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Mit seinem nachgerade berühmten Buche » In der Fremdenlegion« hat Erwin Rosen nicht nur die weitesten Kreise über das wahre Wesen dieser Söldnertruppe zum erstenmal unterrichtet – er hat auch einen großen literarischen Erfolg damit erzielt. Als Probe aus dem Buch geben wir seine Darstellung der ihm geglückten Flucht aus Afrika und verweisen auf die Anzeige auf der zweiten Umschlagseite.
Das ganze Buch ist im Projekt Gutenberg-DE vorhanden: Eine Flucht aus der Fremdenlegion
Um fünf Uhr nachmittags hatte ich den Geldbrief erhalten. Ich war gerade vom Arbeitsdienst in die Kaserne zurückgekommen, vom Unkrautjäten auf den Gräbern des Legionsfriedhofes. Das sollte mein letztes Arbeiten als Legionär gewesen sein!
Denn auch nicht eine einzige Stunde wollte ich mit der Flucht warten! Jeder Gedanke drängte mich hinaus in die Freiheit. Im Lande von Sidi-bel-Abbès ließ es mir keine Ruhe mehr.
Auf dem Mannschaftszimmer saßen die Kameraden schon bei der Suppe, als ich mit meinem Brief vom Postbureau der Kaserne kam, und Guttinger schien verwundert darüber, daß ich nichts aß und sofort die »Ausgeh-Uniform« anzog. Er sah mich mißtrauisch an, als ob er eine Ahnung hätte, daß ich etwas Ungewöhnliches im Sinn hatte. Gar zu gern hätte ich dem alten Trommler, der mir in seiner Art Freundschaft gegeben hatte und ein guter Mensch war, einen letzten Gruß gesagt, doch er saß mit den andern am Tisch. Als ich mich aber angezogen hatte und Briefe und einige Kleinigkeiten, die ich mitnehmen wollte, verstohlen aus meinem Tornister hervorholte, kam Guttinger und legte sich auf sein Bett, wie immer nach der Suppe.
»Adieu, Trommler,« flüsterte ich. »Bist ein guter Kamerad gewesen!«
Guttinger rührte sich nicht. Nur in seinen Augen blitzte es auf.
»Hast Geld?« fragte er leise.
»Ja!«
»Dann is' gut! Adieu – Adieu!«
Im Strom der in die Stadt eilenden Legionäre eilte ich die Promenade entlang. Durch die hellerleuchteten Hauptstraßen schlenderte ich, rechts und links Offiziere grüßend, dem Ghetto zu. Gleich in der ersten der engen Gassen begegnete ich einem alten Mann, der mir vielversprechend aussah. Ich klopfte ihm auf die Schulter.
»Eh, Zivilkleider?«
Der Jude hob den Zeigefinger in die Höhe.:
»Darf Legionär nichts verkaufen!«
Ich drehte mich um und schritt langsam weiter. Aber schon war er hinter mir her:
»Wieviel?«
»Zwanzig Franks.«
»Fünfzig!«
»Dreißig.«
»Fünfundvierzig!«
»Vierzig Franks bekommst du – aber nur, wenn es sehr schnell geht.« Er blieb stehen, sah mich an und hielt mir die gekrümmte Hand hin; der Pantomime Sinn war klar: ich beruhigte ihn, indem ich ihm ein paar Goldstücke zeigte. Der Mann Israels nickte zufrieden und zog mich nach wenigen Schritten in ein Haus. Eine kleine Lampe qualmte in einer übelriechenden Stube. –
»Sarah!« rief mein Begleiter.
Eine alte Frau kam mit schlürfenden Schritten aus einem Nebengemach und schleppte, als sie hörte, um was es sich handelte, einen Haufen Kleider herbei. Ein Anzug war darunter, der anständig aussah. Er paßte mir ziemlich und – natürlich wurde wieder geschachert. Fünfzig Franks wechselten ihre Besitzer.
Dann gab ich ihm noch ein Goldstück: »So, jetzt besorgst du mir Hut, Stiefel, Kragen und Kravatte.«
Da aber fing die dicke Frau mit kreischender Stimme zu zetern an. Ich brächte das Unglück über ihr Haus, das Geschäft sei abgeschlossen – ich dürfe nicht länger im Hause bleiben! Es sei viel zu gefährlich! Allez-vous-en – allez-vous-en!
Die alte Dame fiel mir auf die Nerven, und ich ging gerne. An der Ecke der Gasse wartete ich auf den Juden. In zehn Minuten war er zurück und meinte, für weitere zwanzig Franks würde er besonders gute Sachen, mehrere Kragen, einen guten Hut und Handschuhe schaffen können; für zwanzig Franks darüber einen ausgezeichneten Revolver. Ich gab ihm die Goldstücke. In kurzer Zeit kam er wieder und gab mir zwei Bündel.
Am Ende der nächsten Gasse begann die Festungsmauer. Ich konnte sie von der Innenseite leicht ersteigen. Auf der Außenseite war die Entfernung zum Boden ziemlich groß, aber beim Sprung in die Tiefe fiel ich unbeschädigt in den Sand und stand in einem Palmenhain. Aus den weit geöffneten Fenstern einer Villa dicht bei den Baumgruppen des Hains strömte eine Flut von Licht, und lustige Walzerklänge tönten herüber. In schattenhaften Umrissen sah ich Paare wirbeln. Offiziere waren darunter! Aber unter den Palmen war es dunkel. In fieberhafter Eile streifte ich die Uniform ab und zog die Zivilkleider an. Sie paßten! Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder einen Kragen anzuknöpfen und wieder eine Kravatte zu binden. Und als ich umgezogen war, spießte ich Uniform und Mantel, Militärschuhe und Käppi mit dem spitzen Bajonett an eine Palme. Mochten sie's da finden am Morgen!
Ich streifte die Handschuhe über – meine Toilette war beendet. Drüben in der Villa wurde ein deutscher Walzer gespielt: »Das ist das süße Mädel …«
Mit einem häßlichen Furchtgefühl schritt ich dem nächsten Tore in der Festungsmauer zu. Aber die Legionäre, die dort auf Wache waren, beachteten mich gar nicht. Das gab mir Selbstvertrauen. Langsam und unauffällig, als sei ich ein spazierengehender Bürger, ging ich wieder über die Promenade. Überall schlenderten Legionäre. Mehreremale mußte ich umkehren und einen Umweg machen, weil mir Unteroffiziere meiner eigenen Kompagnie entgegenkamen! Es war ein aufregender Weg! Endlich hatte ich die innere Stadt durchquert und bog in das Villenviertel ein, dessen Hauptstraße geradenwegs nach dem Bahnhof führte. Das kleine Stationsgebäude lag verlassen da. Sorgfältig sah ich mich um, ob mich auch niemand beobachtete, und kletterte über die felsige Böschung hinab auf das Geleise.
Die Schienen führen in gerader Linie nach Norden, Oran zu. Es war unterdessen völlig dunkel geworden. Vom Bahnhof her funkelten Lichter und Signallaternen; der Schienenstrang selbst lag in Dunkelheit da. Ich fing an zu laufen. Im Anfang stolperte ich fortwährend über die spitzen Steine der Schotterung zwischen den Schwellen und fiel einmal der Länge nach hin. Aber ich gewöhnte mich rasch daran, von Schwelle zu Schwelle zu springen. Aus vollen Kräften rannte ich, eine Viertelstunde lang, eine halbe Stunde lang. Dann mußte ich, schwer keuchend, stehen bleiben. Feiner Regen rieselte herab. Die Gegend war in tiefes Dunkel gehüllt, und nur ein schwacher Lichtschein weit hinten am Horizont zeigte, wo Sidi-bel-Abbès lag. Meiner Schätzung nach mußte ich ungefähr fünf Kilometer zurückgelegt haben. Meine Füße schmerzten mich. Als ich einen Stiefel auszog und ihn tastend untersuchte, fühlte ich, daß innen im Stiefel lange Reihen von spitzen Nägeln durchdrangen; daß die Sohle feucht war von meinem Blute. Ich zerriß ein Taschentuch und polsterte die Nägelstellen mit Tuchfetzen aus. Zwar bohrten sich die spitzen kleinen Ungeheuer auch durch diese Hülle, aber es war doch weit besser als vorhin. Nun untersuchte ich den Revolver in meiner Tasche und sah mit freudigem Erstaunen, daß es eine prachtvolle Waffe war, eine Browningpistole. Der alte Jude, der von Schußwaffen nichts verstehen mochte, hatte seine Stiefelsünden mit dem Revolver gut gemacht!
Nachdenklich sah ich die Waffe an. Mit Browningpistolen konnte ich umgehen. Ich probierte, ob der federnde Hebel gut funktionierte, der die Waffe schußfertig machte, schob den Patronenrahmen mit seinen acht vernickelten Geschossen schußfertig an seinen Platz. Es war mir, als sei die blitzende Waffe in meiner Hand ein guter Freund, ein hilfsbereiter Fluchtgenosse.
Wieder sprang ich vorwärts. Die Füße mußten sich an die stechenden Plagegeister gewöhnen. Von nun an wechselte ich systematisch im Laufschritt und Marschierschritt ab, meine Kräfte schonend, wie ich es in der Legion gelernt hatte. Fünf Minuten Laufschritt, fünf Minuten Marschierschritt. Immer auf den Geleisen, immer schnurgerade nach Norden. Einmal hörte ich einen Zug hinter mir herbrausen und legte mich flach in den Sand neben den Geleisen. Stunde auf Stunde verrann. Dreimal schon war ich an Stationen vorbeigekommen, die aus wenigen Häusern bestanden und in der Dunkelheit verlassen dalagen. Bei einem einsamen Bahnwärterhäuschen bellte einmal ein Hund, und ich stürmte entsetzt davon, wie ein Wahnsinniger rennend, bis ich das Gekläff des an seiner Kette zerrenden Tieres nicht mehr hörte. Wie war ich dankbar für Stille und Dunkelheit! Mein Atem ging in schweren keuchenden Stößen. Ich war völlig durchnäßt von Schweiß, und wenn ich einen Augenblick stehen blieb, um zu ruhen, erzitterte mein Körper in eisigen Schüttelfrösten. Aber ich nahm alle meine Kräfte zusammen, denn ich wollte eine mittelgroße Station erreichen, wo ich nicht so sehr auffiel, wenn ich mir eine Fahrkarte nach Oran löste.
Der Regen hatte bald wieder aufgehört. Jetzt leuchtete auch der Mond dann und wann zwischen den Wolken hervor, und sein mattes Licht gab einen weit helleren Schein, als mir lieb war. Ich stand eine fürchterliche Angst aus, von irgendeiner Gendarmenpatrouille gesehen zu werden. Da wurde das Terrain felsig. Auf beiden Seiten des Schienenweges lagen mächtige Felsblöcke, zerrissene, zackige Kalkfelsen, und ich freute mich über den verbergenden Schutz, den sie mir gaben. Einige Minuten lang mochte ich zwischen den Felsen gelaufen sein, als ich ein eigenartiges Geräusch hörte. Zuerst glaubte ich, es sei wieder ein Eisenbahnzug. Als aber das Geräusch näher kam, schärfer und klarer wurde, wußte ich, was es war: galoppierende Pferde!
Zwischen den Felsen hindurch konnte ich den feinen hellen Streifen sehen, der die Militärstraße bedeutete. Sie war kaum hundert Meter von den Geleisen entfernt. Auf dieser Straße kam eine Patrouille galoppiert.
Vielleicht hatten die Gendarmen mich schon längst gesehen! Vorhin, als die Gegend flach war, mußte sich im Mondschein meine Silhouette scharf gegen den Himmel abgezeichnet haben.
In einem Paroxismus von Angst kroch ich zwischen zwei Felsen und lauschte atemlos. Immer näher kamen die Pferde, immer hallender tönten die Hufschläge. Nun sah ich, aus meinem Versteck hervorlugend, die dunklen Gestalten von Pferden und Reitern. Nun waren sie mir gegenüber. Und in diesem Augenblick hörte ich einen scharfen arabischen Ausruf. Die drei Reiter parierten ihre Pferde und hielten.
Ich riß die Pistole aus der Tasche. Ihr glänzender Stahllauf funkelte. Schleunigst bedeckte ich die Waffe mit meinem Rock, damit ihr Blitzen mich nicht verrate. Vorsichtig entsicherte ich die Pistole und probierte tastend, ob der Patronenrahmen auch fest und richtig säße. Ein Gefühl eisiger Ruhe kam über mich. Ich nahm mir vor, mich nicht von meinem Platze zu rühren und erst zu feuern, wenn die Gendarmen bei ihrem Suchen ganz in meine Nähe kommen würden. Ich überlegte. Ich nahm den zweiten Patronenrahmen in die linke Hand, zum Nachfüllen bereit. Ich beschloß in raschem Schießen das Magazin zu entleeren, damit ich möglichst viele Schüsse anbringen konnte, ehe sie sich von ihrem Schrecken erholten.
Da flammte unten ein Zündholz auf. Eine Sekunde lang. Ich hörte den lachenden Ruf eines der Gendarmen. Und dann galoppierten die drei Mann weiter. Einer von ihnen mußte einen Kameraden um Feuer zu einer Zigarette gebeten haben.
Das Galoppieren verklang in der Ferne, und ich saß immer noch da, am ganzen Leibe zitternd. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, als ich die Pistole einsteckte. Hinausschreien hätte ich mögen in jubelnder Dankbarkeit, daß diese fürchterliche Gefahr vorüber war. Und als ich aufstand, fiel ich zurück gegen den Felsen. Meine zitternden Knie konnten den Körper nicht tragen!
Les Imberts hieß die Station. Sie war 42 Kilometer von Sidi-bel-Abbès entfernt. In sieben Stunden hatte ich diese 42 Kilometer zurückgelegt. Als ich um vier Uhr morgens den Bahnhof erreichte und in der Dunkelheit mühsam Stationsnamen und Kilometerbezeichnung entzifferte, war kein Mensch zu sehen. Tiefe Nachtstille überall. Einige hundert Meter von der Station standen leere Güterwagen auf einem Nebengeleise. In einen dieser Wagen kletterte ich und studierte, ein Zündhölzchen nach dem andern entzündend, den Fahrplan der algerischen Bahnen, den mir die fürsorgliche Mutter gesandt hatte. Kurz nach fünf Uhr ging der erste Zug nach Oran. Nun hieß es, vor allem für den äußeren Menschen zu sorgen. Ich kletterte wieder aus dem Waggon heraus und fand nach langem Suchen ein halbgefülltes Wasserfaß, das unter einem Schuppen stand. Es fing an hell zu werden. So wusch ich mich eilends und versteckte mich wieder hinter der Reihe von Güterwagen. Mit dem Taschentuch klopfte ich meine Kleider ab und rieb meine Stiefel blank, zog den »Reservekragen« meines Ghettofreundes aus der Tasche und band ihn um. Dann betrachtete ich mich in einem winzig kleinen Taschenspiegel. Es ging! Es ging sehr gut! Elegante Menschen sind etwas Seltenes in Algerien.
Um fünf Uhr schritt ich auf einem Umweg zum Bahnhof. Auf dem Perron standen ein Dutzend wartende Menschen und – ein arabischer Gendarm, gravitätisch gegen die Mauer gelehnt. Wieder kam die Angst! Aber ich ging ruhig zum Schalter.
» Oran – première classe.«
» Sept-soixante,« sagte der Beamte. »Sieben Franks sechzig.« Und da kam schon der Zug. Ich stieg in das nächste Abteil erster Klasse und sah zu meiner Wonne, daß es leer war! Der Zug brauste davon. Die zwei Stunden der Fahrt von Les Imberts nach Oran benützte ich dazu, um meine Toilette so gut als möglich in Ordnung zu bringen und – unzählige Zigaretten zu rauchen, die mir die Müdigkeit vertrieben. An der Perronsperre in Oran standen Zouavenunteroffiziere und ein Legionskorporal. Sie beachteten mich gar nicht.
Bis zehn Uhr wanderte ich in der Stadt herum. Dann ging ich in das Passagebureau der französischen Mittelmeerlinie und besorgte mir einen zweiten Kajütenplatz nach Marseille. Das Paketboot »Sankt Augustin« sollte um fünf Uhr nachmittags abgehen!
Mit einemmal kam die Müdigkeit überwältigend über mich. Ich konnte kaum mehr stehen. Ein Hotel aufzusuchen, um einige Stunden zu ruhen, wagte ich nicht. So ging ich in ein Restaurant, aß mich in wonniger Langsamkeit durch ein französisches Diner durch und trank eine Flasche schweren Burgunders. Dann fiel mir ein, daß es entschieden auffallen mußte, wenn ich eine Seereise ohne jegliches Gepäck antrat. Für wenige Franks erstand ich einen Handkoffer, dessen Wände aus Pappe »wirklich wie Leder« aussahen, und kaufte an jeder Ecke Zeitungen, mit denen ich ihn vollstopfte. Das war mein »Gepäck«.
Wenige Minuten vor fünf Uhr ging ich auf den Dampfer, Zigarette im Mund, ein Bündel Zeitungen unter dem Arm. Ich spazierte auf dem Verdeck auf und ab, las » Le Rire« und zwang mich krampfhaft, ein unbefangenes, amüsiertes Gesicht zu machen. Ein Gedanke nur erfüllte mich: War mein telegraphisches Signalement vom Regiment schon in Oran eingetroffen?
Es wurde halb sechs, und noch immer lag der »St. Augustin« am Quai! Gendarmen kamen und gingen. Und mit einemmal fühlte ich, wie ich leichenblaß wurde: eine Patrouille kam, vier Zouavenunteroffiziere stiegen die Gangplanke herauf! Sie schritten durch das ganze Schiff und sahen sich überall sorgfältig um. Dann wechselten sie einige Worte mit dem Kapitän und gingen wieder.
Schon atmete ich auf, als ein Gendarm auf mich zutrat und höflich grüßte.
»Monsieur sind Franzose?«
» Non monsieur, Engländer,« erwiderte ich ruhig und sah den Gendarmen lächelnd an – eisige Furcht im Herzen …
Wenn es ihm einfiel, eine Legitimation zu verlangen, war ich verloren!
»Ihr Name, bitte?«
»Eugen Sanders.«
»Beruf?«
»Maschinist – von Tlemcen – bin auf dem Wege nach Nizza.«
»Ich danke verbindlichst!«
Wenige Minuten später läutete die Schiffsglocke, die Gangplanken wurden eingezogen, und der Dampfer fuhr ab. Ich ging in meine Kajüte und schlief. Ich habe nichts gedacht während der Seereise, nichts gefürchtet, nichts gehofft – nur geschlafen!
Als der »St. Augustin« im Hafen von Marseille einlief, kam eine neue Schwierigkeit. Die Zollrevision meines nur mit Zeitungen gefüllten Koffers! Derartiges Gepäck mußte ja verdächtig aussehen!
Der Zufall half. Eine Menge von Booten umdrängten das Schiff, und allerlei Agenten kletterten an Bord, um Aufträge für Gepäckbeförderung und dergleichen zu erbitten. Ich wandte mich an einen von ihnen und sagte ihm, ich wünschte, möglichst schnell an Land zu kommen. Ob er mich nicht hinüberfahren könne?
»Fünf Franks!« sagte der Mann.
»Gerne!«
Die Gangplanke an der Schiffsseite war schon hinabgelassen. Ich stieg mit ihm in sein Boot hinunter.
Den Koffer mit seinem Zeitungsinhalt ließ ich an Bord, um der Zollinspektion aus dem Weg zu gehen.
In zehn Minuten stand ich auf dem Quai in Marseille. In weiteren fünf Minuten hatte ich eine Droschke gefunden und war auf dem Weg nach dem Bahnhof. Eine halbe Stunde später saß ich im Coupé des Rivierazugs.
Rivierafahrt in dunkler Nacht … Toulon flog vorbei – Cannes. In Nizza hörte ich den Straßenjubel des zu Ende gehenden Karnevals bis in den Bahnzug hinein. Der Perron war mit Konfetti überschüttet. Monaco kam – Monte Carlo mit seinem funkelnden Lichtmeer.
Endlich war Ventimiglia erreicht. Die erste italienische Station!
Es war ein Uhr nachts. Ich stürzte aufs Telegraphenamt und sandte zwei Telegramme an zwei liebe Menschen …
Frei – Frei!