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(Auf der Ebernburg. Waffensaal. In der Mitte im Hintergrunde ein großer Erker mit farbigen Doppelfenstern, zu beiden Seiten Thüren. Im Vordergrunde rechts und links Seitenthüren. Ritterbilder in Lebensgröße an den getäfelten Wänden, darunter das Ulrich's von Hutten, welcher in der einen Hand das Schwert, in der andern die Bibel hält. Rechts im Vordergrunde ein Schreibtisch und Stuhl, links ein Armsessel. An den Wänden steinerne Sitze angebracht.)
Balthasar Slör (sitzt am Tische rechts und schreibt). Franz von Sickingen (kommt durch die Seitenthüre links, im Hausgewand).
Sickingen. Nun, mein Slör! Hast Du den Fehdebrief gegen Trier aufgesetzt?
Slör (steht auf). Ja, Herr. (Reicht ihm das Blatt.)
Sickingen (liest flüchtig). 's ist gut. Laß die Abschrift besorgen. Auch die Manifest' an die Bürgerschaft, an's Land. Wir werden sie brauchen – vielleicht heut' noch.
Slör. Heut noch?
Sickingen (geht auf und ab, wie mit sich beschäftigt). Wenn's dem Hutten nur gelingt! Wenn Luther sich nicht weigert!
Slör (folgt ihm). So sehen wir den Herrn Doctor auch wieder hier auf der Ebernburg?
Sickingen. Ich hoff's.
Slör. Sammt Euerem Freunde dort, Ulrich von Hutten? (Weist nach der Wand.) Dem Dichter und Spötter!
Sickingen (lacht). Mein guter Uli! Sie hassen ihn! weil er Einfälle hat. – Wenn nur der Luther zusagt!
Slör. Der Herr Doctor wird nicht kommen. Er ist zu vorsichtig.
Sickingen. Wir wollen's erwarten. Bin ich doch gerüstet – so oder so. – Was zögerst Du, Balthasar?
Slör. Ich möcht' Euch warnen, Sickingen! Ihr habt's mit einem Bischof! Die Herren reichen weit aus.
Sickingen. Ich reich' nicht minder. Auch gilt's einen Freund und gerechten Schutz! Die Herren in Trier haben dem Hilchen Lorch sein Eigenthum weg genommen. Du hast's ja geschrieben!
Slör. Dem Hilchen Lorch! Der ehrliche alte Gesell. Ist das der Hahn, um den man tanzt? Ich mein' immer, Ihr wollt an die Fürsten langen und gnädigen Herren!
Sickingen. Und wenn ich's wollt'? Sie verdienen's längst!
Slör. Der Kaiser meint's auch – und kann er's zwingen? Ihr seid nur Einer – wie der Kaiser. Der Herren gibts gar viel! Man mag's nicht ändern – so schickt man sich d'rein. Sapiens dominabitur astris!
Sickingen (wie beifällig). Der Weise mag den Gestirnen herrschen. Der Spruch klingt fein. (Munter.) Nun, ich hab' einen guten Stern! Du weißt's ja! Mein Horoskop weist auf Glück und Glanz. – Geh' jetzt, mein Slör! Mach' Alles zurecht. Und hab' nur keine Sorg' um mich! Dein Franciscus hat sich fürgesehn! (Lächelnd, klopft ihm auf die Schulter.). Sapiens dominabitur astris!
Slör. Ich hoff', Ihr bereut's nicht. (Ab, im Hintergrunde rechts.)
Sickingen (allein). Dann Justine.
Sickingen (sieht dem Abgehenden kopfschüttelnd nach und geht dann ein paar Schritte auf und ab).
Justine (durch den Hintergrund links hastig eintretend, mit Mütze und zurückgeschlagenem Schleier). Bruder –
Sickingen (ihr entgegen). Justine! Meine Schwester – meine Tochter! Kommst vom Dorf herauf? Hast den Kranken nachgeseh'n, den Armen? (Da Justine mit dem Kopf bejaht.) Nun, das ist brav! (Setzt sich auf den Armstuhl, zieht Justinen zu sich.) Aber was fehlt Dir denn? Siehst ja völlig verstört aus!
Justine (schwer athmend). Ja, Bruder – der Mensch hatte mich auch auf den Tod erschreckt.
Sickingen. Der Mensch? Welcher Mensch?
Justine. Ich kenn' ihn nicht – tritt mir Einer in den Weg – sah aus halb wie 'n Bauer, halb wie 'n Phantast – schaut' mir keck in's Gesicht, mit so dunkeln, rollenden Augen – es graute mir vor ihm – d'rauf wollt' er meine Hand erfassen – oder schien's mir nur so – kurz, mich überlief's wie Feuer, und ich rannt' fast athemlos dem Schloß zu.
Sickingen. So erschreckt! Weil Einer Deine Hand erfaßt? 's ist sonst nicht Deine Art.
Justine. Ich fürcht' mich nicht vor mein's Gleichen. Aber ich sagte Dir's oft: Du kennst uns're Bauern nicht – und was sie für Reden führen! Höre, Bruder! Wenn's in den Krieg geht, diesmal bleib' ich nicht daheim.
Sickingen. Bist Du wohl klug?
Justine. Das Landvolk wird schwierig – wie sollen wir ihnen wehren? Haben sie nicht dem Germersheim die Burg anzünden wollen, wie er fern war? Die Frau hatte fast den Tod von dem Schreck, da sie im Wochenbett lag. – Nein, Bruder! Ich zieh' mit Dir in's Lager. Unter Reisigen, unter Rittern ist mir wohl – da ist man wenigstens sicher.
Sickingen. Unter Rittern? (Steht auf.) Nun sieh! Und doch ist Keiner, den Du zu Deinem Ritter machen willst, so Viele sich's wünschen.
Justine (die nach und nach ihres Schreckens vergißt). Warum, Bruder? Willst Du mich los haben?
Sickingen. Es ist nicht das! Aber ein Weib, das nicht liebt – 's bleibt immer eine Unnatur.
Justine. Lieb' ich nicht Dich? Und gleicht Dir Einer? Verschaff' mir einen andern Sickingen, und ich laß' den da laufen. – (liebkost ihn). Den mürrischen, verdrießlichen!
Sickingen. Schwätzerin! Und was wäre denn Hutten! Ist's nicht ein besserer Sickingen? Und ein jüngerer obendrein.
Justine. Hutten ist ein Dichter. Auch hat er die Politik im Kopf wie Du. Da gibt's noch Andere!
Sickingen (ausforschend.) Wie etwa der junge Helmstätt?
Justine. Der ist mir zu zierlich. – (Ernsthaft.) Soll ich denn wirklich unter die Haube?
Sickingen. Närrchen! – (Klopft ihr auf die Wange.) 's ist nur, daß man den Weg sieht. – Bin ich nicht Dein Vormund? Muß für Dich sorgen, für Deine Zukunft?
Justine (nicht naiv). Ich brauch' noch lang' keine Zukunft. Sieh', ich bin jung und fröhlich, – laß mich's eine Weile sein. Die Hausfrau'n, die ich kenn', sind Alle so ernsthaft, so respectirlich! Und dann – ich bin eitel auf Dich. Wie wir in Nürnberg waren, auf'm Reichstag, und ich mit Dir über die Straße ging – »da geht der Sickingen!« hieß es. »Und das ist seine Schwester«, flüstert' ein Anderer. Ich spreizte mich wie ein Pfau.
Sickingen. Du bist kindisch.
Justine. Mag sein! Ich mag's gern, wenn die Leut' hinter uns d'rein flüstern: Die Schwester des Sickingen! Das klingt nach etwas. (Mit Geringschätzung.) Wer müßte mich heimführen, daß es hieß: Die Frau des – des – des Helmstätt etwa? Ich blieb' doch immer die Schwester des Sickingen.
Sickingen. Dank für die gute Meinung. Aber ich sagt' es immer: meine Schwester ist gar kein Weib wie die übrigen, so artlich der Spuk sich ausnimmt.
Justine. Das sagte ein Anderer auch –
Sickingen. Ein Anderer? Wer denn?
Justine. Dein guter Freund –
Sickingen. Der Hutten?
Justine. Er nannt' mich ein Zauberweib. Das sind seine Possen! Wir saßen im Schloßgarten – 's war helle Mondnacht – ich erzählt' ihm, daß mich der Vollmond so anlock', besonders wenn er auf's Wasser schien', und daß es mich da oft aus dem Bette trieb' und in's Freie. – »Zum Wasser?« sagt' er d'rauf, »das macht, Ihr seid ein Nixlein« – – aber Du hörst nicht.
Sickingen. Sprich nur! Ich meint', es käme wer.
Justine. Wir scherzten und lachten d'rüber und er neckt' mich später mit dem Helmstätt und dem und Jenem, und daß ich gar nichts von Minne wissen wollt'! »'s ist eitel Tand!« rief ich aus, »mich verlangt's nicht darnach.« –»Tand?« sagt' er plötzlich mit seiner vollen tönenden Stimm' und sprang auf und preßt' meine Hand – »Du weißt nicht, was Du sprichst! Der Tand kann's Leben kosten, Kind! Glaub' mir's, dem Dichter!« – Ich verstummt' und wußt' nicht, wie er's meint' und warum er mit Einemmal so ernsthaft that, so feierlich –
Sickingen. Ich weiß wohl! Der Ulrich hatt' einst ein Lieb, das ihm viel Unheil bracht'.
Justine. So mag's wohl sein! Und nun begreif ich's. Aber hab' ich's d'rum entgelten müssen? – »Bist Du auch so ein übermüthig' Zauberweib!«rief er aus, »ein Nix, von der Art, die den Ritter verlocken, und wie er ihnen folgt, ihn lachend in's Verderben stürzen, in die Untiefen? Gib nur Acht, daß Dir's nicht heimkomm', wie einer Andern, und daß, wenn einmal der Rechte kommt, Du nicht den Rächer an ihm findest!« – Sein Antlitz glänzte schauerlich bleich im Mondenlicht, als er so sprach, und ich stand zitternd vor ihm. Und die ganze Nacht träumt' ich von nichts als von Rittern, Nixen und Untiefen – und ein Mensch lief immer hinter mir d'rein, der verfolgt' mich und lockt' mich mit freundlichen Worten – aber ich hatt' einen Abscheu vor ihm, denn ich wußt', daß es der Rächer wär'. – – Ich bracht' die bösen Bilder ein paar Tag' nicht aus dem Kopf und ich konnt's dem Hutten lang nicht verzeih'n, daß er mich so erschreckt.
Sickingen (faßt sie am Kinn). Hätt's nur geholfen! Aber das Zauberweib will noch immer nichts von Minne wissen!
Vorige. Jäcklein.
Jäcklein (hastig die Thür aufreißend und die Diener abwehrend). Nicht sprechen? Zurück, Ihr Bedienten!
Justine (ängstlich, faßt Sickingen's Arm). Bruder, das ist der Mensch –
Sickingen (wendet sich um). Welcher Mensch?
Justine. Der vom Dorf – der mir in den Weg trat –
Jäcklein (wie oben). Wer sagt Euch, daß ein Sickingen den gemeinen Mann nicht anhören will? (Macht sich mit Gewalt den Eintritt frei.) Zurück, sag' ich! (Schlägt die Thür zu.) Gott zum Gruß, Herr Freiherr von Sickingen!
Sickingen. Holla, Gesell! Was soll der Braus? Was bringst Du Guts? Wer bist Du?
Jäcklein. Erlaubt, daß ich Euch erst recht völlig betrachten mag. – Das ist also der berühmte Sickingen –
Justine (die sich bisher hinter ihrem Bruder hielt, tritt vor). Ja, und das ist seine Schwester, Mensch –
Jäcklein (ohne Verwunderung zu zeigen). Seine Schwester? So? (Wendet sich wieder zu Sickingen.) Der berühmte Sickingen, von dem sich das deutsch' Volk sein Heil erwartet!
Sickingen. Da ist das deutsch' Volk irrig d'ran, mein Gesell. Das Heil schenkt uns Keiner. Man muß sich's sauer erwerben.
Jäcklein. Das mein' ich auch. Aber dazu braucht's Führer, Herr! (Betrachtet ihn.) Und ihr habt so das Wesen –
Justine. Wer bist Du, Mensch? Und warum hast Du mich vorhin so kühn begafft?
Jäcklein (sieht ihr in's Gesicht). Warum? (Trocken.) Weil Ihr mir gefallen habt.
Justine. Ich? Dir? Dem Bauer?
Jäcklein. Die Blumen sind schön für alle Welt – und die Fräulein auch.
Sickingen. Du wählst Deine Wort'. Noch einmal, wer bist Du?
Jäcklein (kommt in die Mitte). Ein frischer Kumpan, wie Ihr seht, heiß' Jacob Rohrbach – man nennt mich gewöhnlich den Jäcklein – bin aus Dorf Böckingen, nah' an Heilbronn, und hielt dort sonst eine Weinschenke.
Sickingen. Und was führt Dich zu mir, Jäcklein?
Jäcklein. Eine Menge Ding'! Für's Erst' wollt' ich Euch kennen lernen, Herr Sickingen.
Sickingen. Dank' der Ehr', Herr Weinwirth!
Jäcklein. Man spricht von Euch und Euren Thaten so manches Jahr. Nun heißt's überall, daß Ihr und Euer Freund, der Hutten, Euch mit den Städten und Bürgern gar eng verbunden habt – da wär's denn Zeit, meint' ich, Euch zu fragen, ob Ihr nicht auch den Bauer für tauglich haltet, mit in den Bund zu treten.
Sickingen (blickt nach seiner Schwester). Was sagst Du, Jäcklein? den Bauer?
Justine (halblaut zu Sickingen). Das sind ihre Reden! Sagt' ich Dir's nicht? (Zu Jäcklein.) Was weißt Du von einem Bund?
Jäcklein (zu Sickingen sich wendend, schlau). Ich weiß nichts, Herr – ich hab' nur so meine Vermuthungen. (Hingeworfen.) Auch entsinn' ich mich der Zeiten wohl, wo ein »Bundschuh« und der »arme Konrad« durch's Würtemberger Land lief.
Sickingen. Um zu sengen und zu brennen! Die Zeiten möchtet Ihr wohl wieder haben? Aber wähnet nicht, daß wir Ritter Euch dazu verhelfen! Im Gegentheil, wir wollen Gesetz und Ordnung stiften und christlich Frieden und Freiheit.
Jäcklein (bedächtig). Das wollen wir Bauern Alles auch, 's kommt nur d'rauf an, daß man sich versteht. – Doch meiner Botschaft nicht zu vergessen! (Zieht ein Schreiben unter dem Wamms hervor.) Das hier ist für Euch, Herr Freiherr.
Sickingen (nimmt den Brief). Für mich? (Freudig, zu Justine.) Von unserm Schwager Kronberg!
Justine. Von dem Hartmut?
Jäcklein. Lest nur, Herr Sickingen, derweil ich ein Bischen vom weiten Weg ausrast', wenn Ihr erlaubt. (Setzt sich, Sickingen beobachtend.)
Sickingen (nachdem er gelesen). Schwester, es steht gut, Alles gut! Die Straßburger haben zugesagt. Sie stellen Truppen. Der Kronberg führt sie an, mit meinen Söhnen Hans und Schweickhart. (Gibt ihr den Brief.) Es gilt den ersten Schlag – jetzt oder nie – (geht auf und ab – sein Blick fällt auf den lauernden Jäcklein – er bleibt vor ihm stehen). Nun, Jäcklein! Bist Du noch müd'?
Jäcklein (springt auf). Gar nicht mehr, Herr. Wenn Ihr mich brauchen könnt –
Sickingen (fixirt ihn). Wenn ich Dich brauchen kann? Und wozu sollt' ich Dich denn brauchen, Jäcklein?
Jäcklein. Wozu? Ich weiß nicht. Das mögt Ihr selber bestimmen. Hat mich denn der Ritter Euch nicht empfohlen?
Justine (die inzwischen gelesen). Allerdings. Er sende uns den Brief durch einen treuen und ergebenen Mann, schreibt der Schwager, auf den wir bauen können.
Jäcklein. Nun, der bin ich. Und flink und gewandt obendrein, und unerschrocken und mit einer tüchtigen Faust begabt. Ich bin Euch eigen, wenn Ihr wollt – Euch und Eurem Bruder und dem ganzen Bund.
Sickingen (ihn fixirend, wie oben). Dem Bund? Was willst Du nur wieder mit Deinem Bund?
Jäcklein (trocken). Das sollt Ihr gleich erfahren: den Landauer mein' ich. Den Bund der Ritter gegen die Fürsten. Den von Anno 22. – Franz von Sickingen ward zum Haupt des Bundes gewählt und ein geheimer Artikel –
Sickingen. Schon gut, schon gut! Ich seh', Du bist ziemlich wohl unterrichtet.
Jäcklein. Wenn man so das Land durchwandert, wie ich, seine Ohren überall hat –
Justine. Du taugst wohl am besten zum Spion!
Jäcklein. Warum nicht? Auch das! Kein Geschäft ist mir zu schlecht. – Eure Küch' und Keller sind doch wohl besorgt, Fräulein? Ihr werdet heut' noch Gäste kriegen.
Justine. Gäste, sagst Du?
Jäcklein. Eine Stund' von hier halten sie Rast. Sind wohl an die fünf, sechs tausend Mann –
Sickingen (erfreut). Das sind die sechs Fähnlein Landsknechte, die mir der Sombreuf zuführt! Sie kommen zur rechten Zeit!
Jäcklein. Heißa! So geht's also los? Und gegen wen? Doch das gilt mir gleich! – Braucht Ihr keine Beihilf', Herr? Sagt ein Wort, und ich biet' die Bauern auf.
Sickingen (halb zu Justine gewendet). Die Bauern?
Jäcklein. Schaut nicht so verächtlich drein – es sind tüchtige Leut', und ich stell' Euch viele hundert, viele tausend. Sie folgen mir auf'n Wink.
Sickingen. Dir, Jäcklein?
Jäcklein. Ihr meint, weil ich kein Ritter bin? Dafür sind's Bauern wie ich. Volk ist Volk, und ich bin auch Einer aus'm Volk. Schiff und Ruder sind vom nämlichen Holz.
Justine (zu Sickingen). Aus'm Volk? Hörst Du's nun? Das sind die Bauern!
Sickingen. Seid Ihr so weit? (Abbrechend.) Ich dank' Dir für Deine Botschaft, Jäcklein. Laß' Dir draußen zu essen geben, wenn Du hung'rig bist.
Jäcklein (zögernd.) Ihr wollt also mein nicht brauchen?
Sickingen (kurz). Für diesmal nicht.
Jäcklein (trotzig). Lebt wohl – (geht langsam fort).
Justine (ruft). Jäcklein! – Was meinst Du, Bruder? (Spricht leise mit Sickingen.)
Sickingen. Meinethalben! Man kann's mit ihm versuchen.
Justine (zu Jäcklein, der im Hintergrunde stehen geblieben). Iß nur, Jäcklein, und sei guten Muth's! Wart' dann draußen in der Küch' – der Bruder wird zusehen, wie er Dich verwenden mag.
Sickingen. Ob Du gleich ein wüster Gesell bist!
Justine. Ja, das bist Du – wüst, recht wüst. – Und ich hab' für Dich gesprochen – daß Du's weißt, Mensch!
Jäcklein (sieht sie durchdringend an). Ich dank' Dir, schön's Fräulein. – Lebt wohl, Herr Freiherr. – Ich wart' draußen in der Küch'. (Ab.)
Sickingen. Justine. Später Hilchen Lorch.
Sickingen. Ich staune, Schwester! Wenn solch ein wilder Geist in die Bauern fährt –
Justine. Wie er mich anglotzte – der Mensch! Der ist gefährlich, Bruder! – Und was er für große Augen hat – für schreckliche Augen!
Sickingen. Das Volk wird unbändig, eh' es reif wird.
Hilchen Lorch (auftretend). Grüß' Gott, Franciscus! Da bin ich.
Sickingen. Hilchen Lorch!
Hilchen. Willkommen, Justine!
Justine (reicht ihm die Hand). Lieber Hilchen! Ihr kommt allein?
Hilchen. Der Landschaden, der Gemmingen, der Bach und Andere sind mit herein geritten. Auch der junge Helmstätt – Euer Galan. Sie besprechen sich unten.
Sickingen. Wir werden sie bald hier oben haben.
Justine. Da bin ich wohl zu viel? Ich geh' hinein, Bruder, und horch' später ein wenig, wenn Ihr die Versammlung habt – oder die Verschwörung. Lebt wohl! (Im Abgehen.) Er geht mir nicht aus'm Sinn – der Mensch! (Ab zur Seite rechts im Vordergrund.)
Sickingen. Hilchen Lorch.
Sickingen. Du bist lang weg blieben, Hilchen.
Hilchen. Weil ich mit dem Hutten 'rum ziehen mußt'.
Sickingen (rasch). Wie? Mit dem Hutten?
Hilchen. Er grüßt Dich. Er reist nach der Schweiz, läßt er Dir sagen, zuerst nach Basel; um dort für Dich zu werben.
Sickingen. Nach Basel! Ganz recht! Wir hatten's so abgeredet. Aber früher –? Gab er Dir sonst keinen Auftrag?
Hilchen. Freilich wohl! Ich war ja mit.
Sickingen. Mit? Wo?
Hilchen. In Wittenberg.
Sickingen (begierig). In Wittenberg? Nun?
Hilchen. Hoff' Dir nichts von ihm.
Sickingen. Der Luther! – Slör hatte also recht. – Er weigert sich? Habt Ihr ihm denn gesagt –?
Hilchen. Alles, alles – aber er erschrack gleich beim ersten Wort. Wie ihm's der Hutten auch vorgestellt, wie Deine klugen Pläne, Deine große Gewalt ihm geschildert, er verblieb auf seinem Sinn. »Ich möcht' nicht, daß man das Evangelium mit Gewalt und Blutvergießen verfecht'.« – Das war seine Rede. – »Durch das Wort ist die Welt überwunden worden, durch das Wort ist die Kirch' erhalten – durch das Wort wird sie auch wieder in Stand kommen.« – Durch das Wort! Was sagst Du?
Sickingen (mit Zurückhaltung). Nun – Luther ist ein frommer Mann.
Hilchen. Er ist eine Memme! Und ein Mönch!
Sickingen. Läst're nicht, Hilchen!
Hilchen. Ei was! Der Hutten sagt's auch.
Sickingen. Es klingt nur in seinem Mund! Was ein großer Mann von einem Andern im Unmuth heraus sagt, das sollt Ihr Kleinen nicht nachschwatzen dürfen. – Der Luther wird uns abgehen –
Hilchen. Warum? Haben wir nicht Dich?
Sickingen (sinnend). Ich bin nur Einer –
Hilchen. Du bist die Seel' und der Leib von unserem Unternehmen, Sickingen. Auch ist's ein Waffenwerk – da bist Du mehr als zwanzig Luther.
Sickingen. Meinst Du? – Doch der Segen fehlt, die Weihe! Er gilt allein für ein Heer. Der Mann des feurigen Wortes wird nicht mit uns sein!
Hilchen. Wir werden's ausrichten ohne ihn.
Sickingen. Was meint denn der Hutten?
Hilchen. Du sollst nicht zögern – keinen Tag. Er mahnt Dich an seinen Spruch.
Sickingen. Jacta est alea! Ich hab's gewagt. (Geht auf und ab.) Erzähl' mir mehr von ihm – (setzt sich).
Hilchen (tritt zu ihm). Ich weiß nichts, als daß er 's Fieber hat.
Sickingen. Er ist krank? Mein armer Uli!
Hilchen. Krank, aber lustig. Er hat nichts als seine Reim' und Possen im Kopf. Dann wird er wieder ernsthaft und schimpft über die Gelehrten – über die Dunkelmänner, wie er sie nennt. – D'rauf lacht er Ein's und macht sich selber schlecht und die ganze Welt. Mich foppt' er rechtschaffen über meinen Handel mit Denen in Trier. Ein wunderlich Kauz! Aber man mag ihm nicht gram sein.
Sickingen. Es ist ein Herz wie Gold.
Hilchen. Dabei liebt er Dich und seufzt nach Dir wie ein Mädchen.
Sickingen. Ich weiß. (Steht auf). »Unsere Herzen sind in einander gewachsen« – so rief er mir noch beim Abschied – »bricht Dein's, hat auch das meine ausgeschlagen!«
Hilchen. Nun, Ihr sollt noch eine Weil' mit einander aushalten. – Still! Ich hör' ein Gezänk' und schwere Tritt' – das ist der Landschaden mit den Uebrigen. (Reibt die Hände.) Jetzt sollen sie meinen Trier'schen Handel ganz accurat erfahren. – Was sinnst Du, Franciscus? Die Freunde sind da! Die Sickinger!
Sickingen. Sei's denn! – Jacta est alea! Ich hab's gewagt.
Vorige. Jobst Landschaden von Steinach. Dietrich von Gemmingen. Georg von Bach und andere Ritter, die nach und nach eintreten, durch die Thüre im Hintergrunde links. Balthasar Slör kommt von rechts mit den Pergamenten und spricht mit Sickingen.
Landschaden von Steinach (im Auftreten, bleibt am Eingang stehen und scheint ein Gespräch fortzusetzen). Nein, ich bleib' dabei, des Hilchen Sach' ist eine garstige Sach' –
Hilchen (tritt zu ihnen). Was schwatzt Ihr da von dem Hilchen?
Landschaden. Wir meinen, Hilchen Lorch –
Hilchen. Was meinen! Ihr müßt erst die Geschicht' genau wissen und wie mir unrecht geschieht von Denen in Trier.
Landschaden. Ihr habt uns das schon oft erzählt –
(Die andern Ritter treten indessen vor und begrüßen sich mit Sickingen.)
Hilchen. Was hab' ich Euch? Nichts hab' ich Euch! Daß mir Bürgermeister und Rath meine Güter zurückbehalten, meinen gebührenden Antheil, den mir des Kaisers Majestät selber zugesprochen. Was sagt Ihr?
Landschaden. D'rum habt' Ihr auch dem Magistrat die Feindschaft angesagt.
Hilchen. Hab' ich! Nichts hab' ich! Aber zwei reiche Bürger hab' ich ihnen gefangen – und der Sickingen da – (tritt näher.) Hör' doch, Franciscus! – Der Sickingen nahm sich der Beiden an – heißt das, er unterhandelt' mit mir, ich sollt' sie frei geben – ist's nicht so, Sickingen?
Sickingen (tritt zu ihm. Die anderen Ritter bilden nach und nach einen Kreis). Allerdings, Hilchen Lorch. Ich schlug Dir vor, Ihr solltet Euch vergleichen.
Hilchen. Heißt das: Fünftausend Ducaten sollten sie zahlen. Erst wollten sie's auch – aber der Erzbischof, ihr Landesherr, hat's den Bürgern abgeredet und ihnen verboten, den Vertrag zu halten, weil er erzwungen wär' – vielleicht auch, weil ich des Luther's Lehr' anhäng'. Verboten! Was sagt Ihr? – Da ward ich toll, und lief zu meinem Freunde Sickingen, und trat ihm mein ganzes Recht ab. Und der wack're Freund – Franz, so ich Dir das ja vergess'! – (wie gerührt) zahlt mir einstweilen tausend blanke Gulden auf den Tisch, so daß ich meine alte Burg ausflicken lassen und mir obendrein das neue Wamms da auf den Leib schaffen konnt'! Und weiß Gott, ob er je wieder zu dem Seinigen kommt!
Gemmingen. Tröste Dich, Hilchen Lorch! Du hast Dein Wams – der Ebernburger hat dafür Dein Recht.
Hilchen. Mein Recht! Ja, das hat er. Mein Recht! Aber Ihr verhelft ihm nicht zu dem Seinigen. (Zu den Rittern gewendet.) Und wenn's noch Gerechtigkeit gibt auf Erden, so muß der Churfürst Richard von Trier gezwackt werden, sag' ich.
Gemmingen. Der Churfürst? Das mein' ich eben nicht.
Bach. Ich auch nicht.
Hilchen. So? Nicht? Und ich sag' Euch, er hätt' längst gezwackt werden sollen. Aber Ihr seid keine Zwacker, Ihr! Ihr erhitzt Euch und haltet Reden und Sermonen, und wenn's zur That kommen soll, da ist Niemand zu Haus, da –
Sickingen. Gib Dich zur Ruh', Hilchen Lorch! Dein Handel soll nicht vergessen werden. Aber für's Erste sind's ernstere, größere Ding', die wir zu besprechen haben.
Vorige. Hans von Flörsheim.
Flörsheim. Sickingen –
Sickingen (ihm entgegen). Mein Schwieger!
Hilchen (eben so, schüttelt ihm die Hand). Der alte Flörsheimer!
Flörsheim. Ich hört' von Eurer Zusammenkunft. Darf man d'ran Theil haben, ohne just zum Bund zu gehören? Macht gar nicht, als ob ich zugegen wär'. Ich will blos zuhorchen. Ein alter Mann erlebt immer eine neue Zeit, die er selten begreift –
Sickingen. Bleibt mir zur Seite, Vater Flörsheim. Nehmt Eure Plätze, Freunde.
(Die Ritter setzen sich, theils auf die Sitze an den Wänden, theils auf Stühle.) Hans von Flörsheim (im Vordergrund rechts). Sickingen (steht am Schreibtisch rechts). Balthasar Slör (neben ihm). Auch Stephan von Helmstätt (in seiner Nähe). Hilchen Lorch (sucht sich zur Seite links den Armstuhl aus, in dem er sich's bequem macht).
Sickingen (nach einer Pause). Wohledle Herrn und Freie Deutschlands! Als Euer Bundeshauptmann hab' ich Euch heute berufen lassen. Die geistlichen und weltlichen Fürsten maßen sich seit lange an, uns, den freien Adel, zu unterdrücken – dagegen gilt unser Bund, der Niemand über sich anerkennt, als den Kaiser. Wir selber, als freie Männer, ohne einen Herrn, sollen und wollen uns Gesetze geben und Recht sprechen. Wer unsern Satzungen widerstrebt, wird gemeinschaftlich von Allen bekriegt, und für jeden einzeln Angegriffenen führen alle Bundesgenossen gerechte Fehde.
Hilchen (der erst gegen Schluß der Rede wieder aufmerksam ward). Gerechte Fehde! Das ist's! D'rum muß der Trierer gezwackt werden.
Helmstätt (hinüber rufend). Schweig' still, Hilchen Lorch! Laß den Hauptmann reden.
Sickingen. Wenig vermag der Einzelne – viel, ja Alles ein Bund der Tüchtigen. (Beifallszeichen der Ritter.) Ich bin des Kaisers Rath, Ihr Herrn, und weiß, was ich ihm schuldig bin und seinem Landfrieden. Wo aber ein Fürst den ungestraft brechen darf, da mag ein Ritter, wie ich, ihm freien, frohen Muthes entgegen treten – auch mit dem Schwerte. – Ihr werdet von meinen Kriegsrüstungen gehört haben und daß sie 'gen Frankreich gerichtet sind – 's ist nicht an dem, Ihr Bundesbrüder! Meine Rüstung gilt einem Mächtigen, aber nicht dem Franzosen, obwohl seinem guten Freund. Kurz und gut – ich hab's mit Richard von Greifenklau.
Einige Ritter. Mit Richard von Greifenklau!
Hilchen. Mit dem Trierer! Mit wem denn sonst!
Sickingen (nimmt Balthasar das Pergament ab). Hier ist der Fehdebrief, wo ich ihm den Krieg künde um der Dinge willen, die der Herr Erzbischof wider Gott und kaiserliche Majestät gehandelt.
Hilchen. Und wider mich – Hilchen Lorch.
Sickingen. Der Ritter von Sickingen will den Bürgern von Trier die evangelische Freiheit bringen und zugleich den deutschen Fürsten strafen, der's immer insgeheim mit den Franzosen hielt. (Pause.) Wir sind Bundesglieder. Darf ich mich Eurer Unterstützung freuen? Sagt Eure Meinung.
(Die Ritter besprechen sich.)
Hilchen (tritt hinzu). Was gibts? Zweifelt Einer?
Sickingen (auf Flörsheim schauend). Still, Hilchen! Sprecht, Vater Flörsheim! Euer Schweigen scheint mich zu verurtheilen. Mißbilligt Ihr meine Fehde?
Flörsheim (um welchen, so wie um Sickingen und Hilchen sich Alle wieder auf's Neue gruppiren). Die Sach', die Ihr vorhabt, ist gerecht, Sickingen – aber sie erschreckt mich doch fast. Ihr nehmt Euch des Unterdrückten an, des Hilchen hier – schön und gut! Allein gegen wen? Wär's blos die Stadt Trier und die Bürgerschaft – ich wendet' nichts ein; doch Ihr zieht Einen der Churfürsten in den Handel, den ersten geistlichen Fürsten des Reiches – meint Ihr, daß die Andern stille sitzen werden, ruhig zuschauen, wie Ihr den Bischof straft, und ihm die Kronen Goldes eintränkt, die er allerdings von Frankreich gewonnen hat? Glaubt mir's, sie werden sich bald rühren! Habt Ihr ein Bündlein, sie machen wohl einen Bund. So sehr die Herrn im Stillen gegen einander eifern, sie lassen ihrer keinem doch was Ernstliches geschehen, weil sie's selber mit träf' und ihr Anseh'n. Es geht ein Gerücht, der Trierer hat um den alten Pfalzgrafen geschickt und um den Hessen, das hitzig junge Herrlein – mögt Ihr's mit ihnen Allen aufnehmen, Sickingen? Und wenn Ihr's vermöchtet, so bedenkt es wohl! Denn dann ist's keine gemeine Fehde mehr, sondern ein völliger Krieg – der gefährlichste, der blutigste von allen – der Bürgerkrieg. (Gemurmel unter den Rittern.) So seh' ich's an – Verzeiht! Ich bin ein Greis und kann irren – aber deß' wollt' ich Euch verwarnen. (Bewegung wie oben. Einige sagen halblaut: »Er hat recht. Er hat recht!«)
Hilchen (will auffahren). Was recht – (Die Andern beschwichtigen ihn.)
Slör (leise zu Sickingen). Sapiens dominabitur astris!
Sickingen (nach einer Pause). So wollt Ihr meine Sach' nicht zu der Eurigen machen? Sprecht offen, Ihr Freunde! – Ihr schweigt?
Gemmingen. Bedenklich bleibt's immer –
Bach. Wenn sich noch Luther für uns erklären wollt' – aber ich seh' ihn nicht unter uns.
Hilchen (murmelt). Weil er auch eine Memme ist – wie Ihr!
Sickingen (mit Ruhe). Sickingen und sein Anseh'n genügen Euch also nicht, Ihr Herren? Die Ritterschaft will sich völlig den Fürsten beugen – Deutschland hat sich sein Urtheil gesprochen. (Ironisch.). Zieh' auf Deine alte Burg, Hilchen – verbeiß Deinen Zorn – ich kann Dir nicht helfen.
Hilchen. Was? Bist Du ein Ritter? Bist Du der Sickingen? Und lassest Einem unrecht gescheh'n?
Sickingen. Du hörst ja! 's ist ein Churfürst. Von dem muß man's einstecken.
Hilchen. So geh' ich zum Kaiser!
Sickingen. Der ist weit von hier – in Spanien.
Hilchen. So geh' ich zu unserm Herr Gott – obwohl der noch weiter ist! – Schämt sich denn Keiner von Euch? Hat Keiner einen rothen Blutstropfen im Leib? – Ich bin ein alter gekränkter Mann – aber was liegt an mir? Aber am Recht liegt! Auch hat's der Sickingen aufgenommen – da frag' ich nicht lang, warum. Der Sickingen – und der Hutten! Sind die zwei nichts? Braucht Ihr noch einen Dritten? Einen Doctor und Professor, gelt? Aber der Luther wollt' auch keine Helden aus Euch drechseln! – Seht hier das Bildniß an der Wand! Das ist ein Held – an den halt' ich! In der einen Hand die Bibel, in der andern das Schwert, so ist des Hutten Conterfei, und so hält's der lebendige Hutten auch. Nun denn! Ich mach's wie er. (Zieht das Schwert.) Das ist jetzt meine Bibel, und wer nicht mit mir lesen will – –
Sickingen. Ruhig, Hilchen! Fasse Dich –
Hilchen. Laß mich reden; ist doch kein einzig Mann hier – außer Hilchen Lorch!
Vorige. Justine (die schon bei Flörsheim's Rede an der Seitenthüre sichtbar war, ohne Mütze und Schleier).
Helmstätt (der sie zuerst entdeckt). Das Fräulein!
Sickingen. Wie, Schwester?
Justine (will sich wieder entfernen). Verzeiht, mein Bruder –
Hilchen. Laß sie nur! Ein Weib ab oder zu! (Führt sie herein.) Komm' herein, Kind! Hast's mit angehört? Fürcht'st Dich auch vor'm Krieg, wie die?
Justine. Was versteh' ich viel von Staatsdingen, Hilchen!
Helmstätt. Laßt das Fräulein sprechen! Ihr Geist ist klug und fein.
Hilchen. Der Helmstätt ist immer galant! (Zu Justine.) Nun, was sagt denn Dein feiner Geist? Räth'st uns zum Frieden, gelt?
Justine (mit einem Blick auf ihren Bruder). Zum Frieden?
Hilchen. Sprich nur!
Justine. Ich bin die Schwester des Sickingen und denk' wie er.
Hilchen. Das läßt sich hören!
Justine. Wer soll den Frieden nicht wünschen? Etwa mein Bruder nicht –?
Hilchen (dazwischen). Was?
Justine (fortfahrend). Der seit Jahren auf den Reichstagen zur Versöhnung rieth, zu Verbesserungen, zu treuem und ehrlichem Regiment? Sagt selbst, was es gefruchtet hat! Sie geben meinem Bruder schöne Wort' und thun wie zuvor. Ein kleiner Fürst nimmt dem Alten da sein Gut weg – mitten im Frieden – so halten sie's damit!
Hilchen. Das Kind spricht ganz vernünftig –
Helmstätt. Still, Hilchen! Fahrt fort, Fräulein!
Justine (mit mehr Muth). Aber laßt die Fürsten und Fürstlein – denkt an's Volk! – Unser Schwieger sprach gar weise Wort' – er warnt' Euch vor'm Bürgerkrieg. (Wie schaudernd.) Bürgerkrieg! Entsetzlich Wort! Aber könnt Ihr ihn auch meiden? Ist er nicht schon da? Er schläft nur – er schlummert nur – bald wird er aufwachen. Thätet Ihr Euch auf'm Land herum, wie ich, Ihr würdet's wissen. Horcht nur unter's Landvolk – allüberall regt sich's, rüstet sich's, bereitet sich's vor. Sie halten geheime Zusammenkunft, schmieden Waffen, singen Spottlieder – es ist ein schwerbelastet, unterdrücktes, ein gährend, grollend, murrend Volk. (Immer lebhafter, wie von ihrer eigenen Beschreibung hingerissen.) D'rum helft ihm, wenn Ihr könnt! Denn sonst – wahrlich, eh' das Jahr umgeht, ist's ausgebrochen! Der gemeine Mann, die wilden Massen und Horden werden sich erheben – ohne Leiter, ohne Führer, als die ihrer Wuth, ihrer Empörung, ihrer Verzweiflung! (An ihres Bruders Halse.) Franz, schütze uns vor dem Volke! Vor dem wilden, trotzigen, wüsten Volke! Schütze mich – uns Alle – vor dem Einen, dem die vielen Hundert' folgen, die vielen Tausend' – schütze uns vor dem Einen aus'm Volk!
Sickingen. Schwester, ich kenne Dich nicht –
Hilchen. Ich möcht' das Mädel küssen!
Helmstätt (tritt vor). Ein Mädchen hat den Punkt getroffen, Ihr Männer! Ja, wir müssen etwas für's Volk thun, und da wir Ritter sind, Alles für die Frauen. Darf ich Eure Farbe tragen, Fräulein? (Justine gibt ihm eine Schleife, die er ansteckt.) Auch ich bin Dein, Sickingen! (Zu Justine.) Stephan von Helmstätt weiht sein Schwert ganz und gar der Sache Eures Bruders!
Hilchen. Nun, das ist einmal ein Wort, Stephan! Kriegt der auch Courage! Macht Alles die Lieb'. (Zu den Rittern, die sich besprechen.) Und was machet Ihr und Euer Sermon?
Landschaden. Sickingen –
(Ferne kriegerische Musik hinter der Scene. Das Theater hat sich bereits während Justine's Reden nach und nach verdunkelt; nur durch die gemalten Fensterscheiben im Hintergrund brach ein heller Abendsonnenschein, welcher mählich verschwand.)
Sickingen (tritt wie er vor). Halt, Ihr Herren! Meine Fehde war beschlossen – auch ohne Euch. Und Ihr sollt erfahren, daß der Sickingen sein Unternehmen gehörig vorbereitet. – Hört Ihr die Töne? Schlägt Euer Herz nicht munter bei ihrem kriegerischen Schall? – Wißt, es ist mein tapferer Werb-Offizier, Friedrich von Sombreuf; er führt mir zum Anfang sechs Fähnlein zu, jedwedes zu tausend Mann. Mein Hutten wirbt in der Schweiz – die Eidgenossen werden folgen; auch die Männer aus Straßburg, aus Braunschweig – (er reißt die Fenster auf, man erblickt ferne Hügel im hellen Mondlicht, während die Bühne vorn immer mehr in's Dunkel tritt). Seht her! Dort rührt sich's über dem Hügel – Waffen blinken im Mondenschein – ja, es sind meine Fähnlein!
Hilchen. Die Fähnlein! Hurrah!
Jäcklein (erscheint auf einem der Hügel, den Landsknechten hinter der Scene den Hut entgegen schwingend). Die Sickinger! Hoch, die Sickinger!
Justine (für sich). Der Mensch – im hellen Mondlicht! Er verfolgt mich, wie der im Traum!
Hilchen. Die Sickinger! Hört Ihr's?
Landschaden. Wohlan, Sickingen! Gegen Trier wollen wir Euch zusagen.
Gemmingen. Aber nur gegen Trier –
Bach. Und gegen Bedingung. –
Hilchen. Schwatzt nit lang! Krieg mit Trier! Das ist die Hauptsach'. Wer einverstanden ist, rührt an sein Schwert und hebt die Hand. (Zählt.) Eins, zwei, drei – Ihr wollt nicht mithalten, alter Flörsheim? – Vier, fünf, sechs, Punctum. – Gib her, Balthasar! Da ist der Fehdebrief an den Bischof. Setz' Deinen Namen d'runter, Franz! Wir auch – wir Alle!
Sickingen. Da nahen sie schon! Still! Horch! (Die Musik hört auf. Nach einer Pause ertönt ein Choral hinter der Scene.) Luther's Lied! (Vortretend.)
Ein' feste Burg ist unser Gott, Ein' gute Wehr' und Waffen! |
Die Ritter haben ihre Häupter entblößt; die Landsknechte ziehen singend über die Hügel, Sickingen streckt die Arme nach Hutten's Bilde aus; Jäcklein steht auf dem Hügel, Justine seitwärts, den Blick auf Jäcklein geheftet. Die Ritter in passender Gruppe. Der Vorhang fällt langsam.)