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I.

V Von flutendem Sonnengold übergossen ragt der östlichste Ausläufer der Gailthaler Alpen, Dobratsch genannt, in den lichtblauen Äther; Kärntens Rigi nennt man den wuchtigen Bergkoloß, der als Aussichtsberg unter allen Gipfeln der herrlichen Ostalpen den ersten Rang einnimmt, und dessen Lob der Ausschau in allen Zungen gepriesen wird. Frei nach allen Seiten türmt sich dieser Riese auf, nur durch die Höhe des Bleiberger Thales mit den Gailthaler Alpen zusammenhängend: eine imposante Kuppel, die im Norden steil abfällt, im Süden sich sanfter zeigt bis auf die furchtbare Bruchstelle, an welcher sich durch das gewaltige Erdbeben am 25. Januar 1348 der Dobratsch spaltete, und dessen ungeheuere Felstrümmer in das Gailthal stürzten, alles Leben vernichtend und zerschmetternd. Zahlreiche Dörfer verschwanden im Schutt, ein wirbelndes Chaos rollte über die herrlichen Gelände, die Felstrümmer hemmten den Wasserlauf der Gail zum Stausee, der rückwärts drängend Fluren und Ortschaften verwüstete bis ins mittlere Gailthal. Eine handschriftliche Aufzeichnung des Abtes vom damaligen Kloster Arnoldstein beschreibt jene Katastrophe: »Auf Sankt Paulis Bekehrungstag ist der Berg vor dem Gesichte gegenüber Mitternacht durch ein Erdbüben zerspaltet heruntergefallen, 17 Dörfer, 3 Gschlösser und 9 Gotteshäuser völlig verschütt,– – – der Gailfluß hat sich auch angeschwollen und etlich Tag nicht durchgebrochen, hernach ebnermaaßen das Wasser schaden zugefügt.« Ein Bergsturz vernichtete auch im Norden die Stadt Villach. Die »Schütt« heißt heute noch die durch jenen Bergsturz geschaffene Thalsperre, die sich in einer Länge von fast sechs Kilometer bei einer Höhe von 26 Meter erstreckt; die von Moos und Farren überwucherten Felsblöcke haben der Verwitterung durch Jahrhunderte hindurch widerstanden, und sind stumme Zeugen einer furchtbaren Katastrophe wie die im Sonnenschein glitzernde ungeheuere Bruchwand am gespaltenen Berge selbst. Tückisch wälzt die Gail ihre Fluten durch dieses wildromantische Gelände; zu trockener Zeit einem Silberbande vergleichbar, wild und unbändig bei Sturm und Wetter, eine gelbbraune Wasserflut mit Schlamm und Geröll aus den Hochkaren der stolzen Bergriesen der inneren Gailthaler Kette, der bitterste Feind von Acker und Flur.

Weiß und rötlich erstrahlen die Steilwände des Dobratsch; wie dunkle Flecke umsäumen Legföhren und dunkle Fichten die nackten Felsen. Lichtgrün erscheinen die Wiesenstreifen auf dem Bergscheitel; der zwei Kirchlein trägt zum Zeichen frommen Glaubens aus alter Zeit. Ein Dokument aus dem Jahre 1692 besagt, daß der Gipfel der »Villacher Alpe«, Dobratsch genannt, unter dem Namen »beim heiligen Stein« schon seit Jahrhunderten als ein Gnadenort gegolten hat und vielfach besucht wurde, was aus folgender Stelle des besagten Dokumentes zu entnehmen ist: »– von einer hohen Alm, wo von Alters hero beim heil. Stain genannt wird, von weiten hero eine so eifrig tragende Devotion und Walfarth, mit großem Zulauf, da vorhero nur ein Kreuz mit einem hilgen Hittl, begangen und besucht war.« Über die Entstehung dieses Gnadenortes »beim heiligen Stein« berichtet eine Legende, daß Hirten an der Spitze des Berges wiederholt eine hellleuchtende Stelle und, auf einem Steine sitzend, eine vornehm aussehende weiße Frau gesehen: hätten, die, so oft sie dem Orte näher rückten, ihren Blicken entschwand, woraus sie erkannt hätten, daß dies ein heiliger Ort sein müsse. Wahrscheinlich ist es, daß schon in früheren Jahrhunderten die hohe landschaftliche Schönheit jenes Punktes, die Großartigkeit der sich von diesem entfaltenden Rundschau einen mächtigen Eindruck auf die Besucher des Berges ausgeübt habe, und der Ruhm des letzteren sich durch die Aussagen der Hirten und Jäger rasch im Lande verbreitete. Über den Kirchenbau wird erzählt: Die Besitzerin der am Südhange der Villacher Alpe gelegenen Herrschaft Wasserleonburg, Frau von Semmler, machte das Gelübde: auf der Spitze der Alpe beim heiligen Stein eine Kirche zu erbauen, falls ihr taubstumm geborener Sohn geheilt werden würde. Dies ging in Erfüllung; Frau von Semmler konnte jedoch ihrem Gelübde nicht vollinhaltlich nachkommen, da das Burgamt Villach, dem der beabsichtigte Bauplatz zugehörte, die Erlaubnis zum Bau verweigerte. Sie erbaute daher im Jahre 1690, wenige Schritte westlich vom heiligen Steine, und zwar etwas tiefer (2135 m) am Südhange gelegen, auf eigenem Grund und Boden die noch jetzt bestehende, sogenannte »Windische Kirche«. Dieses Beispiel eiferte die damaligen Gewerken von Bleiberg an, und sie errichteten im Jahre 1692 auf dem eigentlichen Gipfel der Alpe, beim »heiligen Stein« die sogenannte »Deutsche Kirche«. Der heilige Stein selbst wurde dem Altare einverleibt, soll jedoch in böswilliger Absicht zweimal in den Abgrund geworfen worden sein, aus dem er im ersten Falle mit großer Mühe wieder emporgetragen wurde, im zweiten jedoch nicht mehr aufgefunden werden konnte. Das oben erwähnte, im Pfarramte zu Bleiberg befindliche Dokument giebt über die Einzelheiten des Baues genaue Auskunft. Die Gewerken von Bleiberg, welche die Kirche aus eigenen Mitteln erbauten, wendeten sich unter Berufung auf schlechtes Erzvorkommen an den christlichen Sinn der Bewohner, um die Mittel für die innere Ausstattung der Kirche aufzubringen und schickten zu diesem Zwecke »Valentin Hecher, Erzknappen und Klämpferer, als ihren Nachbarn mit diesem Sammelbrief und einer versperten Pixen, wie auch ein Bichl, was jeder mitteilt, daß es um bessere Sicherheit willen darein geschrieben werden kann,« zum Sammeln aus und vergaßen nicht darin zu betonen: »weilen es auch Gottlob dieser Orten frisch und gesunder Luft obhanden«. Aus diesem Dokumente erhellt auch mit Sicherheit, daß die erste Messe thatsächlich am 15. August 1692 in der damals neu erbauten Kirche gelesen wurde. –

Hell glänzen die Kirchturmspitzen im Sonnenschein, sie grüßen weithin und laden ein zum Besuche; heiter lachen die herrlichen Gefilde, und feierlich klingen die Töne der Glocken aus den Dörfern empor zu den stolzen Höhen. Böllerdonner verkündet besondere Feier: Kirchtag ist es, der höchste Festtag in windischem Land. Jung und Alt regt sich, den Jubeltag auf das festlichste zu begehen, Gott die Ehre zu erweisen, und die Bräuche zu erfüllen nach uralter Sitte des slovenischen Volkes.

Stattlich hat sich das größte Dorf des Untergailthales, Windisch-Feistritz herausgeputzt zum Kirchtag; sauber gekehrt sind die Gassen zu beiden Seiten des Achomizbaches, und selbst im Innern der Häuser ist tüchtig gescheuert worden. Feierlich klingen die Glocken vom Turm der herrlichen gotischen Kirche auf dem schroffen Felsvorsprung, einem Throne vergleichbar, das Gotteshaus an der Stelle, wo einst die alte Burg Schroffenstein stand, an welche noch ein gedeckter Bogengang erinnert.

Der Gottesdienst ist zu Ende; nun beginnt des Festtages allgemeine Lustbarkeit, die Böllerdonner einleitet. Die Burschen, hohe, kernige Gestalten, ziehen zur Dorflinde, um hier an der in windischen Orten geheiligten Stätte nationale Lieder zu singen, weiche Gesänge in seltsamer Sprache, bis flammende Begeisterung die Sänger erfaßt, und der Rythmus sich steigert zum Hej Slovañe!

Inzwischen prasseln am Herd der Häuser die Feuer, Kirchtag zu Ehren wird tüchtig aufgekocht. Das Kirchtagsmahl umfaßt eine saure und eine süße Suppe, viel Eier, Safran, Essigspeisen, Rindfleisch und Schöpsernes mit Bohnen und Krenntunke. Ein Hauptgericht ist der sog. »Schober« = eine große Schüssel gefüllt mit verschiedenerlei Braten und »grünem« Schweinefleisch, Würsten, gebackenen Schnitten und süßen getrockneten Zwetschgen. Dabei dürfen die riesigen Kirchtagskrapfen nicht fehlen, die an sämtliche Dienstboten je nach ihrem Range in bestimmter Anzahl verteilt werden müssen. Ohne Krapfen keine Kirchweih'! Und kein »Kirchta« ohne Mädchen, die bereits Tage vorher von den Bauern zum Tanze ausgeboten worden sind. Eigene Zechmeister (slovenisch trumšar genannt) sind aufgestellt als Arrangeure und Rechnungsleger für das große Fest, die mit den Musikanten in die Gehöfte ziehen, die Väter mit Tusch hochleben lassen, so sie den Diandlan die Erlaubnis zur Tanzbeteiligung erteilen. Thut der Bauer mit dem ihm gereichten Weinglas dem Zechmeister Bescheid, so bedeutet dies die Zustimmung; die Musik setzt ein, und jubelnd hopsen die Mädeln um den Hausvater in Vorahnung der am »Kirchta« kommenden Vergnügungen. So ziehen die Zechmeister von Hof zu Hof, bis nach ihrem Verzeichnis allen tanzfähigen Diandlan die Tanzerlaubnis erwirkt ist.

Mittag ist vorüber, und der Jahrmarkt im Dorfe beginnt; Krämer und Lebzelter haben ihre Buden geöffnet und ihre verlockendsten Waren ausgepackt. Da liegen ganze Berge von »Bußeln« und »Popalan«, lebzeltene Herzen und Reiter, Chokoladeplätzchen in Staniol mit Silberguldenprägung, heiß begehrte und gern gekaufte Süßigkeiten, die mit Meth hinuntergespült werden. Immer dichter drängt die Menge der Besucher heran; stattlich haben sich bei aller sonstigen Wasserscheu die windischen Burschen herausgeputzt, die stämmigen Beine stecken in engen Kniehosen aus weichem Leder mit weißen Strümpfen und Niederschuhen, der Alltagskittel ist vertauscht mit dem feintuchenen Janker, die bunte Piqué- oder Seidenweste trägt eine dichte Reihe silberner oder zinnerner Kugelknöpfe; den Hals umschließt ein buntfarbiges Seidentüchl und ein niederer ziemlich breitrandiger Filshut thront auf dem dichten Haupthaar. Entzückend ist die Tracht der Diandlan, dieser blühend schönen, lebfrischen Gailthalerinnen mit ihren runden Gesichtchen unter der hundertfältigen weißen Haube. Ein schneeweißes Linnenhemd mit Kres deckt die vollen Arme bis zum Handgelenk und die schön gestalteten Schultern, knapp umspannt das bunte Mieder die vollen, üppigen Formen, und ein farbiges Seidentuch ruht auf der schwellenden Büste. Neckisch kurz sind die bunten Röcke, allerliebst schimmern darunter die schneeigen Unterröcke hervor, und bei jeder der angeboren zierlichen Bewegungen lachen den Beschauer der herrlichen Gestalten die rosaroten Strumpfbänder entgegen. Die schönsten Waden der Welt hat die Gailthalerin, und der blühweiße Strumpf läßt die reizvollen Formen voll entfalten. Der auffallend kleine Fuß steckt meist in hohen Schnürschuhen oder in tief ausgeschnittenen mit Bändchen geschmückten Niederschuhen (Tschriwlö). Die Wespentaille dieser windischen Schönen umschließt ein reich gestickter Ledergürtel, dessen Fortsetzung in Rocklänge herniederhängt.

 


Fußnote aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re

Daß die Gailthalerin heute noch ihre entzückend schöne Nationaltracht trägt ist ein wahres Wunder zu nennen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie von einflußreichster Seite dagegen gearbeitet wurde. Hat doch sogar die große Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1755 eine Verordnung erlassen, wodurch der kurze Rock der Gailthalerin verdammt wurde. Der interessante Erlaß lautet;

»Wir haben unter verschiedenen, zu Nutz Unserer Länder aus Landes-Mütterlicher Lieb und Obsorg abzielenden Verordnungen auch dahin das Augenmerk vorzüglich gerichtet, womit unter Unseren Unterthanen gute, sittsame und Christliche Sitten eingeführet, hiemit die üble und zur Ausgelaßenheit abzielende vollends abgestellet werden möchten.

Und gleichwie Wir nun benachrichtiget worden, daß in Unserem Herzogthum Cärnthen die Ausgelaßenheit besonders unter dem jungen Bauern Volk und das sündliche Leben dergestalten überhand genommen habe, daß demselben mit allem Ernst entgegen gegangen werden muß:

Also haben wir Uns auch um dieselbe sorgsamst erkundiget und in Erfahrenheit gebracht, daß sie zum Theil von denen uneingeschränkten nächtlichen Zusammenkünften beiderlei Geschlechts, zum Theil von denen gar zu spat in der Nacht treibenden Tänzen und zum Theil auch von der unehrbaren derer Weibs-Personen in ein und anderem Strich des Landes, besonders aber im »Geill- und Rosenthal« gebrauchenden Leibs Kleidung herrühre.

Ob Wir nun schon, so viel die spathen Tänze und Zusammenkünfte anbetrifft, die gemeßensten Befehle zu wiederholten Malen haben ergehen laßen, so scheint doch, daß denselben an unterschiedlichen Orten weder von Beamten, noch Unterthanen der schuldige Vollzug geleistet worden: solcher Gestalten zwar, dass Wir Uns bemüßiget sehen, selbe abermalen und zwar auf das schärfeste zu erneuern. Und befehlen solchenach, daß die spathnächtliche Zusammenkünften vollends aufgehoben, auch die Tänze denen vorhinigen Satzungen gemäß länger nicht als bis 10 Uhr im Sommer fortgesetzet werden sollen; als in widrigen der dergleichen Zusammenkünften oder Tänz verstattende Bauer oder Wirth 8 Gulden, der in Abstellung derenselben saumselige Beamte aber 15 Gulden zu bezahlen, ohne einiger Einwendung angehalten, bei fernerer Betretung aber der Bauer und Wirth mit einer willkürlichen Leibesstrafe beleget, der Beamte ebenfalls mit schwerer Anthung auch nach gestalten Dingen mit der Dienst-Entsetzung angesehen werden würde.

Noch mehrer werden Wir veranlaßet, dem unter denen Bauerburschen fast allgemein gewordenen Laster der Unzucht als wodurch der Zorn Gottes angereizet, und der gänzliche Seelen-Verderb gefördert wird, all nur mögliche Schranken zu setzen: und zu malen die bishero üblich geweste Gerichts-Strafen diesen Übel abzuhelfen nicht allein nicht zureichend sind, sondern nebstdem noch von einigen Beamten zur Vermehrung der Strafen-Rubriquen hiemit zu einer schändlichen Gewinn-Sucht mißbrauchet und die Vollführung des Uebels gleichsam gerne gesehen wird.

Als haben Wir von nöthig befunden, auch dießfalls mit gemessenen Strafen zu Werk zu gehen: verordnen folglich hiemit gesetzgebig, daß die in diesem Uebel betretene ledige Personen, Männ und Weiblichen Geschlechtes, zwar das erstemal mit der Land-Gerichtsmäßigen Geld-Strafe beleget, das zweitemal aber ihnen zur Schand und anderen zum Beispiel vor der Kirchen öffentlich aufgestellet, das drittemal hingegen die Weibs-Personen auf Jahr und Tag in ein Strafhaus verschaffet, die Manns-Bilder aber, falls sie dienstfähig sind, Unserer Miliz als Recrouten übergeben, widrigens ebenfalls in ein Strafhaus befördert werden sollen.

Die unehrbare und leichtfertige Tracht belangend, welche besonders in einem Theil des Landes, wie oben schon gemeldet worden, allzu frech und ärgerlich ist, wollen Wir solche alles Ernstes und ohne von jemanden entgegen machender Einwendung abgestellt wissen.

Zumalen Wir gar wohl erkennen, daß hierinfalls auf die Zulänglichkeit deren Mitteln gesehen werden müsse.

So erlauben Wir die dermalen vorhandenen Kleider noch durch ein halbes Jahr zu gestatten, jedoch dergestalten, daß während dieser Zeit die Röcke auf solche Art verlängert werden, daß selbe den Fuß bis über die Waden bedecken sollen, als im widrigen selbe nach Verlauf dieses Termines zum erstenmal von dem Landgericht oder Burgfried aus zur Abfuhr des Geldbetrages so zur Verlängerung des alten oder Beischaffung eines neuen Rockes erforderlich ist, zu verhalten, dafür ihnen sodann auch von dem Gericht der längere Rock sogleich beizuschaffen sein würde: wenn aber derlei einmal mit der geziemend längeren Kleidung versehenen Weibspersonen hienach neuerdings in dem abgestellten ärgerlichen Aufzug zu erscheinen sich erkecketen, würden selbe zum andertenmal von dem Gericht nicht nur auf vorstehende Art zum Gebrauch der längeren Kleidung anwiederum verhalten, sondern an beinebst auch wegen ihres Ungehorsams durch einige Tage in Personal-Arrest mit Wasser und Brot zu züchtigen und im öfteren Uebertretungsfall wohl gar auf eine Bühne anderen zum Exempel aufzustellen, oder beschaffenen Umständen nach noch stärker zu bestrafen sein; allermaßen auch die Beambte, so hierinnen in Ambt nicht handeln, mithin derlei Sitten verderbliches Unwesen selbsten hegen, eben jenen Strafen ganz unnachläßlich unterliegen, welche sich allschon oben gegen selbe ausgemessen befinden.

Ferners sollen auch die unartig ausgeschöpte Mieder ebenfalls nach und nach auf eine sittsame Art abgeändert, kein neues Kleid hingegen, außer auf vorgeschriebene Art, angefertigt werden.

Damit nun aber diesem auf das genaueste nach. gelebet werde, soll jener Schneider, welcher dagegen zu handeln sich unterstunde, das erstemal mit 3 Gulden, das anderemal mit 5 Gulden Geld-Buße belegt, das drittemal aber seiner Handwerks-Gerechtigkeit verlustig werden. Und zu mehrerem Nachdruck, auch desto festerer Darobhaltung über dieses Unser allerhöchstes Gesatz haben Wir mit der Geistlichen Behörde die Einverständniß dahin gepflogen, daß keine Weibs-Person, wann sie in ihrer alten, leichtfertigen Tracht erscheinet, weder ehelich copulirt, noch bei Proceßionen, oder bei einem Tauf, oder anderen Geistlichen Actu zugelaßen werden solle.

Nachdem nun dieses Gesetz lediglich die gute und Christliche Sitten zum Gegenstände hat, welche zu befördern ohnehin jede Herrschaft und Beambter sich angelegentlichst halten solle: als werden sich dieselbe pflichtmäßig auf das eifrigste zu bestreben haben, damit diese Unsere Landesfürstliche Befehle auf das schleunigste, das vollkommenste in die Erfüllung gebracht werden.

Dann hieran beschicket Unser gnädigster Will und Meynnng.

Geben Clagenfurt, den 7. Februari 1755.

Felix Graf von Sobeck.

Ex Consilio Repraesentationis, & Camera Caesarea Regiae Ducatus Carinthiae.

Jobst Caspar Ebel.«

Und trotz dieses scharfen Verbotes hat sich der Kurzkittel bei den Gailthalerinnen dennoch erhalten.


 

Allmählich finden die Pärchen sich zusammen, Busserln werden gekauft und in den süßen Meth getaucht. Ist der Begleiter der Geliebte, so steckt die hübsche Maid ihm wohl das erste versüßte »Busserl« in den Mund, und das noch süßer schmeckende Küßchen kann er sich später selber von den Kirschenlippen nehmen, wenn die diskrete Dämmerung den Küssetausch gestattet. Sprechen die Pärchen unter sich auch windisch, die Krämer empfehlen ihre Waren meistens deutsch, und deutsch versteht ja auch jeder Gailthaler Slovene. Drollig genug empfiehlt mancher Kauz seine Süßigkeiten:

»Feigalan, Feigalan, Box,
Wer nix kaft, is a Ox!«

Und gekauft wird mit einer Freudigkeit, als hätte der Herrgott selber die Sechserln den Burschen in den Lederbeutel gesteckt.

Wieder klingen die Glocken! Sie rufen zur Vesper, und willigfromm pilgern die Scharen den steilen Berg hinan zum Gotteshause. Ist aber der Segen erteilt und die Stirne mit Weihwasser benetzt, so beginnt die weltliche Feier des »Kirchta«, und schon beim Abstieg herab ertönen helle Jauchzer der Burschen. Alles eilt zur Linde, dem Kirchtagsbaum, um welchen sich die Dorfmusikanten auf einer kleinen Estrade bereits aufgestellt haben. Die Mädchen treten zurück, die tanzberechtigten Burschen gruppieren sich um die Linde, nehmen die Hüte ab und stimmen das erste Lied an unter Musikbegleitung:

I

Der erste Tanz unter der Linde.

1.

Bog nam dajen dober cas
T provi raj zacet
|: Sele kajda smo zacete,
Se neha ne bomo neli. :|

(Gott gieb uns eine gute Zeit
Zum Anfange des ersten Tanzes;
|: Aber kaum haben wir angefangen,
So hören wir auch nicht mehr auf. :|)

2.

Kdor je z bogam
Bog je znjem;
|: Sam jezus je
Marijen sin. :|

(Wer mit Gott ist
Mit dem ist Gott;
|: Nur Jesus ist
Mariens Sohn. :|)

3.

Lepa je
Stefanska vos
|:Ki je bubcov notre
Glih za en ple'š.:|

(Schön ist das
St. Stefaner-Dorf
Es sind Burschen drinn
G'rad für einen Tanz.:|)

4.

Niste vidli jo
Pri potoci
|:Ki je mela
Zlato puco v voci.:|

(Habt ihr sie nicht
Gesehen beim Bache
|:Wie sie einen goldenen
Waschprügel in der Hand hatte?:|)

5.

Gre pri Zili
Strene vil
|:Kar zasluzil
Vse zapil.:|

(Bei der Gail hinauf
Hat er Strähne gewunden
|:Was er verdiente
Das hat er vertrunken.:|)

6.

Rz gorice
Bom kanov
|: Kie je vino boli
Kot bukov.:|

(Aus dem Görzischen
Werd' ich fahren,
|: Weil der Wein besser ist
Als die Milch. :|)

7.

Gre (i)n nov po bistric(i)
Dokler je kaso v pistric(i)
|:Pride te bistrican
Snedel je kaso z piskricam.:|

(Hinauf und hinunter bei der Gail
Ist der Brein im Topfe
|:Kommt dieser Feistritzer
Und ißt den Brein samt dem Topfe.:|)

Eine uralte Sage soll diesen Brauch veranlaßt haben, denn vor Zeiten sei zum Tanz unter der windischen Linde ein fremder Jägersmann erschienen, der zahlreiche Mädchen zum Tanz aufforderte und mit jeder so lange tanzte, bis das Dirndl tot zu Boden fiel. Erst starr vor Entsetzen, kam man dann auf den Gedanken, bei Tanzesbeginn ein frommes Lied zu singen, und von diesem Augenblick an ließ sich der unheimliche Gast nicht mehr blicken.

Das Eröffnungslied ist verklungen; die Musikanten schmettern fröhliche Weisen, und gar bald werden slovenische »Vierzeiler« gesungen.

1.

Poslusej, poslusej,
Kako dezen resla,
Al ne bos dava kaj kraja
Pa poidam mouka.

(Horch, horch,
Wie der Regen platscht,
Wenn du mir nicht ein wenig
Platz geben wirst, gehe ich nach Hause.)

2.

Saj si slisou, saj si vidou,
Kako je dezen reslou,
Saj te k' nisem prosiva,
Zakaj si prisou.

(Hast ja gehört, hast ja gesehen,
Wie der Regen hat geplatscht,
Ich hab dich ja nicht gebeten,
Warum bist du gekommen?)

3.

Te se k'nisem prosiva
In tudö te ne vom;
Saj tacega slaj ferja
Vselö dobom.

(Hab dich noch nicht gebeten
Und werde dich auch nicht;
Denn einen solchen Schleifer
Bekomme ich alleweil.)

4.

Jaz mam tri Gubi ce,
Ose tri vogate,
Ena ma tolarje,
Druga dukati.

(Ich habe drei Liebchen,
Alle drei reiche,
Eine hat Thaler,
Die zweite Dukaten.)

5.

Cero pa ozenil bom,
Oseo vom naj mlajši,
Tista vo Gubica,
Moja naj rajši.

(Welche werde ich heiraten,
Nehmen werd ich die jüngste.
Diese wird Liebchen mein,
Immer am liebsten.)

6.

Zilanka so lepe,
Pa hude so tud,
So bele ko repe,
Pa hude ko sluad.

(Die Gailthalerinnen sind schön,
Aber schlimm sind sie auch,
Sind weiß wie die Rüben,
Aber schlimm wie der Deixel.)

7.

Zilanka je lepa,
Zilanka velja,
Ko mi kaze kolince
Izpod unter pfata.

(Die Gailthalerin ist schön,
Die Gailthalerin gilt was,
Wenn sie mir ihre Knie
Zeigt bis zum Unterrock.)

8.

Snuaci sem se ozeniva,
N'co me zia zpet griva,
Sem dobiva mozija,
Ki je hujsi ks kropinva.

(Gestern abends habe ich geheiratet,
Heute reut es mich schon wieder,
Ich habe einen Mann bekommen,
Welcher schlimmer ist als eine Brennessel.)

9.

Kropinvo se svana pomori
Mozija pa k'ne more,
On le uascas za pecjo sedi
U jenu faife tobaka kadi.

(Die Brennessel kann noch der
Reif töten, den Mann aber nicht.
Er sitzt immer hinter den Ofen
Und raucht Tabak.)

10.

Moi oce so djali,
To mas ti tvoj din (del),
So djali n'tr v zakl,
N' mau osovik plin.

(Mein Vater hat gesagt,
Da hast du dein Teil,
Er hat in ein Säckel gethan,
Ein wenig Haferklei'.)

11.

Ena voba je viuva,
V nebese je sva,
Je cokle posa bua,
Je mogua dosa.

(Ein Weib ist gewesen,
In den Himmel ist sie gangen,
Hat die Zockel vergessen,
Hat zurück herunter müssen.)

Auch der ehrwürdigen Linde wird dabei gedacht:

»Lip'ca moja, si draga,
Cvetje tvoje diši.«

(Linde mein, du bist mir teuer,
Deine Blüten duften sehr.)

Weinflaschen wandern von Hand zu Hand und ihr Inhalt verschwindet rasch; warum sich auch kümmern, wie oft sie gefüllt wird! Das ist der Zechmeister Sache! Bog živi!

Blumengeschmückt stehen die Mädchen in dichten Reihen mit wogender Brust längs der Häuserreihe und harren des ersehnten Augenblickes, wo sie zum Tanz aufgefordert werden.

Aber seltsamerweise holt nicht der Tänzer selbst die erkorene Tänzerin; er schickt einen Stellvertreter, die Aufforderung erfolgt per procura mit einer Weinflasche, deren Hals mit einem Blumensträußlein an rotem Bande geschmückt ist. Forschenden Auges sucht der »Prokurist« die Schöne aus der Menge heraus, trinkt ihr zu, und führt das zierlich trippelnde Mädchen zur Linde, wo es der eigentliche Tänzer schmunzelnd in Empfang nimmt und sofort den Reigen beginnt, den eigentümlichen Gailthaler Tanz, visoki raj, hoher Tanz genannt, zu welchem die Musikanten eine Melodie im 2/4 Takte spielen, rasch und unermüdlich, bis den Tänzern der Schweiß auf der Stirne perlt.

Am Stamm der Linde, wo die Musikanten darauf los arbeiten, lehnt unbekümmert um den Lärm der quitschenden Klarinette und der gellenden Trompeten, ein hochgewachsener Bursch im Festgewande, dem ein flott aufgezwirbelter Schnurrbart im gebräunten Gesicht ein herrisches Aussehen giebt. Düster ist sein Blick, der die Mädchen immer wieder kontrolliert; des Burschen glutvolles Auge sucht eine Dirne und kann jenes Dirndl nicht finden, das er sich zur Tänzerin wünscht. Die Mädchen recken die Hälse und schielen mehr oder minder verstohlen nach dem finsteren Mathija (Mathias), der sie heute alle verschmäht. Was er, der fescheste Bursch von ganz Feistritz heute nur haben mag? Sonst scharmiert er mit jeder, und nun beim Lindentanz thut er so fremd und kalt, als wären alle die herzigen, kurzröckigen Schönen Luft! Und undankbar ist es von Mathija, am Kirchtag so stolz und unnahbar zu sein, wo sich doch so manches Dirndl Hoffnungen gemacht hat, zum Tanz geführt zu werden, daß die Röcke fliegen. Erst guckten die Mädchen eine Zeit lang verdutzt; eine gewisse Scheu hielt jede davon ab, den eigenen Empfindungen Ausdruck zu geben. Aber als ein Mädel unwillig ob solcher verletzenden Behandlung äußerte, dem hochnäsigen Burschen das nächstemal beim Tanzausbitten einen Besen um den Kopf zu schlagen, bekamen auch die anderen Mädchen Courage: sie traten aus der erwartungsvollen Reihe, bildeten eine Gruppe und zeterten gar bald über das Burschenpack und ganz besonders über den Mathija, dem künftig die Thüre vor der Nase zugeschlagen werden solle.

»Wir tanzen überhaupt nimmer!« rief die Führerin der Mädchenopposition, nahm aber im selben Augenblick den »Prokuristen« beim Arm, als dieser sie für einen Burschen zum Tanz holte.

»Die macht ihre Sache ausgezeichnet!« zischte die rothaarige, üppige Kathra, »verredet den Tanz für immer und hopst im selben Atemzuge um die Linde! Schade, daß die Jerza nicht da ist!«

Die Jerza! Ja richtig, Jerza fehlt! Wo ist die Jarbornig Jerza, die blonde Schönheit des windischen Gailthales? Niemand weiß Auskunft zu geben, und alles vermißt nun das schönste Mädchen der windischen Mark. Ein hämischer Zug tritt auf die Lippen Kathras, und spöttisch meint sie: »Wo Jerza ist? Wer kann das wissen? Aber so viel ist sicher, daß Mathija auf Jerza wartet, und uns deshalb nicht beachtet! Tanzt doch keine besser den visoki raj als Jerza, und Polkatanzen mit ihr soll süßer sein als Povidl! Hahaha!«

Wenn der gotische Kirchturm eingefallen wäre, die Überraschung hätte kaum größer sein können, als nun das Erstaunen über das Fehlen der schönen Jerza beim Kirchtagstanz. Was mag die abgehalten haben, bei der Linde zu erscheinen? Jerza fehlte doch niemals bei dieser Festlichkeit, und die Mädchenschar, so sehr sie sich selbst sonst herausputzt und glänzen will in der schmucken Landestracht, anerkannte die alles überstrahlende Schönheit Jerzas, und es wurde sprichwörtlich, daß ein Kirchtagstanz ohne Jerza gleichbedeutend sei wie der Dobratsch ohne seine holde Rose auf den sonnigen Halden. Eifrig besprechen die Mädchen die erstaunliche Thatsache, daß Jerza fehlt, so eifrig, daß selbst die Tanzwerber unbeachtet bleiben und unwillkürlich zuhören, um den Grund der Weigerung zu erfahren. Stolz und unnahbar, gleichgiltig gegen seine Umgebung bleibt nur der schwarze Mathija an der Linde. Aber urplötzlich zuckt er zusammen; sein Falkenauge hat den Gegenstand seiner Sehnsucht erblickt und seine Lippen flüstern: »Endlich!«

Vom unteren Dorf schreitet, in vornehmer Gelassenheit, die allgemein vermißte Jerza die Gasse herauf; sie trägt die windische Tracht, das gelbseidene Brusttuch leuchtet im Sonnenschein, schneeig schimmern die weißen Unterröcke unter dem dunkelroten Röckchen hervor, im wippenden Gang werden die blaßroten Strumpfbänder sichtbar, die herrlichen Waden präsentieren sich in entzückender Fülle, und blitzend umspannt der kostbare Gürtel die schlanke Taille. Goldige Sonnenstrahlen umspielen das Blondhaar, so weit die prächtigen Strähne unter der Faltenhaube hervorgucken.

Das ist das schönste Mädchen des Gailthales, und Jerza weiß dies; es will auch das Dobratschröslein an ihrer wogenden Brust sagen, daß es an rechter Stelle sei; kein schöneres Mädchen kann die holde Bergblume schmücken, und Blume und Kind passen wahrlich zusammen wie zwei Rosen.

»Jerza kommt!« Der Ruf ertönt, und wie ein Flug Tauben flattern die Mädchen der zierlich einherschreitenden Jerza entgegen; die Tänzerinnen entwinden sich mit aalglatten Bewegungen den Armen ihrer Burschen, hochauf schlagen die Röcke der enteilenden Mädchen, die alle Jerza entgegenstürmen, die Schönste der Schönen zu begrüßen.

Die Musikanten brechen ab mitten in der Melodie, und erstaunt schauen die Burschen auf die reizende Willkommscene, die nach stürmischer Liebkosung ihren Abschluß findet, indem die Mädchen um Jerza einen Halbkreis bilden und sie auf diese feierliche Weise zum Festplatz geleiten. Jetzt mit der schönen Jerza an der Spitze giebt es kein schüchtern Aufstellen mehr, kein geduldiges Warten, ob die Burschen zum Tanze werben. Jerza wird umringt und alle reden zugleich auf die Freundin ein, so daß Jerza sich halb verzweifelt mit ihren Patschhändchen die niedlichen Ohren zuhält und mit den schöngeformten Armen durch Ellbogenbewegungen abwehrt.

» Zagodite!« (Geiger spielt auf!) ruft der ungeduldig werdende Mathija, und gehorsam beginnen die Musikanten eine neue lockende Tanzmelodie. Wieder schwärmen die Werber aus, vergnügt folgen die Mädchen der Aufforderung, doch bleiben alle wie gebannt stehen, um zu warten, bis ihre Königin zum Tanze aufgefordert ist. Da naht sich auch schon ein Prokurist der schönen Jerza, verbeugt sich unwillkürlich vor der strahlenden Schönheit, und bittet für seinen Auftraggeber um einen visoki raj!

»Nein!« klingt es schroff von den vollen Korallenlippen der schönen Jerza.

Ein vielstimmiger Ruf der Überraschung ertönt, und unwillkürlich lassen die Mädchen den Arm ihrer Begleiter los, und treten einige Schritte näher zu Jerza hin. Die rothaarige Kathra faßt sich zuerst und mahnt Jerza, doch die Festfreude nicht zu stören und den alten Brauch zu ehren.

»Nein!«

»Und warum verweigert Jerza die Werbung?«

»Der Bursch, welcher Jerza zum Tanze will, muß selber bitten kommen! Für Jerza giebt es keine Mittelsperson!«

Wieder versucht Kathra zu beschwichtigen: den uralten Brauch müsse man festhalten, es war immer so und wird auch so bleiben!

»Nein! Ich will den Burschen vorher sehen, an der Linde ist 's zu spät; in ihrem Schatten giebt es keine Weigerung mehr! Darum zeige sich vorher der Bursch, der es wagt, Jerza zum Tanz zu fordern!«

Aller Augen richten sich auf die Burschen, die teils um die Linde gruppiert stehen, teils den Festplatz umsäumen. Lautlose Stille ist eingetreten, die Musikanten pausieren; alles harrt gespannt der nun folgenden Scene, und auch die nach uraltem Brauche vom Kirchtagstanze des ersten Tages ausgeschlossenen Ehepaare, für welche das Tanzvergnügen erst am zweiten Kirchweihtage beginnt, drängen sich näher.

Vom Stamm der mächtigen Linde tritt hochaufgerichtet der finstere Mathija auf den freien Tanzplatz; sein Glutauge starr auf Jerza gerichtet, schreitet er mit vollendeter Grandezza auf das Mädchen zu, und fordert Jerza zum Tanz.

»Also doch du! Nein, Mathija, nein! Jerza tanzt in Ewigkeit nicht mit dir!«

Todesblässe fliegt über des Burschen dunkles Angesicht, und gleich darauf jagt eine Röte über die Wangen, die Hände ballen sich krampfhaft, und scharf bohren sich die weißschimmernden Zähne in die wulstigen Lippen. Schwer atmet der tödlich beleidigte Bursch, ein Ächzen dringt aus seiner breiten Brust; nur mühsam keucht er: »Mir das! Und warum?«

»Jerza ist sich zu gut, im Arm eines Schürzenjägers den hohen Tanz zu tanzen!«

Mathija zuckt zusammen, ein Schrei der Wut entfährt seiner Brust, mit hocherhobenen Fäusten will er auf das Mädchen eindringen – erschreckt stieben die Gitschen auseinander – doch Jerza steht fest: »Wag' es, Jerza zu schlagen!«

»Nimm das Wort zurück, Mädchen! Bei Gott! Du sollst es büßen!« pfaucht Mathija in wahnsinniger Wut.

»Nein! Du erbärmlicher Schürzenjäger!«

»Du lügst!«

»So? Leugne doch, wenn du kannst!«

»Du lügst!«

»Leugne, daß du heute Nacht bei der Dekva (Magd) Urska um Liebe flehtest!«

»Du lügst! Ich kenne keine Urska!«

»Hört zu! Er verleugnet Urska, und doch winselte er die Kuhdirne um Erhörung an, und labte sich an ihren Lippen!«

Ein Ruf allgemeinen Erstaunens ertönt; zornbebend tritt Mathija zurück, er hat das Spiel verloren; die schöne Jerza hat sein nächtlich Minnewerben rücksichtslos aufgedeckt.

»Rühr' kein anständig windisch Mädchen mehr an, du Tugendräuber! Mit dir wird keine mehr tanzen! Hinweg nun von der heiligen Linde, die du entweihst!«

Einen Wutblick voll grimmigsten Hasses wirft Mathija auf Jerza; in ohnmächtigem Zorn ballt er die Fäuste gegen das stolze Mädchen, und schreitet vom Tanzplatz hinweg, mit Schmach bedeckt, wo er Sieger zu sein hoffte.

»Er wird sich rächen!« flüstert Kathra der schönen Jerza zu.

»Er soll es wagen! Jerza fürchtet sich nicht und nimmt den Kampf auf, auch gegen Mathija!« – Und nun aber: Godci! »Spielt auf, Musikanten! Der visoki raj wird getanzt!«

Schon wollen die Musikanten beginnen; da tritt ein hochgewachsener Bursch in der Tracht der Hochgebirgsjäger auf den Platz, ein prächtiger junger Mann mit blondem Vollbart, das Jägerhütl mit mächtigem Gemsbart keck auf das blondgelockte Haar gedrückt, den Hirschfänger zur Seite, braungebrannt die nackten Kniee, eine sehnige Gestalt voll Jugendkraft und Kühnheit.

» Niemc!« (ein Deutscher) flüstern die Mädchen. Ein schöner Mann! Wie kommt dieser zum windischen Kirchtag? Will er tanzen?

Dem scheint so zu sein; der Jäger steht vor den Musikanten, wirft ihnen einen Guldenzettel auf den Tisch, und sieht sich eben um, welches Mädchen er wohl zum Tanze nehmen soll. Ein warmer Blick des Vertrauens huscht hin zur Jerza, die sich wundersam angezogen fühlt von dem Strahlen dieser deutschen Vergißmeinnicht-Augen. Der Jäger macht ein paar Schritte gegen Jerza hin, da ruft ihm der Trumšar ein » henjej« (halt!) zu und unwillkürlich bleibt der Jägersmann stehen. »Was soll's?«

»Der Tanz ist unser! Fremde haben keinen Zutritt!«

»Möglich! Aber ich habe gleichfalls gezahlt, und werde meinen ›Steierischen‹ nach euch tanzen! Verstanden?«

»Nein! Ein Niemc tanzt nicht unter windischer Linde!«

»Oho! Ich bin Gailthaler wie du; ob deutsch oder windisch: wir haben eine Heimat wie einen Kaiser, und mein Geld ist keinen Batzen weniger wert!«

»Schon recht; aber ein Niemc wird nicht tanzen auf windischem Kirchtag! Drücke dich!«

»Halt!« Abermals ist es Jerza, die aller Blicke auf ihre Person vereinigt und mit lauter Stimme verkündet: »Der fremde Deutsche hat recht! Er hat den Tanz bezahlt, – wenn es unzulässig ist, hätte man sein Geld zurückweisen sollen –; er hat ferner völlig recht: wir haben als Gailthaler alle eine Heimat, unser schönes Gailthal, und trägt der Dobratsch auch eine deutsche und eine windische Kirche, unser Lieblingsberg ist er doch, und er bleibt deshalb doch der herrliche Dobratsch!«

»Ja, ganz schön, Jerza! Aber es ist gegen allen Brauch, daß ein Deutscher unter der Linde mit windischen Mädchen tanzt!« entgegnete der Trumšar.

»Wir haben vorhin schon gesehen, wohin wir kommen, wenn einseitig an alten Bräuchen festgehalten wird, just aber die alten Bräuche benützt werden, um Übelthaten damit zu verdecken. Ihr habt schon manches aufgehoben, ebensogut könnt ihr auch gestatten, daß ein ordentlicher Niemc mit uns tanzt. Den visoki raj freilich darf er nicht tanzen!«

Mit Ernst und Würde wendet sich Jerza zum Jäger, und fragte ihn: »Wer bist du, Fremder?«

»Ich bin Jagdgehilfe aus der Gegend von Hermagor, und möchte gerne an eurem Kirchtagsfest teilnehmen. Ich heiße Heinz, und bin braver Leute Sohn.«

»Schön! Ich bin Jerza und nehme dich zu meinem Tänzer! Platz ihr Dirnen und Burschen! Musikanten, spielt einen ›Steierischen‹ für mich und den Jäger Heinz!«

Das kam allen so plötzlich und klang so herrisch, daß dem Zechmeister nichts anderes übrig blieb, als sich mit seiner Burschenschar zu fügen. Ärgerlich ist das Verhalten Jerzas freilich auf alle Fälle. Sie bricht mit alten Bräuchen nach Gutdünken, und säbelt die angesehensten Burschen mit ihrer scharfen Zunge erbarmungslos nieder. Den Deutschen aber wird man wegjagen, sobald das Mädchen den Tanzplatz verläßt.

Zierlich tanzt das Paar den nachbarlichen Nationaltanz; ein reizendes Verschlingen, ein allerliebstes Necken, Haschen, Entwischen und Wiederfangen, worauf die Tänzerin sich um den Finger des Tänzers dreht, bis die Röcklein immer höher fliegen, und der Bursch unter hellem Jauchzer die Tänzerin an den Hüften in die Höhe hebt, sie kraftvoll einen kurzen Augenblick in der Luft hält, und dann zur Erde setzt. Einen Kratzfuß macht der Jäger vor seiner schmucken Tänzerin, und bedankt sich treuherzig für die Ehre und Freude des gewährten Tanzes. Und schier nicht satt sehen kann er sich an dem holden Mädchen; er vermag sich nicht zu trennen von Jerza, die vor ihm steht mit wogender Büste und erglühendem Antlitz, die herrlichen Augen fest auf ihn gerichtet. Gerne möchte Jerza dem Burschen noch einen Tanz gewähren, aber die Klugheit erfordert ein Maßhalten, auch den eigenen Wünschen gegenüber; auch dürfen die Tanzfreuden der anderen nicht länger verkürzt werden. Darum faßt Jerza den Jäger an der Hand, drückt sie, und sittiglich schreitet Heinz und Jerza aus dem Bereich der Linde, dadurch den Tanzplatz freigebend.

Eilig stellen sich die Paare abermals auf; zu lange schon haben sie auf das heißbegehrte Vergnügen warten müssen. Sie wollen die knappe Spanne Zeit ausnützen, bis die Aveglocke den Lindentanz beendet, und darum heißt es eilig sein. Aber bevor der visoki raj auf's neue beginnt, ist schon wieder ein Hindernis gegeben. Mit wutverzerrter Miene stürmt ein windischer Bauer heran, von weitem schon mit den Armen in der Luft fuchtelnd. Seine Silberhaare flattern im Winde, er hat den Hut verloren, und achtet des Verlustes nicht. Der alte Jabornigg ist es, Jerzas Vater, der stolzesten einer unter den Bauern der Windischen Mark, der den Tänzern zuruft einzuhalten, so daß abermals alles in höchster Spannung auf den Bauer blickt.

»Haltet ein! Wo ist Jerza, meine ungeratene Tochter?«

»Hier bin ich, Vater! Was ficht dich an, Jerza ungeraten zu nennen?«

»Schweig, Dirne! Zuviel des Unheils hat deine schnelle Zunge schon gestiftet!«

»Vater!«

»Bist du von Sinnen? Jerza höhnt unserer alten, heiligen Slavenbräuche, schmäht angesehene windische Bursche und schämt sich nicht, mit einem Deutschen den Lindenplatz zu schänden.«

»Halt ein, Vater!«

»Ich weiß es, wie du den prächtigen Mathija behandeltest! Fluch solchem Gebahren! Du wirst ausgestoßen aus windischer Gemeinschaft, die du beleidigt und geschändet hast! Die Linde ist entweiht, der alte Brauch geschändet; ein Faustschlag ins Slovenengesicht ist die Anwesenheit eines Deutschen auf einem windischen Kirchtag!«

Erst verdutzt, dann rasch entflammt sind die windischen Burschen immer näher gegen den Jäger gerückt, und immer drohender wird ihre Haltung, lauter ihr Gemurmel, bis die Männer zu Haß aufgestachelt, mitbrüllen: »Jagt ihn fort, den deutschen Schänder windischer Ehre!«

Sinnlos vor Erregung, blindwütig, mit blutunterlaufenen Augen, die Eisenfäuste geballt, stürzt der alte Fanatiker auf den Jäger, der nur wenige Worte verstanden hat, und sich den Vorgang kaum zu erklären vermag. Wie aber der Alte auf ihn losstürmt und die aufgestachelten Burschen gleichfalls ihm auf den Leib rücken wollen, zieht Heinz vom Leder, sein Hirschfänger blitzt im Strahl der Abendsonne, und mit mächtiger Stimme donnert er in den wüsten Lärm hinein: »Zurück! Wer mich berührt, ist ein toter Mann!«

»Vorwärts! Schlagt ihn tot!« ruft der alte Hetzer, und dringt auf den Jäger ein, der zum Hieb mit der scharfgeschliffenen Waffe ausholt.

Von Verzweiflung erfaßt, wirft sich Jerza plötzlich dem sinnlosen Vater entgegen, der sein Kind mit wuchtigem Arm zu Boden stößt. Die Gefahr voll erkennend, sucht Heinz Deckung an der nahen Gebäudemauer zu gewinnen; er muß rückenfrei sein, um sich der Feinde vor der Brust zu erwehren. Wenn schon Blut fließen soll, dann soll sein Lebenssaft den windischen Fanatikern teuer zu stehen kommen. Ein paar Schritte läuft Heinz, um die schützende Mauer zu erreichen; im selben Augenblick schreit schrill höhnend der alte Hetzer: »Seht den feigen Schuft! Er flüchtet vor windischer Kraft! Schlagt ihn tot!«

Die sinnlos erregten Burschen greifen Steine auf und schleudern sie nach dem Jäger, der mit der linken Hand die Augen vor den Geschossen schützt, und kampfbereit den Hirschfänger in der rechten Hand zum Hieb erhoben hält. Der alte Jabornigg ist völlig rasend geworden; er reißt sein Hemd auf und bietet die behaarte Brust dar mit dem Rufe: »Hier ist die stolze Slavenbrust, soll sie durchbohrt werden vom deutschen Mordstahl?«

Diese erneute Anfeuerung macht die Burschen, die voll des Weines sind, gänzlich rabiat; hageldicht fallen die Steine auf den Jäger, und mit einem Lattenstück bewaffnet dringt der Alte auf ihn ein, gefolgt von der sinnlosen Menge, die unter gellendem Geschrei die Knüppel schwingt und auf den Deutschen wirft, was ihr in die Hände gerät. Die Gefahr für das Leben des Jägers ist aufs höchste gestiegen – Todesangst im Herzen rafft sich Jerza, die betäubt liegen geblieben war, plötzlich auf, mit einem Blick überschaut sie die gräßliche Gefahr, und mit einem Mark und Bein durchdringenden Rufe, einem gellenden Schrei, wirft sie sich an des Deutschen Brust, mit ihrem zuckenden Körper Heinz deckend. Die Burschen prallen zurück; aber schon sind neue Geschosse geschleudert, ein zweiter Stein fliegt an Jerzas Blondhaupt, hoch auf spritzt das Blut, mit einem Wehruf sinkt das Mädchen in die Kniee. Nun gilt es, beider Leben zu retten durch rasche Flucht – Heinz umfaßt mit dem linken Arm das Mädchen um die Taille, preßt den schlanken Körper fest an seine Hüfte; er schwingt drohend die Waffe, schlägt den nächststehenden Burschen nieder, und enteilt in mächtigen Sprüngen bergan mit der Schnelligkeit und Kraft des Hochgeweihten, dem die Meute auf den Schalen ist.

Im selben Augenblick stürzt der alte Jabornigg zu Boden, und unverständliche Laute dringen aus seiner Brust. Entsetzt umringen die Burschen den lallenden Greis, niemand denkt mehr an Verfolgung des Deutschen; man holt eine Tragbahre, und bringt den Alten in sein Gehöft am Achomizbach. Verstört sagt der Zechmeister jedwede Lustbarkeit für den Abend ab.


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