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»Sintemalen«, heißt es in der Familienchronik des Hauses Preiss, »sintemalen es Geschlechtern, die da nachfolgen werden, zu sonderlichem Nutz und Frommen gereichen muß, Wissenschaft zu erlangen von guten und großen Menschen, die vordem gelebet, so sehen Wir, Peter Paul Preiss, geboren um Johanni im Jahre des Herrn 1690, uns veranlaßt, zusammenzufassen in einer kurzen, aber getreuen Darstellung: sämbtliche Nachrichten und Aufschlüsse, so uns durch Gott's, des Allmächtigen Wille und des Zufalls Spiel überkommen sind von der Geschichte und Handlung unsrer Vorfahren, derer Preiss aus dem Binger Loch.
Dunkel wie die Vorzeit aller großen Völker des Altertumbs, ist auch dunkel und verworren die Historie aller großen altertümblichen Familien, und wenn es erlaubt ist, jenen ›bescheidenen Zweifel‹ anzulegen, der, wie geschrieben steht: ›des Weisen Leuchtturm ist und die Sonde der Wahrheit‹, so möchten wir weder ohne weiteres schwören auf die Mythologie der Griechen und auf die Geschichte der ersten Tage Roms, noch hartnäckig bestreiten, daß hie und da die Fabel mitgespielt haben mag in der Entstehungshistorie derer Preiss aus dem Binger Loch.
Sei dem, wie ihm wolle, nach tausend Zweifeln müssen wir dennoch festhalten an der Möglichkeit des Überlieferten; und wie wir als wahr annehmen, daß es des Meeres grause Überschwemmungen waren, welche die Cimbern und Teutonen zwangen, ihre alten Wohnsitze hoch im Norden zu verlassen und gen Süden zu ziehn, und daß es der Druck einer zunehmenden Bevölkerung, der Wunsch nach bessern Landflächen und die Lust an Krieg und Wanderung war, welche die Goten veranlaßte, hervorzubrechen aus dem fernen Osten und zu überschwemmen Gallien, Italien und Hispanien: so wollen wir auch nicht die Vermutung verwerfen, daß es, ähnlich den Wanderungsgründen jener Völker: die Überschwemmungen des Rheinstroms, die zu eng gewordenen Wohnstätten des Binger Lochs und die Wünsche nach ausgedehnterem Handel und Wandel waren, welche die Väter des Hauses Preiss bewogen, zu Zeiten Caroli Magni ihre seit den Tagen des Augustus und Tiberius innegehabten vier Pfähle aufzugeben, um mit der Weiterverbreitung des Christentums nordöstlich zu ziehn und in den von dem großen Karl und seinen Nachfolgern durch kaiserliche Landgüter, Stifte und Klöster kultivierten Gegenden Sachsens Handel zu treiben nach den benachbarten slavischen Provinzen der Ostsee und so schon gegen das 10. Jahrhundert einen Verkehr zu gründen, der sich bald immer lebendiger nach Dänemark ausdehnte, nach Skandinavien und den nördlichen Gestaden Rußlands.
Wunderbar! Aus der Wiege teutschen Lebens, aus den Gauen des Rheins, aus dem Binger Loch hervorgegangen, knüpfen die Väter des Hauses Preiss ihre Zukunft an das Glück der christlichen Waffen, das Unsichere dem Sichern vorziehend, die Chancen des Zufalls dem ruhigen Genießen, die Sorge großer Unternehmungen dem Wohlgefallen an mäßiger Existenz – echte Kaufleute! Über sich das siegende Kreuz, um sich die geharnischten Streiter des Glaubens, mildern und heilen sie die Verwüstungen des Krieges durch Herstellung eines Verkehrs, welcher den Austausch der Produkte zivilisierter und barbarischer Völker vermittelt und durch materielles Interesse das große Werk der Bekehrung befestigt – echte Kaufleute!
Nicht den Heiligenschein eifernder Bischöfe, nicht die Todesseligkeit kämpfender Ritter, nicht den unsterblichen Ruhm weltbeherrschender Fürsten beanspruchen sie für ihre Mühe, nein, sie sind zufrieden mit dem Nutzen ihres Handels, mit dem Profit ehrlicher Leute – echte Kaufleute!
Jene unternehmenden Negozianten, die gegen Norden zogen, bildeten indes nur einen Teil der Familie Preiss, indem andre Mitglieder dieses wahrhaft großen Hauses den Rhein hinaufzogen und, gen Sonnenaufgang vordringend, niederländische, rheinische und österreichische Produkte, als da sind Waffen, Metallwaren, Leinen- und wollene Zeuge und künstliche Holzarbeiten: gegen griechische und indische Waren eintauschten in Konstantinopel, der Hauptstadt des griechischen Kaiserreiches. Als dieser Handel im 13. Jahrhundert infolge der Kreuzzüge mehr in die Hände der Italiener kommt, setzen sie sich in den oberdeutschen Städten, namentlich in Augsburg, Regensburg und Nürnberg fest und stellen über die Alpen eine regelmäßige Verbindung her mit den lombardischen und andern Städten Italiens.
Obgleich nach dem 196. Kapitel des Schwabenspiegels: ›Allzeit sollen Fried haben Priester und all geistlich Leut, Maynt und Wittieben und all Waisen, Kaufleut und Juden