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Sechster Teil: 1761

Daun hatte den seiner Kaiserin gemeldeten Sieg von Torgau widerrufen müssen und ihr dazu erklärt, die österreichischen Heerführer würden einen so furchtbaren Gegner wie den König von Preußen niemals bezwingen. Für Maria Theresia wurde damit der Tag von Torgau zu einer bitteren Enttäuschung; denn sie hatte sich ihrem Ziele, nicht allein Schlesien zurückzuerobern, sondern Friedrich auf den Rang eines bedeutungslosen Fürsten herabzudrücken, näher als je geglaubt. Trotzdem war die Hoffnung, Schlesien endlich doch noch zu erobern, in der österreichischen Kaiserstadt jetzt nach einem fünfjährigen, fruchtlosen Kriege noch gar nicht geschwunden, und nach längeren Verhandlungen kam man mit Rußland überein, gemeinsam vorzugehen. Das russische Hauptheer, 70 000 Mann stark, unter Buturlin, sollte auf Breslau rücken und sich mit Loudon vereinigen. Friedrich war in diesen Plan längst eingeweiht und entschlossen, die Verteidigung Schlesiens selbst zu übernehmen und dem Prinzen Heinrich die Sachsens gegen Daun anzuvertrauen. So sehr der König entschlossen war, eine Schlacht mit den vereinten Heeren zu vermeiden, da diese ihm um mehr als das Doppelte überlegen waren, so sehr ersehnte er eine Entscheidung gegen den herbeiziehenden Loudon allein; denn wenn er diesen schlug, so war der Abzug Buturlins sicher. Aber Loudon wich jeder Schlacht aus; andererseits aber wußte der König durch geschickte Märsche die Vereinigung lange zu verhindern, und als sie endlich durch meisterhafte Bewegungen Loudons dennoch erfolgte, bezog Friedrich mit seinen 55 000 Mann der feindlichen Übermacht von 13 000 Mann gegenüber ein festes Lager bei Bunzelwitz. Die von Natur schon äußerst günstige Lage dieses Ortes wurde vom ersten Tage an durch Anlage von Verschanzungen verbessert; denn der König mußte mit einem Angriff des übermächtigen Gegners rechnen. Durch tiefe Gräben, Palisaden, Sturmpfähle, Wolfsgruben, Verhaue, verschanzte Hügel, stark befestigte Dörfer, Batterien und verborgene Minen wurde das Lager künstlich allmählich in eine vollkommene Festung umgewandelt, die den Feinden unübersteigbare Hindernisse zum Angriff bot.

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Trotzdem machte Friedrich sich die düstersten Vorstellungen von der Zukunft. Oft suchte er nachts Zieten auf. Der suchte den König dann zu trösten, es werde alles noch ein gutes Ende nehmen. Friedrich, der zu solcher Hoffnung gar keinen Grund sah, fragte darauf einst spöttisch, ob er sich etwa einen neuen Alliierten (Verbündeten) verschafft habe. »Nein,« antwortete Zieten, »nur den alten da oben, und der verläßt uns nicht.« »Ach,« seufzte der König, »der tut keine Wunder mehr.« »Deren braucht's nicht,« versetzte Zieten, »er streitet dennoch für uns und läßt uns nicht sinken.«

Die Gegner ließen die Zeit ungenützt verstreichen. Buturlin und Loudon konnten sich lange nicht über den Plan zum Angriff einigen, und schließlich erklärte Buturlin, nachdem er wiederholte Erkundungen des preußischen Lagers vorgenommen hatte, daß er mit seiner Armee nichts wagen, sondern nur ein Korps zur Unterstützung senden wolle. Der Hauptgrund für diese Weigerung, an einem gemeinschaftlichen Unternehmen teilzunehmen, war die Eifersucht der russischen Generale auf Loudon als die eigentlichen Sieger von Kunersdorf.

Je länger sich der Angriff verzögerte, um so zuversichtlicher sah Friedrich ihm entgegen. Von Tag zu Tag wuchs seine Überzeugung, daß die Gegner einen etwa unternommenen Sturm mit ungeheuren Opfern bezahlen würden und daß er in einem solchen Falle sicher siegen würde. Zudem konnte er erwarten, daß der Hunger im feindlichen Lager zu irgend einer Änderung zwang. Während er selbst durch die reichlich gefüllten Magazine in Schweidnitz beruhigt war, war bei den Gegnern Mangel an den nötigsten Bedürfnissen, um so mehr, als die Russen von Anfang an auf die österreichischen Magazine angewiesen waren, die aber einen solchen Verbrauch auf die Dauer nicht vertragen konnten.

Den Russen wurde die Not zuerst unerträglich. Buturlin beschloß deshalb, sich nun von den Kaiserlichen zu trennen. Er ließ Tschernyschew mit 20 000 Russen zurück und ging mit dem größeren Teile der Armee nach Polen. Die Nachricht von dem Abzug der Russen erregte großen Jubel im preußischen Lager, und da Loudon keine Lust zum Schlagen zeigte, obgleich er in Verbindung mit dem russischen Korps noch fast doppelt so stark als das königliche war, verließ Friedrich 14 Tage später Bunzelwitz und marschierte ab, um Loudon durch Scheinbewegungen aus seinem Lager zu entfernen und nach Böhmen treiben zu können. Loudon aber hatte eine Überrumpelung der wichtigen Festung Schweidnitz in Aussicht genommen, und da die Vorbereitungen sehr geheimnisvoll getroffen wurden, ferner ein gefangener österreichischer Offizier, der des Kommandanten Gunst genoß, jeden wichtigen Umstand an Loudon zu melden wußte, so gelang das Vorhaben: nach dreistündigem Sturm war die Festung mit Tagesanbruch des 1. Oktober erobert und ohne vorhergegangene Belagerung, ohne Kapitulation in die Hände der Gegner gelangt.

Damit hatte Loudon den kaiserlichen Waffen wieder einen höchst wichtigen Vorteil errungen; denn durch die Eroberung von Schweidnitz waren die Österreicher zum ersten Male in Stand gesetzt, Winterquartiere in Schlesien zu nehmen. Friedrichs Heer war aufs äußerste bestürzt; alle Früchte eines ehrenvollen, höchst mühseligen Feldzuges hatte man auf einmal eingebüßt. Hierzu kamen schlimme Nachrichten aus Pommern: Kolberg, das sich mit Beihilfe der tapferen Bürgerschaft lange heldenmütig verteidigt hatte, wurde von den Schweden und Russen genommen. Letztere nahmen nun zum ersten Male Winterquartiere in Pommern und in der Neumark. Der Verlust von Kolberg und von Schweidnitz in einem so kurzen Zeitraume war daher für den König ein unabsehbar großes Unglück. Alle Kriegsbedürfnisse und Lebensmittel für die russischen Heere in Pommern konnten jetzt leicht zur See herbeigeschafft werden, und die Österreicher hatten nun in Schlesien festen Fuß. Die Feinde aus diesen Provinzen zu vertreiben, erforderte viel Blut, viel Zeit, viel Geld und noch mehr Glück. Es waren hierzu stärkere Kräfte als jemals vonnöten. Wo aber sollten diese gefunden werden? Die erfahrensten Feldherren waren mit der Blüte des Adels gefallen; die Mehrzahl der alten Soldaten lag auf den Schlachtfeldern begraben. Die Einkünfte aus dem größten Teile der preußischen Staaten blieben entweder ganz aus oder waren doch sehr geschwächt, und die noch übrigen sächsischen Quellen fingen auch an zu versiegen. Dresden und ein Teil von Sachsen waren in österreichischen Händen, und das preußische Heer verlor mehr und mehr das Übergewicht über die feindlichen Armeen. Der König befand sich also in einer übleren Lage, als je am Schlusse eines Feldzuges, obgleich er diesmal keine Schlacht verloren hatte. Immerhin waren seine Truppen vom besten Mute beseelt, und der ungeschwächte Eifer, die rastlose Tätigkeit so manches seiner Generale machten diesen Zustand erträglich. Man hatte viel gewonnen, da man die Hoffnung noch nicht verloren hatte.


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