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Sechster Gesang.


1.

Von jeher leerte, sagt der offenherzige Zecher,
Als er getrunken hat, sey's Ruhm nun oder Schmach,
Lieb' in dieß Herz den vollen Köcher.
Doch wenn ein Liebchen mich verschmähte, wenn es brach,
Wenn, was das Ärgste war, wenn es von Heirath sprach;
So tröstet' ich mich leicht mit einem vollen Becher
Und – einer Andern, denn ihr wißt,
Daß hier zu Lande noch kein Mädchenmangel ist.

2.

So trieb ich ungestört mein fröhliches Gewerbe.
Untreue, Grausamkeiten, Körbe,
Die manchen in das Grab befördern, achtet' ich
Viel höher nicht, als einen Mückenstich.
Auch war die Untreu', ich erwähne
Der eignen Fehler gern, nicht selten meinerseits.
Das neue Häßliche hat immer größern Reiz,
Zum wenigsten für mich, als alles alte Schöne. [158]

3.

Oft, theurer Freund, gelang es mir,
Den Bräutigammen vorzunaschen,
Oft leck're Braten im Revier
Der heil'gen Eh' als Wilddieb zu erhaschen.
Drey volle Jahre ging es so,
Ich scherzte mit der Lieb' und ward des Lebens froh.
Allein im Buch des Schicksals stand geschrieben:
Auch Palissant wird noch in vollem Ernste lieben.

4.

Mathildens Vater, einst mein Nachbar, ist nun todt
Und thut sehr wohl daran; der Unhold war die Plage
Der ganzen Nachbarschaft; denn da gab's alle Tage
Verdruß und Neckerey'n; ich hatte meine Noth!
Und oft verflucht' ich meines Schlosses Lage.
Auf einmahl scholl der Ruf, er halt' ein Gastgeboth.
Ich ward geladen; nun itzt muß die Welt vergehen,
Rief ich erstaunt, doch laßt den Spaß uns sehen!

5.

Ich kam und merkte bald, warum der Filz mich lud.
Er rechnete darauf, mich lockeren Gesellen
Beym fröhlichen Pokal um ein Stück Land's zu prellen;
Auch war der Wein, das muß ich sagen, gut,
Und mir, mir schmeckt in meinem ganzen Leben
Nichts halb so wohl, als der mir nicht gegönnte Wein.
Was den Strich Land's betraf, sagt' ich nicht ja, nicht nein,
Und ließ ihn zwischen Furcht und zwischen Hoffnung schweben. [159]

6.

Das war von mir ein kluger Streich!
Denn itzo zog er seine Krallen
Politisch ein und that mir manches zu gefallen.
Wir sahn uns oft. Mathilde, die mir gleich,
Doch flüchtig nur gefiel, ward mir tagtäglich lieber,
Und endlich wuchs so sehr mein hitzig Fieber,
Daß ich an Heirath dacht', ich Tollhauscandidat!
Und förmlich ihre Hand vom Alten mir erbath.

7.

Der Schlaukopf folget der Methode,
Die, wie er einst gestand, er von mir selbst gelernt,
Sagt, weder ja noch nein und körnt
Mich mit dem Töchterchen: ich seufze mich zu Tode
Und sie sich auch, jedoch in Ehr' und Zucht;
Mehr als ein Kuß ward nie verstattet, nie versucht.
Das Eh'bett im Prospect macht kluge Mädchen spröde,
Und, welches mein Fall war, die echte Lieb' ist blöde.

8.

Auch war zu allem Ueberfluß
Uns das Gespenst beständig auf der Haube.
Einst saß ich da im zärtlichsten Erguß
Des Herzens, angegirrt von meiner schönen Taube,
Da schleichet er herein und spricht mit sanftem Ton:
Ey Ritter Palissant! so gut mit meinem Kinde,
Und gegen mich so hart! auf! schließen wir geschwinde
Den Ackerhandel ab; die Hand her, Schwiegersohn! [160]

9.

Wie ich das süße Wort von seinen Lippen hörte;
So schlug ich ein und gut, daß er nicht mehr begehrte.
Kaum war der Acker sein, so führt der Grobian,
Der sich mit Müh bis itzo Zwang gethan,
Mich zu der Thür und sagt: ihr brechet zierlich Lanzen,
Den Vorzug laß' ich euch, Herr Ritter; doch mein Kind
Ist einem Mann bestimmet, deß Finanzen
In einer guten Ordnung sind.

10.

Ich sagte nicht ein Wort, (denn ach die Liebesklemme
Versperrte mir den Mund) und ging wie eine Memme,
Mathilde weinte laut mir nach.
Den andern Tag kam ihres Vaters Diener,
Ein alter, durch den Hunger kühner
Verschmitzter Kerl zu mir, der feyerlichst versprach,
Er wolle mich zu seinem Fräulein führen,
Die sehnlich meiner harrt, nur müss' ich mich maskieren.

11.

Die Maske, die er mitgebracht,
Bestand in seiner Mütz' in einer Dienertracht
Und einem weißen Bart, und so, für ihn gehalten,
Täuscht' ich mit vielem Glück und oft den bösen Alten.
Mein Mädchen, immer zärtlich, trug
Mich auf den Händen fast, doch blieb sie keusch und klug;
Geküßt ward viel, doch nie auch nur das Tuch gehoben,
Das ihre Brust bedeckt, was sag' ich? nicht verschoben. [161]

12.

Einst huscht' ich weg, als schon die Nacht begann;
Mathildens Uhr ging eben merklich später.
Da faßt mich vor dem Haus' ein junger Pflastertreter,
Getäuscht durch meine Kleidung, an.
Du alter Gauch, so schimpft er, das heißt passen!
Ist sie allein? und hat der Esel Palissant
Sich endlich fortgetrollt? kannst du hinauf mich lassen?
Hier drückt' er mir ein Goldstück in die Hand.

13.

Ein Mann, vor dessen Nas' es eben eingeschlagen,
(Das Gleichniß ist ein wenig abgetragen,
Doch immer brauchbar noch,) kann nicht verwirrter seyn.
Doch den Bestellten nahm so sehr die Sehnsucht ein,
Daß er, zumahl ich schwieg, nichts merkte; statt zu gucken,
Wen er ergriff, beginnt er sich zu ducken,
Macht mich zur Span'schen Wand, die er, und ziemlich grob
Mit unter, vor sich her den ganzen Hof durch schob.

14.

Wir mußten, da des Alten Zimmer
Zu ebner Erde war, grad' auf sein Fenster zu.
Es flimmerte darin ein trüber Lampenschimmer,
Der Alte ging noch nicht zur Ruh.
Wir kamen endlich bis zur Treppe;
Im obern Stocke war Mathildens Schlafgemach.
Der Bursche fleugt hinauf, und ich Betäubter schleppe
Mich mühevoll und keichend nach, [162]

15.

Ein kalter Schweiß läuft über meine Glieder,
Der Ohnmacht nah' sink' ich auf eine Stufe nieder.
Doch was zu heftig ist, währt niemahls lange; schnell
Erhohl' ich mich; mein gutes Naturell
Hilft mir die Crisis überwinden,
Und diesen Bruch der Treue comisch finden.
Der ganze Zauber war dahin,
Ich wiederum ich selbst, so wie ich itzo bin.

16.

Drum einzig und allein bedacht auf süße Rache,
Klopf' ich an ihre Thür und öffne sie und mache
Die Stimme dessen nach, der sein Gewand mir lieh.
Der Alte! rief ich leis'; o Freund! ihr hättet sie
Vom Ruh – vom Unruhbett' aufspringen, ihn sich trollen
Und mich im Zimmer sehen sollen,
Wie ich von ihr, mit einem Schrey erkannt,
Vor dem zerwühlten Sopha stand.

17.

Die Weiber spielen auch gewöhnlich die Medusen,
So bald sie sehn, daß gar kein Ausweg offen ist;
Sie that es auch, doch da durch diese List
Nichts zu gewinnen war, so kehrt' in ihren Busen
Die Sanftmuth wieder ein; man legt die Sache bey:
Und ich, wie sie, von allem Grolle,
Von aller Schäferliebe frey,
Spiel' itzo die nicht mir vermeinte Rolle. [164]

18.

Mathildens böser Vater starb
(Die Eine That, wodurch er Beyfall sich erwarb,)
Das Jahr darauf zu ihrem kurzen Leide.
Wer konnt' auch lang' um ihn, den Unhold, traurig seyn?
Die Erbinn richtet nun ihr Schlößchen niedlich ein;
Sie macht's zum Aufenthalt des Scherzes und der Freude,
Treibt lange Weil' und Geiz hinaus,
Giebt Feste, giebt Soupées; kurz macht ein artig Haus.

19.

Mir war sie in den letzten Tagen
Ein wenig gram; warum? das zwar weiß ich
So wenig fast als – sie: die Damen pflegen sich
Aus Eigensinn und Laune selbst zu plagen,
Und wer sich selber plagt, der plagt die Andern auch.
Mathilde, treu dem alten Damenbrauch,
Hat mich so kalt, so fremd empfangen,
Daß alle Lust, sie oft zu sehen, mir vergangen.

20.

Einst, als sie ganz allein in ihrem Parc spatziert,
Hat dieser Räuber sie gesehen und entführt.
Ihn hatte, wie die Sage gehet,
Fürst Tungibar aus Africa verbannt,
Und dann der Süd nach Gallien gewehet.
Er und sein Tross durchstrichen unser Land,
Bis sie mit Sturm die Burg hier eingenommen.
Der Schloßherr und sein Sohn sind kämpfend umgekommen. [164]

21.

Das Hausgesinde, halb aus Noth
Und halb aus Zwang, entschloß sich, ihm zu dienen.
Doch glaubet mir, ich las in allen Mienen
Vergnügen über seinen Tod.
Er war ein Wütherich und seine Wuth vermehrte
Der abgedrung'ne Cölibat,
Und dieß entschuldigt auch ein wenig jene That,
Die ihn noch mehr, als unsre Dam', entehrte.

22.

Kein Weib im ganzen Schloß! im ganzen Schloß kein Weib!
Die Mägde, die zum Vorschein kamen,
Alt wie Methusala, gelb wie ein heil'ger Leib,
Verdienen diesen süßen Nahmen
Seit dreyßig Jahren schon nicht mehr.
Dem Africaner fiel das lange Fasten schwer;
Die Keuschheitsgabe war ihm einmahl nicht verliehen;
Was konnt' er als – auf Recrutierung ziehen?

23.

Auch tadl' ich nichts hierbey, gar nichts, als die Gewalt,
Die immer häßlich ist und meistens überflüssig;
Der Ruf von seinem Raub' erschallt
In unsrer Nachbarschaft, die meisten scherzen bissig,
Nur wenige bedauern sie,
Und keiner hilft; ja eh' zu Schmäusen und zu Bällen,
Da pflegten sich die Herren spät und früh
Bey ihrem göttlichen Mathildchen einzustellen; [165]

24.

Doch in der Noth ließ jedermann
Das göttliche Mathildchen stecken.
Ich war so toll auf diese feigen Gecken
Und deut' in meinem Zorn dem Africaner an,
Entweder morgen früh mit mir auf Tod und Leben
Zu kämpfen, oder gleich Mathilden frey zu geben.
Der Knecht, den ich geschickt, blieb sieben Stunden aus
Und kam ohn' Antwort zwar, doch wohl zerbläu't nach Haus'.

25.

Ich wüthend hin, wiewohl es schon gedunkelt,
Ich schlag' ans taube Thor, Mathilde wirft den Strick
Mir so wie euch herab; ich steh mit gutem Glück
Im Zimmer schon; lebhafte Freude funkelt,
Vermischt mit Dank, aus ihrem Blick.
Nur Eines fleh' ich euch, so munkelt
Sie zärtlich, setzet mich und euch der Übermacht
Nicht tollkühn aus; Geduld nur bis um Mitternacht.

26.

Um Mitternacht ist's leicht davon zu schleichen;
Denn es bezieht die Wach' alsdann ein feiger Mohr,
Weis't ihm den Degen nur, so öffnet er das Thor!
Ich wollte durchaus nicht; allein ich mußte weichen.
Sie schob mich in ein Cabinett,
Woraus sie bald Erlösung mir versprochen.
Es stand darin ein alt, baufällig Himmelbett,
Von Holzgewürmen angestochen. [166]

27.

Mir galt es gleich; ihr wisset wohl, man wacht
In solchen Fällen gern; noch vor der Mitternacht
Tritt in mein Kämmerchen, vom Mond bestrahlt, Mathilde;
Ich habe, saget sie, mich früher aufgemacht,
Doch schnarcht der Heide gut: Sie war so schön, so milde
Und ich so dringend – kurz, das Himmelbette kracht
Und stürzet ein mit schrecklichem Getümmel:
Auf meinen Schultern lag der ganze seidne Himmel,

28.

Mathilde bethet leis', ich fluche; doch wie's kam,
Daß in dem Augenblick das Zimmer
Voll Menschen war, voll Fackelschimmer,
Und daß man mich gefangen nahm,
Obwohl ich mit der Faust zwey Heyden todtgeschlagen;
Ich sage mit der Faust, mein Schwert lag, Gott weiß wo?
Ich fand es nicht vor Bett, Gardinen, Polstern, Stroh;
Das alles müßt ihr mich nicht fragen,

29.

Ich weiß, auf Ehre! nichts, als daß ein Schergenpaar
Als Inquisiten mich vor ihren Herrn geführet,
Und der den ganzen Tag mich scharf examinieret,
Wie mir herein zu dringen möglich war.
Mathilden nicht den Spaß auf ewig zu verderben,
Betheuert' ich, daß ich die kleine Thür
Des Schlosses offen fand; der Pförtner ward dafür
Gezüchtiget und ich sollt' in den Flammen sterben. [167]

30.

Ach! sonder euern Arm von Stahl
Und euer Herz, so weich bey fremder Qual
Und bey der Unterdrückten Flehen
So leise hörend, wars nunmehr um mich geschehen:
O fürchterlicher Tod, zu dem man mich geführt!
Doch weg mit traurigen Erinn'rungen bey Tische!
Nur glaubt, daß keine Zeit den Dank, der euch gebührt,
Aus dieser ganz davon durchdrung 'nen Seele wische.

31.

Nun! reichet euer Glas mir her!
Pfuy, schämet euch! heißt das getrunken? gleich macht's leer,
Und itzt ein frisches! Da Herr Ritter, was wir lieben!
Denn daß ihr liebet, steht auf eurer Stirn geschrieben.
Auch wünsch' ich, daß ihr bald der Dame, so ihr minnt,
Das Herz samt Allem abgewinnt,
Was ordentlich dazu gehöret,
Und doch ihr niemahls Treu' vor dem Altare schwöret.

32.

Verflucht sey dieser Wunsch! schreyt hier Bliomberis
Und wirft das Glas entzwey; verzeihet, sagt erschrocken
Sein neuer Freund, ihr machet einen stocken.
Was soll das seyn? der Wunsch war doch gewiß
Von Herzen gut gemeint; ich gönne meinem Retter,
Was ich mir selber gönn'; ist dieses nicht genug?
Hier ist ein frisches Glas: nehmt, trinket und seyd klug;
Doch nur mißbraucht mir's nicht zu einem Donnerwetter. [168]

33.

Bliomberis sieht bald die Unart ein,
Die er beging, bereuet sie und bittet
Sie Palissanten ab; man scherzet, lacht und schüttet
Der Freundschaft neuen Opferwein.
Wir sind, sagt Palissant, nun wieder
Beruhiget, wir sind und bleiben gute Brüder
Und denken ziemlich gleich bis auf den Einen Punct,
Die Weiber: ihr seyd ganz in Zärtlichkeit getunkt.

34.

Ein Fehler, Freund, der eben mich nicht wundert,
Es ist die Sitte so von unserem Jahrhundert.
Ich aber, als ein echt Genie,
Bin weit voraus vor meinen Zeitgenossen
Und heiß' all ihr Geseufz', all ihr Gegirre Possen,
Und Weiber, Weiber: zwar ich selber liebe sie
Und laß', ihr seht es, mich verbrennen und zerfetzen
Zu ihrem Schutz; nur Eins, Eins kann ich nicht, – sie schätzen.

35.

Noch minder mach' ich sie zu meiner Thaten Ziel;
Ich muß gestehn, ich sehe mit Erstaunen
Oft einen großen Mann den Knecht von Weiberlaunen
Und ihres Eigensinnes Spiel.
Ich ärg're mich, daß er in Tod'sgefahren flieget,
Zu seiner Dame Ruhm Kraft, Athem, Blut erschöpft,
Unthiere spaltet, Riesen köpft,
Indessen sie gar sanft in Buhlerarmen lieget. [169]

36.

Seht meinen Freund, den König Artur an!
Wer hat der Schritte mehr auf schroffer Ehrenbahn,
Worin er selbst nicht Pharamunden weichet,
Wer für ein Weib so viel gethan?
Auch wähnt er sich geliebt; beglückt in seinem Wahn!
Und sie … bey jedem Kuß, den ihm die Falsche reichet,
Und der so süß ihn dünkt, so süß, wie Himmelbrod,
Denkt sie gewiß an ihren Lancelot.

37

Doch was bedaur' ich ihn? der gute König könnte
Unglücklicher vielleicht durch ihre Treue seyn.
Denn Untreu' ist ein Glück, glaubt nicht, daß hier der Wein
Aus mir spricht, ist ein Glück, das ich oft Freunden gönnte.
Die Weiber brüsten sich mit ihrer Treu' so sehr
Und pflegen sie dem Mann so gar hoch anzuschlagen,
Ihn Tag und Nacht dafür zu necken und zu plagen,
Daß mancher gern gekrönt Assonanz und Allusion zu »gehörnt«; der betrogene Ehemann ist dem Sprichwort nach (jemandem Hörner aufsetzen) durch Hörner »gekrönt«. und ruhig wär'.

38.

Denn das Gewissen wird zu Zeiten
Bey Ungetreuen reg' und macht
Sie auf Ersatz an Huld, Aufmerksamkeiten
Und an Gefälligkeit bedacht.
Mir selbst gelang's in schweren Fällen,
Den Ehefrieden so auf Einmahl herzustellen,
Und wer dabey am sichersten gewann,
War doch, das schwör' ich, nur der Mann. [170]

39.

Kurz, Freund, dafern wir's nicht fanatisch
Betrachten, bleibt die Frage problematisch:
Ob's besser sey, von seinem Weib
Geliebt seyn oder nicht; ich werde jenen preisen,
Der Philosoph genug, selbst einen Zeitvertreib
Der theuren Gattinn anzuweisen,
Kennt, prüfet, wählt den Mann, der mit besitzt,
Und so sein Haus und sich vor Geckenanfall schützt.

40.

Noch leichtern Kaufes wegzukommen,
Hoff' einer, der – auf Freyersfüßen geht;
Von mir aus bleibet ihm die Hoffnung unbenommen.
Den besten Wind, der Schiffern je geweht,
Die auf der Ehe Meer zum Port des Glücks geschwommen,
Das schönste Wetter, so im Liebscalender steht!
Und daß dieß Wetter lange währe,
Wünsch' ich ihm auch; er braucht's, auf Ehre!

41.

Ich sprach nicht recht nach euerm Sinn;
Ich merkt' es wohl; allein verzeiht, ich bin
Nun so; und führten mich des Africaners Schergen,
Vom Tod' erwacht, zum Feuer wieder hin,
Ich konnte doch nie, was ich denke, bergen.
Aufrichtigkeit bringt zwar nicht viel Gewinn;
Doch glaub' ich, daß sie Ehre mache.
Und Eigennutz Gottlob! war niemahls meine Sache. [171]

42.

Auch hab' ich stets Betrug und Hinterlist verschmäht,
Nie ewge Treu gehäuchelt, sondern gerne
Mich, wie ich bin, gezeigt; dort hängt mein Schild! ihr seht,
Die Wölbung schmückt ein Himmel voller Sterne,
Und eine Schrift flammt golden drüber her:
Im Himmel giebts der Sterne mehr.
Man kann, die Damen selbst und ihr müßts eingestehen,
Nicht redlicher zu Werke gehen.

43.

Zwar als sich mein Verstand auf eine Zeit verlor,
Bedeckt' ich mich mit einem andern Schilde;
Doch sucht' ich, Dank seys dir, Mathilde!
Bald zu mir selbst gebracht, ihn wiederum hervor,
Itzt gönn' ich seine Ruh dem andern,
Auf welchem man ein Herz mit Flügeln, die Cupid
Ihm ausrupft, abgeformt in feinem Golde sieht,
Und schwerlich wird er mehr aus meinem Rüstsaal wandern.

44.

Hier endigt Palissant. Ich nehm' euch, wie ihr seyd,
Antwortet ihm der Zärtlichste der Ritter,
Und laß' euch allenfalls die Flatterhaftigkeit;
Nur wünsch' ich euch ein Bißchen minder bitter
Im Punct der Damen, und ein Bißchen mehr gerecht.
Wie viel, wie viel gebührt dem reizenden Geschlecht,
So bald wir billig calculieren,
Bey Fehlern selbst heraus, zu denen wirs verführen. [172]

45.

Dafern die Weiberkeuschheit, euch
Und eures gleichen seys gedanket!
Zuweilen, ja so gar, wenn sie gewöhnlich wanket,
So ist sie nur der Männerkeuschheit gleich:
Doch nein! nicht gleich; denn wir bestürmen,
Wir lassen, bis wir Stolz und Zucht,
Die Engel, die das Weib bey unserm Anfall schirmen,
In tiefen Schlaf gewiegt, kein Mittel unversucht.

46.

Seht, weil ihr diesen angeführet,
Seht denn auf euern Freund, den König Artur, hin,
Wie flatterhaft er an die Sesnerinn
Zu großem Schimpf sein leicht auflodernd Herz verlieret.
Beschwur Genevra nur allein
Der Treue Bund? sind beyder Rechte
Verschieden? oder soll beym schwächeren Geschlechte,
Wie unser Stolz es nennt, der Fehler größer seyn?

47.

Auch tadelt ihr den Eigensinn der Damen
Und ihre Launenhaftigkeit.
Freund, ich erlaß' euch hier die Fehler auszukramen,
Durch welche sich der Mann entweiht;
Den Stolz, mit welchem wir auf unsre bessern Knochen,
(Denn was ist sonst an uns noch besser?) eitel pochen,
Das harte Herz, die Grausamkeit,
Mit der wir oft die Gattinn unterjochen. [173]

48.

Ich sage nichts von unsrer Eifersucht,
Weit seltner unsrer Lieb', als unsers Stolzes Frucht,
Wodurch wir thöricht oft bewirken und befördern,
Was uns so schrecklich ist, wodurch wir oft zu Mördern
Der Weiber werden; geht, durchsucht die Fabel, find't
Die Clytemnestren auf, die d'rin auch selten sind;
Ich zeig' in der Geschicht' euch viele, viele Tode
Unschuld'ger Gattinnen durch blutige Herode.

49.

Doch ist, wer schnell den Dolch in ihren Busen sticht,
Noch gütig; grausamer und häuf'ger sind Despoten,
Die ihr versperrtes Weib ins stille Land der Todten
Hinunter martern; doch all dieß erwähn' ich nicht.
Ich sage nichts, als weh' dem Lande,
Wo man der Weiber Werth verkennt!
Wo man für sie allein von frechem Brande
Und nicht von edler Lieb' Eden'scher Flamme brennt,

50.

Dort ist die Barbarey, die viehisch nur den Sinnen
Gehorchet, dort die Grausamkeit zu Haus'.
Der Athem dieser Unholdinnen
Bläs't der Vernunft die Fackel aus.
Nicht Pracht, Geschmack, nicht Kunst, noch Ordnung zieret
Die Städte dieses Land's; der Musen Stimme schallt
In ihren Thälern nicht, wo eiserne Gewalt
In blutger Faust den Zepter führet. [174]

51.

Dem Weibe danken wir's, dem Weib', daß wir nicht blind
Für allen feinern Reiz, für geistiges Vergnügen
Empfindlich, daß wir Menschen sind.
An eines Weibes Brust schlürft man in langen Zügen
Vergessenheit der Erdenübel ein,
Und viele würden längst hinweg getilget seyn,
Dafern wir Männer nicht die Billigkeit verletzten,
Und weniger uns selbst, doch mehr die Weiber schätzten.

52.

Wer diese redlich schätzt, wer lieben kann, ist gut.
Erwärmet muß der Grund von sanfter Tugend Gluth,
Bethauet muß er seyn von wahrer Herzensgüte,
Sonst zeigt sich nicht der Lieb' und Freundschaft edle Blüthe.
Denn beyde wurzeln nicht in Böden, welche Fluch
Der Menschheit drückt; auch fordern sie gewöhnlich
Dieselbe Pfleg' und sehn sich ähnlich,
Nur streut die erstere noch feinern Wohlgeruch.

53.

Ich selber fühle, daß die Liebe,
Die meinem Wesen nun sich völlig eingewebt,
Mich edler machet, mich zu einer Höhe hebt,
Worauf mich selbst die Ruhmbegier nicht hübe.
Geliebte Dein Werk ist's! und dir verdank' ichs nur,
Wenn ich der Pandragon' Pendragon: der Sage nach der Vater von König Artus. und Palamede Spur
Zu der Unsterblichkeit erhabnem Tempel trete,
Geehrt noch, wenn der Wind längst meinen Staub verwehte. [175]

54.

Und dich mein Alles sollt' ich nicht
Anbethen, aus der Seele tiefsten Tiefen
Anbethen? ja wenn gleich mir Höll' und Himmel riefen:
Thu's nicht! so thät' ich's doch; ich habe keine Pflicht,
Die größer ist, als die, Celinen
Mit Allem, was ich bin, auch unbelohnt zu dienen.
Das ist mein Streben, das mein Ziel;
Denn sie allein erschöpft mein ganz Gefühl.

55.

Wenn itzt vor mir ein Engel stünde,
Herab gesandt, damit er mir verkünde:
In diesem Augenblick ist sie dir ungetreu!
Doch liebt' ich immer fort und wollte noch mein Leben
Für meinen Nebenbuhler geben,
Daß sie, obgleich mit ihm, daß sie nur glücklich sey.
O Gott nur diesen Trost, ihr Glück gegründ't zu haben!
Dann will ich froh mein Grab mit eignen Händen graben.

56.

So schwärmt Bliomberis; sein Hörer, welcher tief
Seit einer Viertelstunde schlief,
Fährt auf im Traum und spricht:
Wie, schlägst du mir ein Schnippchen?
Mathilde sey doch klug! da setze dich, mein Püppchen,
Auf meinen Schooß! die schlafen fest, mein Schatz.
Bliomberis eilt fort und wünscht, da ihm die Galle
Ein wenig überläuft, dem Ritter einen Platz
In Epicurs verrufnem Stalle. [176]

57.

Der Tag erwacht; Mathild' als Frau vom Haus',
(Sie ist zu diesem Amt berechtigt,)
Hat schon beym Abendmahl der Schlüssel sich bemächtigt.
Und ladet alle jetzt zu einem Morgenschmaus'.
Ihr keusches Bett ließ sie verstohlen
Aus dem Gemach des Africaners hohlen
Und hat, zum wenigsten in ihrem süßen Wahn,
Der Pflicht, den Schein zu retten, gnug gethan.

58.

Und nun erzählet sie beym ersten Gruße Blanken,
Was dieser Unhold that, um ihre Tugend wanken
Zu machen, wie er sie am Ende gar bedroht,
Mit viehischer Gewalt dieß Kleinod ihr zu rauben.
Die keusche Blanka, hier bis an die Haare roth,
Glaubt alles oder schien's zu glauben.
Das Ohr der Ritter bleibt verschont mit dem Bericht,
Von ihnen fodert man so frommen Glauben nicht.

59.

Nun schenkt Bliomberis, (der Sieger kann gebiethen)
Mathilden dieses Schloß, und das hat Werth genug,
Ihr Angst, Verdruß und Schmerz, kurz – Alles zu vergüten,
Was sie darin so lange schon ertrug.
Man ruft das ganze Hausgesinde;
Das schimpft nun laut auf seinen todten Herrn,
Scharrt ungesäumt ihn ein und huldigt gern
Solch einem angenehmen Kinde. [177]

60.

Mathilde ging in ihrer Dankbarkeit,
Nach Art der schönen Seelen, weit
Und wäre, fürchtet man, aufs leiseste Verlangen
Bliomberis zu weit darin gegangen.
Auf Blicken hab' ich sie, zeugt Palissant, ertappt,
Die alle Deutlichkeit von Liebesbriefen hatten;
Doch der Beschuldigten kommt wider ihn zu Statten,
Daß er mit Unrecht oft nach Weiberfehlern schnappt.

61.

Noch vor dem Mittagsmahl wird in den Thurm geeilet,
Wo man den Schatz des Africaners theilet.
Es war der Raub des halben Africa,
Den er mit sich auf schwer belad'nem Schiff geflüchtet.
Man sahe Perlen, groß, wie Schwalbeneyer, sah
Das reinste Gold- und Silberblech geschichtet;
Auch Edelsteine blitzten da,
In Pyramiden aufgerichtet.

62.

Bliomberis, man heißet ihn
Am ersten wählen, wählt von allen Kostbarkeiten
Nur einen glühenden Rubin,
Deß Strahlen sich umher, wie Abendroth, verbreiten,
Und des besiegten Thieres Haut.
Der Edelstein wird Blanken anvertraut,
Daß ihn Celine vorn an ihrem Busen trage
Und nah' dabey ihr Herz für ihn alleine schlage. [178]

63.

Das bunte Fell des Thiers behaltet er
Und breitet als ein Siegeszeichen
Es über seinen Sattel her.
Nichts ist dem Fell an Schönheit zu vergleichen,
Gold ist die Grundfarb', und der Raum,
Um die der Ringe schwarzer Saum
Sich zirkelt, dunkelbraun: die sanfte Glätte schmeichelt
Wie Sammt der Hand, die nach den Haaren streichelt.

64.

Den Tag noch bringt Celinens Held
Bey seinen Freunden zu; den andern
Beschließet er, sobald nur unsrer Welt
Die Sonne scheint, auf Abentheu'r zu wandern.
Die schöne Blanka giebt ihm an die Königinn
Liguriens, als ihre Blutsverwandte,
Empfehlungsschreiben mit; Bliomberis zieht hin,
So wenig er die Wege kannte.

65.

Mathild' und Palissant, die sehr der Kitzel sticht,
Von unserm Ritter mehr, als er zu offenbaren
Für nöthig hielt, durch Blanken zu erfahren,
Sind ew'ge Frager, doch erfragen sie es nicht.
Der Nahme Celian ist alles, was sie wissen,
Als Perceval am achten Tag erklärt,
Daß er genesen sey, und daß sie scheiden müssen;
Dank bringend steigt er nun mit Blanken auf das Pferd. [179]

66.

Bliomberis indessen reitet
So manchen langen Weg, bis sich ein Berg ihm zeigt,
Der an des Himmels Wölbung steigt
Und viele Meilen lang sich gegen Norden breitet.
Gebenna heißet er; der Flüsse Königinn,
Die Loir', entspringt dabey und wälzet über Matten,
Von Wollenvieh umblökt, bedecket mit dem Schatten
Der Gabelbäum', ihr reines Silber hin.

67.

Ein Hirtenvolk, so fromm, wie ihre Lämmer,
Bewohnet dieses Land; kein böser Golddurst ruft
Sie auf das falsche Meer, sie in der Berge Kluft;
Und keines Waffenschmiedes Hämmer
Betäuben hier die stille Luft,
Die von dem Circius Wind aus Nordnordwest. gekühlet und mit Duft
Gesundheit athmender Gewächse reich beschwängert,
Das Leben dieses Volks verlängert.

68.

Sie quält ein einzig Übel nur,
Doch das ist fürchterlich; seit etwa tausend Tagen
Haus't, von der Flut des Meeres hergetragen,
Ein Ungeheu'r auf dieser Flur,
Ein Ries', ein Lästrygonenenkel Die Laistrygonen werden bei Homer in der Odyssee und bei Ovid erwähnt. Sie sind ein Volk von Riesen und Kannibalen, das nur Viehzucht, aber keinen Ackerbau betreibt und als äußerst unzivilisiert beschrieben wird.,
Dem nichts an Grausamkeit, noch Leibesgröße gleicht.
Der armen Hirten größter reicht
Kaum bis an seine langen Schenkel. [180]

69.

Ach lieber Herr, so sagt ein guter Greis,
Von dem der Held genaue Kunde
Hierüber sich erbath; kaum eine halbe Stunde
Von hier ist eine Kluft, umringt mit blut'gem Reis,
Die hat das Ungeheu'r, das diese Gegend quälet,
Mit eigner Hand sich ausgehöhlet.
Er riß, damit er sich sein Haus
Von innen stützete, viel naher Eichen aus.

70.

Oft geht er, daß der Berg erhallet, auf und nieder,
Oft badet er die ungeheuern Glieder
In einem tiefen Teich; dann sonn't er sich und steht
Auf seinen Stab gestützt, wenn ihr von fern ihn säht,
So glaubtet ihr, es sey ein durch ein Erdebeben
Vom Fels getrenntes Stück; und geht er seinen Weg
Nun wieder, so entbehrt er leichtlich Brück' und Steg;
Er schreitet über Flüß' und Gräben.

71.

Kennt ihr dieß Knabenspiel? man suchet an dem Bach
Sich Kieselsteinchen glatt und flach
Und schleudert wagerecht sie auf des Baches Spiegel.
Sie bilden hüpfend Wirbel drauf
Und fallen manchmal erst am andern Ufer auf.
Der Riese sah dieß Spiel von seinem Hügel
Und ahmt es nach, doch statt der Steinchen brauchet er
Felsstücke, groß und viele Pfunde schwer. [181]

72.

Kurz alles, was er thut, erschrecket;
Und wo der grimme Wütherich
Sich sehen läßt, dort flieht, verkriechet und verstecket
Sich jedermann; so gar sein Schlaf ist fürchterlich.
Er schnarcht darin und bläs't und schnaubet,
Daß man des Donners hohl Geroll,
Zumahl da rings die Gegend voll
Der Echo ist, von fern zu hören glaubet.

73.

So bald er Hunger spürt, durchrauscht sein starker Hauch
Den ausgehöhlten Stamm von einer kleinen Fichte;
(Statt eines Haberrohrs dient sie dem Bösewichte)
Kaum hört man sie, als schon ein Hirt, des Unthiers Bauch
Zu füllen, Wollenvieh zu seiner Höhle bringet,
Wovon er sechs bis acht der fettsten Lämmer schnell
Ergreifet, mit den Klaun das Fell
Herunter streift, dann blutig sie verschlinget.

74.

Doch der Tribut ist eine Kleinigkeit;
Er klatschet auch von Zeit zu Zeit,
Und weh' uns! jetzt wohl zehnmahl in dem Jahre,
In seine starken Händ', ein Ton, wobey die Haare
Der Väter gegen Himmel stehn,
Die Mütter, wie vom Blitz gerührt, in Ohnmacht fallen,
Und Feld und Hain und Thal und Höhn
Vom Angstgeschrey der Mädchen wiederhallen. [182]

75.

Das Händeklatschen ist auf unsrer armen Flur
Ein Mordsignal; es lüstet den Barbaren
Alsdenn nach Menschenfleisch, doch nimmt er Mädchen nur,
Und keines, das nicht zu den Jahren
Der Mannbarkeit heran gereifet ist.
Ein jüngers mordet er, doch ohne daß ers frißt.
Wir müssen dann ihm schnell ein anders schaffen;
Sonst stürzt er in das Dorf, um viele wegzuraffen.

76.

Das Loos bestimmt das Opfer; Herr, ich sah'
Es selbst im letzten Herbst, man führte sie gebunden
Der Höhle zu; er stand, gleich Hunden,
Die Zunge weit heraus schon auf der Lauer da.
Ergreift sogleich das Mädchen um die Mitte
Und stößet, taub bey ihrer Klag' und Bitte,
An einen Fels der Unglückselgen Stirn.
Weit spritzt umher das rauchende Gehirn.

77.

Dann packet er die Leiche; knirschend tönen
Ihm unter klippengleichen Zähnen
Die Knochen, die er rasch zermalmt.
Der Rachen dampft, so wie ein Schornstein qualmt.
Er ließ das Blut am Kinn und Barte stocken;
Und fraß heißhungerig sein Opfer ganz und gar
Denselben Abend noch; am andern Morgen war
Nichts übrig, als die blonden Locken. [183]

78.

Ihr fragt, warum wir nicht zu widerstehn versucht?
Wir thaten's einst, doch fiel die Probe
So übel aus, daß wir den Tag verflucht.
Ich glaub' ein böser Geist, zum Zorn gereizet, tobe
Nicht schrecklicher; wir zogen gegen ihn,
So wie wir gegen Wölf' in strengen Wintern ziehn,
Ein jeder Hirt versehn mit einem knot'gen Prügel;
Er schlief und schnarchte laut auf jenem Traubenhügel.

79.

Mein Vetter schlägt ihm nach dem rechten Schlaf,
Doch weil er in der Angst das Felsenbein nur traf,
Schallt's dumpf; er fährt empor; die schreckliche Gebehrde
Vergess' ich nie; gleich lagen zehn
Der Unsrigen auf blutbefleckter Erde,
Um ewig nicht mehr aufzustehn.
Wir andern flohn, uns vor dem Recken
In jenes Tannenhains Gesträuchen zu verstecken:

80.

Er nach mit racheglühndem Sinn!
Doch konnt' er in des Walds vielfältigen Gewinden
Uns rasche Flüchtlinge nicht finden,
Drum eilet er nach unsern Hütten hin.
Was auf dem Weg' ihm aufstieß, Weiber, Kinder,
Ja selber Schafe, Ziegen, Rinder
Ermordet er; die Straße färbt ein Bach
Von lauem Blut und fließet breit ihm nach. [184]

81.

Im Dorf' zertrümmert er die Häuser
Mit unbewehrter, nackter Hand,
So schnell als ein Orcan; bis er ein Bindlein Reiser
Auf einem Heerde brennen fand.
Das rafft er weg und streut es auf die Dächer.
Die Flamme zischt und frißt der Gassen lange Reihn;
Denn wen er löschen sieht, der ist ihm ein Verbrecher,
Den wirft er in den Brand hinein.

82.

Seit diesem unvergeßbarn Tage
Erdulden wir als Strafgericht,
Das über uns verhängt ist, diese Plage.
Man seufzt zum Himmel auf, man weint, doch wagt man nicht
Den kühnen Angriff zu erneuern.
Wenn Gott, erweicht durch unser Flehn,
Nicht einen Engel schickt, so ist's um uns geschehn;
Wir können nicht dem Unheil steuern,

83.

Erst heut', o daß ich taub gewesen wär', erst heut
Hört' ich, wiewohl fast eine Stunde weit
Davon entfernt, das Klatschen seiner Hände;
Ich lief hierher; Gott, welcher Märterinn
Bestimmt dein Rath ein so entsetzlich Ende!
Ich danke dir, daß ich nicht Vater bin.
So sagt der Hirt und weint; Bliomberis gerühret
Verlanget in das Dorf und wird auch hingeführet. [185]

84.

Auf einem Platze stand der Mädchen Schaar im Kreis
Das Todesloos zu ziehn; wie Blumen, halb versehret
Vom Mehlthau stehn; ihr Blut ist Eis,
Die Wange bleich, das Auge starr; man höret
Ein leis Gekeich und keinen andern Laut.
Nun ist das Todesloos gefallen.
Ach Chloen trafs, die reizendste von Allen,
Seit gestern ihres Thyrsis Braut!

85.

Mit bleicher Wange, bleichem Munde
Sinkt sie dahin; ihr Vater rauft das Haar
Sich jammernd aus, die Mutter flucht der Stunde,
In welcher sie dieß Unglückskind gebahr.
Den Bräutigamm, der eine Weile
Blaß, staunend, schweigend blieb, ergreift
Die Wuth des Schmerzens nun; der arme Jüngling läuft
Die Straßen auf und ab mit schrecklichem Geheule:

86.

So wie ein Hirsch, den zur Begattungszeit
Mit spitzem Pfeil des Jägers sichre Hände
Getroffen; tief steckt in durchbohrter Lende
Das Eisen; doch das Thier entfliehet, weit und breit
Erschallt sein fürchterliches Röhren;
Von ihrer Tränke fliehn die Hirschen, die es hören:
Doch der Verwundete färbt Erd' und Sträuche roth
Und findet spät den jammervollen Tod. [186]

87.

Bliomberis, der längst vom Pferd gestiegen,
Tritt zu den Klagenden und spricht:
Ihr Unglückselgen, weinet nicht!
Bald wird das Ungethüm todt auf dem Boden liegen,
Durch mich gebändiget, die Angst von dieser Flur
Verschwinden, Sicherheit und Ruhe wiederkehren.
Er sprach es, doch von allen, die ihn hören,
Glaubts die gebeugte Mutter nur.

88.

Die meisten wollen ihn bereden.
Das Ungeheur nicht tollkühn zu befehden,
Weil es nur mehr hierdurch entbrannt
Nicht ehe ruhen wird, als bis das ganze Land
Ein Grab geworden ist; indeß mit banger Seele
Die Hirten sich besprechen, geht
Bliomberis schon zu des Riesen Höhle
Und siehet, wie er wartend steht.

89.

Hoch steht er da und voll Begier zu würgen,
Das Fell von dreyßig Lämmern deckt
Den ungeheuern Leib: auf Islands Eisgebirgen
Steht so ein einzler Fels, und streckt
Den kahlen Gipfel an die Sterne.
Das Hirtenvolk bleibt zagend in der Ferne,
Indeß Bliomberis in seinem Waffenglanz
Zum Riesen fleugt, als wärs zum Reihentanz. [187]

90.

Der Riese sieht den Helden, wittert
Den Kampf, der ihn bedräuet, reißt erbittert
Den nächsten ästelosen Baum
Mit allen Wurzeln aus und schleudert ihn; es sauset
Die schwere Last schnell durch der Lüfte Raum,
Und allen, die es sehen, grauset;
Nur nicht dem Ritter, dieser weicht
Zur Linken, wo ihn nicht des Recken Wurf erreicht.

91.

Dann fasset er, belebt von jenem Heldengeiste,
Dem nichts das hohe Ziel verrückt,
Den dicken Baum in beyde Fäuste,
Fängt Steine, die der Feind nun häufig nach ihm schickt,
Damit im Fliegen auf; kommt mittelst dieser Wehre
Stets näher, bis er nun sich gegenüber stellt,
Aushohlet, zielt und schlägt, so daß die ganze Schwere
Des Baumes auf die Stirn des Ungeheuers fällt.

92.

Es stürzt betäubt, vom dürren Grunde
Steigt eine Wolke Staubs hoch in die Luft und hüllt
Es wie ein Schleyer ein, sein Brüllen, nachgebrüllt
Von allen Bergen, giebt die feyerliche Kunde
Der Schäferwelt, daß die Befreyungsstunde
Nicht fern mehr sey; sie alle stehn
Noch zagend da mit offnem Munde,
Und keiner waget herzugehn. [188]

93.

Auch tobet noch der Ries', er wälzet sich, er beißet
Ingrimmig in den Baum, so wie ein toller Hund,
Packt dessen breite Wurzeln, reißet
Den Stamm entzwey und schlägt damit den Boden wund.
Der Ritter läßt ihn alle Kraft vertoben,
Weicht seinen Streichen aus und plötzlich steht er oben
Auf seinem borstengleichen Haar,
Das wie ein Wald umher verbreitet war.

94.

Nun ziehet er das Schwert und stößt es eilig nieder
Tief in des Recken Hals; ein Brunnen Blutes springt,
Das Leben flieht die ungeheuern Glieder.
Laut jauchzet nun der Held, dankt auf zum Himmel, schwingt
Das Siegerschwert und ruft den Hirten, die am Rande
Des Haines stehn, mit schon geschürzetem Gewande,
Daß wenn sie doch vielleicht den Ritter fallen sähn,
Sie schnell, wie hiebevor in die Gesträuche flöhn.

95.

Nun endlich rückt, obwohl nicht ohne Zagen,
Wie Kinderchen zu Hunden, ihre Schaar
Zum Fuß des Unholds hin, bis zwey der Kühnsten gar
Mit leiser Fingerspitz' ihn zu berühren wagen.
Doch da sie ihn erblaßt und sich gefahrlos sahn,
Da spotteten sie laut des Todten, einer sagte:
Er fühlt sich jetzo weicher an,
Als damahls, wie er uns in diese Schatten jagte. [189]

96.

Doch dieses gute Volk gab dem gerechten Groll
Nicht allzu lange Raum; sie sanken,
Bald heiliger Empfindung voll,
In Staub dahin, dem Ewigen zu danken
Und dem, durch welchen sie der Ewige befreyt.
Kaum kann Bliomberis sie selber überreden,
Er sey ein Mensch wie sie; es währet lange Zeit,
Bis sie erstehn, bis sie ihm nahn, die Blöden.

97.

Itzt biethet er die Hand den Greisen freundlich dar
Und siehet mit gefällgen Mienen,
Daß, hergewinkt von ihm, der Kinder traute Schaar
Zu seinen Füßen spielt, bald in den glatten Schienen
Sich spiegelt, bald sein großes Schwert,
Wodurch das Unthier erst das Leben ausgehauchet,
In ihrer Unschuld besser brauchet
Als der Erobrer seins, zu einem Steckenpferd.

98.

Die Jugend eilet nun mit Gaben
Zu ihm herbey, dem Besten, was sie haben.
Durch diesen Schwarm dringt die erlös'te Braut
Und all die Ihren durch und fällt zu seinen Füßen
Mit Thyrsis hin; die Armen schluchzen laut
Und halten fest sein Knie, worauf sie Thränen gießen;
Ein heiliges, ein stummes Fest,
Bis Thyrsis seinen Dank in diese Worte preßt: [190]

99.

O du, wie soll ich dich, du Wunderthäter heißen?
Den Gott in dieß bedrängte Land
Als seinen Freund, als den ihm ähnlichsten gesandt,
Sie und auch mich dem Tode zu entreißen,
Komm in mein Haus, du sollst es sehn,
Ob ich dir dankbar bin; du kannst die Welt durchwandern,
Von einer Sonne bis zur andern;
Es wird dir nirgends besser gehn.

100.

Ich will auf meinen Knien bey Tag und Nacht dir dienen;
Für dich nur soll mit Frucht der weite Maulbeerbaum
Sich schwärzen, sich mit sanftem Flaum
Die Pfirsichen umziehn und die Oliven grünen.
Dir werd' ich, was der Sommer reift,
Was meiner Bienen Schwarm in ihre Zellen häuft,
Noch eh, als meinen grauen Ältern
Darbringen, dir im Herbst noch süßre Trauben keltern.

101.

So sagt der fromme Hirt: Bliomberis geneußt
Der Wollust, Glückliche zu sehen,
Und Glückliche durch ihn; die Schaar der Alten heißt
Die Jugend itzt zu Gottes Tempel gehen.
Bliomberis geht mit; der Tempel glänzet nicht
Von eitler Pracht, wodurch ein grauer Bösewicht,
Der Wittwen Hab' und Waisengut geraubet,
Vom nahen Höllenpfuhl sich los zu kaufen glaubet. [191]

102.

Den Altar schmücken Zweig' und die auf naher Flur
Gesproßnen Edelsteine nur.
Der Bräutigamm wird jetzt mit Chloen
Vereiniget; Bliomberis begeht
Mit ihnen dieses Fest, was sie so sehr gefleht,
Und bringt die Nacht hier zu; doch eh die Schatten flohen,
Besteiget er sein Roß; das Hochzeitpaar, schon wach,
Weint mit dem ganzen Dorf ihm Dank und Segen nach.


[192]


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