Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band I
Berthold Auerbach

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Elftes Capitel.

Diener und Mägde in den unterirdischen Räumen erschraken, als Sonnenkamp und Erich eintraten. Sonnenkamp sah nicht nach ihnen um, in englischer Sprache sagte er zu Erich:

»Die beiden Hauptdinge, auf die ein Mann wie ich, der sich zur Ruhe gesetzt, Sorgfalt verwendet, sind Küche und Pferdestall.«

Er zeigte ihm die Küche. Da waren Dutzende von Feuerstellen zu verschiedenen Gerichten, und jede Speise hatte besondere Kännchen und Pfännchen, Feuer von der Seite und offenes Feuer. Die ganze Physiologie der Säftebereitung war hier in die Kochkunst übersetzt.

Sie gingen weiter. Jede Feuerstelle im Hause hatte ihr besonderes Kamin; Sonnenkamp hob das als wichtig hervor, denn er habe sich dadurch von den verschiedenen Windrichtungen unabhängig gemacht. Der Baumeister habe sich dagegen gestemmt und es habe auch viele Mühe und Kunst gekostet, die Durchzüge geschickt anzulegen.

Durch das Haus gingen überall elektrische Klingelzüge.

Auf den Treppen waren kostbare Decken, reiche Candelaber überall.

Alles war mit Pracht und Geschmack hergerichtet und zwar in einer gediegenen Pracht und mit durchdachtem Geschmacke; Gold, Marmor und Seide wirkten, ohne zu prunken, künstlerisch schön, nichts war überladen. Die Möbel standen nicht herum wie Dinge, die ihren Platz suchen, sie waren dem Bau angepaßt und schienen fest und heimisch; dennoch hatte die Einrichtung noch etwas Unbewohntes. Es sah aus, als ob die Einrichtung erst auf Menschen wartete, die da wirklich wohnen, nicht blos auf- und abgehen und sich umsehen sollten.

Schwere, große, seidene Vorhänge waren je mit den Tapeten übereingestimmt; die Stand-Uhren in allen Sälen waren aufgezogen, kleine Kunstwerke aus Kaminen und Gestellen wohl geordnet. Dennoch zeigte die Einrichtung keine besondere Physiognomie des Besitzers; es war nur jener Geschmack, der beim Tapezier bestellt werden kann, und nirgends ein Erbstück, ein Gegenstand, der Erinnerungen erwecken konnte. Und wie mochte das Alles auf die Seele Rolands wirken?

Erich wurde den Eindruck nicht los, daß man hier im eigenen Hause wie zur Miethe wohnt.

An der Nordseite des Hauses bei dem großen, mit rothen damastenen Tapeten bekleideten Saale war ein Erker, in dessen Mitte ein schöner Malachittisch stand, ringsum waren feste Sitze angebracht. Vier große Fenster oder eigentlich vier mannshohe Scheiben boten freie Ausblicke. In die zwischen den Fenstern befindlichen Wände waren in halber Höhe derselben die in Marmor gearbeiteten vier Tageszeiten von Rietschel eingelassen. Die Decke war mit feiner Stuckarbeit bekleidet, aus der ein schwebender Amor nicht herabzuhängen, sondern zu fliegen schien; die fein gearbeitete bronzene Figur hielt eine Fackel in der Hand, die als Gasflamme anzuzünden war.

»Hier allein,« sagte Sonnenkamp, »habe ich Kunstwerke. Ich lüge mir und Andern nichts vor – ich habe eigentlich keinen Sinn für die bildende Kunst.«

»Auch das Künstlerthum ist eifersüchtig,« entgegnete Erich; »die ausgesprochene Begabung für landschaftliche Gartenkunst mag den Ausdruck des Geistes in anderen Künsten verdrängen.«

Sonnenkamp lächelte.

Er führte seinen Gast in den Musiksaal. Dieser war ganz ohne Gold und Sammt, einfach mit Stuck an der Decke und einer meergrünen Tapete an den Wänden; seine Helligkeit hatte etwas Leuchtendes, als hänge Sonne an den Wänden; das Auge wurde nicht zum Schauen eines Bestimmten herausgefordert, so daß man um so aufmerksamer hören konnte, es trat keine Concurrenz der Sinne ein.

Erich fragte: »Wer ist in Ihrem Hause musikalisch?«

»Dieser Saal ist für meine Tochter eingerichtet,« entgegnete Sonnenkamp, »von hier geht's in ihre Wohnung; ich sehe eben, sie steht offen.«

Er ging in das Zimmer, Erich blieb scheu an der Thüre stehen.

Die Jalousien waren herabgelassen. Sonnenkamp zog sie schnell in die Höhe. Der Ausblick ging über den großen Laubgang von Reben nach dem Oberrhein. Das Zimmer hatte eine weiße Tapete mit kleinen goldenen Sternen. Eine Anzahl von Photographien, durch ein blaues Band zu einem Kranze verbunden, in dessen Mitte ein großes Bild des Papstes, zierte die Langseite. Ueber dem weißen Bett mit weißen Vorhängen, die jetzt zurückgeschlagen waren, hing ein fein geschnitztes elfenbeinernes Crucifix, darunter ein wohleingerahmtes Farbendruckbild, ein Diplom für Hermanna, genannt Manna Sonnenkamp, die in den Bund der reinen Kindheit aufgenommen war.

Ein Schreibtisch, ein kleines Büchergestell, zierliche Stühle, Alles ließ erkennen, daß hier die Wohnung eines Mädchens war, das still in sich lebt, wol zunächst von religiösen Gedanken bewegt. In diesem Raume war's, als schwebte darin ein die Seele ergreifender Gebethauch.

Der Blick Erichs haftete auf einem schönen Kamin von grünem Marmor, dessen Halbkreis mit lebendigem Epheu umzogen war und in dessen Vertiefung Blumen und Blattpflanzen standen.

»Meine Tochter hat in ihrem Zimmer während des Sommers den Kamin immer mit Blumen ausgefüllt,« sagte Sonnenkamp heraustretend. »Nun kommen Sie in mein Arbeitszimmer.«

Sie traten in dasselbe. Es war mit ausnehmender Bequemlichkeit eingerichtet. Für jede Stimmung und jede Jahreszeit, für Einsamkeit und Gemeinsamkeit waren hier bequem gestellte Stühle und Sopha's und Tische, so daß das eine Zimmer deren mehrere in sich zu schließen schien; man war in einem großen Raum und doch dabei in anheimelnder Abgeschlossenheit. Diese Seite des Gebäudes war mit besonderm Geschick in die Landschaft eingefügt. Draußen sah man gleichstämmige Buchen und Platanen, die den Ausblick auf die oft kahl erscheinenden Rebenberge verdeckten, so daß der Blick auf den obern Theil der bewaldeten Höhe sich aufsetzte. In der Mitte, gerade vor dem Balconfenster, war die Burgruine zu schauen, die, wie Erich bereits gehört hatte, im Auftrage des Herrn Sonnenkamp ausgebaut wurde.

Nur ein einziges Bild hing hier: ein lebensgroßes Porträt Rolands aus seinem siebenten Jahre. Der Knabe sitzt auf einer umgestürzten antiken Säule, die Hand auf den Kopf eines schönen Neufundländer Hundes gelegt und starrt hinaus ins Weite.

Ein großer Waffenschrank mit Waffen aller Art stand in einer Nische.

Während Erich umblickte, schob Sonnenkamp zwei Thüren zurück, die sich in die Wände einließen, und führte ihn in seine Bibliothek, wie er es nannte. Man sah aber keine Bücher, sondern große Schachteln, Thon- und Porcellangefäße, wie in einer wohlgeordneten Apotheke. Es waren Sämereien aus allen Ländern der Erde. Aus diesen Sämereigemächern führte eine besondere Treppe in den Garten. Sie war ganz von den Ranken der chinesischen Glycine überwachsen, die eben jetzt in traubenartigen Büscheln ihre blauen Schmetterlingsblumen trug. Sonnenkamp geleitete seinen Gast wieder in das große Arbeitszimmer zurück und hier sprach er davon, daß es ehedem sein Wunsch gewesen, Roland solle in den Handel eintreten. Er sprach vom Weltverkehr; für ihn gab es keine vereinzelte Thätigkeit, keine vereinzelte Produktion, ein Welttheil existirte nur durch den andern, die ganze Erde war der große Marktplatz, Eisen, Wolle, Tabake, Getreide betrachtete er in Schweden, Schottland, Ostindien und in der Havanna zu gleicher Zeit und ließ sie gegen einander aufstauen.

Sonnenkamp schien es heut entgelten zu wollen, daß Erich ihm so viel mitgetheilt. Erich war voll Staunens über die weitschauende Kraft des Mannes. Dabei bewahrte Sonnenkamp wohlgemessene Formen und ruhige Sicherheit. Er hatte die weite Welt gesehen mit jener Scharfsichtigkeit der Engländer und Amerikaner, die im Brillenverbrauch die geringste Nummer unter den Völkern haben. Er faßte die wesentlichen Merkmale unbelastet von Nebensächlichem und von Reflexion; es war eine feste Gegenständlichkeit in der Vezeichnung dessen, was er in fremden Landen gesehen.

Sonnenkamp hatte sein Anwesen gezeigt, Erich sollte wissen, daß er nichts ändern lassen wird.

Ein Diener kam und meldete, Herr von Prancken wünsche sich bei Herrn Sonnenkamp zu verabschieden.


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