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So ging die Nacht im Spessart grün
In des Einsiedels Zelle hin;
Schon weht der frische Morgenwind,
Die Blumen schon erwachet sind;
Das Wild, von freien Wiesenplätzen,
Das sich dort that an Kräutern letzen,
Zieht hin vom Dickicht, wo's den Tag
Am liebsten ruhn und rasten mag.
Waldfräulein schlief in süßem Schlummer,
Einsiedel wacht die Nacht in Kummer;
Sie fühlt, seit lange, heute Frieden,
Von ihm war grad die Ruh geschieden.
So ist, was in der Wesen Reich
Gleich scheinen mag, nicht immer gleich!
Die Wange röthet froher Muth,
Der andern Roth ist Schmerzensgluth! –
Als nun die Jungfrau aufgewacht,
Sie erst ihr Frühgebet bedacht';
Dann trat sie, wie ein frischer Strauß,
In aller Schönheit Blüth' heraus.
Und wie sie vor den Siedler trat,
Sie ihn mit süßer Stimme bat:
»Habt für die Herberg Dank! Bereit –
Wollt ihr mir geben das Geleit –
Bin ich zu gehn nun, ob ich fern
Auffinde meinen lieben Herrn!
Ihn« – rief sie mit angstvoller Hast –
»Ihn muß ich suchen, sonder Rast,
Mag schlafen er im Walde kühl,
Oder daheim auf seidnem Pfühl;
Ob er mir gönnet, hingeschmiegt
Zu liegen, wo sein Brakke liegt!« –
Einsiedel war der Zweifel voll,
Ob er zum Aufbruch treiben soll;
Ihm schien's so traurig nun allein,
So süß mit diesem Weib zu sein.
Der Augenblick des Glückes, hell,
Soll er ihn selbst abkürzen schnell? –
Er that's mit schwerem Herzeleid.
»Laßt uns denn ziehn, viel liebe Maid!«
Und wie sie gehn geraume Frist,
Endlich der Wald zu Ende ist.
»So lebe wohl!« – Einsiedel spricht –
»Warum dich Gott zu mir gesandt,
Die Ursach ist mir unbekannt,
Fast besser wär's, Er that es nicht!
Doch damit sei es, wie es sei!
Du bist jetzt auf der Heerstraß' frei,
So leite dich auf deinem Pfade
Nun weiter fort des Himmels Gnade!« –
Und – ob er's, ob er's nicht gebüßt –
Er sie doch auf die Stirne küßt! –
Den einen Kuß in seinem Leben
Wird ihm der liebe Gott vergeben! –
Waldfräulein stand verwundert groß. –
Getreten aus des Walds Verschloß
War jetzt ihr Fuß, zum erstenmal,
Hinaus in's freie reiche Thal.
Vor ihr lag rings das offne Land.
Die weite Fernsicht ausgespannt.
Es wallt in weiten grünen Bogen
Die Saat gleich wie bewegte Wogen,
Indeß das nächst gelegne Feld
Noch eben erst der Pflug bestellt;
In allen Farben glänzt die Au,
In Blumen roth, und gelb, und blau;
Es schlingt der Bach sein helles Band
Zwischen der dunklen Erlenwand,
Und zieht durch Wiesen seinen Pfad,
Bis fern er treibt der Mühle Rad!
Und freundlich her glänzt mancher Ort,
Hier ein Gehöft, ein Weiler dort. –
Und mittenhin läuft, vielgewandt,
Der offne Heerweg durch da« Land! –
Waldfräulein weiß gleich im Beginn
Nicht recht, nach welcher Richtung hin
Sie ihre Schritte wenden soll:
Ob rechts, ob links; zu jeder Seit'
Zieht sich vor ihr die Straße breit.
Sie weilte lange zweifelsvoll,
Doch da sie endlich weiter muß,
Faßt sie den richtigsten Entschluß:
Sie geht grad vorwärts, einem Bach
Und ihrem eignen Näschen nach.
So schritt sie fort geraume Zeit,
Der Weg dünkt ihr gewaltig weit;
Wohl ruht sie aus die müden Glieder,
Setzt sich in Baumes Schatten nieder,
Doch muß sie eben wieder auf,
Und weiter setzen ihren Lauf!
Sie nirgendwo ein Ende sieht,
Die Straße immer weiter zieht;
Senkt sie sich hier zum Thalgrund jäh',
Steigt dort sie wieder in die Höh';
Und wie die Zeit gemach verfloß,
Und bald der kühle Abend nah,
Und sie noch nicht das Ende sah,
Seufzt sie aus tiefer Brust beklommen:
»Ach Gott! wie ist die Welt so groß.
Wie soll da Eins zum Andern kommen!« –
Viel Wandrer zogen Kreuz und Quer,
Die Einen hin, die Andern her,
Doch nehmen sie von ihr nicht Kunde;
Und sah sie gleich in jed' Gesicht,
Sie fand das, das sie suchte, nicht. –
So ging vorüber Stund' auf Stunde,
Und endlich war sie müd' und matt,
Für heut' des Wanderns herzlich satt!
Da hörte sie von fern Gesang
Und lauten lust'gen Hörnerklang,
Und schallendes Gelächter drein,
Und Stimmen und verworrnes Schrein.
Es kam den breiten Weg entlang
Ein reis'ger Zug herangeritten,
Ein Banner weht in seiner Mitten;
Auf einem muth'gen stolzen Roß
Saß, hell in Waffen angethan,
Ein junger, schmucker Rittersmann,
Und hinter ihm her ritt sein Troß.
Schildknappen, und die Spielleut' fein;
Die spielten lust'ge Melodein!
Waldfräulein sah und staunte sehr,
Wer wohl der junge Ritter wär',
Und all' das prächtige Geleit,
Festlich geschmückt an seiner Seit'.
Sie blieb am Weg betrachtend stehn,
Wollt' lassen den Zug vorüber gehn.
Als sie der schöne Ritter sah,
Wohl hoch verwundert war er da:
Was thut, dacht' er in seinem Sinn,
Wohl dieses Fräulein jung und fein,
Hier auf der offnen Straß' allein;
Wo kommt sie her, wo will sie hin?
Und grüßt die fremde schöne Maid
Mit aller Sitt' und Höflichkeit.
»Wo wollt Ihr hin, o Jungfrau lieblich,
Sprecht, kann ich Euch zu Diensten sein?
Daß auf der Heerstraß' Ihr allein –
Verzeiht – es ist nicht eben üblich.
Wollt Ihr in meinem Schutze ziehn,
Dürft Ihr mir sagen nur wohin;
Und ob es nah sei oder weit,
Geb' ich euch willig das Geleit!«
Waldfräulein macht mit sitt'ger Beugung
Ihm eine höfliche Verneigung,
Und spricht mit ernster Würdigkeit:
»Ich bin mit Euch zu ziehn bereit!«
Da, auf des Ritters Wink, vom Bügel
Springt flugs ein Knecht, und führt am Zügel
Ein Maulthier her, hoch und gestreckt,
Mit reicher Decke überdeckt,
Auf das die schöne Maid er hebt,
Die zierlich in dem Sattel schwebt
Und also hehr und vornehm schien,
Als wär' sie eine Königin
Auf hohem, reichen Königsitze!
So zog sie an des Zuges Spitze,
Neben dem Ritter unbekannt,
Den sie auf offner Heerstraß fand. –