Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Drei und zwanzigstes Kapitel.

»Ich muß wohl sogleich an die Quelle selbst gehen, um den Dialekt rein und frisch, wie ihn die Natur ergießt, zu schöpfen – sagte Herle zum Freunde, beim Beginn der Faschingsferien; ich will ein Paar Tage auf's Land, um dem Volke das Wort, wie es leibt und lebt, von der Zunge zu nehmen, und mein Ohr daran zu bilden. Hier, zur Stadt, verderben und verschlechtern sie Alles, – die Sprache, wie Butter und Milch. Welch einen Genuß verspreche ich mir in der Mitte der guten, unverdorbenen Menschen, in den Hütten, in den Dörfern; und welche Geheimnisse werden sich mir enthüllen in den lallenden Lauten dieser Naturkinder!«

Mänle lobte seinen Entschluß, und bestärkte ihn darin, verhoffend, daß jeder Zuwachs an Sprachkenntniß zuerst seinem Freunde, dann ihm selbst zum Vortheil gereichen werde. Deßhalb trug er ihm auch seit einiger Zeit alle Bücher zu, aus denen Nahrung zu schöpfen war für Schimpf und Ernst, zumal alte, vergessene, verkannte, deren Autoren dem Volke noch nahe gestanden, ja mit demselben verflochten waren; z. B. Agricolas Sprichwörter, Fischart's Gargantua, Moscherosch, Schuppius &c., zumal den einzigen Pater Abraham a St. Clara. Herle kaufte ihm den Plunder, den jener aus dem Täntelmarkt gegen einige Groschen erstanden, um theures Geld ab – er that's nicht anders, – und ergötzte sich ungemein an diesen rein, echt, derb, mitunter grob deutschen Schriften.

Begleiten wir nun aber unsern Freund auf's Land, und sehen wir, wie er von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus umher schweift, überall horchend, fragend und forschend. Leider erhascht er aber wenig oder gar nichts, was in seinen Kram paßt. Denn der gemeine Mann, so wie er bemerkt, daß ein hochdeutscher Herr ihn belauschen will, verhüllt seine Sprache, wie ein Mädchen ihre Unschuld, aus Scham, und begegnet ihm, wenn es doch seyn muß, in dem Tone und der Miene, wie man ihn begrüßt und anspricht. Herle wollte schier in Verzweiflung gerathen, da seiner lüsternen Neugierde sich nichts zeigen wollte, was ihn befriedigen konnte. »Ich muß es anders machen, sagte er, nämlich besser; ich muß, wie ein Vogler an seinem Herde, insgeheim lauschen, und das Netz zuziehen, wenn etwas einfällt. Er lagerte sich demnach in einem Wirthshause – es war der letzte Fastnachtstag; – hier setzte er sich an ein Ecktischlein, das Portefeuille vor sich, wie ein Fangnetz, um so jedes Wort, das die Bauern an den Tischen umher fallen ließen, sogleich aufzufangen und einzutragen. Diese List gelang ihm auf einige Zeit. Als aber die Bauern endlich den Schreiber bemerkten, und sahen, wie er ihnen zuhorchte, und dann wieder notierte, nicht ohne sichtbares Behagen, da stieg in ihnen der Verdacht auf, es sey ein Polizeispion aus der Stadt. Einige schwiegen, aus Furcht, oder sprachen doch leiser; Andere dagegen schrieen desto lauter, damit er's hören und »schmecken« könnte, »Was kümmert mich so ein Polizeispion und Schergenknecht; ich sitze hier um mein Geld, und das Reden ist umsonst.« »Sie sollen nur in der Stadt drinnen die Gassen kehren und die Wirthshäuser fegen, wenn sie doch Dreck haben wollen, die Mistfinken.« »Daß einem rechtschaffenen Mann die verdammten »Naterer« nirgends Ruhe lassen!« schrie ein Dritter, mit einem derben Faustschlag auf den Tisch. »Erlaubt – sagte Herle, indem er aufgestanden und vor den Sprecher sich hingestellt – Erlaubt, guter Mann, was heißt, wer ist ein Naterer?« »Will's der Herr wissen? erwiederte jener; nun, so will ich's ihm sagen: Er ist ein Naterer, ein vermaledeiter Polizeispion. Und aber jetzt – sagte der erhitzte Landmann, und wies ihm seine Faust – jetzt rath' ich dem Herrn, daß er sich nur gleich pack', wenn er noch mit heiler Haut davon kommen will.« Herle erstaunte, entschuldigte, versicherte, Alles half nichts. Die allarmierten Bauern umringten ihn, umschrieen ihn, und maneuvrirten ihn endlich, noch glimpflich genug, zur Thür hinaus.


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