Eduard v. Bauernfeld
Bürgerlich und Romantisch
Eduard v. Bauernfeld

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Vierter Act.

(Garten.)

Erste Scene.

Rath Zabern und die Räthin (sitzen am Theetisch), Katharine (neben der Räthin schneidet Figuren aus). Fritz (steht neben ihr). Cäcilie (sitzt am andern Ende und strickt). Sittig (neben ihr, liest die Zeitung. An der andern Seite der Bühne steht Katharinen's Stickrahmen).

Sittig (indem er die Zeitung weglegt). Das Blatt enthält fast gar nichts. (Wendet sich zu Cäcilien.)

Rath (gähnend). Die Zeitung wird immer langweiliger.

Räthin. Desto besser, mein Schatz! Ich wollte, die Zeitungen wären gar nicht erfunden. Was kümmern mich die Franzosen und die Engländer!

Rath. Ei, mein Kind! Man muß doch den Weltlauf beobachten.

Räthin. Fegte doch ein Jeder vor seiner Thür und ließe die Anderen gewähren! Das ist meine Politik. Nicht wahr, Cäcilie?

Cäcilie (macht ihre Hand von Sittig los). Ja, Mama.

Katharine. Nun bin ich fertig. Sehen Sie, Fritzchen? Pferde und Wagen – die schönste Equipage!

Fritz. Prächtig! Nun fehlt noch der Kutscher.

Räthin. Fritz, Du wirst dem Fräulein lästig.

Katharine. Nicht doch, Frau Räthin. Kommen Sie, Fritz, wir wollen gleich einen Kutscher machen.

Rath. Sie werden den Burschen verderben, Fräulein, und uns mit ihm. Einen Thee haben Sie da componirt, einen wahren Göttertrank! Ich möchte wohl noch um ein Schälchen bitten – (indem er seine Frau ansieht).

Räthin. Nein, nein, es erhitzt Dich.

Katharine. Man kann Wasser zugießen. Darf ich, Frau Räthin? Ich mach' ihn recht schwach.

Räthin. Eine halbe Schale denn –

Katharine. Sogleich.

Rath. Nehmen Sie den Dank eines halb verhungerten Menschen.

Räthin. Du denkst an nichts als an's Essen!

Rath. Ach, es ist ein so schöner Gedanke! (Schlürft.) Das schmeckt! Dort liegt ja ein Brötchen – Sie sind als ein wahrer Schutzengel in unser Haus gekommen, denn mein verliebtes Fräulein Tochter dort –

Cäcilie. Papa –

Räthin. Herr Gemahl –

Rath. Ich sage ja nichts. Aber Sie kommen mir vor, als ob Sie auch meine Tochter wären.

Cäcilie. Und mir, wie meine Schwester.

Rath. Gestern Abends, als Se. Excellenz Sie zu uns brachte, und Sie so munter schwatzten und uns so Vieles erzählten – ich bin sonst meine Partie gewohnt – aber ich will mich nie wieder satt essen, wenn Sie mich nicht besser unterhalten haben als die schönste L'hombre-Partie. Man fühlt sich gleich so heimlich, so behaglich, so vertraulich mit Ihnen.

Cäcilie (leise zu Sittig). Das haben Sie auch gefunden!

Sittig (eben so). Reizen Sie mich nicht, sonst –

Räthin. Sie bringen mir meinen phlegmatischen Herrn Gemahl in Feuer und Flammen, Fräulein.

Katharine. Sie sind alle so gut, so freundlich! Aber lassen Sie dem wilden Mädchen nur Zeit, es wird sich nach und nach in das Ungewohnte finden.

Zweite Scene.

Vorige. Präsident. Baron Ringelstern.

Präsident (im Auftreten zum Baron). Sie mögen sagen, was Sie wollen, der Sittig hatte doch eine Art Verständniß mit ihr.

Cäcilie (zu Sittig). Unser Freund –

Sittig. Und Se. Excellenz!

Rath. Se. Excellenz! (Alle stehen auf.)

Präsident. Guten Morgen, Herr Rath! Gnädige Frau! Verzeihen Sie, daß ich so früh komme, um mich nach dem Befinden meines Schützlings zu erkundigen. (Zu Katharine.) Wie geht es Ihnen, mein Fräulein?

Katharine. Wie dem Fisch im Wasser.

Präsident. Nun, das freut mich. (Zu Cäcilien.) Und Sie, mein Fräulein, wie sind Sie mit Ihrer neuen Gesellschafterin zufrieden?

Cäcilie. Ich habe eine Freundin gefunden, die ich längst entbehrte.

Präsident. Das ist schön, das ist gut. – Herr Neffe, da hatten Sie einen klugen Einfall. – Herr Rath, Sie sprachen ja gestern von einem Glashaus, von seltenen Blumen –

Rath. Aufzuwarten, Excellenz. Das Glashaus befindet sich dort am Ende der Allee.

Räthin. Wir werden die Ehre haben, Eure Excellenz dahin zu begleiten. – Lieber Sittig, holen Sie den Schlüssel.

Sittig. Sogleich. (Ab.)

Präsident. Ein recht gefälliger junger Mann! – Neffe, gehen Sie mit?

Baron. Ich?

Präsident. Sie scheinen etwas zerstreut. Soll ich Ihnen von Ihrer Braut erzählen?

Sittig. (kommt zurück.) Da ist der Schlüssel –

Räthin. Excellenz, wenn es gefällig wäre –

Präsident. Ich bitte – ich bin recht begierig. Sollten Sie wirklich eine Draco-Cephalum und Theobroma-Cacao besitzen? Die Species sind kostbar. Meine Gnädige – (Reicht der Räthin den Arm). Auf Wiedersehen, meine schönen Fräulein!

(Alle ab bis auf Katharine und Cäcilie.)

Dritte Scene.

Katharine. Cäcilie.

Cäcilie. Ein liebenswürdiger Mann, der Präsident – so heiter, so gesprächig –

Katharine. Ganz gewiß. Aber sein Neffe sah sehr ernsthaft aus.

Cäcilie. Gegen seine Gewohnheit. Warum bleibt er nicht bei uns? Kümmert ihn das Draco-Cephalum, welches, glaub' ich, auf deutsch Drachenkopf heißt? Unsere Köpfe sind doch weit interessanter!

Katharine. Wer weiß! Sein Onkel sagte etwas –.

Cäcilie. Auch der Neffe war nicht stumm; seine Augen sprachen ganze Abhandlungen.

Katharine. So? Ich hab' ihn kaum angesehen.

Cäcilie. Ich um so mehr. Wenn Sie den Mann ganz kennen würden! Ich hab' ihm viel zu danken.

Katharine. Wirklich? – Liebe Freundin, wollen wir nicht das lästige »Sie« wegwerfen? Sie nannten mich vorhin Schwester. Schwestern pflegen sich »Du« zu nennen.

Cäcilie. Von ganzem Herzen.

Katharine. Also – Du.

Cäcilie. Du Schwester! (Umarmen sich.)

Katharine. Schwester Cäcilie, was hast Du denn dem Baron zu danken?

Cäcilie. Mich selbst, die Erkenntniß meiner Fehler; ich werde ein langes Gespräch nie vergessen, wo er mir alle meine Verkehrtheiten so lebendig und doch so schonend vorhielt; ich bin seitdem ganz verändert.

Katharine. Sonderbar! Auch ich hatte ein ähnliches Gespräch mit ihm, aber es war ganz kurz. – Ich habe viele Fehler, ein Gespräch wird mich nicht bessern.

Cäcilie. Da läßt sich helfen, man spricht öfter.

Katharine. Ich glaube, Sie lachen mich aus. Ist das Recht?

Cäcilie. Du vergißt auf das Dutzen. Du wirst Strafe zahlen müssen.

Katharine. Wenn Du boshaft bist, nehm' ich das Du ganz zurück.

Vierte Scene.

Vorige. Sittig.

Sittig (eilig). Cäcilie –

Cäcilie. Gemach, gemach! Was hat der Herr?

Sittig (zu Katharinen). Vergeben Sie, Fräulein. (Zu Cäcilien.) Der Präsident ist mit mir zufrieden, er hat meine Arbeiten gelobt, er nimmt mich in's Bureau – ein halb Jahr auf Probe – doch die Stelle ist mir sicher. Er kennt, er billigt unser Verhältniß. Nun geht Alles rascher. Der Vater sprach schon von Verlobung. Vielleicht in einem Jahr sind wir Mann und Frau. Auch das haben wir dem guten Karl zu danken! – Aber Sie sagen kein Wort? Sie freuen sich gar nicht?

Cäcilie. Sie lassen mich ja nicht zu Worte kommen.

Sittig. Was braucht's da Worte? Ich möchte hüpfen und springen – ich möchte fliegen! – Doch ich muß zurück – ich bin dem Präsidenten nur entwischt. Adieu, Fräulein Braut! (Läuft ab.)

Fünfte Scene.

Cäcilie. Katharine.

Cäcilie. Der unartige Mensch! Er grüßte Dich gar nicht.

Katharine. Der glückliche Mensch! – Aber er muß noch lange warten.

Cäcilie. Ich bin ihm sicher. Er kann warten. Ein Jahr ist nicht lange.

Katharine. Ein Jahr ist eine Ewigkeit. – Schwester, wer ist denn der Karl, von dem er sprach?

Cäcilie. Ein gewisser Karl Freiherr von Ringelstern.

Katharine. So? Der Baron?

Cäcilie. Heißt Karl. Ein hübscher Name, nicht wahr?

Katharine. August gefällt mir besser.

Cäcilie. Warte! – Ich weiß ein Geheimniß. Aber nun sollst Du nichts erfahren. Ich vergesse, daß ich das Fräulein vom Hause bin. Ich muß zur Gesellschaft. Gehst Du mit?

Katharine. Nein. Ich will arbeiten.

Cäcilie. Gut. Sei nur recht fleißig! Laß Dich ja durch Niemand stören. – Aber höre, wir tauschen die Rollen; ich bin munter und ausgelassen, Du still und sinnend. Mit uns Beiden ist etwas vorgegangen. Nun, lebe wohl! Ich darf meinen verrückten Herrn Bräutigam nicht ohne Aufsicht lassen, sonst macht er mir wieder Streiche. (Ab.)

Katharine (allein). Sie weiß ein Geheimniß? Es läßt sich errathen. Der Präsident ließ ein Wort fallen – was kümmert's mich? – Cäcilie findet, ich sei nicht munter – sie irrt, ich bin recht munter, recht lustig. Und ich will noch lustiger sein als ich bin, wenn man das Gegentheil glaubt.

Sechste Scene.

Katharine. Baron Ringelstern (tritt langsam auf).

Baron. »Ein Schauspiel für Götter, zwei Liebende zu sehen,« sagt Goethe.

Katharine. »Aber für Menschen höchst langweilig,« sagt Kotzebue.

Baron. Nachdem die Menschen sind. Mich hat es gerührt. Ich will dem Onkel in den Ohren liegen, die Verbindung unserer Liebenden zu beschleunigen. Ich denke, im Herbst. Das ist so die rechte Jahreszeit zum Heirathen. Zwar ist es Schade um den Brautstand, den sollte man billig verlängern, denn er ist die Veilchenzeit des Lebens. Da wandeln die Verlobten gleich Pamina und Tamino durch Feuer und Wasser der prosaischen, bürgerlichen Existenz, und finden sich geläutert in Sarastro's schimmerndem Pallast der Poesie wieder. Mein Freund Sittig-Tamino sieht völlig verklärt aus, Präsident Sarastro will die Prüfungszeit abkürzen, Pamina denkt insgeheim schon an ein taugliches Quartier, und selbst die alte Königin der Nacht, die gute Räthin, spricht von nichts als von der Ausstattung.

Katharine. Pamina denkt an's Quartier? Ich besitze ein Haus in der Stadt, Cäcilie muß eine Wohnung von mir nehmen.

Baron. Ohne Zins?

Katharine. Als den ihrer Freundschaft.

Baron. Wenn doch mehrere Hausherren den Freundschaftsfuß zu ihrem Zinsfuß machten! – Aber wir wetteifern ordentlich, die Beiden zu beglücken.

Katharine. Es ist eine so reine Freude, zum Glück Anderer beizutragen.

Baron. Nur muß man sich selbst nicht vergessen.

Katharine. Das thun Sie ja nicht!

Baron. Ich?

Katharine. Freilich. Ihr Onkel sprach von einer Braut –

Baron. Ja, die Braut! Wir kennen uns kaum.

Katharine. Was schadet das? Man kann sich plötzlich verlieben; denken Sie an Romeo und Julie.

Baron. Zum Romeo bin ich zu alt, nicht wahr?

Katharine. Warum? Das kommt auf die Julie an.

Baron. Auf die Julie? (Entfernt sich von ihr, geht auf und ab.) Ja wohl, auf die Julie! Sie haben Recht, Fräulein; ich bin für keine Julie mehr. Meine Braut zählt kaum neunzehn Jahre. Sie wird ohne Zweifel lieber einen Romeo von vierundzwanzig wählen, als einen Merkutio von vierzig.

Katharine. Vielleicht ist sie keine Julie.

Baron. Ich will aber durchaus eine Julie haben.

Katharine. Sie könnten immerhin mit einer Porzia, einer Rosalinde zufrieden sein.

Baron. Einverstanden. Das sind nur Julien auf andere Manier.

Katharine. Auch ich verlangte eben keinen Romeo –

Baron. Die Sorte ist ohnehin etwas rar.

Katharine. Doch auch ein Iffland'scher Liebhaber, bei all' seiner Biederkeit, wäre mir zuwider.

Baron. Sie haben Recht. Ich möchte um Alles in der Welt die Elise Valberg nicht heirathen.

Katharine. Noch ich den guten wackern, aber etwas langweiligen Hauptmann Welling.

Baron. Hm! Wie müßte denn zum Beispiel ein Mann beschaffen sein, Fräulein, den Sie mit ihrer Hand beglückten?

Katharine. Er müßte aussehen wie derjenige, den Ihre Braut wählen wird, wenn sie klug ist.

Baron. Wenn sie klug ist – ja, wird sie da mich wählen?

Katharine. Vielleicht. Wenigstens würden die Leute sagen, sie haben eine kluge Wahl getroffen.

Baron. Und warum eine kluge Wahl?

Katharine. Weil sie einen reifen Mann vorzog, und das ist das Klügste, was man von einem unreifen Mädchen verlangen kann.

Baron (bei Seite). Einen reifen Mann – sie spielt immer auf mein Alter an. (Zu Katharinen.) Sie wollen mir entschlüpfen, Fräulein – aber im Ernst! Welche Eigenschaften müßte der Mann Ihres Herzens haben?

Katharine. Erstlich: Tapferkeit –

Baron. Wozu Tapferkeit?

Katharine. Ist das nicht die schönste Zierde des Mannes?

Baron. Doch sie gehört nur für den Krieg, die Ehe ist ein friedlicher Zustand.

Katharine. Bei mir wäre sie das nicht. Ich müßte mit meinem Mann immer auf dem Kriegsfuß leben.

Baron. So?

Katharine. Schon beim Frühstück wird gezankt. Gibt er mir Unrecht, so wird geschmollt bis zum Mittag – gibt er mir Recht, bis zum Abend.

Baron. Dann wird er Ihnen wohl immer Unrecht geben.

Katharine. Da müßte er auch den Witz dazu haben, denn ein Mann ohne Witz ist ein Schwert ohne Schneide.

Baron. Sie scheinen einen witzigen Mann sehr hoch zu stellen, mein Fräulein.

Katharine. Im Gegentheil, der Witz stellt seinen Mann hoch.

Baron. Aber der Witz schickt sich nicht für eine Dame. Ihr Geschlecht soll kein Schwert tragen.

Katharine. Aber eine Nadel – die Zunge.

Baron. Das Herz sollte Ihre einzige Waffe sein.

Katharine. Recht! Darum trag' ich mein Herz auf der Zunge.

Baron. Das Gefühl ist Ihre schönste Zierde –

Katharine. Das Gefühl? Ach ja, ich fühle!

Baron. Das wußt' ich ja!

Katharine. Fühle tief und warm –

Baron. Nicht wahr?

Katharine. Fühle – Sehnsucht nach einer guten Mahlzeit, wenn ich zwei Stunden gefastet habe; Mitleid – mit meinem armen, hungrigen Magen, und Liebe – für den Koch, wenn er mir meine Lieblingsspeisen aufsetzt.

Baron. Das ist zu arg! Sie verhöhnen das Gefühl! Wirklich, ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt.

Katharine. Anders? Und wie anders? Vielleicht schwärmerisch, sentimental? O, das kann ich auch sein! Wenn nur gleich Mondschein da wäre! Ein Paar zerrissene Silberwölkchen – blaue Gebirge im Hintergrunde – vorne ein See. Ich stehe, das Mägdlein, an Ufers Grün, und harre des Geliebten. – Daphnis! Mein Daphnis! Kommst Du noch nicht? Sieh, Deine Chloe streckt ein Paar sehnsüchtige, runde Arme nach Dir aus! Denk' an Leander, spring' in die Fluth, und laß Dich von des Meeres und der Liebe Wellen zu mir herüber tragen! Scheue die kleine Erkältung und das Bischen Rheumatismus nicht!

Baron (der mit Ungeduld zuhörte). Gehorsamer Diener, mein Fräulein!

Katharine. Halt, Herr Baron! Wohin so eilig? Zu Ihrer Braut? – Hat meine wehmüthige Scene die Sehnsucht nach ihr erregt?

Baron. Im Gegentheil! Sie ist ganz abgekühlt.

Katharine. Desto besser! So bleiben Sie. Ich will die Arbeit hier vollenden. (Geht zum Rahmen.)

Baron (folgt ihr). Ach, dieser fatale Amor!

Katharine. Fatal? Er machte uns mit einander bekannt. Wissen Sie was? Sie sollen den Amor zum Geschenk bekommen, wenn er fertig ist.

Baron. Danke gehorsamst.

Katharine. Es wird ein Kopfkissen. Was sagen Sie dazu? Amor, verurtheilt, auf sich ruhen zu lassen, er, der uns so oft die Ruhe raubt!

Baron (für sich). Ich werde nicht klug aus ihr. Ist das ihre natürliche Gestalt? Verspottet sie mich nur? Ich fürchte, Cäcilie hat sich getäuscht. Aber sie ist für jeden Fall bezaubernd.

Katharine (beim Rahmen beschäftigt). Ueber das Unglück! Ich habe keine aufgerollte Seide mehr. – Lieber Baron –

Baron. Mein Fräulein?

Katharine. Wollen Sie gefälligst Ihre Arme ein Bischen ausstrecken?

Baron. Meine Arme?

Katharine. Ja; sehen Sie, so.

Baron (streckt die Arme aus). So?

Katharine. Ganz vortrefflich! Setzen Sie sich zu mir. (Legt ihm die Seide über.)

Baron. Ei, mein Fräulein, soll ich –

Katharine. Nur hübsch ruhig gehalten!

Baron. In's Himmels Namen! Aber sehen Sie mich doch ein bischen an.

Katharine. Ich kann nicht, die Seide verrüttet sich.

Baron. Nur ein bischen!

Katharine. Nun?

Baron. Sie sind eine Heuchlerin.

Katharine. Wie so?

Baron. Sie wollen gefühllos scheinen – Ihr warmes, feuchtes Auge sagt das Gegentheil.

Katharine. Vielleicht lügt es. Ich habe keine Ohren für meine Augen.

Baron. Aber Ihre Augen haben eine Sprache für mein Herz.

Katharine. Ohne Aktion, wenn ich bitten darf. Meine schöne Seide!

Baron. Wissen Sie, wer die Braut ist, die der Onkel meinte?

Katharine. Wie kann ich wissen –?

Baron. Er meinte Sie.

Katharine (erschrocken, läßt die Hand sinken). Mich?

Baron (streckt die Arme aus). Ohne Aktion, wenn ich bitten darf. (Wickelt rasch die Seide auf.)

Siebente Scene.

Vorige. Cäcilie (strickend), Sittig (der den Strickkorb trägt).

Sittig (der sich indessen mit Cäcilien genähert, klopft den Baron auf die Schulter.) Freund Karl –

Baron (erschrocken). Wer da?

Sittig. Was machst Du da?

Baron. Ich leiste dem Fräulein Gesellschaft.

Sittig (parodirend). Mein Freund, ich muß Dich warnen! Du schwebst in höchster Gefahr, ein Spießbürger, ein Philister zu werden – ich sehe Dein ganzes Leben vor mir, sehe Dich Zwirn abwinden –

Baron. Es ist nur Seide –

Sittig. Du wirst Möpse kämmen und Vögel füttern –

Baron. Schatz, Du kommst mit Deinen Späßen recht ungelegen!

Cäcilie. Sollen wir umkehren?

Baron. Nicht doch! Aber tretet ein wenig bei Seite.

Cäcilie. Recht gern. (Tritt mit Sittig zurück.)

Baron (zu Katharinen). Sie schweigen, Fräulein? Hat Sie mein Wort beleidigt?

Katharine. Wie könnte ein Scherz –?

Baron. Es war kein Scherz. Der Onkel meint es ernsthaft und ich meine es noch ernsthafter. Nicht wahr, Ihr Spott war nur Maske?

Katharine. So etwas dergleichen.

Baron. Sie haben Gefühl –?

Katharine. Vielleicht mehr, als ich sollte.

Baron. Und für mich?

Katharine. Ich weiß nicht.

Baron. Liebes Mädchen, wollen Sie meine Porzia, meine Rosalinde sein?

Katharine. Und ihre Julie dazu –

Baron. Und mein Kätchen?

Katharine. Und Ihr Kätchen!

Baron (küßt sie rasch). Mein Kätchen! (Springt auf.) Meine Freunde!

Sittig (nähert sich). Ist's vorüber?

Baron. Ganz glücklich! Hier meine Braut, Katharine von Rosen.

Sittig. Gratulire! (Deutet auf Stickrahmen und Strickstrumpf.) Seht Ihr nun, Ihr Romantischen, Ihr macht's nicht anders, als wir Bürgerlichen.

Baron. Vor Gott Amor sind wir Alle gleich. Aber wir wollen uns doch das Wort geben, keine Spießbürger zu werden!

 


 

Anmerkung zu »Bürgerlich und Romantisch«.

»Fortunat« war im März 1835 durchgefallen, und ich anfangs wie durch's Herz geschossen – allein bereits im Mai lag »Bürgerlich und Romantisch« fertig vor mir da – vielleicht mein populärstes Lustspiel. Saphir, der sich darin in der Figur des »Lohnlakei Unruh« angegriffen glaubte, sagte dem Stück wie dem Autor so viel Böses nach als er nur im Stande war, und das war nicht wenig! Das Publicum benahm sich dabei höchst unpartheiisch – das heißt, die Leute lasen mit dem größten Vergnügen, wie man mich herunter machte, setzten sich aber mit demselben Behagen auf ihre Sperrsitze und in ihre Logen, um sich das geschmähte Stück gefallen zu lassen.


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