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Drittes Kapitel

Hoff und Hög hatten ihre Damen in eine Droschke gepackt, sie selbst gingen zu Fuß nach Haus. Die Luft war kalt und feucht, und auf den Straßen ein hoher Kot von dem tauenden Schnee. Hoff patschte sich mühsam vorwärts. Die Kälte durchschauerte ihn und er wickelte sich fester in seinen langen Mantel. »Gott mag wissen, warum wir das ganze Jahr Winter haben sollen ... in diesem herrlichen Lande!« sagte er.

»Ach was,« meinte William ziemlich schläfrig, »der Sommer ist auch nicht besser ...«

»Du meinst, daß alle Tage nicht viel wert sind ... ach ja, etwas ist daran ...«

Sie trotteten weiter.

»Nein ... so ein verdammter Schmutz,« machte Hoff seinem Unmut Luft, »und meine Stiefeln haben Löcher!«

»Und ich habe Ballschuhe an. Höre, hast du bezahlt?«

»Nein«, sagte Hoff gähnend »ich ließ es anstehen, ich konnte nicht bezahlen ...«, erneutes Gähnen und Kälteschauern, »bekomme erst in nächster Woche Vorschuß.«

»So. Hast du noch Zigaretten?«

»Ja – bitte.« Hoff zündete sich eine Zigarette an. »Ach, waren das langweilige Mädels ... wirklich irritierend beschränkt ... Und das nennt man Amüsement!« ...

Hög antwortete nicht darauf. »Du weißt vielleicht nicht, daß ich umgezogen bin,« sagte er eine Weile später. Es klang etwas gepreßt.

»Ja, ich habe es gehört ... warum hast du mir nichts davon gesagt?«

»Ach – ich weiß nicht ... es ist ... ja auch keine so wichtige Begebenheit ...« William sagte das verlegen und sah zu Boden.

»Hast du dich mit deiner Schwester entzweit?«

»Mein Gott ... es wurde ja so ein Wesen davon gemacht ... wenn man mal zehn Minuten nach elf nach Hause kam ...«

»Nun das hätte dich doch eigentlich nicht genieren können, das ist doch sicherlich nie passiert, solange wir uns kennen! Na, »Gut Nacht«, du, ich geh' jetzt nach Hause und lese Lamartine.«

»Lamartine?«

»Ja, bester Freund, das ist eine Pönitenz, ich habe jetzt angefangen, mich den Romantikern in die Arme zu werfen ...«

»Danke ... ich geh lieber zu Bett. Sehn wir uns morgen?« »Du kannst um zwei zu mir heraufkommen, aber pfeife draußen, damit ich weiß, daß du's bist, denn weißt du, meine Gläubiger ... Du verstehst mich ...«

»Es ist bei mir dasselbe! Gut Nacht!«

Sie trennten sich.

Einige Tage später, als Hoff, einen Band Viktor Hugo als Verdauungslektüre in der Hand, auf dem Sofa lag – er behauptete immer, daß Verse für ihn dasselbe bedeuteten wie kleine Steinchen für Hühner – klopfte es an die Tür.

Er lag mäuschenstille da, sah sich vorsichtig um, stand dann leise auf und schlich sich zur Tür Er hörte die Wirtin auf dem Korridor mit jemandem verhandeln, dann kam sie herein.

»Herr Gott ... ich hab' Ihnen doch ein für allemal gesagt, daß ich nicht zu Hause bin ...« flüsterte ihr Hoff in gereiztem Tone zu.

»Es ist ja eine Dame,« erwiderte die Frau trocken und öffnete die Türe.

»Na ... denn in Gottes Namen ...«

Der beliebte Autor war an Besuche in der Dämmerstunde gewöhnt. Etliche Damen, deren rosa Billetdoux zu beantworten er sich nicht die Mühe genommen, hielten es für angezeigt, sich persönlich vorzustellen.

Die Wirtin hatte die Tür weit geöffnet, aber die Dame zögerte einzutreten »Bitte ... Herr Hoff ist zu Haus ...« wiederholte die Frau in ermutigendem Tone, der zu sagen schien, daß sie nicht bange zu sein brauchte.

»Danke.« Die Fremde trat ein, blieb aber verlegen an der Tür stehn. Es war schon ziemlich dunkel geworden und Hoff unterschied nur eine hohe schlanke Gestalt, mit einem dichten Schleier vor dem Gesicht. Sie blieb weiter stehen, als ob sie auf etwas wartete.

Hoff ging ihr entgegen. »Wollen Sie nicht gefälligst Platz nehmen, Fräulein ... Legen Sie gefälligst Kohlen auf ...«, sagte er zur Wirtin gewandt.

Diese hantierte unnötig lange an dem Kohlenkasten herum Die Fremde setzte sich, einige unverständliche Worte flüsternd, auf den Rand eines Puffs, während Hoff Licht machte. Endlich verschwand die Wirtin.

Einige Augenblicke vergingen. Die Dame schwieg noch immer und schlug auch ihren Schleier nicht zurück. Hoff war inzwischen mit dem Anzünden fertig geworden und wandte sich zu ihr.

»Ich weiß nicht, ob ich die Ehre habe, das Fräulein zu kennen ...«

Die Fremde neigte den Kopf und sah eigentümlich gedrückt und unschlüssig aus, gleichsam, als ob sie mit sich selbst kämpfte. Dann sagte sie, den Schleier zurückschlagend, fast unhörbar: »Mein Name ist ... Nina Hög ...«

Hoff sah in ein bleiches, vergrämtes Gesicht; fast hätte er sie nicht wieder erkannt.

»Fräulein Hög ...«

»Ja ... ich ...« (die Worte wurden noch tonloser) »kam ... um über meinen Bruder mit Ihnen zu sprechen ...«

Er betrachtete eine Weile ihre kummervollen, schmerzlichen Züge und sah dann schweigend zu Boden.

Nina zupfte nervös an ihrem Mantel und zögerte weiterzureden.

»Er wohnt nicht mehr bei uns ...« brachte sie endlich heraus.

»Nein ...«

Hoff wußte nicht, was er sagen sollte; er wagte kaum aufzusehen, und studierte die Felder des Teppichs.

Es entstand eine neue Pause. Nina saß beständig, krampfhaft an dem Mantel zerrend, im Kampfe mit sich da. Plötzlich stieß sie schnell, von Schluchzen halb erstickt, heraus: »Es ist nicht etwa, weil ich Ihnen etwas vorwerfen will, aber ... ich bin zu unglücklich ... wir ... Sophie und ich ...«

Sie hielt inne und holte tief Atem. »Und dann kommen Sie ja auch soviel mit ihm zusammen ...«

»Sie meinen, daß meine Gesellschaft Ihrem Bruder nicht dienlich ist? ...«

»Nein ... nein ... nicht das ... aber ... was sollen wir tun? Wir wissen ja nicht mehr, was wir machen sollen ...« Nina zog ihr Taschentuch heraus und wischte sich die Tränen fort. »Das ist ja das Traurige dabei!«

Es entstand wieder Schweigen. Nina weinte leise vor sich hin. Hoff ging im Zimmer auf und nieder.

»Ja, das ist traurig ...« sagte er mechanisch.

»Und so meinten wir ... ob Sie nicht vielleicht etwas ... etwas tun könnten ...«

»Ich?« ... Hoff blieb stehn und sah Nina an.

Wenn er bloß wieder zu uns ziehen wollte!«

Es war etwas im Tone, womit sie das sagte, das Hoff förmlich ins Herz schnitt. Er merkte, daß ihm Tränen in die Augen traten und wandte sich um.

»Es war ein großes Unglück ... daß er damals ...«

Nina verstand, was er meinte; für sie existierte überhaupt nur dieses eine große Unglück. »Aber er konnte ja nicht.. sagte sie tonlos.

»Gibt es sonst nicht etwas, wofür er Interesse hätte?«

Sie antwortete nicht. Ein heftiges Schluchzen erschütterte ihren Körper; sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, sich auf den Tisch stützend. »Sieht er sehr schlecht aus?« fragte sie dann, sich gewaltsam zusammennehmend.

Hoff schüttelte verneinend den Kopf. »Er hat ja ein paar Artikel für die Zeitung geschrieben ... und ... und ... Sie müssen sich nicht ängstigen ...« Er hielt inne, nach Worten suchend und setzte darauf ruhiger fort: »Es ist vielleicht nur ein Übergang ...«

Nina sah fragend auf. »Aber die Artikel ... waren sie nicht sonderbar?«

»Ich glaube bestimmt, daß er Talent hat,« sagte Hoff.

»Glauben Sie?« Ein Hoffnungsschimmer leuchtete in ihrem Gesichte auf, verschwand aber sofort wieder. »Er hat ja keine Kräfte,« sagte sie dumpf.

»Ach, wenn er nur will ...«

Nina stand auf; machte aber keine Miene zu gehen, sondern blieb, an den Tisch gelehnt, stehen, als ob sie auf etwas wartete.

»Sie werden sehn, es ist nur ein Übergang,« wiederholte Hoff, »die große Enttäuschung ... natürlich .... da kommt eine Reaktion ...«

Nina blieb noch immer, wie zögernd, stehn, zog den Schleier herunter, machte darauf ein paar Schritte und blieb wieder stehn. Dann sagte sie ganz leise, das Gesicht nach der andern Seite wendend: »Ja, aber ... mit dem Gelde ...«

Sie hielt den Schleier mit der Hand fest, so daß er das Gesicht ganz in Schatten hüllte, aber Hoff sah dennoch, wie sie bebte.

»Er braucht soviel Geld ... und wir ... und er ist nicht reich.«

»Ja ... er ... braucht ja etwas viel ...«

»Aber – – wo nimmt er's her?«

»Ja-a,« Hoff stotterte, »er ... verdient ja etwas bei der Zeitung ...«

»Es ist unsres alten Namens wegen ... mir ist so angst ...« Hoff ergriff gerührt ihre Hand. »Wenn ich irgend etwas tun kann ...«

»Wenn er nur wieder nach Hause käme! ... Wenn auch nur ab und zu ... wir bekommen ihn ja gar nicht mehr zu sehn ...«

»Und wir ... und ich ... will ihm auch gar keine Vorwürfe machen ...« Sie seufzte tief auf und wandte sich nach der Tür. »Und, entschuldigen Sie auch, bitte, daß ich zu Ihnen kam ... ich wußte mir keinen andern Rat mehr ...«

 

Ein paar Tage später suchte Hoff William auf.

Dieser wohnte in einem ungemütlichen Zimmer mit kahlen nackten Wänden, welches geradezu den Eindruck machte, kalt und unbewohnt zu sein. Auf dem Boden lag kein Teppich, keine Decken auf Tisch und Kommode, dagegen trieben sich überall Kämme, Haarbürsten, schmutzige Kragen und abgelegte Schlipse herum.

In einer Ecke stand eine große, schwarz bezogene Chaiselongue mit einer eleganten Decke, in welche ein großes Monogramm, mit Krone darüber, gestickt war. Dieser Gegenstand sah wie der letzte Rest einer vergangenen Herrlichkeit aus.

»Guten Morgen!«

»Guten Morgen.« William erhob sich halb von der Chaiselongue, auf welcher er den größten Teil seines Tages verbrachte. »Ach, du bist's ... ich lag und duselte bißchen ...«

»Das sehe ich ... Ob es gerade gesund ist, in der Hundekälte hier, so dazuliegen ...« Hoff ging auf den Kachelofen zu und befühlte ihn. »Was? ... heizt du denn überhaupt nicht?«

»Es sind gewiß keine Kohlen mehr da,« antwortete er in gleichgültigem Tone.

Hoff sah nach. »Nein ... das stimmt ...«

»Die Wirtin hat es mir übrigens schon gesagt. Du mußt deinen Überzieher anbehalten ...«

»Du hast dich ja in den letzten Tagen gar nicht sehn lassen?« Hoff plazierte sich in den einzigen vorhandenen Lehnstuhl und stemmte die Füße gegen die Wand.

»Ich war gestern Abend mit Storm zusammen ... und Lund und Minna ...«

»Gott mag wissen, weshalb du dich mit Storm abgibst ...«

»Warum nicht ... er ist doch ganz nett ...«

»O ja ... und dann ist er sehr zum spendieren geneigt!«

William wurde rot. »Gestern ging es auf Teilung ... Es wurde tüchtig getrunken.«

Eine Weile schwiegen beide. Dann sagte Hoff: »Du, ich habe gestern deine Schwester getroffen ...«

»Nina?«

»Ja – sie sah schlecht aus ...«

William antwortete nicht.

»Bist du in den letzten Tagen bei ihr oben gewesen?«

»Nei-n,« antwortete William zögernd, »es ist schon eine Weile her.«

»Soo, ich dachte, du aßest dort.«

»Nicht mehr ... es ist mir so bequemer.«

Hoff stand auf und setzte sich neben William auf die Kante der Chaiselongue.

»Höre Hög ... laß uns mal ernsthaft reden ...«

»Worüber denn?«

»So kann's doch nun mal mit dir nicht weiter gehn ... in dieser Weise ...«

»Nein ... eigentlich nicht gut ...« Es klang ganz gleichgültig.

»Aber, Mensch ... so tue doch etwas ... wenn du leben willst.«

William schloß müde die Augen. »Ach ja – wenn ich ... leben will – aber ich will nicht leben.«

»Na – dann häng' dich auf!«

»Daran hab' ich längst gedacht.«

»Aber dir fehlt der Mut dazu ...«

»Ach, weißt du,« sagte William in schläfrigem Tone, »vorläufig finde ich, daß Minna recht niedlich ist ...«

»Das läßt sich nicht leugnen.«

»Es ist zu merkwürdig mit dem Mädel. Man geht abends von ihr und sie hat einem ... weiß Gott, nichts verweigert. Und den nächsten Tag, wenn man sie trifft, glaubt man, meiner Seele, daß man geträumt haben muß, so unschuldig guckt sie in die Welt ...«

»Wird sie nicht von Storm ausgehalten? ...«

»Ja. Das ist ja eben das Merkwürdige an der Sache.«

Hoff stand auf und nahm William's Hand. »Ich sehe, es ist heut nichts mit dir zu machen ... aber wir müssen einmal ernstlich darüber sprechen, William.«

Dieser sah den Freund verwundert an, er pflegte ihn sonst nicht beim Vornamen zu nennen. Eine Weile ruhten ihre Blicke ineinander. Dann beschattete sich William das Gesicht mit den Händen und sagte in verändertem traurigen Tone: »Es kann doch nichts nützen!«

»Vorbei, vorbei ...« murmelte Hoff, als er einen Augenblick später die Treppe hinunterging.

 

Aber ich kann heute noch nicht bezahlen, hören Sie ja ... ich kann nicht!«

»Dann hätten Sie dieses Papier nicht unterschreiben dürfen,« antwortete Herr Olsen ruhig.

William knöpfte sich nervös den Rock zu. »Sie bekommen ja das Geld schon in acht Tagen ... also können Sie doch warten ...«

»In acht Tagen ist nicht heute, Herr Hög, und,« der Wucherer faltete das Papier auseinander, »hier steht, daß die Summe heut verfällt.«

William wurde es ganz heiß. »Aber ich kann nicht bezahlen ... ich kann nicht!«

Herr Olsen faltete ruhig das Blatt wieder zusammen. »Wenn nicht, so bleibt mir ja Ihr Gerant,« sagte er mit eigentümlich lauerndem Blick. William starrte wie geistesabwesend in die gläsernen Augen des Wucherers. Dann schloß er wie im Schwindel die Lider. »Ja,« flüsterte er tonlos. Der Angstschweiß lief ihm tropfenweise von der Stirn.

»Und es ist ja ein guter Namen,« fuhr Herr Olsen fort, »ein feiner Namen ...«

William sah wieder auf; beständig fühlte er den Schlangenblick des Wucherers auf sich gerichtet.

»Das Geld ist ja sicher,« sagte Herr Olsen lauernd und strich wie zärtlich mit der flachen Hand über das Papier.

Williams Kopf fiel dumpf auf die Brust. Dann, wie in einem plötzlichen Ausbruch von Heftigkeit, fuhr er mit einmal auf:

»Nein, Sie werden es nicht tun. Sie können es nicht ...«

»Was? Den Wechsel präsentieren?«

»Nein, Sie werden es nicht tun ...«

»Warum?«

»Weil,« William stockte und wurde glühend rot, »weil ... Sie wissen, daß er falsch ist – – –«

Herr Olsen schien noch eine Schattierung gelber im Gesicht zu werden: »Sollte das mich wohl hindern, zu suchen ... zu meinem Gelde zu kommen?« fragte er heiser.

William konnte keine Antwort finden.

»Aber ich will Ihnen eine Frist bis übermorgen geben ... Wenn Sie bis dahin das Geld nicht aufgetrieben haben, werde ich dem Herrn Baron den Wechsel präsentieren.« Damit stand er auf.

William sah müde auf. »Zwei Tage ...« sagte er tonlos.

»Zwei Tage sind eine lange Zeit ... Empfehle mich, Herr Hög.« William nickte bloß. Mechanisch zog er seinen Überzieher an, nahm den Hut und ging die Treppe hinunter. Er wußte nicht, wie er auf die Straße kam, er war vor Angst wie gelähmt.

»Übermorgen ... also übermorgen ...« murmelte er vor sich hin.

Des Wucherers Stimme klang ihm immer noch in den Ohren: »Das ist eine lange Zeit.« Jawohl, und am Ende dieser langen Zeit würde die Welt erfahren, daß der letzte Hög ein Verbrecher war.

Er hatte des Barons Namen nachgezeichnet – es sollte nur eine bloße Formalität sein ... der Wucherer wußte ganz gut, wie es zusammenhing ... er hatte ihm allein nicht getraut, wollte Garantien haben ... und da ...

Aber nun ... nun ... Nein, es durfte nicht geschehen ... Und seine Gedanken flohen ratlos und verwirrt nach tausend Richtungen, um eine eingebildete Hilfe zu finden – wie verzweifelte Menschen bei einer Feuersbrunst, wenn schon das Dach über ihnen zusammenstürzt, in ihrer Todesangst noch einen Ausweg suchen ...

Bald wollte er zum Baron gehn, beichten und um Hilfe flehn, bald wollte er sich an Nina wenden ... Aber einen jeden dieser Pläne schob er bald als unmöglich zur Seite. Dann suchte er wieder und wieder unter den Leuten seiner Bekanntschaft herum, ob ihm nicht einer das Geld leihen würde.

Zuletzt dachte er, ob es nicht das Beste wäre, sich der Gräfin Hatzfeldt zu eröffnen. Doch auch das war ihm unmöglich. –

Nach und nach, während er so planlos umherirrte, wurden seine Gedanken zu Phantasien. Das Geld würde schon kommen, auf eine wunderbare Weise vielleicht, aber es kam sicherlich. Er begann sich auszumalen, wieviel er wohl bekommen würde ... Ja, ganz plötzlich kam es mit der Post und viel mehr als er brauchte, hurrah, dreitausenddreizehn Kronen waren es ... Nun wollte er erst alles bezahlen und sich dann für den Rest der Summe wie Hoff einrichten ...

Plötzlich aber brachen seine schönen Träume zusammen und er begann wieder von vorne zu suchen. Er wollte nicht zu seinen Bekannten gehen, nein, von einem ganz fremden reichen Manne wollte er das Geld borgen. Und wieder wurden seine Gedanken zu Phantasien. Er sah sich schon im Geiste die teppichbelegte Treppe herunterkommen, das Geld in der Hand.

Dann kam ihm wieder die schreckliche Wirklichkeit zum Bewußtsein, und er ging die Namen der Börsenmatadore durch, um einen herauszufinden, den er um das Darlehn angehen wollte. Auf einmal fuhr ihm durch den Sinn, daß es wohl am besten war, sich an einen Parvenü zu wenden. Er war ja ein Hög. Das würde dessen Eitelkeit kitzeln. Kommerzienrat Christensen z. B. hatte eine Schwäche für den Adel; er suchte möglichst seinen Salon mit alten Namen auszustaffieren und hatte seine drei Töchter an Kammerjunker verheiratet.

Er trat in einen Konditorladen, ließ sich das Adreßbuch geben, schrieb sich die Wohnung auf und ging direkt dorthin.

Der Kommerzienrat saß gerade beim Frühstück, und der Diener bat William, im Salon zu warten. Um sich die Zeit zu vertreiben, ging er im Zimmer umher und betrachtete zerstreut die vielen Nippessachen, die auf Etageren und Schränkchen aufgestellt waren. Ein ganzes Museum. Und während er auf all diese prahlerisch zusammengehäuften Dinge sah, sagte er beständig zu sich selbst: »Gewiß, er leiht es mir ... er gibt es mir ...«

Da trat der Kommerzienrat ein und wandte sich, während er noch wie glättend über seine rötliche Perücke fuhr, mit einem verbindlichen Lächeln an William.

»Ich habe die Ehre ...Herrn Hög ...?« Die weiteren Worte erstarben auf seinen Lippen, als er in Williams bleiches, verstörtes Gesicht sah, und das Lächeln wurde zu einem Fragezeichen.

»Von der alten Familie?« fragte er dann, sich gemächlich auf einem Sessel niederlassend.

»Ein Enkel des Ministers,« antwortete William leise und stützte sich an den Tisch.

Herr Christensen fuhr fort, ihn durch seine Goldbrille inquisitorisch zu betrachten. »Eine gute Familie – eine alte Familie,« murmelte er und wies auf einen Stuhl.

William setzte sich. Der Kommerzienrat wartete, daß er sein Anliegen vorbrachte, aber als der junge Mensch beharrlich schwieg, setzte er in philosophierendem Tone hinzu: »Solche große Namen sind ein Versprechen ...«

Endlich kam William mit der Sprache heraus. Er sah verlegen in die Luft und sagte: »Ich komme um ... ich komme.. Dann stockte er. Der Kommerzienrat räusperte sich und bewegte sich leicht auf seinem Sitz.

»Ich komme ... Ich bin in Geldverlegenheit,« brachte William endlich heraus.

Herr Christensen rückte seinen Sessel ein wenig zurück und sagte lächelnd: »Das kommt bei jungen Leuten öfters vor ...«

William wartete mit angehaltenem Atem, die Augen fest auf den Boden gerichtet, was weiter kommen würde.

»Aber,« und dabei erhob sich der Kommerzienrat. »Warum gehen Sie nicht zu ihrer geehrten Familie ... Sie haben ja Onkels ...«

William zuckte zusammen, dann zwang er sich zu einem Lächeln: »Das geht immer so ...« er stützte sich beim Aufstehn an den Tisch, um nicht umzufallen, »an das nächste denkt man zuletzt ...«

»Gewiß, gewiß,« Herr Christensen nahm wieder die verbindlichste Miene an, »ich hülfe Ihnen natürlich gerne ... aber es würde Ihnen doch gewiß unangenehm sein ... ja, geradezu etwas Verletzendes für Sie haben, von einem Wildfremden Hilfe anzunehmen.«

William wollte etwas sagen, stotterte und brachte endlich heraus: »Ich danke Ihnen, Herr Kommerzienrat.« Damit wandte er sich nach der Tür.

»Und ich hoffe, Sie ein andres Mal wiederzusehen, Herr Hög.« William ging nach Haus, er verbrachte den ganzen Tag auf seinem Sofa, ließ sich von der Wirtin ein Paket Zigaretten holen und dampfte unaufhörlich bis zum Abend. Er ging früh zu Bett und schlief gleich ein.

Als er am nächsten Morgen erwachte, hatte er nicht die Energie aufzustehn. Wozu auch? Es würde ja doch kommen, mußte ja kommen, also warum nicht ebensogut ruhig liegen bleiben und es entgegennehmen? Er kam sich wie ein Verbrecher vor der Hinrichtung vor, der – wissend, daß er sterben muß – angstvoll auf die Vollstreckung wartet.

Aber späterhin im Laufe des Tages wurde er immer unruhiger; er konnte es nicht mehr aushalten, allein zu bleiben, er mußte jemanden haben, mit dem er reden konnte. Vom Fieber geschüttelt, stürzte er davon, wie gejagt. Er ging zu Hoff, den er nicht zu Hause traf, darauf zu Gerson – aber auch dieser war ausgegangen ... Mittlerweile war es Dämmerstunde geworden; planlos trieb er die Oestergade auf und nieder. Die Leute kamen in der engen belebten Straße nur langsam vorwärts: man stieß einander im Gedränge auf dem Trottoir, plauderte, lachte und schob sich weiter. William beobachtete all diese Gesichter. Da waren die Damen der Demimonde, die zu zwei und zwei gingen und verheißungsvoll hinter ihren Schleiern lächelten. Da die jungen Löwen der Gesellschaft mit ihren hochaufgeklappten Rockkragen, das Lächeln der Damen mehr oder weniger eilig beantwortend – William kannte sie alle. Er nickte grüßend, kokettierte mit ein paar der Huldinnen und wechselte einige Worte mit Lund, der ihn fragte, ob sie sich am Abend treffen wollten. »Es könnte sein ...« »Vielleicht im Boulevardtheater ... eine neue Chansonette debütiert ...?«

William kam es vor, als hätte er nie die Stimmung dieser Dämmerstunden auf der Oestergade so genossen wie heut. Er schlürfte diesen eigentümlichen Rausch sorgloser Leichtfertigkeit in vollen Zügen, beantwortete jedes Lächeln, erwiderte jeden Blick.

Und gleichzeitig sagte er sich, daß er dies alles zum letztenmal genießen sollte! Morgen kam ja das Fürchterliche ... Der Schluß der Geschichte! Wo und wie war ihm noch nicht klar ... er wußte nur, daß er ein Ende machen mußte. Und bei diesem Gedanken wurde es ihm ganz weich ums Herz, das letztemal, der letzte Tag! Er sollte all dies nie Wiedersehn, niemals – – – Und nach und nach wurde es ihm ganz eigen traurig zumute, eine fast zärtliche Rührung, ein tiefes Mitleid mit sich selbst überkam ihn. Dann fielen ihm die Schwestern ein, und er faßte den Entschluß, den Abend bei ihnen zu verbringen. Ja, den letzten Abend wollte er bei ihnen sein, wie in alten Tagen, Nina mußte ihm etwas vorsingen ... Und so wollte er traulich bei ihnen sitzen, Sophie liebkosen und recht heiter sein ... und sie würden nichts ahnen.

Er ging in die alte Wohnung hinauf. Die Fräuleins waren nicht zu Haus, sagte das Mädchen. Ob der junge Herr vielleicht warten wollte, sie kämen sicher bald zurück.

Zum Warten fehlte ihm aber die Ruhe und so sagte er, sie sollte ausrichten, daß er um acht Uhr wiederkäme.

Die Treppe hinuntersteigend fiel ihm ein, daß er den Schwestern abends etwas vorlesen und die Zwischenzeit benutzen wollte, nach Hause zu gehn, um ein Buch zu holen. Der Abend sollte zu einem feierlichen Abschiedsfeste werden!

Als er in seine Wohnung kam, empfing ihn die Wirtin damit, daß der Briefträger schon zweimal mit einem Geldbriefe dagewesen war; er wollte um sieben Uhr wiederkommen.

»Ein Geldbrief?«

»Ja.«

William wurde es ganz heiß. Er zündete kein Licht an, sondern lief im Dunkeln im Zimmer auf und nieder.

»Wie spät ist's jetzt?«

»Halb sieben.«

Ein Geldbrief ... ein Geldbrief ... vielleicht vom Kommerzienrat ... ja vielleicht – – –

Sein Herz schlug zum Zerspringen; er hielt es nicht in seinem Zimmer aus, ging nach der Küche, spielte ein wenig mit den Kindern der Wirtin, ließ sie dann wieder stehn und ging hinunter vor die Tür. Mit einemmal durchfuhr ihn der Gedanke: Wenn es nun nicht wahr war? Er ging wieder hinauf, fragte die Wirtin genau aus, ob sie auch wirklich mit dem Briefträger gesprochen, ob sie den Brief selbst gesehen hatte-

Endlich kam der Mann. William wurde leichenblaß vor Erregung, bemühte sich aber, seiner Stimme einen möglichst ruhigen Klang zu geben.

»Haben Sie einen Geldbrief für mich?«

»Ja ... von tausend Kronen, Herr Hög.«

William packte seinen Arm. »Tausend Kronen,« sagte er atemlos, »wo sind sie?«

»In der Tasche hier ... aber erst bitte zu quittieren.«

Endlich hatte er seinen Brief. Er riß ihn auf, sah einen Augenblick wie geistesabwesend auf die zehn Hundertkronennoten, dann fing er an sie zu zählen und wieder zu zählen und steckte sie in seine Brieftasche. Aber bald darauf zog er sie wieder hastig heraus und legte sie vor sich auf den Tisch.

Er war ängstlich, daß sie wieder verschwinden könnten, wie im Traume, und wollte sie lieber vor den Augen haben ...

Das Geld war von seinem Paten, wie er aus einem beiliegenden Briefe ersah. »Ich sende Dir,« schrieb dieser, »das Geld in dem Glauben, daß Du mein Vertrauen nicht mißbrauchen und den richtigen Gebrauch davon machen wirst. Im Laufe von acht Tagen erwarte ich die quittierten Rechnungen.«

Er hatte ganz vergessen gehabt, daß er vor 33 Tagen seinen Paten um Geld gebeten; er hatte damals an so viele geschrieben!

Nun saß er da und zerbrach sich den Kopf, wo er diese Rechnungen hernehmen sollte!

Als er von Olsen kam, dem er seine 500 Kronen bezahlt hatte, ging er wieder auf die Oestergade. Die Straße war inzwischen ziemlich leer geworden. William schlenderte bedächtig das Trottoir entlang.

»Na woll'n wir jetzt gehn?« hörte er Lunds Stimme hinter sich fragen. Gleichzeitig bekam er einen leichten Hieb mit einem dünnen Stöckchen über die Schulter.

»Bist du's?«

» C'est moi ... Bist du bei Kasse, Hög?«

»Ja ... ich habe eben einige Moneten geschunden ... aber ich sollte eigentlich jetzt zu meinen Schwestern nach Haus ...«

»Brrr ... Familiensimpelei! Nein, bester Freund ... dazu hast du Zeit, wenn du aus guten Gründen ein Freibillet an der Kasse nehmen mußt ... Der Teufel mag dünnen Tee trinken, wenn man Moses und die Propheten in der Tasche hat und sich Wein leisten kann! ...«

»Und dann ist ja auch das Debüt ... ich komme doch ...«

»Bravo! Du, da nehmen wir die kleine Minna mit ... sie sitzt in der Konditorei an der Ecke und wartet auf mich.« ...

»Zünde die Lichte am Klavier an, Sophie,« rief Nina vom Speisezimmer aus, wo sie damit beschäftigt war, Apfelkuchen in Stücke zu schneiden und diese auf einer Glasschale zu arrangieren.

Sophie zündete die Kerzen an und sah nach dem Kachelofen. Nina überblickte noch einmal den Eßtisch und rückte vielleicht zum zehnten Male die aufgestellten Teller und Schalen zurecht. »Nun muß er jeden Augenblick kommen,« sagte sie, ins Wohnzimmer tretend. Sophie nahm ihre Näharbeit zur Hand, während sich Nina neben das Klavier setzte und vor sich hin summte.

»Höre Nina ... Du sagst ihm aber nichts ... nicht ein vorwurfsvolles Wort ... gar nichts ...«

»Selbstverständlich ...«

»Denn es würde ihn nur verscheuchen ...«

»Natürlich!«

Es klingelte an der Haustür. »Das wird er sein.« Nina stürzte ins Entree.

»Nein, es war jemand zu Kammerherrns ...« Sie setzten sich wieder.

»Nun ist es schon acht vorbei,« sagte Sophie, die alle fünf Minuten auf die Uhr sah. Jeden Augenblick klingelte es an der Haustür, aber der Ankömmling landete stets in einem der unteren Stockwerke.

»Am Ende hat er gar nicht acht Uhr gesagt!« meinte Sophie.

Sie warteten weiter. Nina hatte bereits rote Fieberflecke auf den Wangen bekommen: »Er wird sich verspätet haben ...«

Das Mädchen kam herein und fragte, ob sie nicht das Teewasser bringen sollte, es kochte immer über und es war doch schon so spät.

»Laß es stehen,« sagte Nina.

Sie stand auf und ging, mit den Händen auf dem Rücken, lange im Zimmer auf und nieder. »Er hätte doch wenigstens einen Boten schicken können!«

Sophie trocknete sich die Tränen mit der Leinwand, an der sie nähte. »Sollen wir ihn nicht holen? Wie denkst du? ...«

Nina schüttelte den Kopf. Es verging einige Zeit, während welcher keine von ihnen ein Wort sprach. Wenn die Klingel an der Haustür ertönte, sahen sie beide gleichzeitig auf, und ihre Blicke streiften einander, wie sie so bleich und verkümmert dasaßen.

»Jetzt essen wir aber,« sagte Nina, sich aufraffend.

»Ich bin nicht hungrig.«

»Aber das kann ja nichts nützen ... Komm, Kind, sei vernünftig ...«

Sie setzten sich zu Tisch. Während sie sich zum Essen zwangen, meinte Nina, daß er nicht kommen konnte, er hatte gewiß noch schnell einen bestellten Artikel für die Zeitung schreiben müssen ...

»Nein ... er hat gewiß keine Zeit gehabt ...«

Nina nahm die Glasschale mit dem Apfelkuchen und legte ein Stück davon auf Sophies Teller.

Endlich sagte diese »Gute Nacht« und ging zu Bett.

Als die Schwester hinausgegangen war, erhob sich Nina schwer von ihrem Sitz und sah sich verzweifelt in ihrem Zimmer um. Ihr Blick fiel auf Stellas Bild, das über dem Sofa hing. Sie ging langsam darauf zu und sah es unter Tränen an, dann fiel sie auf die Knie und betete in ihrer Hilflosigkeit stille vor dem Bilde der Mutter. Lange blieb sie so liegen. Darauf erhob sie sich und legte frische Kohlen auf die Glut. Sie weinte nicht mehr. Aber das fahle graue Licht des Wintermorgens fand noch Nina Hög bleich und kummervoll vor dem erloschenen Feuer – unbeweglich an derselben Stelle.

 

William kam erst spät am andern Morgen nach Haus. Er war verbummelt und müde, legte sich gleich zu Bett und schlief bis spät in den Tag hinein. Um drei Uhr nachmittags kam die Wirtin und weckte ihn William drehte sich im Bett herum, rieb sich die Augen, streckte und dehnte sich; es war ihm schlecht zumute. »Was wollen Sie?« fragte er schlaftrunken.

»Hier ist ein Brief.«

William sah nach der Adresse, es war Ninas Schrift. Er legte den Brief schnell aus der Hand, als ob er ihn brannte, und wandte sich wieder nach der Wand um. Er konnte aber keine Ruhe finden, er mußte ihn öffnen. Anfangs fürchtete er sich, ihn zu lesen, atmete aber gleich erleichtert auf, als er nur die wenigen Worte darin fand:

»Wir haben dich gestern erwartet. Deine Schwester Nina.«

Der Brief entfiel seiner Hand und glitt langsam an dem Federbett entlang auf den Fußboden. William nahm ihn nicht auf. Er lag ganz gedankenlos da und starrte auf die Wand. Dann auf einmal fuhr er aus dem Bette auf und tauchte seinen Kopf in die mit kaltem Wasser gefüllte Schüssel. – –

In der letzten Zeit hatte sich William auffallend verändert, es war eine merkwürdige Milde über ihn gekommen, eine eigentümliche schwermütige Demut, die ihm sonst ganz fremd war. Als ihn Nina das erstemal nach längerer Pause wiedersah, wurde sie von seinem Wesen förmlich schmerzlich betroffen. Er trug das Gepräge einer schweigenden, gleichsam um Verzeihung flehenden Resignation. Sie zog ihn an ihre Brust und sagte traurig: »Wie ich mich nach dir gesehnt habe!«

»Danke,« sagte er mit schwachem Lächeln. Er sprach wenig, saß ganz still da, sah die Schwestern an und hörte ihnen zu. Er kam Nina so verkümmert vor, es war so etwas eigentümlich Hilfloses, Jämmerliches an ihm, daß es ihr ins Herz schnitt. Sie behandelte ihn wie ein krankes Kind, verhätschelte ihn, wie sie nur konnte, und er nahm diese Zärtlichkeit mit demselben müddankbaren Lächeln entgegen, womit Kranke ihrer Pflegerin zu danken pflegen.

Als er nach Hause kam, mochte er nicht zu Bett gehen; er war zu erregt, um schlafen zu können. Eine Weile ging er gedankenvoll im Zimmer auf und nieder, setzte sich darauf an seinen Schreibtisch, blätterte eine Weile in ein paar alten Aufsatzheften, dann legte er sich ein paar Bogen Papier zurecht und fing zu schreiben an. Mitunter stand er dazwischen auf und ging einige Male auf und ab, dann setzte er sich hin und schrieb drauf los. Seine Bewegungen hatten etwas merkwürdig mechanisches, schlafwandlerhaftes an sich. Wenn er im Zimmer umher ging, bewegten sich seine Lippen, als ob er spräche. Der nächste Morgen fand ihn noch immer an seinem Schreibtisch.

Zwei Tage später kam William um elf Uhr abends zu Hoff hinauf.

»Guten Abend, Hoff.«

»Guten Abend ... warum bist du gestern nicht gekommen, ich hatte dich erwartet?«

»Ich habe ein Stück geschrieben ... einen Einakter.«

»Was hast du geschrieben, Mensch ...?«

»Ein Theaterstück.«

Hoff stand ganz paff da. »Wann ist denn das vor sich gegangen?«

»In den letzten Tagen.« William zog das Manuskript heraus: »Willst du's hören?«

Hoff traute seinen Ohren nicht. »In den letzten Tagen ... na, da wirst du wohl ein Genie, ehe wir's uns versehn!«

William las seinen Einakter vor, und als er fertig war, wollte er das Manuskript wieder zu sich stecken.

»Nein, bester Hög ... gib mir das Ding ...«

»Was willst du denn damit?«

»Es anbringen, mein Lieber.«

»Ach, wo denkst du hin, das ist ja kein Bühnenstück.«

»Vielleicht nicht ... aber es ist voller Stimmung, und das ist schon viel wert!« Hoff fing an, das Heft durchzublättern. Er las ein paar Szenen. »Etwas ist darin,« sagte er dann vor sich »etwas ist darin ...«

Er schlug die letzte Seite auf. »Aber daß gerade du als Siegesprophet auftrittst! ... Na, übrigens desto besser ... Oder meinst du es vielleicht ironisch?«

»Ich weiß nicht recht ...« William hielt einen Augenblick inne, »vielleicht ist es Resignation ...«

»Na, das wäre mir die richtige Zeit zu resignieren, jetzt, wo du eben beginnen sollst!«


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