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1.
Als Lyonel vom Lager sich erhoben,
Erblickt er seinen jungen Freund
In voller Rüstung schon: nicht wahr, du hast geweint?
So saget er, ich seh davon die Proben
Im dunklern Aug, im röthlichern Gesicht:
Und, sagt Bliomberis, und sollt' ich dieses nicht?
Hat meine Mutter mir das Leben
Nicht mit Verlust des ihrigen gegeben?
2.
Ward nicht der edle Palamed,
Dem selbst ein Lyonel den Vorrang zugesteht,
Durch Niederträchtige verrathen?
Doch nicht sein Leiden nur zwingt mir unwürd'gen Sohn
So viele Thränen ab, auch seine großen Thaten.
Er ist mit vierzehn Jahren schon
Auf Abenteuer ausgezogen,
Ich aber nützte nur als Jäger Speer und Bogen.
[46]
3.
O Gott! eh dieses Ohr den Schreckenausspruch hört:
Ich sey nicht Palameds, des ersten
Von allen Sterblichen, und Lyonels nicht werth,
Eh laß den Boden hier, auf dem ich stehe, bersten.
Willkommen Krieg, willkommen itzt!
Nur keinen Frieden, Frankenkönig!
O leider, sagt der Ohm, gewährt er den so wenig,
Als Löwen, deren Haut ein schwacher Pfeil geritzt.
4.
Sie sprachens, sitzen auf, und langen in den Mauern
Von Turnay mit dem Abend' an.
Als sie die Burg des Frankenkönigs sahn,
Beginnet Lyonel den Zustand zu betrauern,
In den sein Vater ihn gestürzet: schönes Haus
Des großen Freunds, oft ging ich aus
Und ein in dir; doch itzt ach! mit Gehässigkeiten
Befrachtet, itzt ein Feind, muß ich vorüber reiten.
5.
Sie stiegen ab beym prächtigen Pallast
Des ersten Manns am Hof, des Greises Arbogast;
Mit ihm war Lyonel durchs Gastrecht längst verbunden.
Hier brachten sie die Abendstunden
In freundlichen Gesprächen hin.
Nicht scheu, noch frech, gelehrt, den Mittelweg zu halten,
Gewinnt Bliomberis das edle Herz des Alten,
Ein unaussprechlicher Gewinn!
[47]
6.
Sie hatten lange schon die Knaben von dem Mahle
Entfernet, und allein freundschaftliche Bokale
Mit Mäßigkeit geleert; da rauscht die Flügelthür
Als wie durch Sturm weit auf, und Pharamund steht hier:
Er stehet hier mit all der Majestät geschmücket,
Die ohne heil'ge Furcht kein Sterblicher erblicket,
So königlich geformt vom Kopfe bis zum Fuß,
Wie Jupiter Olympius.
7.
Nun öffnet er den Mund, dem holde Wort entströmen:
Willkommen! eure Hand, mein theurer Lyonel!
Ihr gebet sie mir nicht; so muß ich sie mir nehmen.
Seht doch auf euern Freund nicht scheel;
Er kennet euch, und jene, die euch senden.
Genug hiervon! laßt uns die Abendzeit,
Die Pharamund so gern der Freundschaft weiht,
Nicht mit Erklärungen verschwenden!
8.
Fürst, rufet Lyonel, Fürst, wie es keinen giebt
Und auch wie keiner noch verehret und geliebt,
So laß uns beyde denn, warum ich kam, vergessen
Und der verfloßenen, der bessern Zeit uns freun;
Nur dem Verblendetsten der Menschen fällt es ein,
Mit Pharamunden sich zu messen.
Hier ist mein Neffe, Herr, der mich noch an die Welt,
Die große Ruderbank, allein gefesselt hält.
[48]
9.
Bliomberis, ich kenne Palameden,
Sagt gütig Pharamund, und seiner Wiederkehr,
Wovon der Ruf erzählt, erfreut sich Niemand mehr.
Als Jüngling hört' ich nur von seinen Thaten reden;
Ist er denn gar so groß, und niemand groß als er,
Stumpf seiner Feinde Schwert, und seiner Gegner Speer
Besprochen? Laßt uns sehn, dacht' ich bey mir und eilte
An Rodrichellos Hof, wo Palamed verweilte!
10.
Der König gab ihm dort ein prächtiges Turnier,
Weil Palamed die Kron' im Aufruhr ihm erhalten,
Und zwölf Empörern selbst das große Haupt gespalten.
Ich sahe sie noch todt in dem Guadalquivir,
Denn niemand durfte sie begraben.
Den ungeheuern Leichen wurde schier
Des Flusses Bett zu klein, ich glaube, daß die Raben
Sie nicht in einem Jahr ganz aufgezehret haben.
11.
Als im Turnier der Held zehn Ritter in den Sand,
Wie Kegel, warf, und sich kein eilfter fand,
Trat ich entschlossen in die Schranken.
Sechs Lanzen brachen wir, und keiner wollte wanken.
Von jugendlichem Stolz bethört,
Warf ich der letzten Schaft weit weg und griff ums Schwert:
Da hört' ich wider mich die weisern Ritter zischen;
Auch trat der Herold schnell dazwischen.
[49]
12.
Der König folgte nach, mit ihm die Ritterschaar,
Worunter auch im kriegrischen Geschmeide
Sie, die zubald mir starb, ach! meine Schwester war.
Denn frühe schon verschmähet' Adelhaide
Den Nährahm, und die feige Ruh,
Sie drängte damahls sich mit Hast durch alle Ritter,
Rief meinem Gegner Lob, mir aber Tadel zu
Und schalt den ganzen Tag mich bitter.
13.
Der undankbare Palamed!
Nie, Lyonel, nie konnt' ich ihm verzeihen,
Daß er ein solches Glück, ein solches Glück verschmäht …
Doch seiner Wiederkunft will ich mich herzlich freuen
Und seines Sohnes auch, zumahl wenn der ein Recht
An hoher Ahnen Glanz durch Tapferkeit erringet
Und eine Welt zu dem Geständniß zwinget:
Er sey durch seine Thaten echt.
14.
Er schwieg, und nun wird viel von jener Zeit gesprochen,
Die hinter ihnen schön, geschmückt mit Thaten, liegt:
So mancher Krieg wird wiederum gekriegt,
So mancher Speer wird wiederum gebrochen.
Bliomberis scheint alles, was er hört,
Mit offnem Herzen einzusaugen,
Er wendet nicht die huldigenden Augen
Vom Könige, der itzt zu Lyoneln sich kehrt.
[50]
15.
Freund, sagt er, darf ich wohl noch etwas von euch bitten?
Ich wünschte, weil man doch den Krieg von mir erpreßt,
Daß die Erklärungen noch drey Tag' Anstand litten.
Wir feyern meines Kind's Geburtstag durch ein Fest;
Ich möchte nicht Celinens Laune trüben
Und wegen einer Kleinigkeit
Dieß Fest, auf das so sehr mein Mädchen sich gefreut,
Und welches schon begann, bis nach dem Sieg verschieben.
16.
Und weil ich nun einmahl im Fodern bin,
So fodr' ich euch zu diesemn Feste.
Eilt guten Muths und froher Seele hin,
Als die willkommensten der Gäste.
Erwartet da freundschaftlichen Erguß
Des Herzens. Pharamund ist so, wie er sich zeiget;
Er, der Empfindungen nie häuchelt, kaum verschweiget,
Liebt, wann er kann, und streitet, wann er muß.
17.
Hier steht der König auf, und reicht mit hoher Güte
Den Fremdlingen die Hand; mein theurer Lyonel,
Ich merke wohl, ich bath nicht fehl,
Und dieses dank' ich euch mit redlichem Gemüthe.
Wir sehn uns morgen! ihr, Bliomberis, bewahrt
Mit Sorgfalt euer Herz, wißt, daß von allen Damen
Die schönsten zu dem Feste kamen,
Und daß der Liebesgott hier keine Pfeile spart.
[51]
18.
Und nun lebt wohl, auch ihr, obschon ich um die Freude,
Sie zu bewirthen, euch von ganzer Seele neide,
Auch ihr lebt wohl, mein Vater Arbogast!
Der König sprachs und schlüpft' in Hast
Um dem Gepränge zu entgehen,
Zur Thür hinaus; die andern sehen
Mit liebender Bewunderung ihm nach.
Man trennt sich, jeden winkt die Ruh ins Schlafgemach.
19.
Der Morgen kommt, und die Begierde
Nach eines Königs Burg, den so viel Eigenwürde
Umglänzet, weckte noch in grauer Finsterniß
Den lebhaften Bliomberis.
Er ging mit seinem Ohm und ihrem edlen Wirthe
Zur hohen Burg, wovon die wahre Pracht,
Auf die ein kleiner Geist vergebens Anspruch macht,
Beym Eintritt schon ihn süß verwirrte.
20.
Doch wie entzückt ihn erst des Saales edler Bau!
Der Cedernboden schon ist viel zu schön, von Schuhen
Berührt zu seyn; milchweiße Säulen, blau
Geädert, wie der Hals des zart'sten Mädchens, ruhen
Auf röthlichem, porphyrnen Fußgestell.
Die Wände sind Azur, den goldne Streifen schmücken,
Ihr glaubet überall von Jasons Widderfell
Zerstreute Flocken zu erblicken.
[52]
21.
Die Sessel, angebracht in hundert Nischen, sind
Vom theuren Erz, das in Corinth
Zusammenschmolz; und doch erhebet
Die Kunst den innern Werth; ein Amoretten Paar,
Von eines Myron Hand belebet,
Hält jeden Sitz empor, und scheint der Gäste Schaar
Auf sammtne Polster hinzuwinken,
Die überhängt mit goldnen Fransen blinken.
22.
Versammelt sind bereits zum Fest
Die Feyrer alle, schön, wie Rosen, die der West
Im Frühling' aufhaucht, sind die Damen,
Und hoch berühmt der edlen Ritter Nahmen.
Sie alle sehen starr stets nach der Thüre hin,
Ob Pharamund und die Prinzessinn kommen;
Denn seit die weise Königinn
Guiberta starb, hat sie der Mutter Platz genommen.
23.
Auch bebet bald die Thür, die Flügel öffnen sich.
Und Pharamund erscheinet im Geleite
Von Dienern ohne Zahl, den Prinzen an der Seite,
Die Tochter an dem Arm, so groß, so königlich
Und doch so hold dabey; sein reges Auge spüret
Den Saal durch, bis es dich, o Arbogast, erblickt,
Der nun vertraut herbey gewinket und gebückt
Die Fremdlinge vor den Monarchen führet.
[53]
24.
Bliomberis tritt hin mit jener Schüchternheit,
Wobey der Jüngling mehr gewinnet,
Als wenn ein Strom Beredsamkeit
Von seiner wohl geübten Lippe rinnet.
Er neigt sich ehrfurchtsvoll dem König' und dem Sohn
Des Königes, dem Prinzen Clodion,
Dann nahet er mit leisen Schritten
Celinen, sich die Hand der Fürstinn zu erbitten.
25.
Schnell ziehet sie den Handschuh von der Hand
Und reicht sie ihm, o was empfand
Sein Herz dabey! wie schwamm's in einem Meer von Wonne!
Kaum zwinget er den Mund vom langen Kuß zurück.
Celine war der Schöpfung Meisterstück
Und glänzt am Horizont des Hof's als eine Sonne.
Der Damen große Zahl, so schön
Sie waren, waren's nur, bevor man sie gesehn.
26.
Mit köstlichem Gestein und einer Reiherfeder
Geschmücket, fleußt ihr braunes Ringelhaar
Bis auf den Kniebug hin, ihr Wuchs gleicht einer Ceder,
Dem Himmel gleicht ihr blaues Augenpaar;
Die Liljenbrust, wo Fluth und Ebbe wechselt,
Ist, wie der Mond, den halb ein Silberwölkchen deckt,
In Spitzen von Brabant versteckt,
Und von der Hand der Liebe selbst gedrechselt.
[54]
27.
Es war der vierte Morgen schon,
Seitdem das Fest begonnen, Clodion
Hatt' im Turnier den Dank davon getragen.
Der Rest von dieser Feyer Tagen
Ward andern Spielen eingeräumt.
Der König winket, und man schließet
Die Thür zum Garten auf, durch die sich ungesäumt
Der ganze Hof ihm nach ergießet.
28.
Man kam zu einer langen unabsehbar'n Bahn,
Die sich ellipsenförmig dehnte,
Und die ein langer Kranz vieljähr'ger Eichen krönte.
Auf beyden Seiten stehn mit Gold und Silberlahn
Durchwirkte Zelt, und in der Mitte steiget
Das größte Zelt empor, stolzirend, weil darin
Des Festes und der Herzen Königinn
Sich unterm Baldachine zeiget.
29.
Zuerst verkündiget der Herold, daß der Lauf
Beginnen soll, und setzt die Preise
Im Nahmen des Monarchen auf.
Schon treten zielbegierig aus dem Kreise
Der leichte Galehalt, der rüstige Golith
Und Clodion; des Prinzen Auge sieht
Stets nach der Bahn, indeß zur schnellen Reise
Sein Knappe das Gewand ihm von der Schulter zieht.
[55]
30.
Schon horchen alle drey, geschürzt, den Mund halb offen,
Die Augen starr, die Herzen sehnsuchtsvoll
Dort hin, von wannen sie das laute Zeichen hoffen,
Das der Trompet' entschmettern soll.
Es schmettert nun das Zeichen; und sie eilen
Mit leichtem Fuß, der keine Spuren läßt,
Auf kaum berührtem Sande hin, dem West
Vergleichbar und beschwingten Pfeilen.
31.
Der letzte war Golith, der erste Clodion,
Der zweyte Galehalt; die Ritter hatten schon
Drey Viertheil ihres Wegs vollendet:
Da sammelt sich Golith und wendet
Nun alle Kraft und allen Athem auf,
Womit er klug bis itzund hausgehalten.
Er saus't im Blitzgeschwinden Lauf
Zum Prinzen hin, vorbey an Galehalten.
32.
Er überhohlt auch ihn; umsonst strengt der sich an
Und keicht und schnaubt ihm in die weh'nden Haare:
Doch, wo sich schon die lange Bahn
Zum Ziele krümmet, schlüpft am Nebenbuhler Paare
Der spätre Galehalt vorbey.
Ihn nennt mit weit erschallendem Geschrey
Des Herolds Mund, dann dich, Golith, der mitten
Noch itzo stand, dann Clodion den dritten.
[56]
33.
Man eilt nun in des Königs Zelt,
Wo schon dem Siegenden, indem von allen Seiten
Ihn Händeklatschen, Wünsch' und lautes Lob begleiten,
Celine selbst den Preis entgegen hält.
Ein Panzer war es, hell geschliffen,
Und köstlich eingelegt, es schimmerte darin
Das Bild der schönen Läuferinn,
Die an der Äpfel Gold sich um den Sieg gegriffen.
34.
Golith erhielt den zweyten Preis,
Den schönsten Helm, den Pharamund erbeutet,
Auf dessen Wölkung saß ein Adler, silberweiß,
Die Fittiche zum Fluge schon verspreitet.
Empor gesträubet war der Federn dichte Reih
An dem gedehnten Hals; und sich empor zu schwingen
Stämmt er die Klauen an, auch
sah man das Geschrey
Aus seinem offnen Schnabel dringen.
35.
Der dritte Preis, und kein geringer, war
Ein eibner Speer; wo Stahl und Schaft sich trennen,
Dort sah' man einen Reif von feinem Golde brennen.
Den Schaft umwand ein schuppig Schlangenpaar,
Von meisterlicher Hand geschnitzet.
Doch faßt ihn Clodion unwillig, Feuer blitzet
Aus seinem Aug' indem er also spricht:
Den letzten Preis behal ich nicht.
[57]
36.
Golith nehmt hin! Gott weiß, wie der uns überlaufen!
Wir hörten immer weit, weit hinter uns ihn schnaufen,
Auf einmahl stand er da; das gestrige Turnier
Hat mich zu Bley gemacht; denn sonst, sonst hättet ihr
Und er mich nicht erreicht; ich geb' ihm auf die Stunde
Wohl zehn Minuten vor; er sprach es, Galehalt
Schwieg lächelnd, aber so nicht Arbogast; der schalt
Den Jüngling laut mit weisem Munde.
37.
Pfui, Prinz! gut laufet ihr; ihr lauft vielleicht so gut,
Als Galehalt, doch wenn ihr: besser! saget,
Ists Blindheit oder Übermuth.
Auch fass' ich nicht, warum ihr euch beklaget!
Hat das Turnier euch abgespannt, so ruht,
Statt daß ihr müd euch in die Schranken waget.
Euch krönte gestern erst der Sieg,
Man rühmt' euch mehr als ihn und jeder Gegner schwieg.
38.
Der Prinz, obgleich mehr Gall' als Blut in seinen Adern
Heut fließet, darf doch nicht mit Arbogasten hadern.
Er schleichet glüh'nder Wang' und, ohne daß ein Wort
Dem Mund' entschlüpft, sich aus dem Zelte fort.
Er siehet außerhalb des Zeltes seine Knaben
Mit Speer und Bogen wartend stehn.
Ihr könnt, so murret er, ihr könnt von hinnen gehn,
Mein Bogen und mein Speer wird heute Ruhe haben.
[58]
39.
Bliomberis stand da in einem süßen Traum
Dicht an dem hohen Baldachine,
Und da geschah' es manchmahl, wenn Celine
Sich von dem Sitz erhob, daß ihres Kleides Saum
Im Wenden seinen Fuß berührte.
Es floß in ihn durch dieß Electrophor
Ein Feuer, das er nie zuvor
Empfunden, aber izt in jeder Faser spürte.
40.
Man rufet auf zum Lanzenspiel;
Der Preis ein Waffenrock, gesticket von Celinen,
Macht, daß der Jüngling sein Gefühl
Nicht dämmen kann, er spricht zwar mit bescheidnen Mienen
Doch rasch zum edlen Greis: o dürft' ich mich erkühnen,
Verehrter Arbogast, wohl träf' ich auch das Ziel.
Dort, sagt ihm der vergnügt, dort liegen viele Speere,
Wählt einen, Sohn, und ärntet Ehre!
41.
Er gehet hin, wiegt in der Hand
Den schwersten aus, und nimmt dann seinen Stand,
Wie Gilrik schon und Perceval genommen.
Als Meister waren die im Lanzenwurf bekannt,
Kein Dritter war herbey gekommen,
Weil jeder sich zu schwach für diese Gegner fand.
Wie groß war nicht des Hof's Erstaunen, als man sahe,
Daß sich mit festem Schritt ein fremder Jüngling nahe.
[59]
42.
Zuerst warf Gilrik, dann warf Perceval, zuletzt
Bliomberis; denn die gezognen Loose
Entschieden so: das Ziel weit, weit hinausgesetzt,
War eine weiße Scheib' und mitten eine Rose
Mit hohem Roth gemahlt. Die Lanze Gilriks sticht
Den Kelch durch, Percevals noch sich'rer Speer die Blume.
Der Rock, sagt Perceval, wird mir zum Eigenthume.
Dieß hört Bliomberis und flistert hin: noch nicht.
43.
Als ob er mit dem Blick die Ros' entblättern möchte,
So schauet er, hohlt aus, bis seine Rechte
Am Saum des Ohres steht, und wirft den Speer, der schweift,
Begierig sich ins Ziel zu bohren
Und glänzend durch die Luft, gleich schönen Meteoren,
Indeß am Boden hin der längre Schatten streift.
Doch itzund steckt das Eisen, trotz der Ferne,
Ganz in dem Mittelpunkt, im gelben Rosenkerne.
44.
Ein lauter Beyfall tönt empor.
Wer ist der Fremde denn? so rauscht von Ohr zu Ohr
Die Frage fort, der Damen Augen schießen
Nun Wett' auf ihn, und alle grüßen
Ihn mit der Hand und allen dünkt er schön,
Zumahl da Ruhmbegier, vereinigt mit Vergnügen,
(Denn diese liehen Reitz auch minder edlen Zügen,)
Ihm Augenglanz und Wangenfarb' erhöhn.
[60]
45.
Nun naht er sich dem theuren Zelte,
Das der Prinzessinn Angesicht,
Um deren Thron der Hof nun einen Cirkel flicht,
Gleich einer Mittagssonn' erhellte.
»Nehmt diesen Waffenrock, den ihr verdienet, hin;
Denkt unsers Hof's, und auch der Stickerinn.«
Sie sprichts: kein Wieland singt, und kein Correggio mahlet
Die Anmuth, so hierbey die Fürstinn überstrahlet.
46.
Bliomberis, wohl bleibst du eingedenk
Der Stickerinn! er nimmnt und küsset das Geschenk;
Dann eilet er, in ungestörter Muße
Es zu betrachten weg, mit schnellem, schnellem Fuße.
Die Farb' ist grün, der Stoff ein fest gewebter Sammt,
Es sä'te drauf die kunsterfahrne Dame
Ein Sterngewimmel hin, und auf der Seite flammt
Verschlungen ihr und ihres Vaters Nahme.
47.
Der zweyte Preis, ein silberner Bokal,
Belohnt den Wurf des edlen Perceval:
Versehn ist der Bokal mit zwey vergold'ten Henkeln,
Und seine Wölbung zeigt den Enkeln
So manche tapfre That, in alter Zeit gethan.
Dir, Gilrik, wird ein wohl gegliedert Wehrgehenke.
Doch itzo ruft der Herold von der Bahn,
Daß jeder Schütz' an seinen Bogen denke.
[61]
48.
Nah vor dem königlichen Zelt
Erhöhet man die längste Fichte,
Die je zu einem Mast ein zögernd Beil gefällt,
Daß jeder Pfeil hierher sich richte.
Denn oben an der Spitze schlägt
Ein Geyer ängstlich breite Schwingen
Und strebet, zu den Wolken aufzudringen.
Umsonst! ihn hält die Schnur, um seinen Fuß gelegt.
49.
Er ist das Ziel der Schützen. In den Schranken
Am Fuß der hohen Fichte stehn
Schon wartend Groot, Merleth, und Helogen.
Bliomberis, von wonnigen Gedanken
Verzögert, kam zu spät und bleibet fern, doch hebt
Er Pfeil und Bogen auf, die eben vor ihm lagen.
Dem alten Bogen war vielleicht seit Clodwigs Tagen
Kein Pfeil nach einem Ziel entstrebt,
50.
Auch spannet ihn der Jüngling nur zur Probe;
Doch so nicht Helogen, nicht so Merleth und Groot.
Denn diese treibt der Durst nach Preis und Lobe.
Groots Pfeil durchbohrt den Baum, der Vogel, dem der Tod
So nah' vorbeysaus't, schreyt, der alte Stamm erbebet.
Nun schießt Merleth und sieh! der Geyer hebet
Sich in die Luft, und schleppt das Seil
Lang nach; denn dieses bloß traf und zerschnitt der Pfeil.
[62]
51.
Allein nur kurze Zeit genießet
Der Vogel seines Glücks: schon lauscht
Bliomberis; sein sich'rer Pfeil entrauscht
Dem alten Bogen, fleugt und spießet
Den Geyer; dieser senkt den Kopf, er stirbt; er fällt,
Und bringt den Pfeil aus grauer Wolke
Dicht vor das königliche Zelt
Herunter, angestaunt vom ganzen Rittervolke:
52.
Sie und die Damen, ja der König selbst bestimmt
Bliomberis den Preis, den dieser doch nicht nimmt;
Er neiget sich und sagt bescheiden:
Ein Zufall war es, Herr! daß mirs so wohl gelung,
Und euer gütig Lob scheint bloß Ermunterung;
Ich kämpfte ja nicht mit; fern sey's von mir, den beyden
Den wohlverdienten Preis zu rauben, ich gewann
Ja so den größten Preis, den man gewinnen kann.
53.
Dieß agt er, hingekehrt zur göttlichen Celine;
Sie fühlt es, nickt ihm Dank mit schön verwirrter Miene,
Die Menge ruft ihm Beyfall zu.
Den ersten Preis erhieltst nun du,
Der mit halb sicherm Pfeil die Schnur entzwey geschnitten.
Ein Schwert mit gold'nem Griff: der Köcher voller Tod,
Der zweyte Preis, gebührte dir, o Groot.
Dem armen Helogen schenkt Pharamund den dritten.
[63]
54.
Nun eilt man in den Speisesaal;
Bliomberis, weil er im Lanzenstreite,
Des Königs Lieblingsspiel, gesieget, sitzt beym Mahl
An seiner und Celinens Seite.
O welch ein süßer Schauder fuhr
Durch seine Glieder hin, als er sich itzt so nahe
Dem Meisterstück der Schöpfung sahe!
Auch sättigt' er die Augen nur.
55.
Sie scheint die Schmeicheley'n, die er mit süßern Tönen,
Als Tasso's Leyer hat, ihr in das Ohr geraunt,
Nicht zu verschmäh'n, nur abzulehnen.
Geendigt war das Mahl: wie angenehm erstaunt
Die Fürstinn, als sie nun zum ersten Reihentanze
Dem Jünglinge die Hand gereicht.
Er schwebet durch die Reihn so sicher und so leicht,
Als durch das Luftgebieth sein Pfeil und seine Lanze,
56.
Held Arbogast liebt immer mehr und mehr
Den Neffen Lyonels; geendet
War kaum der Tanz, so führet er
Ihn nach dem Garten hin; die Mondesscheibe sendet
Auf die Spatzierenden ihr angenehmes Licht.
Verzeiht mir, edler Jüngling, spricht
Der weise Mann; ich zieh' euch von den Tönen
Der Leyern weg, vom Tanz und von den muntern Schönen.
[64]
57.
Doch weil ihr gar so bider seyd,
So gönnt ihr wohl auch einem guten Greise
Zu einer Frag' ein Theil von eurer Zeit.
Wie wurdet ihr so früh schon weise?
Hier auf des Hof's euch unbekanntem Eise
Geht ihr einher und tretet niemahls fehl,
Und bleibt, wiewohl gelobt, doch immer im Geleise.
Sagt, wie erzog euch denn der wackre Lyonel?
58.
Die erste seiner klugen Lehren,
So sagt der Jüngling, war, das Alter zu verehren,
Weil nur bey dem die wahre Weisheit wohnt.
Drum glaub' ich mich für mein Betragen
Durch euern Beyfall sehr belohnt;
Nehmt meinen Dank, und dann Bescheid auf eure Fragen.
Denn ich erzähle stets mit hocherfreutem Sinn,
Was ich dem Edelsten der Menschen schuldig bin.
59.
So bald er mich der Weibersorg' entnommen,
Und dieß geschah in meinem sechsten Jahr,
So durft ich selten nur von seiner Seite kommen,
So daß er mir zugleich Modell und Lehrer war.
Oft zog er eilend mich auf rauhen
Und ungebahnten Wegen nach.
Ich hörte schon den Strom, der sich an Klippen brach,
Sah schon die Einsamkeit der Wälder ohne Grauen.
[65]
60.
Von ihm hab' ich die Kunst gelernt,
Wie man das Wild im dichten Busch beschleiche,
Wobey er von dem Schloß mit Absicht mich entfernt.
Wir schliefen dann, das Haupt an einer alten Eiche,
Sanft, wie auf Küssen, ein; bevor es noch getagt,
Entrief er mich dem Schlaf; begierig auf die Jagd,
Zerritzten wir uns oft, die eingedrückten Stümpfe
Stümpfe. Die abgeründeten, stumpf getretenen Spitzen der Hirschschalen. Man wird dem als Jäger sprechenden Bliomberis dieses Wort zu gute halten. (
Anm.d.Verf.)
Verfolgend, im Gesträuch und wateten durch Sümpfe.
61.
Wir wagten manchen kühnen Sprung,
Kein Graben, noch so tief, kein Windfall konnt' uns hemmen.
Nur Anfangs durft' ich, mir den Schwung
Zu geben, auf ein Holz die kleine Rechte stämmen.
Von manchem ästelosen Stamm
Musst' ich im Augenblick die höchste Spitz' erklimmen,
Durch reißende, durch breite Flüsse schwimmen,
Die er doch sorgend mit durchschwamm.
62.
Der Pferde wildestes ward stets für mich erkohren;
Da hieß es nun, das Knie tief in den Sattel bohren,
Und doch, wann Lyonel befahl,
Rasch von dem Roß zur Erde springen,
Rasch wieder auf das Roß mich schwingen.
Jagt' ich allein, und mehrte nicht sein Mahl
Durch ein Gericht; so mußt' ich schwer es büßen.
Er würdigte mich nicht der Ehre, mich zu küssen.
[66]
63.
So bald ich aber älter ward,
Gewöhnt' er mich, die feige Jagd, die Rehen
Und Hirschen nachstellt, zu verschmähen.
Dort wo den Sand die Bärinn aufgescharrt,
Wo auf die Wollenherd' ein großer Wolf geharrt:
Dort hieß der Held mich hin, sie zu bekriegen, gehen.
Und jauchzte Lob mir zu, wenn rings der Boden roth
Von meinem Siege war, des Waldes Schrecken todt.
64.
Ich lief dann stets mit hocherfreuter Seele
In des erschlagnen Unthiers Höhle,
Erbeutete darin die mutterlose Brut,
Und reitzte gern der jungen Bären Wuth
Und Klauen gegen mich; auch sahn wir keinen Eber,
Den ich durch Steine nicht befehdet hätt', ich stieß,
Wohin mein Ohm befahl, den immer sich'rern Spieß
Bald in das Hirn des Thiers, bald mitten durch die Leber.
65.
Nichts aber glich der Lust, die mich alsdann durchdrang,
Wann Lyonel benachbarte Vasallen
Zu Gaste bath, er wird verehrt von allen.
Sie ließen sich herab, wiewohl mich Ritterrang
Noch itzt nicht schmückt, mit mir im Hofe zu turnieren.
Mein Oheim selber nahm an diesem Probestreit
Oft gütig Theil, und ließ nicht allezeit
Die Übermacht von seinem Arm mich spüren.
[67]
66.
So bildet denn sich nach und nach mein Leib,
Doch sorget Lyonel, daß auch mein Geist sich bilde,
Die Dichtkunst wird mein süßer Zeitvertreib.
Sie macht trotz Jagd und Kampf doch meine Sitten milde,
Sie schleift das Rauhe weg, besänftiget das Wilde,
Und thut an mir, so wie ein edles Weib.
Ich ließ von ihrer Hand mir beßre Menschen malen
Und stand entzückt vor diesen Idealen.
67
Ich lernte selbst das Saitenspiel;
Mein Lehrer Lyonel sang süße, süße Lieder,
Doch traurig waren sie; auch fiel
Nicht selten eine Thrän' auf seine Leyer nieder,
Und doch erleichterte dabey
Sein schweres Herz sich, und er meinet,
Daß Dichtkunst eine Freundinn sey,
An deren Busen man sich süßen Trost erweinet,
68.
Kein Tag ist ungenützt und müssig mir entschlüpft:
Er lenkte meinen Geist von einem Gegenstande
Zum andern, zeigte mir, mit welchem großen Bande
Sich jede Wissenschaft an ihre Schwestern knüpft:
Er predigte durch die Geschichte,
Er machte mich darin manch lehrreich Trauerspiel
Bemerken; daß ich weiß, wie wenig und wie viel
Ein König ist, verdank' ich seinem Unterrichte.
[68]
69.
Doch was der Held zu aller Zeit
Am eifrigsten gelehrt, am heiligsten empfohlen,
Ist Liebe zu dem Volk und zur Gerechtigkeit.
Mein Neffe! sprach er oft: es sey dir unverhohlen,
Bin ich gleich selbst ein Königssohn,
Geburt allein giebt noch kein Recht zum Thron;
Die nur durch Ahnenwerth sich auf den Thron geschwungen,
Verdienen nicht des Volkes Huldigungen.
70.
Das Volk hat seine Macht in unsern Schooß gelegt,
Und kann, wann wir durch Mißbrauch sie entehren,
Das, was es gab, zurück begehren.
Ists billig, daß die Kron' Augustens Nero trägt,
Daß, weil Iulus Blut in seinen Adern fließet,
Er ungestraft das Blut der Seneca vergießet,
Rom anzünd't, und dabey auf einer Leyer scherzt,
Der Mutter Bett besteigt, und seinen Sporus herzt?
71.
Fort mit dem Schmeichler oder Thoren,
Der wähnet, Tausende seyn bloß dazu geboren,
Daß sie vom Einzigen, der alles, was er ist,
Allein von ihren Gnaden ist,
Sich quälen, und, was oft noch mehr schmerzt, necken lassen!
Der wähnt, sie müßten sehn, daß ihres Wüthrichs Stahl
Auf Opfer, Opfer häuft, und hätten nicht einmahl
Das arme, feige Recht, den Wütherich zu hassen.
[69]
72.
Mein Neffe, wenn dich je der Väter Krone schmückt,
So schmücke du noch mehr durch Tugenden die Krone.
Verachte, wer im Rath sich sklavisch vor dir bückt,
Wer kühne Wahrheit sagt, den schätze, den belohne.
Gewaltsam sey kein Mittel, das du wähl'st,
Auch selber zu den besten Zwecken;
Dieß würd', erreichst du sie, doch deinen Ruhm beflecken,
Und wie viel mehr, wenn du sie gar verfehl'st.
73.
Was hier und da ein Mißvergnügter flistert,
Das überhöre du, in Unschuld eingehüllt;
Doch wenn ein großer Theil von deinem Volk dich schilt,
Dann strahle durch den Dunst, der deinen Glanz verdüstert.
Rechtfert'ge dich: veracht' hier nicht, Verachtung quillt
Aus Haß, und ist mit Tyranney verschwistert:
Auch wird das Schiff des Staates schlecht regiert,
Wenn Lieb' und Achtung nicht das Steuerruder führt.
74.
Der niederträcht'gen Brut auflauernder Spione
Verdämme stets den Weg zu deinem Throne.
Laß lieber hier und da ein Laster unentdeckt,
Als daß die Redlichkeit und Treue weggeschreckt
Durch Argwohn und Verrath, von deinem Volke weichen.
Tiber begünstigte der Ohrenbläser Schaar,
Trajan verbannte sie; wer unter beyden war
Der Weisere? wem wünschest du zu gleichen?
[70]
75.
Die Wissenschaften schätze du,
Und halte hoch, die ihres Dienstes pflegen;
Was du für sie thust, strömt dir zehnfach wieder zu,
Ihr Kiel nützt manchmahl mehr als deiner Krieger Degen.
In ihrer Hand ist dein, und deines Landes Ruhm,
Kein Pinsel, Meissel oder Stämpel
Verewiget so sehr, denn in der Ehre Tempel
Verwalten sie das Priesterthum.
76.
Den Adel lasse nie die Bürgerlichen kränken,
Doch kränk' auch du den Adel nie.
Sonst wird vielleicht der Einsichtsvolle denken,
Du wollest von der Monarchie
Zum Despotismus überlenken,
Du wollest gleich Tarquin, dem Übermüth'gen,
die
Mohnhäupter, so hervor aus allen andern ragen,
Mit schlauem Stab herunter schlagen.
77.
Geburt sey immerhin ein Vorurtheil, (obschon
Von einem Tapferen sehr oft ein Tapf'rer stammet,
Und nichts die Seele so mit Edelmuth entflammet,
Als der Gedank': auf Sohn und Sohnes Sohn
Erb' ewig fort der uns ertheilte Lohn;)
Doch sey Geburt und die damit verknüpften Ehren
Ein Vorurtheil,
Du darfst es nicht zerstören,
Auf diesem Vorurtheil ruht ja dein eigner Thron.
[71]
78.
Verachte stets den Irrwahn schwacher Köpfe:
Ein Fürst müss' alles selber thun:
Der König Mart durchsucht den Köchen ihre Töpfe,
Sieht, ob der Gärtner wohl die kranken Bäume schröpfe,
Und ob der Meier jedes Huhn
Gefüttert, läßt sich selbst und and're niemahls ruhn,
Sieht immer Fehler, bessert immer
Und dennoch gehts im Ganzen desto schlimmer.
79.
Was sagt die Welt von ihm? sie sagt: dieß Königlein
Ist in dem Kleinen groß und in dem Großen klein.
Der Herrscher muß als Strom das Hauptrad treiben,
Und dieses wird allmählich stehen bleiben,
Wenn er mit der und jener Kleinigkeit
Das Allerkostbarste verschwendet – seine Zeit.
Ein Fürst thut alles schlecht, der sich in alles mischet,
Und wird gewiß dereinst vom Enkel ausgezischet.
80.
Der Schluß ist klar; du brauchst getreuer Diener viel,
Drum gieb dir nicht das Ansehn eines Gottes;
Gesteh, daß du sie brauchst; nie mache sie zum Ziel,
Auf das dein schaler Witz die Pfeile deines Spottes
Nach toller Willkühr schnellt; sie helfen deine Last
Dir tragen, nützen so, wie du in deiner Sphäre,
Drum glänz' auch um ihr Haupt ein Theil von deiner Ehre:
Weh dir, dafern du sie zu stummen Feinden hast.
[72]
81.
Vertrau' den allerbesten Samen
Dem Staatesacker, ohne sie
Ist alles, was du thust, nichts als verlorne Müh;
Nur Unkraut ärntest du. Sie werden deinen Nahmen
Mißbrauchen, zwischen dir und deinem Volke stehn,
Auch was du klug befahlst, zur Thorheit dir verdrehn,
Sich aus der Schlinge ziehn und im Geheim frohlocken,
Wenn jeder Plan mißlingt, und alle Räder stocken.
82.
Durch Furcht allein regiert man niemahls wohl,
Denn sie beherrscht, und zeugt nur Bösewichter.
Wie sehr erniedrigten das edle Capitol
Caligula und die von dem Gelichter!
Nicht wahr, da sank die Römerherrlichkeit?
Beglückt der Staat, dem gern ein guter Mann sich weiht:
Doch, (dieses führe ja dir immer zu Gemüthe,)
Den guten Mann bezwinget nur die Güte.
83.
Zwar oft kann auch der Zorn des Fürsten nöthig seyn;
Doch zeig' ihn selten nur, damit er wichtig bleibe;
Das Keifen überlaß dem Weibe.
Der Mann zürnt stark doch kurz: auch bilde dir nicht ein,
Es müss' ein Fürst für jegliches Gebrechen
Rath schaffen; denn wer gleich nach Arzeneyen schickt,
Wenns ihn ein Bißchen sticht, bläht, jucket oder drückt,
Der wird gewiß den Körper schwächen.
[73]
84.
Ein andres Übel führt die Strenge noch mit sich,
Sie lähmt die Thätigkeit und macht die Klügern zagen.
Du selbst, was würdest du in einem Staate wagen,
In dem ein laun'scher Wütherich
Den Zufall, oder doch, was an den Zufall gränzet,
Die kleinste Schuld bestraft? Vernimm den größten Zug,
Den Fama je in ihre Bücher trug,
Und der, gleich einer Sonn', in Roms Annalen glänzet.
85.
Nachdem der Punier bey Cannä überwand,
Das Siegesheer noch an den Thoren stand,
Der Consul aus der Schlacht, die tollkühn er begonnen,
Die schändlich er verlor, mit siebzigen entronnen,
Was that an ihm das edle Rom,
In dessen Mauern fast des Bürgerblutes Strom
Hinein floß? ward er wohl beschimpft, verbannt, entehret?
Ward er für einen Feind des Vaterlands erkläret?
86.
O nein! Entgegen kam ihm eine große Schaar
Des Volks, der Ritterschaft, der weisen Senatoren
Und brachte Dank für seinen Muth ihm dar,
Weil er nach solcher Schlacht nicht alles für verloren
Gehalten; edle That! die jenem Volke ziemt,
Das nicht durch Grausamkeit in Strafen sich entehret,
Ja der gelindesten mit Rechte sich gerühmt
Und mehr der Ehre Stimm', als die der Furcht gehöret.
[74]
87.
Die Lehren, Arbogast, das edle Gegengift
Des Despotismus sind mit untilgbarer Schrift
In diesen Kopf, in dieses Herz gegraben.
Doch
mein Werk ist es nicht, denn die geringen Gaben,
So die Natur mir schenkt', erhöhte meines Ohms
Liebvoller Unterricht: so wird durch fremd Gewässer
Ein kleiner Bach allmählich größer,
Und führt zuletzt den Nahmen eines Stroms.
88.
Der Jüngling schwieg, und ward vom weisen Alten
Wohl hundertmahl umarmt, und von dem Augenblick
Warm, wie ein Sohn, geliebt, werth, wie ein Freund, gehalten.
Der Greis geht nun zur Ruh; er in den Saal zurück,
Und weiß es nicht, daß aller Damen Zungen,
Und aller Augen nur mit ihm beschäftigt sind;
Er stehet da, für seine Siege blind,
Ganz in Celinens Reiz verschlungen.
89.
Sein Auge, welches Liebe stärkt,
Hängt immer nur an ihr, sieht immer neue Gaben,
Die er bis itzt noch nicht bemerkt,
Und wundert sich, sie übersehn zu haben.
Doch als dem Tanzgott nun genug geopfert war,
Zog man die Säle durch, daß man die Flammen kühlte,
Die er um sich gestreut; doch schien's, daß manches Paar
Itzt eines andern Gott's noch heißre Flammen fühlte.
[75]
90.
Bliomberis, wiewohl an seine Hand
So manche Liljenhände streifen,
In Hoffnung, daß er sie als Führer zu ergreifen
Bereit sein wird, bleibt immer hingebannt
Auf seinem Platze: gähling schlüpfet
Celinens Hand sanft unter seinen Arm;
Hoch schlägt sein Herz, und seine Brust durchhüpfet
Ein ganzer Liebesgötter Schwarm.
91.
Ist's möglich? wie komm' ich zu diesem Glücke?
Dieß saget sein Gesicht, dieß seine trunk'nen Blicke.
Sie fühlet selbst, daß sie zu viel gethan;
Doch eine Dame wird gewiß die rechte Bahn
Nur eine kurze Zeit verlieren.
Verzeihet, sagt sie fast beschämt, mit leisem Ton,
Ich faßt euch unsanft an; ich wähnte, Clodion,
Mein Bruder, sey's, er pfleget mich zu führen.
92.
Doch setzte sie hinzu, (denn sie sah Traurigkeit
Sein Angesicht bey diesem Wort umziehen,)
Weil ihr für Clodion nun schon gehalten seyd,
So müßt ihr euch mit mir an seiner Statt bemühen.
Sie sagts, und wieder strebt sein Aug' empor, (es sank
Erst auf den Boden hin,) er stammelt seinen Dank.
Beredtes Stammeln, mehr sind deine leisen Töne,
Als alle Kunst gelehrter Demosthene!
[76]
93.
Bliomberis genießt der Freuden, die das Herz
Wenn es erwacht, uns giebt, unwissend, wie viel Schmerz
Der Freuden Ferse tritt. So ahndungslos umspringet
Ein Knab' im Lenz den Baum voll Blüthen und verschlinget
Im Geiste schon die Frucht: doch ach! eh' diese reift
Rollt mancher Donner noch, und mancher Sturmwind pfeift;
Vielleicht daß Schlossen gar sie in den nächsten Tagen
Von dem entblätterten, verwund'ten Baume schlagen.