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V.

Die Hacienda Del-Arenal.

Vier Tage waren seit den in unserem letzten Kapitel berichteten Ereignisse verflossen; der Graf Ludovic dela-Saulay und Olivier setzten noch immer ihre Reise fort, aber die Art der Scene hatte sich vollständig verändert.

Rings um sie her breitete sich eine unermeßliche Ebene voll üppiger Vegetation aus, die durch einige Flüsse durchschnitten wurde, auf deren Ufern sich die bescheidenen Hütten mehrer Pueblos von geringer Wichtigkeit erhoben; zahlreiche Herden weideten hier und da, überwacht von den Vaqueros zu Pferde, welche die Reata im Sattel, die Machette an der Seite und die lange Lanze trugen. Zur Rechten einer Straße, deren gelbliche Windungen sich durch die grüne Ebene schlängelten, erhoben sich inmitten einer großartigen Landschaft, deren ferner Horizont von schneeigen Bergen begrenzt war, auf einem ziemlich hohen Hügel, die stolzen massiven Mauern einer wichtigen Hacienda.

Die beiden Reisenden folgten im langsamen Schritt den letzten Krümmungen eines Pfades, der allmählich zur Ebene abfiel; da trennten sich die Bäume, die bisher ihre Aussicht begrenzt harten, zur Rechten und Linken, und plötzlich, wie durch den magischen Ring eines mächtigen Zaubrers geschaffen, schien die Landschaft vor ihnen zu erstehen.

Der Graf machte Halt und stieß einen Schrei der Bewunderung bei dem Anblick dieses prächtigen Kaleidoskopes aus, welches sich vor seinen Blicken entrollte.

»Ah! ah!« meinte Olivier, »ich weiß, daß Ihr ein Liebhaber davon seid, das ist eine Ueberraschung, die ich Euch aufgespart hatte, wie findet Ihr dies?«

»Bewundrungswürdig, ich habe niemals etwas Aehnliches gesehen,« rief der junge Mann begeistert aus.

»Ja,« erwiderte der Abenteurer mit ersticktem Seufzer, »es ist recht hübsch für eine durch Menschenhand verdorbene Landschaft; ich habe es Euch schon gesagt: nur in den hohen Savannen der großen mexikanischen Wildniß ist es möglich, die Natur so zu sehen, wie sie Gott geschaffen hat; dies hier ist nur einem Operneffecte zu vergleichen, eine passende Landschaft, die kein Recht hat zu sein, und die nichts bedeutet.»

Der Graf lachte über diesen Einfall.

»Ob passend oder nicht, ich finde diese Aussicht bewundrungswürdig.«

»Ja, ja, ich wiederhole Euch, es ist ziemlich gut geglückt. Denkt, wie schön diese Landschaft in den ersten Tagen der Schöpfung sein mußte, weil es den Menschen, ungeachtet ihrer ungeschickten Anstrengungen, noch nicht gelungen ist, sie vollkommen zu verderben.«

Das Gelächter des jungen Mannes verdoppelte sich bei diesen Worten.

»Meiner Treu!« sagte er, »Ihr seid ein entzückender Gefährte, Herr Olivier, und sobald ich mich werde von Euch getrennt haben, werde ich wohl noch oft Eure angenehme Gesellschaft vermissen.«

»So bereitet Euch auf diese Trennung vor, Herr Graf,« antwortete jener lächelnd, »denn wir haben nur noch einige Augenblicke mit einander zu verbringen.«

»Warum dies?«

»Eine Stunde höchstens, nicht mehr, aber setzen wir unsern Weg fort: die Sonne beginnt heiß zu werden und der Schatten der dort unten befindlichen Bäume wird uns sehr angenehm sein.«

Sie ließen ihren Pferden den Zügel schießen und begannen wieder langsam den sanften Abhang hinabzureiten, der sie in die Ebene führen sollte.

»Beginnt Ihr nicht das Bedürfniß zu fühlen. Euch Von Euren Strapazen auszuruhen, Herr Graf?« fragte der Abenteurer, indem er nachlässig eine Cigarette drehte.

»Meiner Treu, nein; Dank Euch, ist mir diese Reife entzückend erschienen, wenn auch ein wenig monoton.«

»Wie, monoton?«

»Ei, in Frankreich erzählt man uns schreckliche Geschichten von jenseit des Meeres, wo man auf jedem Schritte Banditen im Hinterhalt findet und nicht zehn Meilen machen kann, ohne zwanzig Mal sein Leben zu risquiren; auch gehen wir nur mit einer gewissen Besorgniß an diesen Ufern an's Land. Ich hatte den Kopf ganz voll von haarsträubenden Geschichten und bereitete mich auf Ueberraschungen, hinterlistige Streiche, erbitterte Kampfe, was weiß ich noch, vor! Nun, nichts von Allem, ich habe die prosaischste Reise von der Welt gemacht, ohne den kleinsten Unfall, den ich später erzählen könnte.«

»Ihr seid noch nicht aus Mexiko heraus.«

»Freilich wahr, aber meine Illusionen sind zerstört, ich glaube nicht mehr an mexikanische Banditen, noch an grausame Indianer, es ist nicht der Mühe werth, so weit her zu kommen, um nichts weiter zu sehen, als was man in seinem eigenen Lande sehen kann. Zum Henker mit den Reisen! Vor vier Tagen glaubte ich, daß wir ein Abenteuer erleben würden; während Ihr mich allein gelassen hattet, entwarf ich unabsehbare Schlachtpläne, und dann kehrtet Ihr nach langer, zweistündiger Abwesenheit zurück und verkündetet mir lächelnd, daß Ihr Euch getäuscht und nichts gesehen hättet; ich mußte alle meine kriegerischen Absichten wieder beschwichtigen.«

»Was wollt Ihr?« antwortete der Abenteurer in einem unmerklich ironischen Tone, »die Civilisation bemächtigt sich unserer dergestalt, daß wir heute außer einigen kleinen Nuancen, den Völkern der alten Welt gleichen.«

»Lacht und spottet meiner, ich gebe Euch vollkommnes Recht dazu; aber kommen wir auf unsern Gegenstand zurück.«

»Ich verlange nichts Anderes, Herr Graf, nehmen wir das Thema wieder auf. Habt Ihr bei unserer Unterhaltung nicht unter Anderm erwähnt, daß Ihr die Absicht hättet, Euch nach der Hacienda-del-Arenal zu begeben, und daß wenn Ihr nicht von Eurem Wege ablenken, sondern gerade durch Mexiko gehen wolltet, es aus dem Grunde geschehe, weil Ihr fürchtetet, Euch in einem unbekannten Lande zu verirren, da Ihr Niemand finden würdet, der Euch auf den rechten Weg zurückführen könnte?«

»Ich habe Euch das in der That gesagt, Herr.«

»Oh! so vereinfacht sich die Sache außerordentlich.«

»Wie dies?«

»Seht, Herr Graf, schauet dort hin. Was seht Ihr?«

»Ein prächtiges Gebäude, welches einer Festung gleicht.«

»Nun, dieses Gebäude ist die Hacienda-del-Arenal.«

Der Graf stieß einen Ausruf des Erstaunens aus.

»Ist es möglich! Ihr täuscht mich nicht?« sagte er. »Zu welchem Zwecke?« fragte sanft der Abenteurer.

»Oh! auf diese Weise ist die Ueberraschung entzückender, als ich Anfangs vermuthete.«

»Ah! ich vergaß etwas Wesentliches zu erwähnen, was für Euch von einiger Wichtigkeit ist: Eure Diener und all' Euer Gepäck sind bereits seit zwei Tagen in der Hacienda.«

»Aber auf welche Weise sind meine Diener benachrichtigt worden?«

»Ich bin es gewesen, der sie unterrichtet hat.«

»Ihr habt mich aber fast nicht verlassen.«

»Allerdings nur einige Minuten, aber das genügte.«

»Ihr seid ein liebenswürdiger Gefährte, Herr Olivier; ich danke Euch aufrichtig für alle mir erwiesenen Aufmerksamkeiten.«

»Geht doch, Ihr scherzet.«

»Kennt Ihr den Eigenthümer dieser Hacienda?«

»Don Andrès-de-la Cruz? sehr gut.«

»Was ist er für ein Mann?«

»In moralischer oder physischer Beziehung?«

»In moralischer.«

»Ein Mann von Herz und Verstand, er thut viel Gutes und ist den Armen wie den Reichen zugänglich.«

»Hm! Das ist ein prächtiges Bild, was Ihr mir gebt.«

»Ich bleib« noch hinter der Wahrheit zurück; dennoch hat er viele Feinde.«

»Feinde?«

»Ja, alle Schurken des Landes, und Dank Gott, solche sind in diesem gesegneten Lande im Ueberfluß vorhanden.«

»Und seine Tochter, Donna Dolores?«

»Sie ist ein herrliches Kind von sechszehn Jahren, mehr gut als schön; unschuldig und rein spiegeln ihre Augen den Himmel wieder; sie ist ein Engel, den es Gott gefallen hat, auf die Erde zu senden, um ohne Zweifel den Menschen Schande zu machen.«

»Ihr werdet mich nach der Hacienda begleiten, nicht wahr, Herr?« sagte der Graf.

»Nein, ich bin dem Sennor Don Andrès-de-la Cruz fremd; in einigen Minuten werde ich die Ehre haben, von Euch Abschied zu nehmen.«

»Um uns bald wiederzusehen, hoffe ich.«

»Ich wage nicht, es Euch zu versprechen, Herr Graf.«

Sie ritten schweigend einige Minuten neben einander.

Sie hatten ihre Pferde in schnelleren Schritt gesetzt und näherten sich rasch der Hacienda, deren Gebäude sich ihnen jetzt vollständig zeigten.

Es war eine jener prächtigen, in den ersten Zeiten der Eroberung erbauten Residenzen, halb Palast, halb Festung, wie sie die Spanier auf ihren Gebieten zum Schutze gegen die Angriffe der Indianer, während der zahlreichen Empörungen errichteten, welche die ersten Jahre der feindlichen Einfalle der Europäer mit Blut tränkten.

Die Almenas oder Zinnen, welche die Mauern krönten, zeugten von dem Adel des Besitzers der Hacienda, denn die Edelleute allein besitzen das Recht, ihre Wohnungen mit Zinnen zu versehen, ein Recht, auf welches sie sich sehr eifersüchtig zeigen.

In den glühenden Strahlen der Sonne erglänzte die Kuppel der Kapelle, welche sich über die Mauern der Hacienda erhob.

Je mehr sich die Reisenden näherten, um so lebendiger erschien die Landschaft; fortwährend begegneten ihnen Reiter, Arrieros mit ihren Mauleseln, Indianer mit den auf ihren Rücken mittelst eines um ihre Stirn laufenden Riemens befestigten Lasten, dann die von den Vaqueros getriebenen Heerden; Mönche auf ihren Maulthieren, Frauen, Kinder, geschäftige Leute jedes Standes und Geschlechts kamen und eilten nach allen Richtungen hin.

Als sie den Fuß des Hügels, welchen die Hacienda beherrschte, erreichten, hielt der Abenteurer sein Pferd in dem Augenblicke an, wo dasselbe sich anschickte, den nach dem Hauptthor der Wohnung führenden Weg einzuschlagen.

»Herr Graf,« sagte er, sich zu dem jungen Manne wendend, »wir sind hier am Ziel unserer Reise angekommen; erlaubt mir. Euch Lebewohl zu sagen.«

»Nicht bevor Ihr mir versprochen habt, daß wir uns wiedersehen.«

»Das kann ich Euch nicht versprechen, Graf, unsere Wege gehen nach ganz entgegengesetzten Richtungen, Überdies ist es vielleicht besser, daß wir uns nie wiedersehen.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Nichts Beleidigendes für Euch, oder was Euch persönlich betrifft; erlaubt wir, Euch die Hand zu drücken, bevor wir uns trennen.«

»Oh! von ganzem Herzen,« rief der junge Mann Und reichte ihm gerührt die Hand.

»Und nun, lebt wohl! ... Noch einmal, lebt wohl; die Zeit verstreicht schnell und ich sollte schon fern sein.«

Der Abenteurer neigte sich auf den Hals seines Pferdes und schnell wie ein Pfeil flog er auf einem Fußwege dahin und war gleich darauf verschwunden.

Der Graf folgte ihm mit den Augen, so lange er ihn bemerken konnte; als er endlich hinter einer Biegung des Wegs verschwunden war, stieß der Graf einen tiefen Seufzer aus.

»Welch' seltsamer Charakter!« murmelte er mit leiser Stimme. »Oh! ich werde, ich muß ihn wiedersehen.«

Der junge Mann setzte seinem Pferde leicht die Sporen ein, und dasselbe trug ihn in wenigen Minuten bis auf den Gipfel des Hügels und an die Pforte der Hacienda.

Der Abenteurer hatte die Wahrheit gesagt, der Graf wurde in der Hacienda erwartet; der Beweis hiervon war, daß er seine Diener an der Thür bemerkte, die wahrscheinlich seiner Ankunft harrten.

Der Graf stieg in dem ersten Hofe ab und übergab sein Pferd einem Stallknecht, der es fortführte.

In dem Augenblicke, wo der Graf auf eine breite Thür zuschritt, die von einer Marquise geschützt, den Eingang zu den Zimmern gewährte, erschien Don Andrès und eilte ihm entgegen, drückte ihn bewegt an's Herz und küßte ihn mehre Male, indem er sagte:

»Gott sei gelobt! da seid Ihr endlich! Wir waren schon in tödtlicher Unruhe Euretwegen.«

Der so unvermuthet gefaßte Graf hatte sich herzen, umarmen und küssen lassen, ohne zu begreifen, was mit ihm geschah und mit wem er es zu thun hatte; aber als der Greis sein Erstaunen bemerkte, welches er ungeachtet aller Mühe nicht ganz zu verbergen vermochte, ließ er ihn nicht länger in dieser Verlegenheit, und seinen Namen nennend, setzte er hinzu:

»Ich bin Euer naher Verwandter, mein lieber Graf, Euer Vetter; also genirt Euch nicht, handelt, als wenn Ihr in Eurer Behausung wäret: dieses Haus und Alles, was es enthält, steht zu Eurer Disposition und gehört Euch.«

Der junge Mann erging sich in Danksagungen, aber Don Andrès unterbrach ihn von Neuem.

»Ich bin ein alter Narr,« sagte er, »da halte ich Euch hier mit meinem albernen Geschwätz zurück und vergesse ganz, daß Ihr einen langen Ritt gemacht habt, nach welchem Ihr der Ruhe bedürft. Kommt, ich werde das Vergnügen haben, Euch selbst nach Eurem Zimmer zu führen, welches schon seit mehren Tagen bereit ist.«

»Mein lieber Vetter,« antwortete der Graf, »ich danke Euch vielmals für Eure gütige Fürsorge; aber ich glaube, es würde, bevor ich mich in mein Zimmer zurückziehe, schicklich sein, mich meiner Cousine vorzustellen.«

»Das eilt nicht, mein lieber Graf; meine Tochter befindet sich in diesem Augenblicke mit ihren Frauen in ihrem Boudoir; laßt mich Euch zuvörderst anmelden, ich weiß besser, was sich in dieser Angelegenheit zu thun eignet, ruht Euch aus?«

»Es sei, ich folge Euch, mein Vetter; überdies gestehe ich Euch, da Ihr so gütig seid, mich meiner Bequemlichkeit folgen zu lassen, daß ich durchaus nicht abgeneigt bin, einige Stunden der Ruhe zu genießen.«

»Wußte ich es denn nicht?« erwiderte heiter Don Andrès, »aber alle jungen Leute sind dieselben, sie zweifeln an nichts.«

Der Haciendero führte darauf seinen Gast in ein Zimmer, welches unter unmittelbarer Leitung Don Andrès' mit Geschmack meublirt und bestimmt worden war, dem Grafen für die Zeit die es ihm gefallen würde, in der Hacienda zuzubringen zur Wohnung zu dienen. Seine Koffer standen bereits darin, und sein Kammerdiener erwartete ihn.

Dieses Zimmer war, ohne groß zu sein, dennoch nach den Hülfsquellen des Landes auf sehr comfortable Weise eingerichtet.

Die Wohnung bestand aus vier Zimmern: das Schlafzimmer des Grafen mit Ankleidecabinet und seitwärts der Badesaal, ein Arbeitszimmer, welches zugleich den Salon ausmachte, ein Vorzimmer und ein Cabinet für die Diener des Grafen, damit er sie beständig zu seiner Verfügung haben konnte.

Vermittelst einiger Scheidewände hatte man sie getrennt und vollkommen unabhängig von den andern Zimmern der Hacienda gemacht; man gelangte dahin durch drei Thüren, eine derselben ging auf die Hausflur, die zweite auf den gemeinschaftlichen Hof und die dritte führte vermittelst einiger Stufen in die prächtige Huerta der Hacienda, welche, ihrer Ausdehnung nach für einen Park gelten konnte.

Der erst kürzlich in Mexiko gelandete Graf machte sich, wie alle Fremden, einen falschen Begriff von einem ihm unbekannten Lande und war weit entfernt, in der Hacienda-del-Arenal eine so bequeme und seinem Geschmack und seinen etwas difficilen Gewohnheiten entsprechende Einrichtung zu suchen, auch war er wirklich entzückt über das, was er erblickte. Er dankte Don Andrès warm für die Mühe, mit welcher er es sich hatte angelegen sein lassen, ihm den Aufenthalt in seinem Hause angenehm zu machen, und versicherte ihm, daß er einen so liebenswürdigen Empfang nicht erwartet habe.

Don Andrès de-la-Cruz rieb sich, sehr befriedigt von diesem Compliment, freudig die Hände und entfernte sich endlich, indem er seinen Verwandten sich selbst überließ, damit er sobald es ihn beliebte, sich ungestört der Ruhe hingeben konnte.

Nachdem der Graf mit seinem Kammerdiener allein geblieben, seine Kleidung gewechselt und eine passendere Tracht für das Land angelegt hatte, fragte er den Diener, auf welche Weise er seine Reise von Vera-Cruz zurückgelegt habe, und welcher Empfang ihm bei seiner Ankunft in der Hacienda zu Theil geworden wäre.

Dieser Kammerdiener, beinahe von demselben Alter des Grafen, hatte eine sehr große Anhänglichkeit an seinen Herrn, dessen Milchbruder er war. Er war ein wohlgestalteter, braver Bursche, mit ziemlich hübschem Gesicht und besaß eine bei einem Diener kostbare Eigenschaft: die, nichts zu sehen, nichts zu hören und nur zu sprechen, sobald man ihn dazu aufforderte; und selbst dann noch that er es auf die kürzeste Art und Weise.

Der Graf liebte ihn sehr und hatte zu ihm ein unbegrenztes Vertrauen. Er hieß Raimbaut und war ein Biskayer; da er keinen Augenblick die Etiquette außer Acht ließ und einen tiefen Respect für seinen Herrn fühlte, so sprach er nur in der dritten Person zu ihm, und zu welcher Zeit bei Tag oder Nacht der Graf ihn auch rief, erschien er doch niemals vor ihm, ohne streng nach der von ihm angenommenen Vorschrift gekleidet zu sein. Sein Anzug bestand aus einem schwarzen Kleide à la française mit geradem Kragen und goldenen Knöpfen, schwarzer Weste, kurzen, schwarzen Beinkleidern, weißen, seidenen Strümpfen, Schnallenschuhen und weißer Cravatte. So gekleidet, außer dem Puder, den er nicht trug, glich Raimbaut zum Verwechseln dem Intendanten eines gebietenden Herrn aus dem letzten Jahrhunderte.

Der zweite Diener des Grafen war ein großer, kräftiger und untersetzter Bursche von einigen zwanzig Jahren, und Raimbaut's Pathe, welcher Ersterer es auf sich genommen hatte, ihn zu unterrichten und für den Dienst auszubilden. Dieser that die gröbere Arbeit und trug die Livréen des Grafen, Blau mit Silber. Er hieß Lanca Ibarrü, war seinem Herrn ergeben und fürchtete seinen Pathen Raimbaut, für den er eine tiefe Ehrfurcht zur Schau trug, wie das Feuer; lebhaft, muthig, schlau und verständig, waren seine Eigenschaften, die jedoch durch seine Naschhaftigkeit und seine hervorstechende Vorliebe für ein süßes Nichtsthun getrübt wurden.

Raimbaut's Erzählung war kurz: es war ihm nichts Besonderes zugestoßen, außer daß ein Unbekannter ihm von Seiten seines Herrn den Befehl überbracht habe, seine Reise nicht bis Mexiko fortzusetzen, sondern sich nach del-Arenal zu begeben, welchem Befehle er Folge geleistet hatte.

Der Graf erkannte die Wahrheit dessen, was ihm der Abenteurer gesagt hatte; er verabschiedete seinen Kammerdiener, streckte sich auf einer Butacca aus und schlug ein Buch auf, aber bald überwältigte ihn die Müdigkeit und er schlief ein.

Ungefähr gegen vier Uhr Abends erwachte er in dem Augenblicke, wo Raimbaut mit der Meldung in sein Schlafzimmer trat, daß Don Andrès de-la-Cruz ihn erwarte, um sich zur Tafel zu begeben: die Stunde der Abendmahlzeit war gekommen.

Der Graf warf einen Blick auf seine Toilette, worauf er, von Raimbaut geleitet, sich nach dem Speisesaal begab.


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