Perücke vom Kopf und schlug damit auf den Dionys Schneppel ein, dass der weiße Puder davon stäubte. Seine Stimme schlug ins Fisteln über. »Du Tatsch! An den Galgen soll man dich mit deinen Bauernkerlen nesteln! Was, ihr wollt euch strafbarlich unterfangen und unser Bier verschmähen? Ihr Höllenstricke, ihr Liebkindlein des Teufels, wartet, ich will euch es zeigenn!«
Auf seinen Wink fielen die Brauknechte über den Rubenbauern her und riemten ihn an eine Bank, das Sitzfleisch nach oben. Und einer holte mit einem Ochsenziemer aus.
»Willst du unser Bier saufen?« fragte der Schreiber.
Der Angebundene kniff die Lippen zusammen und schwieg.
»Nein!« nahm für ihn der Schneppel das Wort. »Eher verdurstet er.«
Der Frigidian Frissgensel kreischte: »Fünfundzwanzig!«
Der Knecht zählte dem Bauern die Hiebe auf, dass ihm die Hosen rauchten.
»O weh, o weherlein!« jammerte der Geprügelte. »Gnade! Ist euch denn das Herz ausgestorben? Ich bin unschuldig, der Dionys hat alles angezettelt!«
»Wer sich bekehrt und unser Bier nimmer verschmäht, wird begnadigt«, sagte der Schreiber.
Darauf ließ der Rubenbauer in mürrischer Geduld und ohne Widerspruch den Rest aufladen.
Nach ihm kam der Windmeisinger an den Tanz. Er hielt sich tapfer und zuckte mit keinem Öhrlein.
»Willst du das Schlossbier saufen oder nicht, du Trotzbartel?« fragte der Schreiber.
Wieder sprach der Schneppel für den Gezüchtigten. »Eher lässt er sich vierteilen!«
Dann schnallten sie den schmächtigen Irlinger an die Bank. Bis zum zehnten Hieb verhielt er den Schmerz. Hernach aber flennte er: »Haut mich nicht! Lasst aus, um Gottes willen, lasst aus!«
»Gibst du nach, du Bauerntrampel?« frohlockte der Schreiber.
»O meine arme Scheibe!« schluchzte der Irlinger.
Und der Schneppel sagte gelassen: »Eher tritt er sich auf die Zunge, als dass er nachgibt!«
Hernach bemächtigeten sich die Knechte der Geißmeier. Der schnellte und sträubte sich wie ein gefangener Fisch. Doch es half nichts, und bald zuckte er unter den mörderischen Hieben, und ihm wurde gar übel zu Mut.
»Spiegelt euch an seinem Schaden!« warnte der Schreiber.
»Haut zu, haut dreimal so fest zu!« rief der Schneppel. »Wir leiden es. Aber wir geben nicht nach.«
Der Lindenrainer hernach ließ die Mundwinkel gleichgültig hangen und mit ziemlichem Gleichmut die Prügel über sich ergehen. »Alles muss einmal aufhören!« sagte er gefasst.
»Du gefällst mir!« rief der Schneppel. »Halt nur aus! Wir müssen unser Recht erstreiten!«
»Jetzt aber trifft es dich, du verfluchter Ratgeber, du Urheber aller Niedertracht!« schrie der Frissgensel den Schneppel an. »Jetzt wirst du gesalzen, dass dir die Augen schwitzen!«
Der Dionys Schneppel sah eine Weile nachdenklich die Bank und das Riemenzeug daran an und den derben Ochsenziemer in der Hand des Büttels, und er zupfte schwermütig an seiner füchsischen Nase. Als aber die Knechte nach ihm langten, sagte er sanft: »Langsam, langsam! Ich hab' mir es überlgt.«
Und er kehrte sich zu seinen Freunden, die kreuzlahm geprügelt und mit schmerzhaft verzogenen Gesichtern dastanden und sich das brennende Leder rieben. »Nachbarn«, sagte er, »ich bin euer wohlmeinender Freund und will nicht, dass ihr unberaten handelt. Ich sehe ein, dass wir dem Zwang nimmer widerstehen können. Es ist einmal so, dass der Ober den Unter sticht. Und so rede ich euch dringlich zu, dass ihr euch füget und euch nimmer gegen obrigkeitliche Bier verwahret, sondern es willig und freudig trinket, wie auch ich es fürder tun will.«
Da krauten sich die Bauern verdutzt ihr peiziges Haar, sie starrten ihren Rädelsführer kläglich an und nickten.
Der Dionys Schneppel sagte nun freundlich zu dem Bierschreiber: »Also ist der Handel für beide Teile vorteilhaft geschlichtet. Und weiter haben wir da nichts mehr zu schaffen.« Er sprach es und ging zur Tür hinaus.
»Du Galgenklachel du doppelter Schelm!« schrie ihm der Bierschreiber nach. Er brach in ein unbändiges Lachen aus. Und plötzlich plumpste er unter den Tisch, und mitten im Gelächter traf ihn der Schlag.
Wohl ihm! Was kann man einem Menschen mehr wünschen als einen lustigen Tod?