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Wie der Kalif einen hohen Reichswürdenträger empfing

Ubaidallah, der mächtige Tahiride, auf dessen Wink die Heere von Chorasan marschierten, Stadtpräfekt von Bagdad, hatte von Seiner Majestät dem Kalifen Mutass eine Einladung zu einem Besuch bei Hofe in Samarra erhalten. Auf der Reise dorthin kehrte er ein in dem Jungfrauen-Kloster, dessen Lob er in selbstgedichteten Versen besang.

Als er in Samarra angekommen war, schickte der Kalif zu der berühmten Hofsängerin Särija und ließ ihr sagen, sie möchte erscheinen. Die sehr hochmütige Künstlerin hatte aber keine Lust, antwortete, sie könne nicht, sie sei nicht ganz wohl. Daher sandte ihr der Kalif eine zweite Botschaft, sie müsse kommen und singen, er habe einen hohen Gast, der sie zu hören wünsche; es sei notwendig sowohl für ihren Ruhm wie aus Rücksicht auf den Gast, sie müsse durchaus kommen. Nun erschien sie, nahm Platz im Empfangssaal hinter dem Vorhang, sehr übel gelaunt, und erklärte, wenn der Gast nicht da wäre, wäre sie nicht gekommen. Sie sang dann zwei Lieder:

Die Spuren der Niederlassung in Anam sind verwischt
Gleich den bunten Linien der Tätowierung auf
                               dem Handgelenk usw.

und danach:

Die Stimme einer Taube auf einem Zypressenzweig,
Der ein Chor von anderen Taubenstimmen antwortete
Hat mich erschreckt, da es nun gilt Abschied zu nehmen
                               usw.

Als sie geendet hatte, sprach der Kalif zu Ubaidallah: »Nun, wie findest du das?«

Ubaidallah: »Ich weiß wirklich nicht, ob mein Staunen größer ist oder mein Genuß.«

Augenscheinlich war der Kalif von dieser meiner Antwort sehr angenehm berührt. Sodann mußte der berühmte Flötenkünstler Rannâm mir ein Flötenkonzert vorblasen; diese Leistung stand aber nicht auf gleicher Höhe, denn der Ton war schwach und zitterig, da der Künstler an chronischer Gicht litt. Ferner ließ der musikfreudige Kalif mir eine von dem Techniker Ahmed Ibn Musa konstruierte kupferne Wasserflöte zeigen, welche Töne von sich gab wie eine Rohrflöte.

Danach begaben wir uns in einen anderen Teil des Palastes, in das Gehege der wilden Tiere. Dort wurden ein Löwe und ein Elefant aufeinander gehetzt, und ihrem Kampfe konnten wir zuschauen.

Als auch dies Schauspiel ein Ende genommen hatte, sprach der Kalif zu seinem Gast: »O Ubaidallah, ich habe dir hier viererlei Vorführungen bieten lassen. Welche davon hat dir am meisten gefallen?«

Ubaidallah: »Der Gesang der Särija.«

Der Kalif: »Du hast recht.«

   

In den Zeiten des Kalifen Mutass war die gute Gesellschaft Bagdads sehr kunstfreudig, ohne Dichter und Sänger, Sängerinnen und Tänzerinnen gab es keine vornehme Festlichkeit, und die soziale Stellung berühmter Künstler scheint im Vergleich mit der Stellung der großen Virtuosen der Neuzeit eine noch höhere, noch mehr begünstigte gewesen zu sein. Kalifen und Prinzen, Generäle und Staatsmänner dichteten, schrieben sich Briefe in Versen und schickten sich Einladungen in Versen. Der Held der obigen Erzählung, Stadtpräfekt Ubaidallah, hatte berühmte Verse auf den Tod seiner Mutter gedichtet. Harun Alraschïd schrieb einer Geliebten, die er in Rakka zurücklassen mußte, einen Brief in Versen und diese antwortete ihm in Versen, die sie sich von einem Hofpoeten hatte machen lassen. Auch andere Kalifen sind als Dichter aufgetreten. Der Gesangsvortrag bekannter Liebeslieder war die höchste Würze der vornehmen Geselligkeit jener Zeit.


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