Wilhelmine von Bayreuth
Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth
Wilhelmine von Bayreuth

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Sobald der König sich zurückgezogen hatte, ließ mich die Königin rufen. Sie umarmte mich mit einem Jubel, der mir unerklärlich war. »Alles geht vortrefflich, liebe Tochter,« sagte sie, »ich triumphiere über meine Feinde. Vom dicken Adolf ist nicht mehr die Rede, noch vom Markgrafen von Schwedt, Sie werden den Prinzen von Bayreuth heiraten und ihn von meiner eigenen Hand erhalten.« Zugleich berichtete sie mir das ganze Gespräch, das zwischen ihr und dem König geführt worden war. Das Ergebnis desselben war mir keineswegs erfreulich; ich blieb ganz betroffen und wußte nicht, was ich erwidern sollte. »Nun, sind Sie mit der Mühe, die ich mir für Sie gegeben habe, nicht zufrieden?« Ich gab ihr zur Antwort, daß ich alle Güte, die sie mir zu erweisen geruhte, pflichtschuldigst würdigte, daß ich sie aber bitten müsse, mir Zeit zu lassen, um zu überlegen, was ich tun sollte. »Wie,« rief sie, »Zeit? Ich glaubte, die Sache würde sich von selbst entscheiden, und Sie würden sich meinem Willen fügen.« »Ich würde nicht zögern es zu tun, wenn der König nicht unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg legte. Eure Majestät können nicht von mir verlangen, daß ich ohne die Beteiligung des Königs und ohne die erforderlichen Formalitäten verheiratet werde. Was dächte man im Volke davon, und was dächte man von mir, wenn ich auf so unwürdige Weise, wie der König meint, das väterliche Haus verließe. Ich kann unter solchen Umständen nichts anderes tun, als dem König zu antworten, ich sei bereit, einen der drei genannten Prinzen zu heiraten, vorausgesetzt, daß Eure Majestät und er in der Wahl übereinstimmen. Aber ich werde mich nicht entschließen, bevor sich meine Eltern über die Wahl geeinigt haben.« »So nehmen Sie den Großmogul oder den Sultan,« rief die Königin, »und folgen Sie Ihrer Laune; ich würde mir nicht so viel Kummer bereitet haben, wenn ich Sie besser durchschaut hätte. Folgen Sie dem Befehl des Königs, es steht bei Ihnen; ich kümmere mich nicht mehr um Ihre Angelegenheiten, und verschonen Sie mich, bitte, mit Ihrer greulichen Gegenwart, die ich nicht länger ertragen kann.« Ich wollte etwas erwidern, aber sie gebot mir zu schweigen und befahl mir, mich zurückzuziehen. Ich ging weinend hinaus. Fräulein von Sonsfeld wurde dann gerufen. Die Königin beklagte sich bei ihr bitterlich über mich und befahl ihr, mich zum Gehorsam zu bereden. »Ich will unbedingt,« sagte sie, »daß sie den Prinzen von Bayreuth heiratet; diese Ehe ist mir so lieb wie die mit dem englischen Prinzen; ich dulde keinen Widerstand, und meine Tochter darf darauf gefaßt sein, daß ich ihr nie verzeihen werde, wenn sie Schwierigkeiten erhebt.« Fräulein von Sonsfeld machte ihr dieselben Vorstellungen wie ich und erwiderte kühn, daß sie sich nicht erlauben würde, mir hierüber einen Rat zu geben, worüber die Königin sich sehr erzürnte. Mein Bruder, der während dieses ganzen Gespräches zugegen gewesen war, suchte mich auf und wollte mich überreden, der Königin zu gehorchen. Seine Geduld war zu Ende, da der König fortfuhr, ihn zu mißhandeln; und das Zaudern Englands fing an, ihn zu verdrießen; ich glaube sogar, daß sein Plan, zu entfliehen, damals schon gefaßt war. Trotz der guten Gründe, die ich für meine Weigerung vorbrachte, geriet er in Zorn und sagte mir sehr harte Dinge, worüber ich vollends verzweifelt wurde. Alle, die ich um Rat fragte, gaben mir recht und ermutigten mich, standhaft zu bleiben, indem sie mir versicherten, es sei das einzige Mittel, mich mit dem König auszusöhnen, der sich erweichen und für die Wünsche der Königin eher gewinnen lassen würde. Fräulein von Bülow, die mich über das Verhalten meines Bruders ganz außer mir sah, suchte mich zu trösten; sie behauptete sogar, daß sie ein sicheres Mittel habe, um die Königin zu besänftigen; sie wolle jetzt nur abwarten, bis die Königin sich über ihren ersten Ärger beruhigt habe, ich dürfe aber sicher sein, daß sie ganz anders reden würde, sobald sie selbst mit ihr gesprochen habe.

Am folgenden Morgen erhielt die Königin den Brief vorgelegt, den der König an den Markgrafen von Bayreuth gerichtet hatte. Er war in sehr verbindlichen Worten abgefaßt. Nachdem sie ihn gelesen hatte, wiederholte er ihr mit zorniger Miene alles, was er ihr tags zuvor gesagt hatte, nämlich, daß er meiner Hochzeit nicht beiwohnen und mir keine Mitgift geben wolle. Dem allem fügte sich die Königin; und er ging weg, indem er sagte, er würde den Brief abschicken. Es war in der Tat seine Absicht, aber Seckendorf und Grumbkow, die dabei nicht auf ihre Rechnung kamen, hinderten ihn daran. Noch selben Abend wurde es durch den Marschall von Borck der Königin heimlich gemeldet. Es gelang Fräulein von Bülow endlich, mit ihr zu reden. Sie sagte ihr, Herr Dubourgay und Herr von Kniephausen seien nach reiflicher Überlegung in Anbetracht der äußerst zugespitzten Lage endlich übereingekommen, daß ein letzter Versuch in England unternommen werden müßte, indem man den englischen Geistlichen, der mich in dieser Sprache unterrichtete, als Boten dorthin entsendete; daß Herr Dubourgay ihn mit Briefen betrauen wollte, die dem Ministerium unsere läge in ergreifender Weise schildern sollte; daß dieser Mann, der mich täglich sah, ihnen eine Beschreibung meiner Person und meines Charakters geben konnte, sowie der schrecklichen Lage, in die wir geraten waren. Die Königin war mit diesem Plan ganz einverstanden. Sie benutzte diese Gelegenheit, um an die Königin von England zu schreiben, erhob bittere Klagen über ihr langes Zaudern und warf ihr ihre wenig freundliche Haltung vor. Der Geistliche schied mit diesen Botschaften, von meiner Mutter mit Geschenken überhäuft. Er weinte heiße Tränen, als er von mir Abschied nahm; er sagte mir, indem er mich auf englische Weise grüßte, daß er seine Nation verleugnen würde, wenn sie mir gegenüber nicht ihre Pflicht erfüllte. Der König schien indessen besänftigt, ging leidlich mit der Königin um und erwähnte nichts mehr. Die Lage meines Bruders und die meine war dadurch nicht verbessert; ich wagte nicht, vor ihm zu erscheinen. Mein armer Bruder, der nicht umhin konnte, sich in seiner Nähe zu halten, begegnete täglich Faust- und Stockhieben; er war in einer gräßlichen Verzweiflung, und ich litt schwerer als er, ihn so behandelt zu sehen.

Der König entschloß sich indes, nach Dresden zu reisen, um mit dem König von Polen zusammenzukommen. Seine Abreise war für den 18. Februar bestimmt. Ich hatte schon bei der Königin von meinem Bruder Abschied genommen und war im Begriff, zu Bett zu gehen, als ich einen nach französischer Sitte prächtig gekleideten jungen Mann bei mir eintreten sah. Ich stieß einen Schrei aus, da ich nicht wußte, wer es war, und flüchtete hinter einen Wandschirm. Fräulein von Sonsfeld, ebenso erschrocken wie ich, ging hinaus, um zu erforschen, wer sich erkühnt hatte, zu einer so ungehörigen Stunde einzutreten. Aber ich sah sie einen Augenblick später mit diesem Kavalier wieder hereinkommen, der herzlich lachte und den ich als meinen Bruder erkannte. Diese Tracht veränderte ihn so sehr, daß er nicht mehr derselbe schien. Er war in vortrefflichster Laune. »Ich komme noch einmal, mich von Ihnen zu verabschieden, liebe Schwester; und da ich weiß, wie Sie mich lieben, will ich Ihnen meine Pläne nicht geheimhalten. Ich gehe, um nicht wiederzukommen; ich kann den Schimpf, der mir zugefügt wird, nicht mehr ertragen, meine Geduld ist zu Ende. Die Gelegenheit ist günstig, um mich dem gräßlichen Joch zu entziehen; von Dresden aus werde ich nach England entweichen und zweifle nicht, Sie von hier loszumachen, sobald ich dort sein werde. Ich bitte Sie also, sich zu beruhigen; wir werden uns bald an anderem Orte wiedersehen, wo Freude auf unsere Tränen folgen soll und wo wir in Ruhe und Frieden zusammen sein können, ohne länger verfolgt zu werden.«

Ich war sprachlos vor Staunen, machte ihm aber dann die dringendsten Vorstellungen und hielt ihm die Unausführbarkeit seines Planes vor Augen, sowie die furchtbaren Folgen, die der Schritt nach sich ziehen würde; und da ich ihn unerschütterlich in seinem Vorhaben sah, warf ich mich ihm zu Füßen und weinte tausend Tränen. Fräulein von Sonsfeld, die zugegen war, half mir ihn anflehen. Wir überzeugten ihn endlich von der Aussichtslosigkeit seines Vorhabens, und er gab mir sein Ehrenwort, es nicht zur Ausführung zu bringen.

Einige Tage nach der Abreise des Königs wurde die Königin gefährlich krank; ein plötzlicher Anfall kostete ihr nahezu das Leben. Ihre Schmerzen waren so groß, daß sie trotz ihrer Standhaftigkeit in laute Wehrufe ausbrach. Da sich ihr Übel nur allmählich verschlimmert hatte, war der König nach Potsdam zurückgekehrt, bevor es seinen Höhepunkt erreicht hatte. Frau von Kamecke und Monsieur Stahl, erster Leibarzt des Königs, hatten ihn von der Erkrankung der Königin in Kenntnis gesetzt, sowie davon, daß ihr Leben gefährdet und sie von einer für sie wie für ihr Kind sehr verhängnisvollen Operation bedroht sei, falls nicht bald eine Besserung einträte. Die Ramen, von Seckendorf unterstützt, widersprach diesen Berichten und ließ den König versichern, die Königin sei gar nicht krank und alle ihre Grimassen seien nur ein abgekartetes Spiel. Ich wich nicht vom Bett der Königin.

Die Gleichgültigkeit, die ihr der König bezeigte, vermehrte ihre Leiden. Endlich steigerten sie sich zu solcher Heftigkeit, daß man eine Stafette an den König schickte, er möge um Gottes willen kommen, wollte er sie noch am Leben antreffen. Er kam sogleich nach Berlin, trotz aller Mühe Seckendorfs, ihn abzuhalten. Er nahm Holtzendorff mit, um darüber unterrichtet zu werden, ob die Krankheit nicht bloß vorgetäuscht sei. Aber sobald er die Kranke erblickt hatte, schwanden alle seine Zweifel, um dem bittersten Schmerz zu weichen. Der Bericht seines Generalarztes brachte ihn vollends in Verzweiflung; er zerfloß in Tränen und sagte allen, die ihn umringten, er wolle die Königin nicht überleben, falls sie ihm entrissen würde. Die rührenden Worte, die sie an ihn richtete, betrübten ihn nur noch mehr. Er bat sie in Anwesenheit ihrer sämtlichen Damen um Verzeihung wegen allen Kummers, den er ihr bereitet hatte, und gab ihr genügend zu erkennen, daß sein Herz weniger daran teilgehabt hatte als die nichtswürdigen Leute, die ihn wider sie aufhetzten. Die Königin nahm diesen Augenblick wahr, um ihn flehentlich zu bitten, mit meinem Bruder und mir besser zu verfahren. »Versöhnen Sie sich«, sagte sie, »mit diesen beiden Kindern und lassen Sie mich mit dem tröstlichen Bewußtsein sterben, daß der Friede in der Familie hergestellt ist.« Er ließ mich rufen. Ich warf mich ihm zu Füßen und sagte ihm alles, was mir am geeignetsten schien, ihn zu rühren und für mich zu gewinnen. Vor Schluchzen konnte ich kaum sprechen, und alle Umstehenden weinten bitterlich. Er hob mich endlich auf, umarmte mich und schien selbst über meinen Zustand bewegt. Dann folgte mein Bruder. Er sagte ihm einfach, daß er ihm alles Vergangene aus Rücksicht auf seine Mutter vergebe; er möge sein Betragen ändern und nunmehr sich nach seinem Willen richten, dann dürfe er auf seine väterliche Liebe rechnen. Diese wiederhergestellte Einigkeit beglückte die Königin so sehr, daß sie nach drei Tagen außer Gefahr war. Sobald der König außer Sorge um sie war, zeigte er meinem Bruder und mir den alten Haß. Aber aus Rücksicht auf die noch sehr schwache Gesundheit seiner Gemahlin ließ er uns in ihrer Gegenwart nichts merken und malträtierte uns nur außerhalb ihres Gemaches.

Mein Bruder fing sogar wieder an, die gewohnten Liebkosungen seiner Faust- und Stockhiebe entgegenzunehmen. Wir verbargen unsere Leiden vor der Königin. Mein Bruder wurde jedoch immer ungeduldiger und sagte mir täglich, daß er fest entschlossen sei zu entfliehen und nur auf eine Gelegenheit warte. Er war so erbittert, daß er auf meine Warnungen nicht länger hörte und sich sogar häufig wider mich erzürnte. Als ich eines Tages alles aufbot, um ihn zu besänftigen, sagte er mir: »Sie wollen mir immer Geduld vorpredigen, aber sich nie an meine Stelle setzen; ich bin der unseligste aller Menschen und vom frühen Morgen an von Spionen umringt, die meine Worte und Handlungen bösartig auslegen; die unschuldigsten Erholungen sind mir verwehrt; ich wage nicht zu lesen, die Musik ist mir untersagt, und ich genieße diese Freuden nur verstohlen und voll Zagen. Aber was mich endgültig zur Verzweiflung gebracht hat, ist ein Vorgang, der sich kürzlich in Potsdam ereignete, den ich der Königin nicht mitteilen wollte, um sie nicht zu beunruhigen. Als ich eines Morgens in das Zimmer des Königs trat, faßte er mich erst bei den Haaren und warf mich zu Boden; und nachdem er die Kraft seiner Arme an meinem armen Körper erprobt hatte, schleppte er mich trotz meiner Gegenwehr zum nächsten Fenster; dort wollte er das Amt der Stummen im Serail übernehmen, denn er faßte die Schnur, welche den Vorhang festhielt, und legte sie um meinen Hals. Zum Glück für mich war mir noch Zeit geblieben, mich zu erheben, ich ergriff seine beiden Hände und fing an zu schreien. Ein Lakai eilte mir alsbald zu Hilfe und entriß mich seinen Händen. Täglich bin ich denselben Gefahren ausgesetzt, und meine Leiden sind so verzweifelt, daß ich ihnen nur gewaltsam ein Ende machen kann. Katte ist mir ergeben, ich bin seiner sicher, und er folgt mir ans Ende der Welt, wenn ich es will; Keith wird sich auch zu mir gesellen. Diese beiden Leute werden meine Flucht erleichtern und mir sie durchführen helfen. Der Königin werde ich nichts mitteilen; sie würde alles bestimmt der Ramen anvertrauen, was alles verdürbe. Ich werde Sie heimlich von allem, was vorgeht, in Kenntnis setzen und es einzurichten wissen, daß Sie alle meine Briefe erhalten.« Man stelle sich meinen Kummer vor, als ich diese traurige Erzählung vernahm. Die Lage meines Bruders war so heillos, daß ich sein Vorhaben nicht tadeln konnte, aber ich sah nur jammervolle Folgen voraus. Sein Plan war so schlecht ausgedacht und die beteiligten Mitwisser so kopflos und so unfähig, eine so verhängnisvolle Sache gut durchzuführen, daß sie nur scheitern konnte. Ich hielt dies alles meinem Bruder vor, aber er war auf seine Pläne so erpicht, daß er mir keinen Glauben schenkte; und alles, was ich bei ihm erreichte, war, daß er die Ausführung so lange verschob, bis die Antworten auf die Briefe, die durch den englischen Geistlichen nach England geschickt waren, eingetroffen sein würden.

Da sich die Königin nach und nach erholte, kehrte der König nach Potsdam zurück. Die Briefe kamen einige Tage nach seiner Abreise an. Der Geistliche war wohlbehalten in seiner Heimat angekommen, wo er sich seiner Aufträge entledigt und dem englischen Ministerium unsere Lage geschildert hatte. Die vorteilhafte Schilderung, die er von meinem Bruder und mir gegeben, hatte die ganze englische Nation für uns eingenommen. Es wurde ihm sogar eine Audienz beim Prinzen von Wales bewilligt, der ihm alle erdenkliche Bereitwilligkeit, mich zu heiraten, bekundete und sogar seinem Vater, dem König, erklären ließ, daß er sich nie mit einer andern als mir vermählen wurde. Das Ministerium hatte das Gesuch des Prinzen so eindringlich vertreten und die ganze Nation über das lange Zögern des Königs so sehr gemurrt, daß er sich endlich entschlossen hatte, den Chevalier Hotham als seinen außerordentlichen Gesandten in Berlin zu ernennen. Dieser Herr sollte unverzüglich abreisen, um seinen Posten anzutreten. Diese Nachricht erfreute die Königin aufs höchste, und sie ließ mich auch betreffs meines Bruders ein wenig aufatmen; ich verfehlte nicht, ihn alsbald zu benachrichtigen. Die augenblickliche Ruhe benutzte ich dazu, um meine Andacht zu verrichten. Als ich Sonntags aus der Kirche kam, traf ich Herrn von Katte, der vor der Schloßtreppe auf mich wartete; er händigte mir recht unvorsichtig einen Brief meines Bruders ein. Das Zimmer der Ramen lag der Treppe gegenüber, die Tür stand offen, und die Ramen hatte sich so gesetzt, daß sie alles sehen konnte, was vorging. »Ich komme von Potsdam,« sagte Katte, »ich habe dort drei Tage inkognito zugebracht, um den Kronprinzen zu sehen; er hat mich mit diesem Brief betraut, mit dem ausdrücklichen Befehl, ihn Eurer Königlichen Hoheit selbst zu übergeben. Er ist wichtig, und der Kronprinz bittet Sie, ihn nicht der Königin zu zeigen.« Ich nahm den Brief, ohne ein Wort zu erwidern, und eilte wie der Blitz die Treppe hinauf, über die begangene Unvorsichtigkeit sehr aufgebracht. Nachdem ich mich mit meiner Hofmeisterin über Katte, der mich in solche Verlegenheit gebracht, ausgelassen hatte, öffnete ich den Brief und las folgendes:

»Ich bin außer mir; die Tyrannei des Königs wird immer ärger, ich ertrag es nicht länger. Sie geben sich doch ganz vergeblich der Hoffnung hin, daß die Ankunft des Chevalier Hotham unsern Leiden ein Ende machen wird. Die Königin verdirbt alles durch ihr blindes Vertrauen in die Ramen. Der König hat durch dies Weib schon die angekommenen Nachrichten sowie die Maßnahmen, die man zu treffen gedenkt, erfahren, wodurch seine Erbitterung immer zunimmt; ich wollte, das abscheuliche Luder würde am Galgen aufgeknüpft, sie ist schuld an unserm Unglück. Man sollte der Königin die Nachrichten, die eintreffen, nicht mehr mitteilen, ihre Schwäche für die infame Kreatur ist unverzeihlich. Der König wird am Dienstag nach Berlin zurückkehren; doch ist es noch ein Geheimnis. Adieu, meine liebe Schwester, ich bin ganz der Ihrige.«

Ich zweifelte nicht, daß die Königin durch die Ramen schon wußte, daß ich Briefe erhalten hatte. Ich konnte ihn ihr nicht zeigen und wußte nicht, wie es vermeiden. Endlich besprach ich mich mit der Mermann und befahl ihr, mir diesen Brief nicht zu schicken; selbst wenn ich dreißig Boten aussenden sollte, ihn holen zu lassen; sie müsse sagen, nachdem sie scheinbar eifrig danach gesucht hätte, daß sie ihn aus Versehen mit andern Papieren verbrannt haben müßte, die ich ins Feuer geworfen hätte. Um ihr die Lüge zu ersparen, opferte ich ihn in der Tat dem Feuer. Zum Glück erwähnte ihn die Ramen nicht, was mich aus der Verlegenheit zog. Man wird in der Folge sehen, welcher Kummer mir durch die Unbesonnenheit Kattes erwuchs.

Mr. Hotham kam mittlerweile am 2. Mai nach Berlin. Die Königin war noch so schwach, daß sie ihr Bett nicht verlassen konnte. Mr. Hotham wollte ihr die Aufträge nicht enthüllen, mit denen er betraut worden war, so sehr sie auch in ihn drang. Er bestand darauf, eine Audienz beim König zu erhalten. Dieser bestellte ihn nach Charlottenburg. In ihrer Neugier, zu hören, was sich dort zutrug, schickte die Königin einige ihrer Leute verkleidet hin, um auszukundschaften, welche Wendung die Dinge nehmen würden. Nachdem Mr. Hotham dem König die Versicherung der andauernd freundschaftlichen Gefühle des Königs von England ausgesprochen hatte, fuhr er fort, er sei beauftragt, mich als Braut für den Prinzen von Wales zu begehren, und er zweifle nicht, der König würde auch in die Ehe meines Bruders mit der Prinzessin Amalie einwilligen, um die Bande der beiden Königshäuser noch enger zu knüpfen; doch sei es sein königlicher Herr zufrieden, wenn meine Heirat sich vor der andern vollzöge, und es stünde bei dem König von Preußen, die meines Bruders zu bestimmen, für wann es ihm gefiele.

Über diese Eröffnungen war der König hocherfreut. Seine Erwiderung war die verbindlichste der Welt. Die Tafelstunde machte der Unterredung ein Ende. Man nahm sofort die zufriedene Miene des Königs wahr. Die Mahlzeit verlief aufs beste, und Bacchus hielt dabei wie gewöhnlich den Vorsitz. Im Übermaß seiner guten Laune nahm der König ein großes Glas, und Mr. Hotham sich zuwendend, erhob er es, indem er ganz laut seinen Schwiegersohn, den Prinzen von Wales, und mich leben ließ. Diese wenigen Worte riefen bei den Geladenen eine sehr verschiedene Wirkung hervor; Grumbkow und Seckendorf waren davon ganz betroffen, während die Partei der Königin und ihre Kundschafter triumphierten. Nach der Tafel näherte sich Mr. Hotham dem König und bat ihn inständig, über die Anträge, die er ihm betreffs meiner Vermählung erstattete, nichts verlauten zu lassen, bevor er ihm eine zweite Audienz gewährt habe. Der König war etwas erstaunt, daß man ihm Verschwiegenheit auferlegte, und man wollte sogar einige Verdrießlichkeit aus seinen Mienen lesen. Seckendorf und Grumbkow waren über den Auftritt, dessen Zeugen sie gewesen, tief betreten, kehrten nach Berlin zurück und sahen ganz verdrießlich ihre Pläne vernichtet. Die Leute der Königin überbrachten ihr indessen diese Neuigkeiten.

Ich saß eben ruhig in meinem Zimmer mit einer Arbeit beschäftigt und ließ mir vorlesen. Die Damen der Königin, von einem Rudel Dienstboten gefolgt, unterbrachen mich, und das Knie vor mir beugend, schrien sie mir ins Ohr, sie seien gekommen, die Prinzessin von Wales zu begrüßen. Ich glaubte, sie seien alle närrisch geworden, da sie gar nicht aufhören wollten und ihre Freude so groß war, daß sie sich nicht mehr auskannten. Sie redeten alle zu gleicher Zeit, weinten, lachten, tanzten und umarmten mich. Endlich, nachdem die Komödie eine ganze Weile gedauert hatte, erzählten sie mir, was ich eben berichtet habe. Es machte mir so wenig Eindruck, daß ich sagte, indem ich weiter arbeitete: »Weiter ist es nichts?« worüber sie sehr erstaunten. Einige Zeit darauf kamen auch meine Schwestern und verschiedene Damen, um mich zu beglückwünschen; denn ich war sehr beliebt, und die Beweise, die ich jetzt davon erhielt, freuten mich mehr als deren Anlaß. Abends begab ich mich zur Königin, deren Freude man sich leicht vorstellen kann. Sie nannte mich zuerst ihre liebe Prinzessin von Wales und titulierte Fräulein von Sonsfeld Mylady. Diese nahm sich die Freiheit, sie zu warnen, daß sie besser daran tun würde, sich zu verstellen; da der König ihr noch keinerlei Mitteilung von der Sache gemacht hätte, würde er es übelnehmen können, daß sie solchen Lärm schlage; die geringste Kleinigkeit könne ihre Hoffnungen noch alle vernichten. Da die Gräfin Fink ihr beistimmte, versprach ihnen die Königin, wiewohl ungern, sich zu mäßigen.

Der König kehrte zwei Tage später zurück. Er sprach mit keinem Worte von dem, was sich zugetragen hatte, so daß wir eine sehr schlechte Meinung von der ganzen Mission des Mr. Hotham erhielten. Er teilte der Königin mit, daß er sich mit dem Herzog von Braunschweig-Bevern verständigt habe, der für seinen ältesten Sohn um die zweite meiner Schwestern angehalten hatte. Er erwartete die beiden Fürsten für den kommenden Tag. Seckendorf war der Vermittler dieser Heirat; sein Plan ging aber noch weiter, und diese Heirat war nur die erste Stufe zu dem großen Vorhaben, das er im Sinne hatte. Der Herzog, ein Schwager der Kaiserin, war damals nur apanagierter Prinz; denn sein Schwiegervater, der Herzog von Blankenburg, war der voraussichtliche Thronerbe des Herzogtums Braunschweig. Ich will ihn nicht weiter beschreiben: es genügt, wenn ich sage, daß dieser Fürst von allen rechtlichen Leuten geliebt und geachtet wurde; sein Sohn folgte seinem Beispiel. Da die Königin hart vor ihrer Entbindung stand, wurde die Verlobung meiner Schwester in aller Stille gefeiert. Seckendorf war der einzige von den auswärtigen Gesandten, der dazu geladen war.

Mr. Hotham hatte indessen täglich geheime Unterredungen mit dem König. Die Vollziehung der Doppelheirat hing nur von einer einzigen Bedingung ab: der König von England forderte nämlich vom König von Preußen, daß er ihm Grumbkow opfere. Der englische Gesandte beteuerte, daß dieser Mann sich gänzlich dem Wiener Hofe überantwortet habe und allein die Schuld an der Spannung zwischen beiden Häusern trage; daß er Staatsgeheimnisse verrate und im Verein mit einem gewissen Reichenbach, Residenten des Königs von England, die infamsten Intrigen unterhielte. Der Chevalier fügte hinzu, daß er Briefe Grumbkows an diesen selben Reichenbach unterschlagen habe und bereit sei, alles, was er hier behaupte, zu beweisen, indem er sie dem König vorzeige. Er fuhr fort, den König zu drängen, seine Einwilligung zu der Doppelheirat zu geben, indem er ihm versicherte, sein königlicher Herr würde mit der Verlobung meines Bruders vorläufig zufrieden sein und es gänzlich dem König anheimstellen, die Zeit der Vermählung zu bestimmen. Ja noch mehr: er bot dem König 100 000 Pfund Mitgift für die Prinzessin von England und verlangte keine für mich. Die Vorteile waren so groß, daß der König unschlüssig wurde. Er erwiderte, daß er nicht anstehen würde, Grumbkow aufzugeben, wenn man ihn mit Hilfe dieser Schriftstücke überführen könnte; er nehme mit Freuden den Prinzen von Wales als Schwiegersohn an und wolle die Vorschläge betreffs der Heirat meines Bruders überlegen. Einige Tage darauf erklärte er Mr. Hotham, daß er auch in den letzteren Antrag willige, aber unter der Bedingung, daß mein Bruder Statthalter des Kurfürstentums Hannover würde und dortselbst auf Kosten des Königs von England verbliebe, bis er durch seines Vaters Tod König von Preußen würde. Der Gesandte erwiderte, daß er dies seinem Hof berichten würde, doch wage er nicht, an die Annahme dieses Vorschlages zu glauben. Er erhielt mit jeder Post Briefe vom Prinzen von Wales; ich sah mehrere derselben, die an die Königin gerichtet waren. »Ich bitte Sie, mein lieber Hotham,« schrieb er, »bringen Sie diese Heirat bald zustande. Ich bin verliebt wie ein Narr, und meine Ungeduld ist ohnegleichen.« Diese Gefühle schienen mir recht romantisch; er hatte mich nie gesehen und kannte mich nur vom Hörensagen, weshalb ich nur darüber lachte.

Die Königin gebar am 23. einen Prinzen, der den Namen August Ferdinand und das Herrscherhaus zu Braunschweig zu seinen Paten und Patinnen erhielt.

Die deutlichen Anspielungen des Chevaliers Hotham schienen aber doch einigen Eindruck auf den König gemacht zu haben; er sprach fast kein Wort mehr mit Grumbkow und sagte ihm absichtlich üble Dinge vor Leuten nach, von denen er wußte, daß sie seine Freunde waren. Er reiste am 30. auf Einladung des Königs von Polen zu einer Truppenschau nach Mühlberg. Die ganze sächsische Armee war versammelt und machte dort die Übungen und Manöver, die von dem berühmten Chevalier Follard geschildert worden sind. Die Uniformen, Livreen und Gespanne waren von vollendeter Pracht, gegen hundert Tische mit großem Gepränge bestellt; und man fand, daß die Goldtuch-Kampierung, die Ludwig XIV. abgehalten hatte, hier bei weitem überboten wurde.

Mein Bruder kam am Abend vor seiner Abreise zu mir, um sich zu verabschieden; er war wieder nach französischer Sitte gekleidet, was mir von übler Vorbedeutung schien; und ich täuschte mich nicht. »Es fällt mir unendlich schwer,« waren seine Worte, »Ihnen Lebewohl zu sagen, da ich Sie lange Zeit nicht wiedersehen werde. Ich habe meinen Plan, mich dem Zorn des Königs zu entziehen, nur aufgeschoben, niemals aufgegeben. Auf Ihre Bitten hin habe ich bei meiner letzten Reise nach Dresden der Ausführung meines Vorhabens entsagt, aber ich darf nicht länger zaudern; mein Los verschlimmert sich mit jedem Tag, und lasse ich diese Gelegenheit unbenutzt, so wird sich vielleicht lange keine so günstige mehr bieten. Widerstreben Sie also nicht länger meinen Wünschen, und suchen Sie mich nicht von meinem Vorsatz abzubringen, es wäre vergebens.« Fräulein von Sonsfeld und ich standen wie vor den Kopf geschlagen. Ich wollte ihm zunächst nicht widersprechen und fragte ihn, auf welche Weise er seine Flucht auszuführen gedenke. Sein Plan erschien mir höchst schimärisch, und er mußte mir endlich beistimmen. Meine Hofmeisterin führte ihm ihrerseits an, daß er durch diesen Schritt die guten Absichten des Königs von England gänzlich zunichte machen würde; bevor er etwas unternähme, müsse er doch erst das Ende der Unterhandlungen Hothams abwarten; scheiterten sie, so bliebe es ihm immer noch vorbehalten, das Äußerste zu wagen; führten sie hingegen zu einem guten Ende, so könnte sein Los dadurch nur verbessert werden. All diese guten Gründe brachten ihn endlich dazu, daß er mir sein Ehrenwort gab, nichts zu unternehmen. Wir schieden sehr befriedigt voneinander.

Kaum war der König in Mühlberg, als man alle Maßnahmen Hothams zu hintertreiben suchte. Durch Fräulein von Bülow hatte er die Königin von allem unterrichtet, was sich in den Unterredungen mit dem König ereignet hatte. Die Königin war schwach genug, es der Ramen zu wiederholen, und diese setzte natürlich Grumbkow in Kenntnis, der diese Nachrichten auszunützen verstand. Er ließ durch seine Kreaturen dem König einflüstern, daß alle Aussichten Englands nur erheuchelt seien und dahin abzielten, alle treuen Diener des Königs zu vertreiben; jener Hof trachte nur, meinen Bruder auf den Thron zu setzen und durch die Prinzessin von England, die er heiraten solle, die Regierung an sich zu reißen; um jedoch der Wachsamkeit der wahren Diener des Königs vorzubeugen, suche er sie nach und nach zu entfernen, damit keine Hindernisse seinen Zielen mehr ihm Wege ständen; um diese zu erreichen, würde man alle Forderungen des Königs bewilligen; der König könne sich des Gewaltstreiches nur dadurch erwehren, daß er sich beharrlich gegen die Heirat meines Bruders stemme und indem er Schwierigkeiten bereite, die den Gang der Unterhandlungen unterbrächen, ohne doch ein gänzliches Zerwürfnis herbeizuführen. Diese selben Dinge wurden dem König von so verschiedenen Leuten gesagt, die ihm ganz uneigennützig ergeben schienen, daß sie endlich Eindruck auf ihn machten. Man riet ihm jedoch, sich noch zu verstellen, die Antworten von England abzuwarten und dann erst Farbe zu bekennen. Diese niederträchtigen Ratschläge brachten ihn sehr wider meinen Bruder auf. Er war zu argwöhnisch, um die Wahrheit zu ergründen, sondern entsann sich nur der heftigen Angriffe, die schon gegen Grumbkow unternommen wurden und wogegen sich dieser stets rechtfertigen konnte; diese Erwägungen stärkten in ihm den Glauben an die Unschuld dieses Günstlings.

In solcher Verfassung kehrte er nach Berlin zurück. Das liebevolle Wesen der Königin, die ihm im Grunde unendlich teuer war, sowie eine gewisse Zuneigung, die er für seine Familie bewahrte, bewegten sein Gemüt so sehr, daß er nicht länger schweigen konnte und dem dänischen Gesandten, Herrn von Lövener, einem außerordentlich geistvollen Manne, den er sehr schätzte, sein Herz eröffnete. Herr von Lövener, der die Machenschaften Grumbkows und Seckendorfs kannte, nahm nicht nur Partei für den Chevalier Hotham, sondern gab dem König auch gewisse Einzelheiten zu wissen, die geeignet waren, ihm alle Zweifel zu benehmen. Er legte alles so deutlich dar, was er behauptete, daß der König von seinen Worten überzeugt war und ihm versprach, den Günstling zu entfernen, sobald meine Heirat veröffentlicht würde; doch ein Rest von Argwohn hielt ihn noch ab, ihn zu opfern, bevor er die Beweise, die er gefordert hatte, in den Händen hielt. Herr von Lövener setzte Hotham von dieser Unterredung in Kenntnis, aber dieser war noch nicht zufriedengestellt. Er zeigte seine Instruktionen vor und sagte ihm, daß sein königlicher Herr keinen der erwogenen Artikel unterzeichnen würde, bevor er nicht die verlangte Zusicherung erhielte. So sehr man ihn auch zu bereden suchte, an seinen Hof hierüber Bericht zu erstatten, um eine weniger schroffe Klausel betreffs Grumbkows zu erlangen, so wollte er sich doch nicht dazu entschließen und war überzeugt, daß er dadurch gegen das Interesse seiner Nation handeln würde.

Da der König nach Potsdam zurückgekehrt war, hielt die Königin in Monbijou Cercle. Mr. Hotham fand es politischer, nicht zu erscheinen. Grumbkow gab eine klägliche Figur dabei ab, er war totenblaß und schien wie ausgestoßen. In einen Winkel des Saales zurückgezogen, wagte er nicht, die Augen aufzuschlagen, und weder die Königin, noch irgend jemand sprach mit ihm. Als ich ihn so gedemütigt sah, flößten mir die Betrachtungen, die ich über die Wandelbarkeit der menschlichen Schicksale anstellte, Mitleid für den Unglücklichen ein. Ich wollte seine Lage nicht verschlimmern, richtete also das Wort an ihn und war sogar höflicher mit ihm als sonst. Herr von Lövener warf mir dies vor und bemerkte, daß der englische Gesandte es mir sehr verübeln würde, wenn er erführe, daß ich es mit dem Todfeind seines Königs und seines Hofes gehalten hätte. »Ich habe bisher«, erwiderte ich, »weder mit dem Chevalier Hotham noch mit seinem Hofe etwas zu schaffen und brauche mich nicht nach ihm zu richten. Ich fühle mit allen Unglücklichen Mitleid. Grumbkow hat mir viel Kummer verursacht, doch habe ich ein zu gutes Herz, um ihm jetzt, wo er so schlimm daran ist und vor seinem Sturze steht, irgendwelche Erbitterung zu zeigen. Außerdem halte ich es nicht für politisch, mein Herr, seinen Feind zu demütigen, weil man glaubt, daß er einem nicht mehr zu schaden vermag; er könnte sich wohl noch aus der Schlinge ziehen und uns gefährlicher denn je werden; ich für meinen Teil wünsche ihm keine andere Strafe als die, mir kein Leid mehr zufügen zu können.« Lövener sagte mir später, er habe sich gar oft dieses Gespräches erinnert, bei dem ich nur allzurichtig vorhersagte, was bald darauf sich ereignete.

Der König kam nach Berlin zurück. Mein Bruder war unglücklicher denn je. Oberst von Rochow, der stets um ihn war, ließ die Königin benachrichtigen, daß der Prinz zu fliehen gedächte, daß er aufs höchste erregt oft davon spräche und daß er gewisse Maßnahmen träfe, die alles befürchten ließen; er ließ ihr jedoch versichern, daß er die Schritte meines Bruders aufs sorglichste überwachen würde, um jeglichen Fluchtplan zu durchkreuzen. Dies Verfahren des Herrn von Rochow war sehr lobenswert, aber infolge seiner mangelhaften Fähigkeiten beging er sehr grobe Fehler. Seine Lage war äußerst schwierig; widersetzte er sich dem Willen meines Bruders, so zog er sich dessen Haß zu, und ließ er ihn fliehen, so verfiel er der Ungnade des Königs und wagte vielleicht seinen Kopf. Diese Erwägungen machten ihn so ängstlich, daß er mit seinen Klagen von Haus zu Haus ging, so daß sein Geheimnis bald überall bekannt wurde. Es läßt sich denken, daß die österreichische Clique es bald genug erfuhr. Die Königin war über die Mitteilungen Rochows außer sich und besprach die Sache mit mir, da sie wohl wußte, daß ich über den Zustand meines Bruders aufs beste unterrichtet war. Sie fragte mich um Rat, was hier zu tun sei. Ich wagte nicht, mich offen mit ihr darüber auszusprechen, da ich ihre Schwäche für die Ramen fürchtete, die unheilvoll für meinen Bruder werden konnte. Ich sagte, daß er einer schrecklichen Schwermut anheimgefallen sei, gelegentliche Wutausbrüche habe, die mich oft erschreckt hätten, daß er ihr die Furchtbarkeit seiner Lage verberge, um sie nicht zu beunruhigen, daß ich aber nicht von ihm glaubte, er würde es zu dem Äußersten kommen lassen, das sie befürchtete. Ich legte ihr dar, wie man leicht im Übermaß der Verzweiflung Dinge sage, die man nicht ausführe, wenn man wieder ruhigen Blutes wäre, und tat mein Bestes, ihr diese Gedanken auszureden.

Inzwischen waren die Antworten aus England angelangt. Sie entsprachen vollkommen den Wünschen des Königs, kamen ihnen in jedem Punkte entgegen, doch stets unter der Bedingung, daß er Grumbkow entferne, bevor es zu einem Abschluß käme. Hotham hatte seinerseits unmittelbar Briefe erhalten, die von Grumbkow unterschlagen wurden. Er meldete es dem König und bat um eine geheime Audienz. Seckendorf, der überall seine Spione besaß, erfuhr dies. Er brachte es fertig, Hotham zuvorzukommen und vor ihm mit dem König zu reden. Er fing damit an, daß er dem König vorstellte, wie sehr der Kaiser sich um seine Freundschaft bemüht und wie entgegenkommend er sich gezeigt habe, indem er ihm freie Aushebungen in seinen Staaten gestattete und ihm die Gebiete von Jülich und Berg zusicherte, und wie hart es für den Kaiser sei, trotz alles seines Entgegenkommens den König zur Partei seiner Feinde übertreten zu sehen. »Ich bin ein rechtschaffener Mann,« fuhr er fort, »Eure Majestät haben mich stets als solchen anerkannt, ich bin Ihnen persönlich ergeben und sehe mich gezwungen, mich aus übergroßer Anhänglichkeit in eine sehr heikle Angelegenheit zu mischen. Allein Ihre Lage ist so gefährlich, daß ich zittere; komme, was da will, es bleibt mir der Trost, daß ich meine Pflicht erfüllt habe, indem ich Sie warne vor dem, was sich vorzubereiten droht. Der Kronprinz ist insgeheim mit England verschworen. Hier sind Briefe, die ich soeben von unserm Gesandten am englischen Hofe erhalte, und hier sind deren noch andere vom Gesandten aus Kassel und von einigen meiner Freunde. Die Königin von England war unvorsichtig genug, mehreren Personen die Briefe anzuvertrauen, die sie vom Kronprinzen erhielt: sie enthalten formelle Heiratsversprechen, die ohne das Wissen Eurer Majestät gemacht wurden; außerdem geht ein dumpfes Gerücht durch die Stadt, daß er zu fliehen gedenke; wenn ich diese Umstände zusammennehme, scheinen sie mir verdächtig. Grumbkow hat darüber noch mehr Einzelheiten erfahren, die er Eurer Majestät zur Kenntnis bringen kann. Wenn übrigens die Heirat der Prinzessin Tochter Eurer Majestät so sehr am Herzen liegt, so bin ich von meinem Hofe beauftragt, Ihnen dabei meine Mitwirkung anzutragen; ich darf hoffen, daß es mir noch gelingen soll. Die des Kronprinzen scheint mir allzu gefährlich, als daß Eure Majestät sie gestatten könnten; bedenken Sie, was für Folgen sie nach sich zöge: Sie werden eine eitle und ehrgeizige Schwiegertochter haben, die nichts wie Intrigen an Ihren Hof bringen wird; die Einkünfte Ihres Landes werden für ihre Ausgaben nicht hinreichen, und wer weiß, ob sie Eure Majestät nicht auch der Autorität berauben wird. Verzeihen Sie meine Aufregung in Anbetracht meines Eifers; es ist Seckendorf und nicht der Gesandte des Kaisers, der zu Ihnen spricht. England verfährt mit Ihnen wie mit einem Kinde, es lockt mit einem Stück Zucker und scheint zu sagen: Dies sollen Sie bekommen, falls Sie Grumbkow fortjagen. Welcher Flecken am Ruhme Eurer Majestät, wenn Sie in diese grobe Falle gingen! Und auf wen könnten sich Ihre treuen Diener verlassen, wenn sie stets das Spielzeug fremder Mächte wären?« Er trieb die Heuchelei so weit, daß er in Tränen ausbrach, und spielte seine Rolle so gut, daß seine Worte wirkten. Der König wurde unruhig und nachdenklich, gab ihm nur spärliche Antworten und entfernte sich bald darauf. Den Rest des Tages war er in fürchterlicher Laune. Tags darauf, am 14. Juli, erhielt der Chevalier Hotham seinerseits Audienz. Nachdem er dem König versichert hatte, sein Hof willige in alle seine Wünsche, überreichte er ihm Grumbkows Briefe und bemerkte, er zweifle nicht, der König würde ihn fallen lassen, sobald er sie gelesen hätte; einer derselben sei allerdings chiffriert, doch hätten sich Leute gefunden, die geschickt genug wären, ihn zu entziffern. Der König nahm sie mit wütender Miene, warf sie dem Chevalier ins Gesicht und hob das Bein, als wollte er ihm einen Fußtritt geben. Zwar besann er sich noch und verließ das Zimmer ohne ein Wort der Erwiderung, indem er die Tür heftig hinter sich zuwarf. Der englische Gesandte zog sich nicht minder zornig als der König zurück. Sobald er zu Hause war, berief er die Gesandten Hollands und Dänemarks zu sich und erzählte ihnen den Vorgang. Von echt englischem Stolze beseelt, sagte er den Herren, daß, wenn der König einen Augenblick länger geblieben wäre, er die schuldige Achtung vergessen und Genugtuung verlangt haben würde. Er interessierte sie für seine Sache, welche die aller gekrönten Häupter war. Er war als Gesandter seines Landes beschimpft worden, und er erklärte die Unterhandlungen hiermit für beendet und seine Abreise als für den nächsten Tagesanbruch festgesetzt. Die Königin wurde von diesem bedauerlichen Vorfall durch ein Billett Hothams an Fräulein von Bülow benachrichtigt; ihre Bestürzung läßt sich leicht vorstellen.

Der König empfand seinerseits bitterste Reue darüber. Trostlos über seine eigene Heftigkeit wandte er sich an die Gesandten von Dänemark und Holland und bat sie, bei dem englischen Gesandten für ihn einzutreten, diesem seine Entschuldigungen vorzubringen und ihm die Versicherung zu geben, daß, falls er bleiben wolle, der König das Geschehene wieder gutmachen und ihm nur Anlaß zur Zufriedenheit geben würde. Den ganzen Tag hindurch wurde hin und her geschickt, doch ohne Erfolg, Hotham bestand unerschütterlich auf seiner Abreise. Die üble Laune des Königs wandte sich wider die Königin. Er sagte ihr im höhnischen Tone, daß alle Unterhandlungen gescheitert seien und daß er mich also als Koadjutorin nach Herford schicken wolle. Er schrieb zu dem Zwecke sofort an die Markgräfin Philippine, Äbtissin dieser Abtei, um ihre Genehmigung zu erlangen; man kann sich denken, daß sie keinerlei Schwierigkeiten erhob. Ich glaube, es war nur eine Finte des Königs, um die Königin dadurch zu veranlassen, sich an Mr. Hotham zu wenden. Seine Besorgnis wuchs mit jeder Stunde, er beauftragte endlich die genannten Gesandten, ihm eine Genugtuung in aller Form und in ihrer Gegenwart anzutragen. Herr von Lövener machte meinen Bruder darauf aufmerksam und beschwor ihn, ein Billett an den englischen Gesandten zu schreiben, um ihn zu einer versöhnlichen Haltung zu bewegen. Mein Bruder meldete es der Königin, und da sie einverstanden war, schrieb er ihm wie folgt:

»Mein Herr!

Herr von Lövener hat mir die letzten Absichten des Königs mitgeteilt, und ich zweifle nicht, daß Sie seinen Wunsch erfüllen werden. Bedenken Sie, daß mein Glück sowie das meiner Schwester von dem Entschlusse abhängt, den Sie fassen werden, und daß Ihre Antwort die Einigung oder den ewigen Zwist der beiden Häuser verursachen wird. Ich hoffe, daß sie günstig ausfallen wird und daß Sie meinem dringenden Gesuch willfahren werden. Ich würde einen so großen Dienst niemals vergessen und mich zeitlebens durch die vollkommenste Hochachtung dafür erkenntlich zeigen« usw.

Dieser Brief wurde durch Katte dem Mr. Hotham überreicht. Er antwortete:

»Herr von Katte hat mir soeben den Brief Ew. K. H. überreicht. Das Vertrauen, welches Ew. K. H. mir bekunden, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Wenn es sich um meine eigene Person handelte, würde ich selbst das Unmögliche wagen, um Ihnen meine Ehrfurcht und Bereitwilligkeit zu bezeigen; allein der Schimpf, der mir zugefügt wurde, betrifft meinen königlichen Herrn, und ich kann deshalb die Wünsche Ew. K. H. nicht erfüllen. Ich werde der Angelegenheit den bestmöglichen Anschein zu geben trachten, und obwohl sie unsere Unterhandlungen unterbricht, hoffe ich, daß sie dadurch doch nicht beendet sein werden. Ich bin« usw.

Als die Königin und ich diesen Brief lasen, fühlten wir uns wie vernichtet. Die Heirat mit dem Prinzen von Wales machte mir jetzt so wenig Freude wie früher; allein der Markgraf von Schwedt, der Herzog von Weißenfels, die Hiebe und Schimpfreden waren noch zu lebhaft in meiner Erinnerung, um nicht zu wünschen, ihrer ledig zu sein, und ich war überzeugt, daß mein Los in England nicht so schlimm sein könnte wie in Berlin, wo sich mir überall nur Abgründe auftaten. Mein Bruder schien diesen neuen Schlag ziemlich gleichgültig aufzunehmen, er zuckte die Achseln und meinte: »Werden Sie doch Äbtissin, Sie sind dann versorgt. Ich verstehe nicht, warum die Königin sich grämt, das Unglück ist nicht so groß. Ich bin all dieser Umtriebe müde, ich weiß, was ich nunmehr zu tun habe. Wegen Ihrer Heirat brauche ich mir keine Vorwürfe zu machen, denn ich habe alles getan, was ich vermochte; helfen Sie sich, so gut Sie können; es ist Zeit, daß ich an mich denke, denn ich habe genug ausgestanden; verschonen Sie mich nun mit Ihren Bitten und Tränen, sie wären vergeblich und rühren mich nicht mehr.« Dies alles sagte er in einem Tone, der mich tief verletzte. Er war seit einiger Zeit so erbittert und führte ein so zügelloses Leben, daß seine guten Regungen davon wie erstickt schienen. Ich suchte ihn zu besänftigen und ihn zu einer vernünftigen Auffassung zu bringen. Seine barschen und wegwerfenden Antworten verdrossen mich endlich, und ich erwiderte mit einigen Ausfällen, die mir noch ärgere zuzogen, so daß ich schweigen mußte in der Hoffnung, mich später mit ihm auszusprechen, wenn sein Zorn verraucht sein würde.

Er sollte am darauffolgenden Morgen mit dem König nach Ansbach abreisen. Es war also unbedingt nötig, noch am selben Abend mit ihm Frieden zu schließen. Ich liebte ihn zu sehr, um unversöhnt von ihm zu scheiden, und ich wollte noch durch mein Entgegenkommen, wenn irgend möglich, dem Streiche vorzubeugen suchen, den er im Schilde führte. Er nahm mit großer Kälte alle zärtlichen und verbindlichen Dinge auf, die ich ihm sagte; und als ich in ihn drang, er möchte mir sein Wort geben, daß er nichts unternehmen würde, sagte er: »Ich habe die Sache lange überlegt und bin zu einer andern Auffassung gekommen; ich habe nicht die Absicht zu entfliehen und kehre sicher zurück.« Ich konnte ihm nicht antworten und hatte nur Zeit, ihn zu umarmen. Der König war eingetreten, und mein Bruder flüsterte mir zu: »Ich komme heute abend noch zu Ihnen.« Diese wenigen Worte richteten meine Hoffnungen wieder auf. Nachdem wir Abschied vom König genommen und uns zurückgezogen hatten, wartete ich vergeblich auf meinen Bruder. Endlich gegen Mitternacht kam sein Kammerdiener mit einem Billett, das nur Entschuldigungen und Freundschaftsversicherungen enthielt. Dieser Kammerdiener hatte von klein auf bei meinem Bruder gedient, er war klug, und seine Treue war unantastbar. Unglücklicherweise verliebte er sich in eine Kammerfrau der Königin und heiratete sie. Diese Frau war von der Ramen gewonnen worden, entlockte ihrem Manne alle Geheimnisse meines Bruders und hinterbrachte sie jener Megäre, die sie dem König meldete. Erst später erfuhren wir von diesen Dingen.

Der König verreiste indes, wie ich schon erzählte, am folgenden Tag, dem 15. Juli. Die Aufregung, in der ich zurückblieb, raubte mir den Schlaf. Ich verbrachte die Nacht in Gesprächen mit Fräulein von Sonsfeld. Wir zerflossen in Tränen und ahnten nur zu wohl, was sich ereignen würde. Vor der Königin mußte ich mich jedoch beherrschen. Sie achtete keineswegs auf meine Mienen und war ganz in jene Briefe Grumbkows vertieft, die Hotham beschlagnahmt und ihr hatte zustellen lassen. Es waren deren sechs oder sieben, alle vom Monat Februar datiert und während der schweren Krankheit der Königin geschrieben, von der ich erzählt habe. Sie lauteten ungefähr so:

»Man macht hier viel Wesens aus der Unpäßlichkeit der Königin, von der es heißt, daß sie todkrank sei: Sagen Sie bei Hofe, daß sie munter ist wie ein Fisch im Wasser.Es sind die wörtlichen Ausdrücke dieses Briefes. Ihre Krankheit ist nur eine List, um ihren Bruder, den König, zu erweichen. Ich habe schon zwei meiner EmissäreEs waren Lakaien, oder noch weniger. bestellt, um den DickenDer König. gegen seinen Sohn aufzuhetzen. Fahren Sie fort, mir alles zu melden, was Sie von seinen Intrigen mit der Königin von England vernehmen.«

In einem andern hieß es:

»Ich habe den FreundSeckendorf. veranlaßt, daß er dem Dicken den Briefwechsel seines Sohnes mit England enthülle. Schreiben Sie mir hierüber einen Brief, den ich vorzeigen kann, und suchen Sie ihn so zu fassen, daß der Verdacht, den er erregt, unsere Ziele vorwärts bringe. Fürchten Sie nichts, ich werde Sie zu stützen wissen und wohl verhindern, daß unsere Umtriebe herauskommen, denn das Herz des Dicken halte ich in der Hand, ich tue mit ihm, was ich will.«

Die Briefe vom Monat März enthielten folgendes:

»Wie sehr muß ich mich wundern, mein lieber Reichenbach, über die Haltung Englands und besonders des Prinzen von Wales. Was soll die Gesandtschaft Mr. Hothams bedeuten? Und warum dieser Eifer, eine Prinzessin zu heiraten, die häßlich ist wie die Sünde, krebsrot, ekelhaft und stupid? Ich wundere mich, wie ein Prinz, der unter den Besten wählen darf, an eine solche Fratze sich wenden mag. Er tut mir leid, man sollte ihn warnen, ich verlasse mich auf Sie.«

Die andern Briefe waren in demselben Stil. Der Charakter des Verfassers leuchtet deutlich genug aus denen hervor, die ich zitierte; er wird sich im Verlaufe dieser Memoiren immer mehr kennzeichnen.

Mr. Hotham reiste ab, wie er es beschlossen hatte. Während der Abwesenheit des Königs hielt die Königin viermal wöchentlich Cercle in Monbijou. Ich freute mich, Herrn von Katte dort zu treffen; denn solange er in Berlin war, konnte mein Bruder sicher nichts unternehmen. Eines Tages sagte er mir, daß eine Stafette an den Kronprinzen geschickt werden müsse, und fragte mich, ob ich ihm nicht schreiben wolle, da dieser Weg der sicherste sei. »Sie tun sehr unrecht,« sagte ich, »solche Dinge zu wagen, bedenken Sie die schlimmen Folgen, die eine solche Stafette haben könnte; wenn der König, argwöhnisch, wie er ist, etwas davon erführe, zöge es meinem Bruder vielleicht vielen Kummer zu und brächte Sie auf immer in Ungnade. So sehr ich meinen Bruder liebe, werde ich ihm sicherlich nicht auf diesem Wege schreiben.« Er versuchte mich noch zu überreden, allein ich drehte ihm den Rücken, über die Mitteilung, die ich vernommen hatte, aufs tiefste besorgt; denn ich sah wohl voraus, daß dieser Schritt veranlaßt wurde durch den Plan, dessen Ausführung ich so lange befürchtete. Wenige Tage später machten mich die Bülow und einige Gutgesinnte aufmerksam, daß Katte in der ganzen Stadt von den Plänen meines Bruders erzähle, und sogar vor Leuten, denen nicht zu trauen war, darüber gesprochen habe. Stolz auf seine Gunst, rühmte er sich ihrer überall und prahlte mit einer Dose, die das Bild des Kronprinzen und das meine enthielt. Durch diese Kopflosigkeit wurde das Übel auf die Spitze getrieben. Ich hielt daher für nötig, die Königin davon zu benachrichtigen, damit sie kraft ihrer Autorität jene Dose seinen Händen entziehen und ihm Schweigen auferlegen könne. Sie war über diese Ungehörigkeiten sehr aufgebracht und befahl Fräulein von Sonsfeld, in ihrem Auftrag Katte ihre Meinung zu sagen und mein Porträt zurückzuverlangen. Sie tat es noch denselben Abend. Katte entschuldigte sich, so gut er konnte; aber allen Vorstellungen meiner Hofmeisterin zum Trotz wollte er nicht mit dem Porträt herausrücken und sagte, mein Bruder habe ihm erlaubt, es nach einer Miniatur zu kopieren, die ich ihm selbst geschenkt und die er ihm bis zu seiner Rückkehr anvertraut habe. Er versicherte ihr, daß er künftig diskreter vorgehen würde, und bat sie, der Königin zu sagen, sie möge sich um Gottes willen beruhigen, er würde, solange er beim Kronprinzen in Gnade stünde, ihn von seinen unheilvollen Entschlüssen abzubringen suchen; er wäre nur manchmal seiner Ansicht, um ihn um so eher zurückzuhalten, und bis auf weiteres sei nichts zu befürchten. Die Königin glaubte gerne, was sie hoffte; diese Antwort verscheuchte ihre Sorgen betreffs meines Bruders, aber die Verweigerung des Porträts ärgerte uns beide so sehr, daß wir ihn keines Wortes mehr würdigten.

Eines Morgens, als ich erwachte, trat zu meinem Erstaunen die Ramen ein; mir war, als sei sie die Fortsetzung eines bösen Traumes. Sie sagte, daß sie nur komme, um mir ihr Herz auszuschütten. Fräulein von Sonsfeld wollte sich zurückziehen, allein sie bat dieselbe zu bleiben und sagte, daß die Angelegenheit auch für sie von Interesse sei. »Sie sind betrübt,« fuhr sie fort, »weil die Königin Sie schlecht behandelt, danken Sie doch Gott dafür; wenn Sie bei ihr in Gunst stünden, würde der König Sie bald davonjagen. Was mich betrifft, so habe ich von dieser Seite nichts zu fürchten; ich habe beizeiten meine Vorkehrungen getroffen: selbst wenn ich in Ungnade fiele, ließe mich der König nicht im Stich und würde mich schon halten. Ich weiß sehr wohl, daß Sie von allen meinen Intrigen wissen, und will sie Ihnen gerne eingestehen. Es steht bei Ihnen, mich bei der Königin zu verklagen, wenn Sie den König erzürnen wollen, in dessen Auftrag ich handle; er wird zur Stunde erfahren, welche Hindernisse Sie seinen Absichten entgegensetzen, und er wird Ihnen gegenüber in seinem Zorn vor nichts zurückscheuen. Übrigens ist Ihnen ja die geringe Selbstbeherrschung der Königin bekannt; ich werde es auf der Stelle erraten, falls Sie sie gegen mich einnahmen, doch werde ich sie zu überzeugen wissen, daß Sie mich nur verleumdet haben; und der ganze Schaden, den Sie mir antun möchten, fiele nur Ihnen zu.« Sie hatte bisher zu uns beiden gesprochen, jetzt wandte sie sich nur zu mir. »Sie stürzen sich ins Unglück, Prinzessin,« fügte sie hinzu, »sehen Sie sich wohl vor, es gibt für Sie nur einen Ausweg: den Herzog von Weißenfels zu heiraten. Muß man denn wegen einer Heirat ein solches Wesen machen? Es geschieht nur hier! Glauben Sie mir, ein Mann, den man kommandieren kann, ist ein guter Fang, machen Sie sich übrigens der Königin halber keine Sorgen, was sie auch sagen mag, ich kenne sie gut und versichere Ihnen, wenn der König ihr nur schön tut und ihr vor der Welt einige Aufmerksamkeiten erweist, wird sie sich bald trösten und sich um nichts mehr kümmern.« Ich war empört wider das Weib; hätte ich meinem Impuls gefolgt, so würde ich sie zum Fenster hinausgeworfen haben, um ihr den Weg zu ersparen. Allein ich mußte meine Entrüstung verbergen. Ich antwortete ihr, daß ich mich ganz dem Willen der Vorsehung unterwerfen wolle, und außerdem würde ich nie etwas unternehmen, was gegen Wissen und Willen der Königin wäre. Ich befreite mich auf diese Weise von dem verwünschten Besuche, über die Handlungsweise der infamen Kreatur im Innersten entsetzt. Lange beklagten wir der Königin Los, die solchen Händen verfallen war.

Aber ich kehre zu Grumbkow zurück. Sein Auftreten war seit Mr. Hothams Abreise ganz anders geworden; Zufriedenheit glänzte auf seinen Mienen. Er machte der Königin sehr beflissen seine Aufwartung, und sie verfuhr höflich mit ihm. Eines Abends (am 11. August, ein in jeder Hinsicht denkwürdiges Datum) fühlte ich mich sehr aufgeregt und war den ganzen Tag sehr melancholisch ohne einen besonderen Grund; deshalb stand ich bald vom Spiele auf und machte einen Rundgang mit der Bülow. Nachdem wir eine Weile auf und ab gegangen waren, setzte ich mich mit ihr am äußersten Ende des Gartens auf eine Bank. Dort suchte mich Grumbkow auf. Wir sollten am folgenden Sonntag unsere Andachten verrichten. Er gehörte zu jenen, die lediglich, um ihre Leidenschaften zu befriedigen und ohne nähere Kenntnis der Sache, die Religion verachten. Da er keine sicheren Grundsätze hatte, machte er sich manchmal bittere Vorwürfe und fühlte Gewissensbisse, die ihn melancholisch machten, so daß er des Weines und einer guten Tafel bedurfte, um sich wieder aufzuheitern. Herr Jablonski, einer der Hofgeistlichen, hatte den Tag mit ihm zugebracht und ihm offenbar lebhafte Schilderungen der Hölle gemacht. Grumbkow fing zuerst mit einer großen Moralpredigt an, die sich in seinem Munde ausnahm wie das Evangelium vom Teufel gesprochen, er ging dann zu einem andern Gegenstand über und sagte mir, daß er die üble Behandlung, die der König mir wie meinem Bruder hatte angedeihen lassen, sehr bedauert habe. »Der Kronprinz«, fuhr er fort, »sollte sich den Wünschen seines Vaters gefügiger zeigen; er ist der größte König, der je gelebt hat und der alle staatlichen Tugenden mit den moralischen vereinigt.« Ich fürchtete, er würde das Gespräch noch weiter ausdehnen, was ich vermeiden wollte. Ich stand also auf und ging mit schnellen Schritten dem Hause zu. Ich antwortete ihm nur betreffs des Königs und suchte ihn in seinen Lobeserhebungen über ihn zu überbieten, aber er kam wieder auf seine Angelegenheit zurück. »Sie haben so viel Einfluß auf den Kronprinzen, daß Sie die einzige sind, Prinzessin, die ihn auf den rechten Weg zurückzuführen vermöchte; er ist ein liebenswürdiger, doch übelberatener Prinz.« »Wenn mein Bruder meinen Ratschlägen folgen will,« erwiderte ich ihm, »so wird er stets den Willen des Königs erfüllen, vorausgesetzt, daß er von seinen Absichten unterrichtet wird.« Er wollte etwas erwidern, aber mehrere Damen kamen gerade hinzu, was mich aus großer Verlegenheit zog.


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