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Arasambes. Ein glücklicher Zufall hat meine dich suchenden Schritte auf deine Spur gebracht. Dank sei den himmlischen Beschützern der Freundschaft! ich sehe meinen Geliebten, meinen Araspes wieder. Wie süß ist nach vollbrachter Arbeit diese frohe Umarmung!
Araspes. Willkommen, edler ruhmvoller Jüngling, den ich stolz bin, meinen Freund zu nennen. Laß uns dort unter jenen umschattenden Palmen ausruhen, und unsere begierigen Seelen ungestört mit freundschaftlichen Gesprächen sättigen! O wie viel angenehme Neuigkeiten schweben dir auf meinen ungeduldigen Lippen entgegen! – Aber vergnüge du zuerst meine Neugier. Sage, durch was für Taten ihr den Ruhm unsers Feldherrn behauptet habet, und was für neue Ehren um die glorreiche Stirne meines Arasambes blühen!
Arasambes. Du kennst mich, mein Freund. Ob ich es gleich für eine heilige Pflicht halte, für unser Vaterland oder für die gerechte Sache der Unterdrückten zu streiten: so haben doch die Lorbeern, die vom Blute meiner Brüder triefen, keinen Reiz für mich. Du weißt daß uns Cyrus befahl, die Assyrer so weit zu verfolgen als wir könnten. Der größte Teil von uns setzte auf verschiedenen Wegen den zerstreuten Flüchtlingen nach. Ich war unter dem Haufen, welchem befohlen war, den Abradates einzuholen, der sich mit einer ansehnlichen Schar susianischer Reiter in langsamer Eile zurück zog. An der Zahl überlegen, gelang es uns ihn endlich zu umringen. Aber sein königlicher Geist verschmähte sich in Ketten zu schmiegen. Seine Gefahr schien jeden Susianer mit der ganzen unbändigen Wut des Kriegs zu beseelen. Sie schlugen sich mit blutiger Arbeit durch unsern ermüdeten Haufen, bis die friedsame Nacht dazwischen kommend dem wilden Gefecht Einhalt tat. Ich gestehe dir, Araspes, mein aufgehobener Arm blieb wie erstarrt schweben, da ich diesen Helden sah, dessen zarte, jugendlich blühende Schönheit keinen solchen Mut versprach. Sein Liebe einhauchender Anblick schien über unsere Krieger die gleiche Macht zu haben. Wir wurden zum Weichen genötigt. Allein unser Befehlshaber bestand darauf, nicht ohne Abradates zurück zu kehren. Der folgende Morgen erneuerte das Gefecht. Warum, dachte ich, soll ein so ruhmwürdiger Prinz nicht vielmehr ein Freund als ein Gegner des Cyrus sein? Die Hoffnung dieser glücklichen Veränderung machte mich seine Gefangenschaft mit feurigem Eifer wünschen. Aber sein Widerstand ermüdete unsere streitbarsten Arme. Er entrann uns mit den Auserlesensten, die ihm übrig geblieben waren, und mußte uns nur diejenigen unwillig zurück lassen, die aus Ermüdung, oder von ihren Wunden geschwächt, seiner Behendigkeit nicht folgen konnten. Die Gefangnen sagten uns, daß er nach Susiane zurückkehre, um ein neues Heer zu bewaffnen, und wenigstens sein eignes Reich vor Gewalttaten und Unterdrückung zu schützen.
Araspes. Er hat uns eine Beute zurück lassen müssen, die uns Bürge für seine eigne Person ist. Hast du nichts von der schönen Panthea gehört? von dieser göttlichen Schönheit, die nur der Umarmung eines Unsterblichen würdig ist? Sie ist eine Gefangene des Cyrus, und meiner Aufsicht von ihm übergeben worden.
Arasambes. Du hast ein gefährliches Amt übernommen, mein Freund, wenn gleich das Gerücht ihre Schönheit um die Hälfte vergrößert.
Araspes. Glaube mir, wenn ich auch mit der honigtriefenden Zunge eines begeisterten Dichters ihre Reizungen beschriebe, so würdest du doch, so bald du sie selbst sähest, meine stärksten Ausdrücke zu niedrig, meine lebhaftesten Farben zu matt, und mein ganzes Gemälde unkenntlich finden; so sehr ist sie über alle Beschreibung erhaben.
Arasambes. Dein Beispiel, mein Freund, macht mich nicht ungeduldig, die Wahrheit deiner Versicherung mit meinen eignen Augen zu erkundigen.
Araspes. Es wird nicht nötig sein, daß du sie sehest, wenn du so wenig Empfindung von dem Wert eines solchen Glücks hast. – Aber warum sagst du, mein Beispiel ersticke dein Verlangen? Ich begreife nicht, was du damit sagen willst.
Arasambes. Vielleicht täuscht mich eine allzu sorgsame Freundschaft. Aber mich deucht, liebster Araspes, wenn ich aus dem Feuer deiner Ausdrücke und deiner noch beredtern Augen schließen darf, die Schönheit dieser Susianerin habe allzu tiefe Eindrücke auf dein Herz gemacht, als daß es für mich, dessen Herz minder stark ist als deines, sicher sein könnte sie zu sehen.
Araspes. Was nennst du allzu tiefe Eindrücke, Arasambes? Soll es nicht erlaubt sein, für die erhabensten Vorzüge empfindlich zu sein? Diese Empfindlichkeit ist mein Ruhm! Kann ich ungetadelt eine Blume des Feldes bewundern: warum soll ich getadelt werden, wenn ich eine Panthea bewundere, deren Anblick selbst deine marmorne Kälte zu Entzückung glühen machen würde? Ja, ich bewundere sie; ich bin stolz darauf daß mir nicht Einer ihrer namenlosen Reize unempfunden entgeht, ob sie gleich tausend bei tausend sich in meine Augen drängen. Ich will dir noch mehr sagen, Arasambes: ich liebe sie, ich brenne vor Verlangen, sie so glücklich zu sehen als sie zu sein verdient; und ich würde meine Seele selbst hingeben, wenn ich sie dadurch glücklich machen könnte.
Arasambes. Deine Hitze macht mich zittern, Araspes. Ich bin weit entfernt, dich anzuklagen, oder deine Liebe zu beleidigen, wenn es auch Liebe ist, was du für Panthea empfindest. Aber laß mich nicht um der schönen Panthea willen einen Freund verlieren, der mir so teuer als mein Leben ist; und verstatte meiner Zärtlichkeit das Recht, sich um alles zu bekümmern, was deine Ruhe befördern oder stören kann.
Araspes. Laß mich dich umarmen, mein Arasambes, mein allezeit redlicher Freund, und vergib meiner unbesonnenen Aufwallung. Deine Sorgfalt verdient meine dankbarsten Regungen, wenn sie gleich bei diesem Anlaß allzu ängstlich wäre. Ich sehe, dünkt mich, alles was du mir sagen willst – von der Gewalt der Schönheit, von dem süßen Gift der Liebe, von der Gefahr mich in ihren Reizungen so zu verstricken, daß ich selbst meine Tugend zurück lassen muß, ehe ich wieder entkommen kann. Aber wenn du dies besorgest, mein Freund, so kennst du weder die Reinigkeit meiner Liebe, noch die Vollkommenheit, von der sie entzündet ist. Wer könnte Panthea wie eine Sterbliche lieben? Bei ihr verliert sich das liebreizende Weib in die holde Majestät des Engels. Sie ist so ganz Seele, daß ihr Leib nur ein Abglanz derselben scheint, oder ein ätherischer Schleier, die blendende Schönheit zu mildern, welche kein sterbliches Auge unverhüllt ertragen könnte. Wenn ich sie sehe, so ist mir als ob mich die Gegenwart einer Gottheit umstrahle. Ein sanfter lieblicher Schauer wallt durch mein Wesen, meine Natur scheint sich zu erhöhen, mein Leib wird ätherisch, ich empfinde mit neuen Sinnen und atme eine reinere Luft. Wenn sie spricht, wird alles Musik um mich her; ihr zauberisches Lächeln scheint sich allem, was um sie ist, mitzuteilen; alles glänzt und blühet und erfreuet sich, wo sie zugegen ist. Jüngst lud uns der Mond ein, diese lustreiche Gegend bei seinem dämmernden Lichte zu durchwandern. Mandane begleitete ihre Königin. O mein Freund, mir war, – ich finde keine Worte, meine Gefühle auszudrücken! So, glaube ich, ist den frommen Geistern zu Mute, die, vom Leib entfesselt, sich zu den Unsterblichen empor geschwungen haben; so glänzen die bezauberten Auen, wo sie in süßer Geselligkeit umher schweben, wie mir an ihrer Seite der verschönerte Frühling entgegen glänzte. Die Blumen und balsamblühenden Stauden schütteten ihr süßere Gerüche zu, der Mond schaute mit hellerm Antlitz auf sie herab, die ganze Natur schien auf die Empfindung stolz zu sein, die sie ihrer himmlischen Seele einflößte. »Welch eine Lieblichkeit«, sagte sie, »verbreitet dieses milde weibliche Mondlicht über die schlafende Natur! Welch ein anmutiger Abstich dieser entfärbten Schatten gegen die scharfen ermüdenden Farben, dieser sanften Stille gegen das laute Getümmel des Tages! Das ungewisse Auge glaubt nur die Schatten der Dinge zu sehen, die kurz zuvor, vom Sonnenglanz vergoldet, in mannigfaltiger Pracht hervorragten. Allenthalben herrscht ein heiliges Stillschweigen, außer wenn fernher eine Quelle über sanft neigende Hügel schläfrig murmelnd herab schleicht, oder irgend ein Zephyr, der unter jungen Blumen schlummerte, erwacht, und umher flatternd ihre süßesten Gerüche von seinen Schwingen schüttelt. Fühlest du auch, Mandane, und du, Araspes, diese zauberische Ruhe, dieses Einschlummern aller Sorgen, dieses angenehme Staunen, welches ich jetzt fühle? Jetzt, da meine Sinne nur wie von leichten Träumen gerührt sind, scheinen alle meine Bekümmernisse eingewiegt, und die besänftigte Seele ist lauter Hoffnung. Wunderbare Ahnungen steigen in mir auf, und schwellen mein Herz mit stiller Sehnsucht nach Szenen von reiner unvermischter Wonne, die in blendendem Glanze schnell vor meinem Geiste vorüber blitzen. Was ich jetzt empfinde, Mandane, gibt allen deinen tröstenden Reden neue Stärke. Mir ist als ob ich, vom Getümmel der Sinne ungestört, die gegenwärtige Gottheit fühle. Wie süß ruht die Natur unter ihren umschattenden Flügeln, indem der ganze Himmel seine strahlenden Heere vor dem Auge ihres Beherrschers aufführt!« – So floß ihr lieblicher Mund von den Gefühlen des schönsten Herzens über, die durch ihre melodiereiche Stimme und durch ihre sanft begeisterte Miene noch mehr verschönert wurden!
Arasambes. Wie beredt ist die Sprache der Zärtlichkeit! Fahre fort, mein Freund; mich dünkt, ich wollte dir zuhören, bis uns die nächtlichen Schatten von hier vertreiben.
Araspes. O Arasambes, ich fühle hier ich weiß nicht was für eine süße Erleichterung, wenn ich die Empfindungen in deinen vertrauten Busen ausgieße, von denen ich mich noch nicht erkühnt habe mit ihr selbst zu reden. – Und doch warum diese Furchtsamkeit? Was ist in allem was ich fühle, das sich selbst vor ihrer unbefleckten Unschuld verbergen müßte? Es wäre mir eben so unmöglich anders zu empfinden, als diesen azurnen Himmel ohne das Gefühl eines aufheiternden Behagens anzuschauen, oder die weiche erquickende Luft ohne Vergnügen einzuatmen. Es ist nicht die Schönheit des Leibes, nicht diese untadelige Symmetrie ihrer Bildung, nicht dieses harmonische Gemisch von ergetzenden Farben und sanft wallenden Linien, was mich entzückt. O mein Freund, es ist eine höhere ursprüngliche Schönheit in ihr, von welcher alle diese äußerlichen Reize und Grazien ausfließen! Es ist ihre Seele, die eine so süße Gewalt über die meinige hat! – Weg mit diesem zweifelnden Lächeln, Arasambes! Wenn du auch meines Herzens, welches du nicht unedel kennest, nicht schonen willst, so beleidige doch diese göttliche Schöne nicht! Ich bin noch nicht so lange um sie, daß mich die Gewohnheit gegen ihre Vortrefflichkeiten stumpf hätte machen können. Jede Stunde entdeckt mir neue Ursachen sie zu bewundern; ihr Betragen ist Güte und Klugheit, mit liebenswürdiger Bescheidenheit geschmückt. In ihrem Reden und Tun ist die ungekünstelte Freiheit, die aus dem Bewußtsein der Unschuld entspringt. Heroische Großmut, mit der sanftesten Zärtlichkeit gemildert, erhitzt ihren Busen. Ihre Gestalt, ihre Worte, ihre Handlungen, alles ist Harmonie. Selbst in ihrer Bildung ist kein feineres Ebenmaß, sind keine richtigere Verhältnisse als in ihren Neigungen und Taten. Sollte mich dieser Himmel von Tugenden nicht entzücken? O mein Freund, dies sind Schönheiten, die ins innerste Herz dringen. Die äußere Gestalt allein, wenn sie gleich alles hat, was die Sinne bezaubern kann, würde nur sanft schmeichelnd über meine Seele hinwallen: aber diese schwesterliche Vereinigung der Schönheit und Güte bemeistert sich des willigen Herzens, und selbst die Vernunft befiehlt mir ganz Liebe zu werden, um dem Wert einer solchen Vollkommenheit durch meine Empfindungen genug zu tun.
Arasambes. Glaube nicht, du edelmütiger Jüngling, daß ich diese Gefühle tadle, die mir vielmehr der stärkste Beweis von der Gesundheit und innern Güte deiner Seele sind. Diese zarte Empfindlichkeit für das Schöne und Vollkommne ist die Grundanlage zu allem, was der Mensch Großes und Bewundernswürdiges tun kann, die echte Mutter des Heldengeistes und der Tugend! Ich liebe meinen Freund um dieser Empfindlichkeit willen, die weit über die kriechende Seele tierischer Menschen erhaben ist. Doch erlaube mir eine Frage, Araspes –
Araspes. Frage was du willst, mein Freund; mein Herz scheuet sich nicht vor deinen schärfsten Blicken, oder es müßte sich selbst unbekannt sein.
Arasambes. Merkst du nicht, daß deine Liebe schon durch mehr als Einen Grad gestiegen ist, und mit jedem Grade sich die Vollkommenheiten ihres Gegenstands größer und glänzender vorstellt?
Araspes. Wie kann es anders sein, als daß mir der nähere Zutritt mehr Vortrefflichkeit enthüllen mußte, als der erste flüchtige Anblick?
Arasambes. Und findest du nicht, daß deine erhitzte Phantasie arbeitet, dir jeden ihrer Vorzüge wie unendlich vorzustellen? Dünkt dich nicht ihre Schönheit schöner, als alles was die ganze Natur Reizendes hat? Dünkt dich nicht, als ob alles, was sie sagt oder tut, nicht besser gesagt und getan werden könne? Glaubst du nicht, auch wenn du von den geringsten ihrer Reizungen sprichst, von den kleinsten Grazien, die um ihre Lippen herum flattern, daß alles, was du sagen kannst, matt und unzulänglich sei, obgleich in deinen Ausdrücken die ganze Hitze der Liebe glühet?
Araspes. Ich gestehe dir dieses, Arasambes; und nichts als ihre ungewöhnliche Liebenswürdigkeit kann mich rechtfertigen. Du würdest sie so sehr bewundern als ich, wenn du sie gesehen hättest.
Arasambes. Und doch wird ein einziger Augenblick ruhiger Überlegung nicht zweifeln lassen, daß, wenn sie auch eine von den ätherischen Nymphen, von den rosenfarbenen Sylphiden wäre, von welchen unsere Dichter fabeln, dennoch alle ihre Vollkommenheiten mit Mängeln umgrenzt sein müssen, wofern es anders ein Vorrecht der obersten Gottheit ist, ohne Mängel zu sein.
Araspes. Wer wird hieran zweifeln? Ich will mit diesen feurigen Ausdrücken, die du mir beilegst, nichts andres sagen, als daß ihre Schönheit und Tugend solche Eindrücke auf mich macht, die ich mit keinen Worten würdig zu beschreiben vermag.
Arasambes. Du hast dich noch nicht heraus gewickelt, mein liebster Freund. Ist es nicht etwas Unbegreifliches, daß ihre mit Mängeln beschattete Vollkommenheit so starke Eindrücke auf dich macht, als ob sie unendlich wäre?
Araspes. Was kann ich sagen, Arasambes, als daß mein Gefühl deinen kalten Schlüssen widerspricht? – O Panthea! für dich sollte ich zu viel empfinden können? Kann ich denn meinen Empfindungen gebieten, wie stark sie sein sollen? Sind sie nicht die Stimme der unbetrügerischen Natur? Wenn Panthea mich anlächelt, so dünkt mich, es sei keine Schönheit, die mich ihrem Anschauen einen Augenblick entlocken könnte. Ihr Atem ist mir lieblicher als der ganze Frühling, den die arabischen Hügel ausduften; und es ist unmöglich, daß mich selbst die Harmonie der Sphären mehr bezaubern könnte, als ihre süße Stimme.
Arasambes. Ich glaube dir gern, daß du alles dieses empfindest! Aber die Folge, die du daraus ziehen willst, ist darum nicht richtiger. Es ist immer noch unaufgelöst, warum deine Empfindungen größer sind als ihr Gegenstand. O mein Freund! es ist etwas Geheimnisvolles in unsrer Natur, das sich vielleicht erst in einer noch unbekannten Zukunft enthüllet. Die Weisheit, der ich meine früheste Jugend widmete, die mit der Morgenröte mich weckte und in der stillen Nacht die Gespielin meiner Einsamkeit war, hat mir manchen kühnen Blick in das Heiligtum unsrer Seele und in das unsichtbare Reich der Geister erlaubt. Wenn sie mich nicht mit glänzenden Träumen getäuscht hat: so ist alles, was wir sehen, nur der Schatten dessen was wahrhaftig ist; so sind wir zu den erhabensten Hoffnungen berechtigt, und alle unsre Neigungen, alle unsre stolzen Arbeiten, sind die Frucht einer dunkeln Ahnung, daß wir für größere Gegenstände und Verrichtungen gemacht sind, als die, worauf uns diese irdische Sphäre einschränkt. Alles was wir bewundern und lieben, diese Pracht der Natur, diese Harmonie der Dinge, alles was wir edel und anständig und groß in menschlichen Sitten und Handlungen nennen, das alles sind nur mangelhafte Nachahmungen eines vollkommnen Urbildes, trübe Ausflüsse einer reinen Urquelle der Vollkommenheit, Ordnung und Schönheit, die wir mit andern Worten die oberste Gottheit, das Wesen der Wesen, die Seele der Welt und den König der Geister nennen. Die Blödigkeit unsers Verstandes erlaubt uns nur in dunkeln Bildern von dieser geheimnisreichen Sache zu reden. Wie wenn die Sonne sich auf den zitternden Wellen abbildet, oder wie sie allen sichtbaren Dingen ihr eignes holdes Licht und ihre tausendfältigen Farben mitteilet: so strahlet alles was ist, etwas Göttliches aus, und pranget mit einer Schönheit und Güte, die nicht sein eigen ist. Rührt nicht diese körperliche Welt, nur von dem letzten fast verloschnen Schimmer der Gottheit angestrahlt, unsre ganze Seele mit heiliger Bewunderung? Die gefühlte Gottheit ist es, was wir so sehr bewundern – was Myriaden höherer Geister, die weit über uns in jenen lichtquellenden Gestirnen wohnen, noch mehr als wir bewundern. Und vielleicht genoß unsere Seele, ehe sie in diesen irdischen Schlamm gestürzt ward, schon jenes höhern Lebens, pflegte mit Göttern Umgang, und brachte diesen unbegrenzten Hang zum Vollkommnen als ein Merkmal ihrer himmlischen Abkunft mit sich. Oder woher dieser stolze wunderbare Trieb nach dem Unendlichen, welchen doch unsre Schwäche zu verdammen scheint? Woher anders, als weil wir uns dunkel bewußt sind, – es mag nun entweder Wiedererinnerung oder weissagendes Vorgefühl sein – daß wir bestimmt sind, auf endlosen Stufen zu demjenigen hinauf zu klimmen, dessen nähere Gegenwart mit jeder Stufe neue Wunder, reineres Licht und göttlichere Szenen um sich her strahlet? Und können wir jetzt nicht auch jene nur scheinbare Ungereimtheit auflösen, die ich in deiner Liebe entdeckte? Unsere mit unendlicher Liebe befruchtete Seele, aber von Sinnlichkeit umnebelt, irret entweder im Gegenstand oder im Maße der Liebe. In allem was die Natur unsern Sinnen oder unserm Verstande darbeut, in der körperlichen und geistigen Schönheit, atmet etwas Göttliches; die angezogene Seele flattert ihm entgegen, von innrer Ahnung und Begierde beflügelt; und wenn tausend Lieblichkeiten, tausend mannigfaltige schwesterliche Schönheiten die betrügliche Vergötterung rechtfertigen, so träumt sie den wahren Gegenstand ihrer Sehnsucht gefunden zu haben, und ergießt ihre ganze Fülle von Liebe über ihn. Und wie könnte sie anders als lauter Entzückung sein, so lange der gefällige Irrtum währet? – Erlaube mir nun, Araspes, zu dieser Entdeckung eine Erinnerung hinzu zu tun. Du liebest die vortreffliche Panthea; die Weisheit selbst billigt deine Liebe: aber sie kann sie nicht billigen, wenn du nicht glauben willst, daß man selbst eine Panthea zu viel lieben könne. Hefte nicht eine Neigung, die so unbegrenzt ist als die Natur und ihr göttliches Urbild, auf einen einzelnen Gegenstand, wie schön er auch sein mag. Deine Freunde, dein Vaterland, und dieses grenzenlose Ganze, von dem wir Glieder sind, haben stärkere Ansprüche an deine Liebe, als das vollkommenste Weib. Und vor allen Dingen – darf ich es sagen ohne deinen Unwillen zu reizen? – glaube nicht, daß deine Freiheit bei einer solchen Reizung zu der einzigen Sklaverei, die uns angenehm ist, außer Gefahr sei!
Araspes. Es ist etwas in mir, das deinen Gedanken Beifall gibt und selbst deine Warnung billigt. Und doch empfinde ich ohne mein Wollen, daß mir die bloße Vermutung einer solchen Gefahr, wovor du mich warnest, unerträglich ist. Was für eine Gefahr kann da sein, wo Tugend und Weisheit mit der Schönheit und allen Grazien in vertraulicher Eintracht die gerechteste Liebe fordern?
Arasambes. Ehe du, vom Leib entfesselt, ganz Seele wirst und nur zu Seele dich näherst, schmeichle dir mit keiner Liebe, an die nicht auch der Leib seine Anforderungen mache. Der einzige Beweis, daß du von ihrer Tugend am meisten gerührt bist, wird dieser sein, wenn du deine eigne bewahrest.
Araspes. Ich danke dir, Arasambes! – Die Freundschaft gibt auch bittern Erinnerungen etwas von ihrer Süßigkeit. Laß es mir niemals an deinem leitenden Winke fehlen, und halte mich, wenn du mich auf schlüpfrigen Wegen gleiten siehest! – Aber unter diesen Gesprächen vergesse ich, die schöne Panthea der Unruhe zu entreißen, welche eure Ankunft erneuert hat. Vielleicht schärft mein langes Verweilen alle ihre erwachten Besorgnisse. Laß mich eilen, Arasambes, ihr liebendes Herz zu beruhigen – oder willst du ihr nicht lieber selbst die angenehme Botschaft bringen?
Arasambes. Eile du zu ihr, mein Freund. Mich nötigt gleichfalls die Liebe – zu einer Mutter zu eilen, die weder ihre grauen Haare noch mein dringendes Flehen zurück halten konnten, mich in dieses rauhe Lager und in die Gefahren und Abwechslungen des Kriegs zu begleiten. Ich sah sie nur einen Augenblick, um dich wieder zu umarmen. Nun fordert sie mich zurück. Ihr ehrwürdiges Antlitz, von mütterlicher Liebe glänzend, wird mir ein süßerer Anblick sein, als wenn die Göttin der Schönheit selbst mit allen ihren unverhüllten Reizungen vor meine Augen träte.
Ich kann nicht begreifen, was diese Leute träumen, daß mich alle vor Gefahren warnen, die nirgends vorhanden sind. Wahrlich, wenn es gefährlich ist sie anzuschauen, und in ihrem Umgang die schnellen Stunden vorbei schlüpfen zu lassen, so ist es eine so süße Gefahr, daß sie viel eher reizen als erschrecken könnte, und die Natur hat unbesonnen eine so süße Wollust damit verbunden! – Aber diesen Leuten, deren weises Blut so gelassen durch die trägen Adern dahin schleicht, glühet jeder Affekt zu stark. Ihre eiskalte Fühllosigkeit soll das Maß unsrer Empfindungen sein; und weil ihre Nerven stumpf und unreizbar sind, wünschen sie sich selbst zu ihrer Weisheit Glück. Nach ihren Reden sollte man zum wenigsten glauben, Panthea atme Flammen aus, oder verwandle, gleich der Gorgone, den, der sie ansieht, in Stein! Nein! ich fürchte keine Gefahr, Panthea, so lange mein Herz deinen Wert empfinden kann. Was kann bei dir meine Tugend verlieren? Ein einziger deiner Blicke wäre genug, mich durch tausend Hindernisse und Gefahren zu jeder edlen Tat zu beflügeln. Dein Lächeln wäre mir die reichste Belohnung für herkulische Arbeiten, mehr als Kronen und Welten voll Sklaven der kleinen Seele des Eroberers! – Aber warum beschuldige ich meinen Freund? Er billigt, er rechtfertigt ja meine Liebe! – Wie könnt er anders? Was verdient unsre Liebe, wenn Weisheit, und gefälliger Witz, und zärtliche Güte, und harmonische Schönheit, und eine Anmut, die selbst die Ungestaltheit reizend machen kann, nur Gleichgültigkeit verdienen sollten? – Aber er befiehlt mir, die Hitze der heiligen Flamme zu mäßigen. Laß doch sehen, worin meine Liebe ihren Wert überwiegt! – Vielleicht hat die Schönheit mein Auge gegen ihre Fehler verblendet? Vielleicht wird der öftere Umgang mir irgend einen Mangel an Großmut, irgend einen Übelstand in ihrem Betragen, irgend ein Gebrechen ihrer Seele entdecken, das der täuschende Schein mir noch verborgen hat. – Ich verachte diesen unwürdigen Verdacht – aber ich bin mir selbst die Gerechtigkeit schuldig, meine Aufmerksamkeit zu verdoppeln. Mit Adlersblicken will ich ihre kleinsten Handlungen, ihre geheimsten Regungen ausspähen: das wird die Bestätigung ihres unvergleichlichen Werts und der Triumph meiner Liebe sein! – Aber schon bin ich vor dem Eingang ihres Gezelts. Welch ein süßer Schauer durchwandelt mein ganzes Wesen, indem ich mich ihr nähere! – Melde mich, Pharnuchus, deiner Königin – mich dünkt, ich höre ihre Stimme, sie bespricht sich mit Mandanen – wie lieblich ist dieser halb zerfloßne Klang! So tönt von ferne dem Ohr des halb schlummernden Schäfers der Gesang der Nymphen, die mit verschlungnen Armen im sanften Mondschein tanzen.
Panthea. Sage nichts mehr, Mandane! der nächste Augenblick wird mein Schicksal entscheiden. Meine Seele erwartet ihn getrost, und doch pocht dies ungehorsame Herz, mein Atem wird immer kürzer, und meine Lippen beben. – Hier kommt er. – Was bringst du uns für Nachrichten, Araspes?
Araspes. Laß dein holdseliges Antlitz in Freude ausstrahlen, meine Königin! Ich bringe die angenehmsten Nachrichten. Abradates ist frei, unbezwungen, und würdig dich zu besitzen, wofern es ein Sterblicher sein kann. Die Tugend erscheint nie in herrlicheren Triumph, als wenn sie selbst Feinden ein unverdächtiges Lob abnötiget.
Panthea. Ich fürchte mich beinahe deinen Worten zu glauben, so groß ist die Freude, zu der sie mich berechtigen. Ist er gewiß in Sicherheit? Von wem hast du die beglückende Botschaft?
Araspes. Von meinem Freunde, von einem würdigen Zeugen und Bewundrer der Tapferkeit des Königs von Susiane. Zweimal hat Abradates unser verfolgendes Heer mit unbezwingbarem Mut aufgehalten; zweimal hat seine heldenmäßige Schönheit die gezückten Arme unsrer Kriegsleute entnervet. Durch eine Flucht, die so ruhmwürdig ist als ein Sieg, ist er ihrer überlegnen Anzahl entgangen, und rüstet sich jetzt in Susa zu neuen Unternehmungen.
Panthea. O womit kann ich dir das erneuerte Leben vergelten, du edelmütiger Jüngling, das mir deine Botschaft wieder geschenkt hat? Wie kann eine arme Gefangene ihre Dankbarkeit zeigen, da sie selbst das ungewisse Leben, das sie atmet, der Gnade eines Gebieters danken muß? Zwar deine freudigen Blicke sagen mir, daß du an meinem Glück Anteil nimmst. Hierin ist schon Belohnung für den Großmütigen. Aber wenn der Himmel, der mir jetzt Hoffnung und Vertrauen zulächelt, mich jemals wieder zu meinem Gemahl bringt, und ein gewogneres Geschick über uns aufgehen heißt; so soll der Name Araspes oft auf unsern Lippen sein, und Abradates soll dem tugendvollen Jüngling den zweiten Platz in seinem Herzen geben, der in der Zeit meiner Erniedrigung mit so edelmütigem Eifer mein Tröster, mein Beschützer und mein Freund gewesen ist.
Araspes. O göttliche Panthea! du beklemmst mein Herz durch eine so unverdiente Güte. Was habe ich noch für dich tun können, das mit einem einzigen deiner Blicke nicht zu viel belohnt wäre? Ständ es in meiner Macht dich glücklich zu machen, o mit welcher glühenden Begierde würd ich einer solchen Ehre entgegen fliegen, die selbst mit meinem Leben zu wohlfeil erkauft wäre! Aber meine eigenen Empfindungen erinnern mich an das, was jetzt Abradates leiden muß. Welch ein Schmerz muß es sein, der jetzt an seinem Herzen naget! Die Freiheit selbst, von der das Leben allen seinen Wert empfängt, kann für ihn keinen Reiz haben, so lang er dich in fremder Gewalt lassen muß. Vielleicht besorgt er, dein Schicksal sei härter als es ist. O laß mich die Qual seiner liebenden Seele verkürzen! Laß mich zu ihm eilen, und ihm Nachricht geben daß du lebst, und daß dir als der Schwester, nicht als einer Sklavin des Cyrus begegnet wird.
Panthea. Diese menschenfreundliche Hitze gefällt mir. Aber sie macht dich vergessen, Araspes, daß die Befehle deines königlichen Freundes dich hier zurück halten, wenn ich auch gestatten könnte, daß du, aus allzu großmütiger Liebe zu einem dir fremden Manne, dich selbst den Gefahren der Reise aussetztest.
Araspes. Mein Freund Arasambes wird dich indessen meine Gegenwart nicht vermissen lassen; und ich bin gewiß, Cyrus würde mein Vorhaben billigen, wenn seine Entfernung mir erlaubte ihn zu befragen. Laß mich meinem Herzen folgen, schönste Panthea! laß mich das deinige erleichtern, indem ich deinem Gemahl die Ruhe wieder gebe, die ihm mit dir geraubt ist. Mich dünkt ich sehe ihn, wie der zärtlichste Kummer seine freie Stirne bewölkt und das heroische Feuer seiner Augen trübe macht. Ich sehe ihn traurig und ungeduldig in den verhaßten Zimmern seines Palasts umher irren, die mit Dir alle ihre Zierde verloren haben. Wo er hinblicke, dünkt ihn den Schatten seiner Panthea dahin schlüpfen zu sehen. Die liebeskranke Einbildung erhöht sein wirkliches Leiden durch erträumte Übel. Vielleicht glaubt er, du seiest im Tumulte der Eroberung von einer unmenschlichen Hand umgekommen; oder du schmachtest in der Gewalt eines Barbaren, der, fühllos für die höhere Schönheit der Tugend nur für das reizende Weib brennen kann. Selbst auf seinem einsamen Lager, wenn ein mitleidiger Schlummer seine Schmerzen einzuwiegen scheint, begegnet ihm in Träumen dein Bild, und zwingt Tränen aus seinen geschloßnen Augen; bald scheint dein Schatten, bleich und mit Blut befleckt, vor ihm vorüber zu gehen; oder er sieht dich in flehender Stellung, mit zerstreuten Haarlocken und glühendem Antlitz, in Tränen gebadet, zu den Füßen eines barbarischen Herren, der mit dem Dolch in der Hand von seiner allzu bezaubernden Gefangenen eine Liebe erzwingen will, die ihrem Abradates heilig ist. – O Panthea! ich fühle, wie ihn diese Besorgnisse martern, die der Traum zu Wirklichkeit erhebt, und deren bloße Möglichkeit die wachende Seele ängstigt. Kannst du mich zurück halten, seinem Herzen den Frieden und die süßeste Hoffnung zu bringen? Die Freundschaft wird mir Flügel ansetzen; der Weg nach Susa wird unter meinen Füßen verschwinden; ich werde –
Panthea. Selbst der unausgeführte Vorsatz verdient alle meine Erkenntlichkeit. Aber ich kann nicht einwilligen, daß du dich ohne Befehl deines Prinzen von hier entfernest. Die rührenden Bilder, womit du meine Tränen hervor gelockt hast, schweben nur allzu oft vor meiner Stirne. Bisher wartete ich nur auf eine sichere Nachricht von dem Aufenthalte meines Gemahls. Jetzt, da mich deine Sorgfalt hierüber beruhiget hat, fehlt es mir nicht an einem Mittel, den Endzweck deines freundschaftlichen Anerbietens zu erhalten, ohne daß du selbst mich verlassen müssest. Ich will ungesäumt an meinen Gemahl schreiben, und, wenn du es erlaubst, soll einer meiner getreusten Sklaven der Bote sein. Das gleiche Blatt soll ihn mit der Nachricht von meiner Gesundheit, und mit dem Lobe des edelsten Freundes erfreuen, den jemals eine unglückliche Gefangene gefunden hat, ihres Kummers zu vergessen, und mitten in ihrem Unglück die Leitung einer mitleidigen Gottheit zu erkennen.
Araspes. O Schönste und Beste unter den Weibern! du legst meinen unbeträchtlichen Diensten einen allzu großen Wert bei! Niemals, ach niemals! werd ich mein Herz befriedigen können, das von allen Empfindungen überwallt, die deine Vortrefflichkeit in jeder tugendhaften Brust erschaffen muß! Nur das sympathetische Gefühl der Sorgen, die jetzt deinen Abradates bestürmen müssen, konnte mir einen Vorsatz eingeben, der mich von dir entfernt hätte. Ich gehe jetzt, um dich keinen Augenblick an der süßen Arbeit zu stören. So bald die morgende Sonne dich geweckt hat, will ich bereit sein deine ferneren Befehle zu empfangen.
Was für eine Macht ist in den Blicken dieser Zaubrerin! Mit welcher Güte, mit welchem unwiderstehlichen Lächeln sah sie mich an! Nie sah ich so viel Zärtlichkeit in ihren Blicken. O, wie schlug mir das Herz vor trunkner Freude! Kaum konnte ich meine von selbst sich ausbreitenden Arme zurück halten, sie in feurig aufwallender Inbrunst an mein Herz zu drücken, und meine von Entzückung aufgesprengten Lippen jedes Gefühl der dankbaren Seele ertönen zu lassen. Schon oft glaubte ich in ihrem Betragen Gleichgültigkeit, in ihren Blicken zu viel Kälte zu fühlen. Wie krümmte sich meine Seele unter dem Gedanken, daß ich nicht Wert genug besitze ihre Zärtlichkeit zu verdienen! Laß unsere Liebe noch so rein und edel sein, es ist doch Marter ungeliebt zu lieben. Nun ist diese Furcht verschwunden; lauter schmeichelnde Hoffnungen, in den goldnen Schimmer ihrer Blicke gekleidet, umflattern meine bezauberte Phantasie. Gewiß war Liebe in ihren Blicken, erhabne, unschuldsvolle Liebe, wie herab lächelnde Engel für Sterbliche empfinden. O meiner großmütigen Torheit! mich selbst aus ihrer Gegenwart verbannen zu wollen, um fremde Schmerzen zu stillen, die sich bald in vollerm Maß über mich selbst ergießen werden. Eitle, sinnlose, schimärische Großmut! Warum soll ich diesen Abradates mehr als mich selbst lieben? Ist es ein so kleines Glück um Panthea zu sein, daß ich so fertig war sie zu verlassen, mir selbst ganze Tage ihres süßen Umgangs zu stehlen? Und wofür? – Um die Zeit zu beschleunigen, welche sie ganz aus meinen Augen nehmen wird! Vergebens würde dann meine reuvolle Seele um einen einzigen der Augenblicke, die ich so verscherzt hätte, Welten dahin geben. – O wie hasse ich meine Unbesonnenheit! – Nur zu bald, ach! nur zu bald wird seine Glückseligkeit mich der Wonne berauben, die ich jetzt so wenig entbehren kann, als ich ohne zu atmen leben könnte! Was wird dann mein Schicksal sein, wenn Er, der glücklichste aller Menschen, in ihrer Umarmung jedes Leidens vergißt! wenn sein schmelzendes Herz vor sprachloser Entzückung an ihrem Herzen zerfließt! wenn paradiesische Tage einen Kreis um ihn her schließen, durch den kein Schmerz, keine Sorge, kein Wunsch dringen kann! – Ach! dann wird eine traurige Erinnerung und kummervolles Staunen alles sein, was mir übrig gelassen ist! – Zurück, meine Seele, von dieser schrecklichen Aussicht! Täusche dich selbst, so lang es möglich ist; vergälle nicht dein gegenwärtiges Glück mit quälenden Vorempfindungen. – Aber wie kann ich mir verbergen, daß dieses Glück nur ein süßer Traum ist? Vielleicht noch wenige Tage, so ist für mich keine Panthea mehr! Der bloße Gedanke hüllt mich in Finsternis, löscht die ganze Schöpfung vor mir aus. – Was ist für mich das Leben, wenn sich der Sonnenschein deiner Blicke zurück zieht? Welche Wildnis, welche menschenfeindliche Einöde wird dann für meinen verfinsterten Geist wild und einöde genug sein? Ja! in Wildnisse will ich fliehen, die nie ein menschlicher Fuß betreten hat, wo die Natur nie lächelte, wo alles tot um mich her ist, verlassen und einsam; es sei denn, daß in den schrecklichen Stunden der Mitternacht das blasse Gespenst eines Unglücklichen, den vor mir die Liebe hier verzehrt hat, bei mir vorüber rausche. Dort, wo von einem überhangenden Felsen die traurige Zypresse ihren Todesschatten auf mich herab wirft, dort will ich liegen, von den unbeweglichen Bildern meiner ehmaligen Wonne umgeben, wie ein Toter von starren Marmorbildern, die um sein Grabmahl versteinerte Tränen weinen. So will ich in stummer schwermütiger Entzückung der süßen Erinnerung jener Tage nachhangen, die mir wie schnelle Augenblicke in ihrem Umgang entschlüpften. Kein Gesichtszug, keine redende Gebärde, kein Blick, der aus ihrer Seele hervor brach, soll dem getreuen Bildnis fehlen, welches immer vor mir schweben wird. O die Zukunft kann mir nichts geben, wenn ich deiner beraubt bin! Wo du nicht bist, ist alles Einöde für mich; jeder Augenblick entweihet diese Augen, die gewohnt waren dich anzuschauen. Deiner beraubt – hinweg mit dem schwarzen Gedanken! zehnfacher Tod ist in ihm! Der Frühling meiner Liebe ist noch zu zart seinen Anhauch zu ertragen. – Komm, komm du holder Genius der Liebe, sinke herab auf umduftenden Wolken, und wehe mir Trost und erquickende Hoffnung zu! Bring sanftere Gedanken, frohe Erwartungen und gefällige Träume mit dir, die fiebrische Hitze der kranken Seele abzukühlen, und die wilde Ungeduld in Ruhe einzuwiegen. Nur die Liebe kann die Wunden heilen, die sie geschlagen hat. O Panthea, ein einziger deiner milden Blicke kann es! Von dir geliebt kann ich nicht unglücklich sein, obgleich von dir getrennt. – Wie verschmähe ich jetzt den romantischen Unsinn, den meine aufwallende Hitze ausschäumte! – Wohin war ich verirrt! Ich erröte vor mir selbst, daß mein edleres Herz nur einen Augenblick zu einer so zaghaften Feigheit herab sinken konnte. – Soll ich mich darüber in Verzweiflung verlieren, wenn das würdigste Paar, das die Liebe jemals vereinigt hat, wieder glücklich ist? wenn Panthea glücklich ist, für die ich jeder Gestalt des Todes entgegen eilen würde? Ist die Freundschaft, die sie mir gewidmet hat, von so geringem Wert, daß sie mir noch einen gerechten Wunsch übrig lassen kann? Oder bist du fähig, meine Seele, den Glücklichen zu beneiden, dem allein erlaubt ist, in ihren keuschen Armen das ganze Glück einer geheiligten Liebe zu empfinden? Wer ist dessen würdig, wenn es nicht Abradates ist? – Nein, Panthea, so tief soll deine Schönheit mich nicht erniedrigen! Ich bewundere deine Gestalt, und liebe deine Seele. Dies würde ein Engel tun, der dich erblickte! O du bist so vortrefflich, daß Cyrus selbst mir vielleicht vergeben würde, wenn der Gedanke von dir entfernt zu werden, mit allen seinen Schrecknissen umringt, etliche Augenblicke meinen Mut zu Boden schlüge. Aber jetzt soll sich meine Tugend zu einer großen Tat rüsten; zu einer größern Tat, als wenn eine gefesselte Welt an den Rädern meines Siegeswagens rollte! – Deine Liebe, göttliche Panthea, soll mein eigenes Selbst verzehren; ich will mich im Anblick deiner Glückseligkeit für glücklich halten! Ich will so eifrig, als ob es für mich selbst wäre, für deinen Abradates arbeiten! Diese Hand soll ihm ein Kleinod wieder geben, das allen Preis übersteigt, wenn gleich jedes Sandkorn am Meer eine goldene Welt würde es zu erkaufen. Wenn sie dann beim entzückten Wiedersehen das Herz des geliebten Mannes an ihre hüpfende Brust drückt; dann soll mein Geist in stillem Triumph über ihnen schweben, und von sympathetischer Freude ergriffen seiner eigenen Wünsche vergessen!