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Ungefähr um die Zeit der ersten Flucht des Kronprinzen, die unserm guten gnädigen Herrn Karl dem Siegreichen soviel Verdruß gebracht hat, ereignete sich in einer vornehmen Familie des Tourainer Lands ein trauriger und beklagenswerter Vorfall, der, da dies Geschlecht gänzlich erloschen und ausgestorben ist, hier erzählt werden mag.
Möchten die Heiligen Gottes, Bekenner, Märtyrer und andre himmlische Herrschaften, die auf Befehl des Allerhöchsten dem Guten zuletzt zum Sieg verholfen haben in diesem Abenteuer, auch dem Autor ihren Beistand nicht versagen.
Herr Imbert von Bastarnay, einer der größten Grundbesitzer des Tourainer Landes, war so seltsamen Charakters, daß er wie keiner unsrer Spezies den Weibsen aus dem Wege ging. Sie dünkten ihn zu unruhig und unbeständig. Und vielleicht hatte er recht.
So war er denn ohne Gefährtin allmählich ein bejahrter Herr geworden, der sich keineswegs vorteilhaft in seinem Äußern auszeichnete. Immer nur auf Kriegsfahrten und in soldatischen Unternehmungen begriffen, immer allein oder in der Gesellschaft von ruppigen Junggesellen, mit denen er sich keinen Zwang anzutun brauchte, hatte er niemals gelernt, artig zu sein gegen andre. Er kam fast nie aus seinem Harnisch und war so ungewaschen und stinkend, die Hände immer geschwärzt, daß er, was sein Äußeres betrifft, eher einem Affen als einem Christenmenschen glich, während er Kopf und Herz durchaus auf dem rechten Fleck hatte und in seiner Seele Schätze verbarg, die ihm als Menschen einen hohen Wert verliehen. Kurz, ein Gesandter Gottes, ihr dürft mir's glauben, hätte weit suchen können, um einen treuern und tapferern Ritter, einen Mann von fleckenloserer Ehre zu finden als ihn.
Auch wurde er von vielen, die ihn gehört hatten, gerühmt als weise im Rat und verständig in seiner Rede. Man möchte fast glauben, Gott habe einen schlechten Spaß machen wollen, indem er soviel Tugend in eine so abstoßende Hülle steckte.
Als dieser edle Herr, der von jedermann für einen Sechziger gehalten wurde, obwohl er in Wahrheit erst fünfzig auf dem Rücken hatte, den Entschluß faßte, sich eine Frau aufzubürden, einzig und allein zu dem Zweck, um von ihr Nachkommenschaft zu erhalten, und also in dieser Absicht Umschau hielt unter den Töchtern des Landes, hörte er eines Tags die Vollkommenheit und Schönheit eines Fräuleins aus dem illustren Hause von Rohan rühmen, deren Familie in der Provinz große Lehen besaß, welches Fräulein mit ihrem Vornamen Berthe hieß. Imbert kam, um sie zu sehen, auf ihr väterliches Schloß Montbazon und ward von ihrer Schönheit und kindlichen Unschuld ganz bezaubert und entschloß sich noch in der ersten Stunde, sie zur Ehefrau zu nehmen, in der Voraussetzung, daß eine Jungfrau von so hoher Abkunft ihren ehelichen Pflichten niemals untreu werden könne. Sie wurde ihm auch ohne weiteres gewährt; denn der edle Herr von Rohan hatte sieben Töchter und wußte nicht, wie er in diesen schweren und bedrängten Zeiten, wo der Krieg und die Geschäfte fast allein die Männer in Anspruch nahmen, für jede einen Gemahl finden sollte.
Der gute Bastarnay fand also seine Berthe in der Tat unberührt, ein Beweis, daß sie von ihrer Mutter vernünftig genährt und gelehrt worden, und in der ersten Nacht, in der er ihrer Jungfernschaft Herr wurde, schaffte er ihr ohne Umstände ein Kind, an dessen Vorhandensein er schon im zweiten Monat der Ehe zu seiner großen Freude nicht mehr zweifeln konnte.
Hier ist zu sagen, daß aus diesem legitimen Zweige der spätere Herzog von Bastarnay abstammte, der bei dem guten König Ludwig dem Elften als dessen Kämmerer, ja Gesandter an den europäischen Höfen, kurz, als dessen treueste rechte Hand und unentbehrlichster Diener in großer Gnade stand. Diese Vasallentreue, eine seltene Blume im Garten der Fürsten und der Großen, hatte er vom Vater her ererbt, der seinem Herrn, dem Thronfolger, so treu ergeben war, daß er ihm in allen Glückswendungen wie auch in seinen Rebellionen gegen den König unverbrüchlich anhing, ja daß er für ihn, wenn der Prinz es von ihm verlangt hätte, Christus zum zweitenmal gekreuzigt haben würde.
Die edle Dame von Bastarnay betrug sich im Anfang ihrer Ehe so tadellos, daß ihre beglückende Gegenwart alle schlimmen Gedanken und Meinungen über die Frauen aus dem Kopf des Ritters verscheuchte, wie lange sie auch darin eingerostet waren. Alle finstern Wolken des Verdachts verzogen sich, und hell strahlte auf einmal in seinen Augen der Ruhm der Frauen. Seine Art, in dieser Sache zu denken, schlug, wie dies oft vorkommt, vom tiefsten Mißtrauen in das tiefste Vertrauen um. Er überließ die Regierung seines Hauses ganz der genannten Berthe; er machte sie zur Herrin über seine Handlungen, Unternehmungen und alles, zur Königin seiner Ehre wie zur Wächterin seiner weißen Haare und würde jeden ohne weiteres niedergestoßen haben, der ihm auch nur die leiseste Verdächtigung zugeflüstert hätte über diesen Spiegel der Tugend, den in der Tat noch kein andrer Hauch getrübt hatte als von ehelichen und gemahligen Lippen, so frisch oder welk sie waren.
Doch um ganz ehrlich zu sein, muß ich hier sagen, daß an dieser Tugendhaftigkeit der kleine Bengel nicht wenig teilhatte, mit dem die hübsche Mutter sich während sechs Jahren Tag und Nacht beschäftigte, den sie mit ihrer Milch nährte aus ihrer jungen weißen Brust, in die er nach Kräften biß und die er mit seinen kleinen täppischen Händchen gehörig bearbeitete, ihr also quasi den Geliebten ersetzend. Diese gute Mutter kannte keine andern Liebkosungen als die der rosigen jungen Lippen dieses Kindes, keine andern Berührungen als von dessen kleinen Patschhändchen, die sie tätschelten und streichelten, sie las in keinem andern Buch als in dessen himmlisch blauen Augen, sie hörte keine andre Musik als die Laute, die aus dem Mund des Kleinen drangen und die für ihr Ohr dem Gesang der Engel glichen. Sie ward nie müde, ihn zu küssen, ihn zu herzen Tag und Nacht, und wenn sie ihn wickelte und bündelte, hätte sie ihn fressen mögen vor Zärtlichkeit; sie ward selber zum kleinen Kinde, um ihm ganz gleich zu sein, kurz, sie benahm sich mit ihm so toll, so närrisch, so verliebt und war fraglos die glücklichste und beste Mutter, die es je auf der Welt gegeben hat, ohne Unsrer Lieben Frau, der Heiligen Jungfrau, zu nahe treten zu wollen, die keine große Plage gehabt haben wird, um unsern Herrn und Heiland zu erziehen, als welcher ein Gott war und dessen nicht nötig hatte.
Dieses Gehaben seiner Frau und der geringe Geschmack, den sie an dem fand, was die Quintessenz der Ehe ist, freuten den guten Ehemann sehr; denn er hätte nicht gewußt, wie er ihren Ansprüchen genügen sollte, wenn es ihr eingefallen wäre, Ansprüche an ihn zu stellen. So beschränkte er sich auf eine weise Sparsamkeit, um im Notfall den Stoff zu einem zweiten Kinde stets bereit zu haben.
Nachdem aber so sechs Jahre verflossen waren, mußte die zärtliche Mutter ihren Sohn den Händen des Stallmeisters und andrer strenger Lehrer übergeben; denn der Herr von Bastarnay wollte, daß sein Sohn nicht nur der Erbe seines Namens und seiner Güter, sondern auch seiner Tapferkeit, Tüchtigkeit und aller kriegerischen Tugenden werde. Darüber weinte Berthe bitterlich. All ihr Glück war ihr von da an geraubt. Dieses zärtliche Mutterherz mußte nun allen andern nachstehen und konnte ihren geliebten Sohn nur noch in kleinen flüchtigen Augenblicken genießen. Sie verfiel darüber in eine düstere Melancholie, und als ihr Gatte das gewahrte, hätte er ihr gern ein zweites Kind geschenkt, welche löbliche Absicht ihm aber schnöde mißlang und worüber die gute Dame sich sehr grämte, da das Mittel zum Zweck, nämlich die Sache an sich, ihr sehr zuwider war und große Überwindung kostete, wie sie naiv eingestand. Sie sprach auch nur die lautere Wahrheit, und alle Dogmen würden zu Lügen, und ihr könntet ebensogut die heiligen Evangelien als Fälschungen verbrennen, als die Ehrlichkeit ihrer keuschen Rede bezweifeln. Um aber nicht in den Verdacht eines Aufschneiders zu kommen, nicht gerade bei den Männern, denn die kennen die Sache, aber vielleicht bei den Frauen, mag sich der Schreiber gern der Mühe unterziehen, die geheimen Gründe und Ursachen zu erklären und auseinanderzusetzen, warum Berthe vor den Dingen, die sonst die Damen über alles lieben, nur Ekel und Abscheu empfand, ohne daß doch ihre jugendliche Frische und Schönheit unter dieser Entbehrung im geringsten litt. Und nun sagt, ob es einen Schreibersmann geben kann, der entgegenkommender und galanter wäre gegen die Damen als ich? Man weiß, wie ich die Frauen liebe. Und doch liebe ich sie noch lange nicht genug, da ich öfter meinen Federkiel in der Hand halte als seidene Bänder und Schleifen, um ihnen damit die Lippen zu kitzeln, daß sie lachen müssen, und – in aller Unschuld versteht sich – mit ihnen zu scherzen und Allotria zu treiben. Aber hier endlich meine Gründe: Der gute Herr von Bastarnay war nämlich kein Feinschmecker. Die Suppen, die er sich einbrockte, entbehrten jeder Leckerheit und gewürzhaften Zubereitung. Es focht ihn wenig an, auf welche Art ein Feind getötet wurde, wenn er nur tot am Boden lag. Er pflegte im Handgemenge seinen Kerl steif zu machen, ohne ein Wort dabei zu verlieren. Diese Unbekümmertheit in Sachen des Totmachen übertrug er auch auf das Geschäft des Lebendigmachens. Er wußte nichts von den tausenderlei Zubereitungen, er verstand sich auf keines der feineren Rezepte, auf keinen der unzähligen Kunstgriffe und Kniffe, er kannte keines der feinen Gewürze, Konfitüren und prickelnden Beimengsel, die den bekannten Kuchen erst wohlschmeckend machen; er wußte nicht, wie man sein Öfchen auf die verschiedenste Art heizen konnte, bald mit feinem Reisig, bald mit derbem Scheiterholz, um bald ein lindes, langsames Glühen, bald ein heißes, heftiges Flackerfeuer zu entfachen, je nach Beschaffenheit, Natur und Zweck des gewollten Gerichts. Er hatte keine Ahnung von den zarten, flüchtigen und kitzeligen Essenzen, die auf der Zunge vergehen, wonach die Frauen so lüstern sind und die sie mehr lieben als ihre ewige Seligkeit. Gleichen doch die Damen in ihren weiblichen Eigenheiten den genäschigen Kätzchen. Alle ihre Lebensgewohnheiten beweisen das klipp und klar.
Wollt ihr sie kennenlernen? Seht einmal aufmerksam zu, wie sie essen. Keine von ihnen – ich meine natürlich die vornehmen und wohlerzogenen Damen – würde mit einem einzigen Griff ihr Stück Kuchen zum Munde führen und verschlingen, wie es die rohen Männer tun; alle werden den süßen Brocken in so vielen leckeren Bißchen genießen, als nur möglich ist, alle werden die zuckrigen Latwergen und würzigen Säftlein mit den kleinsten Löffelchen schlürfen und schlückern, sich tausendmal mit der Zunge die rosige Lippe leckend, und überhaupt Messer und Löffel so handhaben, als ob sie sich nur auf höheren Befehl und nicht aus eignem Antrieb der Beschäftigung des Essens hingäben; so sehr widerstrebt es ihnen, gerade auf eine Sache loszugehen, so sehr haben sie das Bedürfnis nach zierlichen Umschweifen und umschweifenden Zierlichkeiten in all ihrem Tun. So liegt es in ihrer Natur. Sie wären nicht Frauen, wenn sie anders wären. Und die Söhne Adams sind nur darum so närrisch auf sie, weil sie die Dinge anders angreifen als der Mann.
Herr Imbert von Bastarnay aber, der als alter Kriegsmann nichts andres kannte und wußte als sein rauhes Handwerk, nahm den Garten der Venus wie eine Festung im Sturm, ohne auf die Wehklagen der armen Einwohner zu achten, und pflanzte sein Kind, etwa wie er auf einem feindlichen Burgwall seine Lanze aufpflanzte. Und die sanfte Berthe, noch das reine Kind mit ihren fünfzehn Jahren und nicht gewohnt, rüde behandelt zu werden, glaubte in ihrer jungfräulichen Seele und Unschuld, daß das Glück, Mutter zu werden, eben notwendig mit dieser schrecklichen, abstoßenden und eklen Sache erkauft werden müsse. Sie betete während des bösen Handels inbrünstig zu Gott, daß er ihr beistehen möchte, und schickte ungezählte Aves an die Heilige Jungfrau, die von solchem Übel gnädig verschont geblieben.
Da sie also nur Abscheu vor der Sache hatte, zeigte sie ihrem Gatten natürlich nie ein Verlangen danach, als welcher, aber aus andern Gründen, noch weniger darauf erpicht war. So lebte sie wie eine Klosterfrau in vollkommener Einsamkeit. Sie haßte die Vereinigung mit dem Manne und hatte keine Ahnung davon, welche süßen Freuden nach dem Willen Gottes da sprießen und blühen können, wo sie nur häßlichen Widerwillen und unerträgliche Schmerzen gefunden. Um so mehr liebte sie ihr Kind, das ihr schon vor seiner Geburt so viel gekostet hatte, und floh immer ängstlicher das nächtliche Kampfspiel und Turnier, wo der Zelter immer dem Reiter überlegen ist, ihn lenkt und leitet und ihm übel mitspielt, wenn er versagt. Begreift ihr nun?
Dies ist aber die wahre Geschichte so mancher Ehen und nach dem Sagen der erfahrensten Leute der Grund von den verrückten und ganz närrischen Tollheiten so mancher Frauen, die eines Tages mit einem Male erkennen, wie sie getäuscht worden sind, und dann in einer einzigen Nacht alle Freuden eines ganzen Menschendaseins auskosten möchten, um sich am Tische des Lebens endlich auch einmal satt zu essen. Das ist Philosophie, meine Freunde! Merkt euch diese Zeilen gut und zieht euch eine Lehre daraus, wie ihr eure Frau, euer Liebchen oder was euch Gott sonst zu eurem Unglück anvertraut hat, am weisesten behüten und bewahren mögt, wovor mich Gott bewahr!
So war denn Berthe, obwohl sie Mutter geworden, Jungfrau geblieben. Sie stand jetzt in ihrem einundzwanzigsten Jahr und bildete den Ruhm der ganzen Provinz, die Freude des Schlosses, den Stolz und die Augenweide ihres Mannes. Sie war schlank und biegsam wie eine Weide, behend wie ein Reh, voll kindlicher Unschuld wie ihr kleiner Sohn und doch verständig in ihrem Sinn, also daß ihr Mann nichts unternahm, ohne sie zuvor um ihren Rat zu fragen; denn der Geist eines solchen Engels, durch nichts in seiner reinen Klarheit getrübt, wird niemand irre leiten, der seine Zuversicht auf ihn setzt.
Die genannte Berthe wohnte damals in der Nähe der Stadt Loches auf dem Schloß ihres Gemahls und kannte wie alle Edeldamen der alten Zeit keine andere Beschäftigung oder Zerstreuung als die Sorge um ihr Hauswesen, von welcher Sitte die Damen von Frankreich seit der Regierung der Königin Cathérine, der Italienerin, leider abgekommen sind.
Unter der Herrschaft dieser Fremden sowie der des Königs Franz, der ihr sehr ergeben war, und dessen Nachfolgern wurden nur noch üppige Feste und höfische Zeremonien gefeiert, ein Umstand, der später im Verein mit den Machinationen der Ketzer den Ruin des Staats heraufbeschworen hat. Aber das gehört nicht hierher.
Um diese Zeit also hielt der König hof in der Stadt Loches, und der Herr von Bastarnay sowie seine Gemahlin, deren Ruhm schon bis zum König gedrungen war, wurden aufgefordert, am Hofe zu erscheinen.
So kam Frau Berthe nach Loches, bekam vom König viel Schmeichelhaftes zu hören und ward huldigend umringt von allen jungen Edelleuten, die die saftige Frucht mit den Augen verschlangen, wie nicht weniger von den alten, die sich an dieser Sonne das Herz wieder ein bißchen aufwärmten. Alle, Alte und Junge, würden gern in den Tod gegangen sein, wenn sie damit erreicht hätten, diese bezaubernde Schönheit einmal genießen zu dürfen, die den Blick blendete und das Gehirn verwirrte. Und am ganzen Hofe war bald von der schönen Berthe mehr die Rede als in den heiligen Evangelien vom lieben Gott, zum großen Ärger einer großen Anzahl von Damen, die, nicht mit soviel Reizen ausgestattet, gern dem abscheulichsten Höfling zehn Nächte gewährt hätten, wenn es ihnen verstattet worden wäre, die hübsche Eroberin auf ihr Schloß zurückzuschicken.
Eine gewisse Dame machte bald die Wahrnehmung, daß einer ihrer Freunde sich ganz toll in die schöne Berthe verliebte, und faßte darüber einen heftigen Groll, womit sie den Grund zu allen zukünftigen Leiden, aber auch zum Glück der Dame von Bastarnay legte, die dadurch zur Entdeckung des Zauberlands gelangte, das die Liebe heißt und deren wahres Geheimnis ihr bis dahin ein Buch mit sieben Siegeln geblieben war.
Jenes schlechte Weib hatte einen Vetter, kaum zwanzig Jahre alt und schön wie ein Mädchen. Kein Härlein sproßte ihm am Kinn, und seine junge Stimme war so melodisch, daß sie seinen schlimmsten Feind gerührt haben würde. Der junge Mann gestand seiner Verwandten, daß er gern sterben wolle, wenn er die Liebe der schönen Berthe genossen hätte.
»Mein werter Vetter«, sagte sie ihm, »verlaßt diesen Saal und begebt Euch in Eure Wohnung; ich verpflichte mich, Euch dieses Glück zu verschaffen. Aber nehmt Euch in acht, daß Ihr Euch nicht vor der Dame sehen laßt noch vor dem alten Pavian, der aus Versehen von der Natur zu einem Christenmenschen gemacht worden ist und dem diese schöne Fee angehört.«
Nachdem der Vetter sich also versteckt, machte sich das falsche Weib an Berthe heran, nannte sie ihre Freundin, ihr Schätzchen, einen Stern der Schönheit und die Sonne des Festes, kurz, schmeichelte ihr auf jede Art, um sich dadurch um so besser an der Armen rächen zu können, die ihr, ohne es zu wissen, ihren Liebhaber im Herzen untreu gemacht, welche Art Untreue für Frauen, die ehrgeizig sind in der Liebe, die schlimmste von allen ist. Schon nach der ersten Unterredung konnte das durchtriebene Weib nicht mehr zweifeln, daß die gute Berthe von der Liebe keine Ahnung hatte. Ihre Augen waren so feucht und durchsichtig, die Stirne und die Schläfen so klar und ohne das kleinste Fältchen, das Näschen so weiß wie Schnee, nirgend ein Zeichen von genossenen Freuden der Lust auf diesem unschuldigen Mädchengesicht. Noch ein paar listige Fragen, und die Antworten Berthes gaben ihr die volle Gewißheit, wie die Gute zwar den Vorzug gehabt, Mutter zu werden, aber um die Freuden der Liebe betrogen worden war. Des freute sich die andere für ihren Vetter.
Und sagt, war das nicht eine gute Seele? Sie erzählte dann der unschuldigen Berthe, daß in der Stadt Loches ein junges Fräulein aus der edlen Familie derer von Rohan wohne, die der Vermittlung einer vornehmen Frau bedürfe, um von ihrem Oheim, dem Louis de Rohan, wieder in Gnaden aufgenommen zu werden. Wenn nun Berthe ebenso gut sei, wie Gott sie mit Schönheit überhäuft? werde sie sicherlich nicht zögern, das arme Mädchen zu sich zu nehmen, um sich von ihrer Ehrbarkeit zu überzeugen und sie mit dem edlen Herrn von Rohan auszusöhnen, der sich bis jetzt geweigert habe, die Nichte in seinem Schlosse zu empfangen.
Berthe erklärte sich dazu bereit. Sie kannte die unglückliche Geschichte des Fräuleins von Rohan, hatte die Base aber selber nie gesehen, von der man vermutete, sie sei ins Ausland gegangen.
Hier ist es nötig zu erklären, warum der König den Herrn von Bastarnay in so auffälliger Weise zu diesem Feste zugezogen hatte. Der hohe Herr hatte bereits Wind bekommen von der geplanten ersten Flucht des Kronprinzen nach Burgund und wollte denselben eines so tüchtigen Ratgebers, wie des besagten Bastarnay, berauben. Aber der ritterliche Greis, dem genannten Prinzen Ludwig in unverbrüchlicher Treue ergeben, roch den Braten und ging nicht in die Falle. Er machte sich unverzüglich auf und kehrte mit seiner Frau und ihrer neuen Gefährtin, die sie ihm als Sylvia von Rohan zugeführt hatte, auf sein Schloß zurück.
Obwohl Herr von Bastarnay bei Nennung dieses Namens etwas zurückschreckte, fühlte er sich zuletzt doch so gerührt von der Güte Berthes und dankte ihr dafür, daß sie es unternommen hatte, ein verirrtes Schaf seiner Herde wieder zuzuführen. Er umgab in dieser letzten Nacht seine Frau mit aller Liebe und Sorgfalt, deren er fähig war; und nachdem er genügend bewaffnete Mannschaft im Schloß zurückgelassen, ritt er mit seinem Herrn, dem Kronprinzen, davon gen Burgund, ganz ahnungslos, welch einen gefährlichen Feind er in seinem Hause beherbergte.
Die genannte Sylvia war nämlich niemand anders als der verliebte Jüngling, den seine Base in Frauenkleider gesteckt, um auf diese Weise ihren Rachedurst an Berthe zu stillen und deren Unschuld zu vernichten. Der hübsche Junge war dem Herrn von Bastarnay ganz unbekannt, da er erst vor kurzem vorübergehend an den Hof gekommen war, im übrigen bei dem königlichen Bastard Dunois, der ihn erzog, als Page diente. Herr Imbert war im guten Glauben gewesen, ein Mädchen vor sich zu sehen, und hatte davon den Eindruck großer Schüchternheit und Bescheidenheit bekommen, denn der Junge, der befürchtete, er könne sich verraten, hielt seine Blicke immer sorgfältig gesenkt. Wenn Berthe ihn auf die Lippen küßte, zitterte er vor Angst, eine plötzliche Kleidfalte könne seine wahre Natur offenbaren und ihm den Tod bringen, noch ehe er an sein Glück gerührt hätte. Man kann sich darum denken, wie er frohlockte, als die Fallbrücke endlich herabgelassen wurde und der alte Herr davonritt. Er hatte in seiner Todesangst das Gelübde getan, einen Pfeiler zum Bau der Kathedrale von Tours stiften zu wollen, wenn er der drohenden Gefahr glücklich entrinne. Und wirklich gab er fünfzig silberne Mark, um damit seine Freuden Gott abzukaufen; aber anstatt Gott bezahlte er dem Teufel den Lohn, wie ihr sehen werdet, wenn ihr die Geduld habt, meiner Erzählung weiter zu folgen, welche kurz zusammengefaßt ein soll, wie es einer richtigen und guten Historie ansteht.