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Vor der Tür zu seinem Zimmer machte Brennan halt. Bis hierher war er gegangen, ohne darüber nachdenken zu können, was ihn nun erwartete. Es war, als folge er einer Art hypnotischem Befehl jenes jungen Mädchens, das gesagt hatte, es sei seine einzige Möglichkeit.
Hier nun, dicht vor dem Zusammentreffen mit McGregor verlor jener Befehl all seine Kraft. Viel stärker war die Vorstellung, was dieser Verbrecher jetzt sagen und tun würde. Brennan fiel ein, wie kurz entschlossen McGregor den Schauspieler umgebracht hatte, der ihm doch nichts getan hatte. Was drohte erst ihm, Brennan, wenn McGregor etwa wußte, was er gegen ihn vorbereitet hatte?
Plötzlich drehte sich Brennan um und lief den Weg zurück, den er gekommen war. Man sah sich nach ihm um, erstaunt und mißtrauisch, aber er lief, lief, als ginge es um sein Leben. Und er war überzeugt: es ging wirklich um sein Leben.
Auf der Treppe standen zwei Männer und unterhielten sich. Brennan wollte an ihnen vorbei, aber einer vertrat ihm schnell den Weg.
»Ihr Name, bitte?« sagte er höflich und doch sehr nachdrücklich.
»Was geht das Sie an?« rief Brennan bebend.
»Ich bin Beamter der Detective Force«, erwiderte der Mann leise und zeigte seinen Ausweis vor. »Sie sind Mr. Brennan, nicht wahr?«
»Ja. Und was wünschen Sie von mir?«
»Wenn Sie hier weitergehen wollen, haben wir Auftrag, Ihnen zu folgen. Beim Verlassen des Hotels sind Sie zu verhaften.«
»Und … wenn ich nicht hier weitergehen will?« Der Mann zuckte die Achseln.
»Dann betrifft uns die Sache nicht«, erwiderte er trocken. »Wenigstens jetzt nicht.«
Brennan wandte sich schweigend um und ging langsam die Stufen hinauf. Er dachte daran, daß es noch eine zweite Treppe gab, doch war er überzeugt, auch dort zwei Beamte vorzufinden, die ihm das Weitergehen verwehrten. Wenn die Detective Force es einmal auf jemanden abgesehen hatte, so arbeitete sie gründlich. Oh, Brennan wußte das.
Und wieder stand er vor der Tür zu seinem Zimmer. Er mußte der Polizei diesen Dienst erweisen, ob er wollte oder nicht. Was brauchte man, was erwartete man von ihm? Daß er eintrat und mit dem Fremden sprach. Dessen Worte würden der Polizei den Beweis liefern, ob man es wirklich mit McGregor zu tun hatte. Dann würde man den schrecklichen Menschen festnehmen. Alles denkbar einfach! Wenn nur nicht die zwei Männer wären, die im Badezimmer warteten … Vielleicht waren sie noch nicht dort? Er hatte ja befohlen, erst im Schreibzimmer nachzusehen … Ach, sicherlich waren sie schon dort: Sie hatten Zeit genug gehabt zu sehen, daß er sich auf den Weg zu seinem Zimmer begab.
Und dann kam Brennan ein anderer Einfall: Wie, wenn er durch Murphys. Zimmer ging und die beiden einfach wegschickte?
Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, stand er auch schon vor der Tür zum Nebenzimmer und öffnete sie hastig.
Fünf, sechs Männer drängten sich ihm entgegen. Sie waren bewaffnet, und ihre Gesichter sahen finster und erwartungsvoll aus. Ehe sichs Brennan versah, waren ihm die Hände auf den Rücken gerissen worden, und man hielt ihn fest, als rechnete man bei ihm mit Riesenkräften.
»Loslassen!« sagte plötzlich einer der Männer ganz leise. »Es ist nicht der Richtige.« Dann wandte er sich an Brennan. »Ihr Zimmer ist nebenan, Mr. Brennan. Wenn Sie es nicht zu betreten wünschen oder sich davor fürchten, brauchen Sie es uns nur zu sagen – wir schaffen Sie dann mit sicherem Geleit zum Polizeihauptquartier.«
»Nein, nein«, murmelte Brennan. »Nur das nicht. Ich gehe, ich gehe … Lassen Sie mich …«
Niemand hielt ihn. Die Tür schloß sich lautlos hinter ihm. Der ganze Auftritt hatte keine zwei Minuten gedauert, und alles war so leise vor sich gegangen, daß man im Badezimmer davon nichts hätte hören können. Waren also dort die zwei Männer, so ahnten sie nichts von dem ihnen drohenden Unheil.
Jetzt betrat Brennan sein Zimmer schnell, ohne einen Augenblick länger zu zaudern. Eine schwache Hoffnung hatte er noch: McGregor war ein so gewiegter Verbrecher, daß man doch kaum ein ganzes Hotel mit Kriminalbeamten füllen konnte, ohne daß er es rechtzeitig merkte.
Eine Brennan wohlbekannte Stimme machte diese Hoffnung jedoch gleich zunichte:
»Benehmen Sie sich wie immer«, sagte die Stimme aus dem Finsteren. »Tür absperren, Schlüssel stecken lassen. Kein Licht, kein Laut, keine Bewegung!«
Brennan befolgte den Befehl. Sekundenlang durchzuckte ihn der Gedanke: Flucht! – Jetzt hatte sich ja der Fremde selbst verraten. Er, Brennan, hatte somit alles getan, was die Polizei von ihm wünschen konnte. Er konnte fliehen, er konnte! Die Finsternis vor ihm verriet nicht, ob er durch einen Revolver bedroht wurde oder nicht. Doch fühlte Brennan, daß dem so sei. Die Kugel würde ihn erreichen, sobald er die erste verdächtige Bewegung machte.
»Ich bin nicht zufrieden mit Ihnen, Brennan«, sagte die Stimme grollend, aber ganz ruhig. »Die Sache mit Flannagan gefällt mir nicht –«
Brennan bemühte sich vergebens, seinem Gesicht einen gleichgültigen Ausdruck zu geben. Er saß da, von dem gespenstischen Licht einer Laterne erleuchtet, – der einzige sichtbare Gegenstand in diesem Raume. Er wußte es nicht, aber er fühlte es: McGregors Finger lag am Drücker eines Revolvers, und hatte McGregor den leisesten Verdacht geschöpft, so war an Rettung nicht mehr zu denken.
»Übrigens wollen wir uns über wichtigere Dinge unterhalten«, fuhr die Stimme McGregors fort. »Wissen Sie, was eine Mausefalle ist? Nicht? Nun, das ist so ein Drahtgestell, in dem man etwas Speck aufhängt, damit die Mäuse hereinkommen. Und kaum sind sie drin, so klappt, eine Tür zu, und nachher kommt der Mensch und kann mit dem armen Mäuschen tun, was ihm nur einfällt. Das ist eine Mausefalle.«
»Ich … verstehe nicht ganz, warum … warum Sie mir das erzählen«, stotterte Brennan und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich dachte … Sie sagten, wir wollen uns von wichtigeren Dingen unterhalten …«
»Das alles ist sehr wichtig«, erwiderte McGregor. »Oder sind Sie anderer Meinung? Im Badezimmer zwei Mordgesellen, im Zimmer nebenan sechs Bullen, das Hotel umstellt von mehr als dreißig Polizisten, Flannagan mit seinen drei Freunden auch da, es fehlt auch nicht der unermüdliche Bath. Ist das keine Mausefalle? Nur eins fehlt: der Speck! Oder können Sie mir den Grund nennen, warum McGregor wohl trotzdem hierher kam? Ah?«
Brennan hatte sich auf seinem Stuhl aufgebäumt. Vergebens suchte er nach einem Wort, nach irgendeiner Erklärung.
»Hil – fe!« schrie er plötzlich auf, doch war seine Stimme so entstellt und so schwach, daß man sie kaum durch die Tür hören konnte. »Hil – fe! Mo – ord!«
»Wer spricht hier von Mord?« meinte McGregor verwundert. »Ich habe nichts davon gesagt, ich nicht. Wollten Sie vielleicht morden? Aber warten Sie mal, ich will Ihnen etwas zeigen, – daraus werden Sie manches lernen. Kommen Sie … Nun? Haben Sie nicht verstanden? Sie sollen kommen! Aufstehen, aber schnell, junger Mann!«
Brennan erhob sich
»So, Mr. Brennan, jetzt gehen Sie langsam auf das Badezimmer zu. Ich beleuchte Ihnen den Weg. So, öffnen Sie jetzt die Tür. Nein, sie ist unverschlossen. Sie dachten, ich hätte sie abgeschlossen, weil doch Ihre Leute sonst hätten kommen müssen? Nein, ich habe sie nicht abgeschlossen, und Ihre Leute sind dennoch nicht gekommen. Na, los! öffnen Sie endlich die Tür!«
Brennan gehorchte. Helles Licht strahlte ihm entgegen, so hell, daß er im ersten Augenblick die Lider schließen mußte. Als er sie wieder öffnete, erblickte er zwei elegant gekleidete Männer, die sich lächelnd vor ihm verneigten.
»Es ist gut, daß Sie endlich kommen«, sagte der eine höflich. »Wir haben nicht mehr viel Zeit. Zwar sind die sechs Männer nebenan unsere eigenen Leute, aber das Hotel wimmelt von Kriminalbeamten. Wir müssen schauen, daß wir rechtzeitig davonkommen.«
»Ja, beeilen Sie sich«, sagte McGregors Stimme aus dem dunklen Zimmer heraus. »Der Spektakel wird gleich losgehen.«
»Was – – – was wollen – – –« begann Brennan. Er beendete den Satz nicht. Seine Augen waren vor Grauen weit aufgerissen, und seiner Kehle entrang sich ein schriller Schrei.
Jetzt hatte er es gesehen: An der Decke, an einem nagelneuen großen Haken hing ein ebenso nagelneuer Strick.