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(Auf dem Landstein. Offene Halle mit Bogen und Mauersäulen und einer Balustrade im Hintergrunde. Den äußern Hintergrund schließen Felsen, Buschwerk und Festungsmauern, mit einem halb zerschossenen Thurm. Im Vordergrund rechts und links Seitenthüren.)
Jäcklein (mit einer Streitaxt steht im Hintergrunde rechts). Bewaffnete (in mannigfaltigem Costume ziehen beim Aufrollen des Vorhanges außer der Balustrade von links nach rechts über die Bühne, Jäcklein begrüßend). Hilchen Lorch (kommt aus der Seitenthüre links).
Jäcklein (geht auf ihn zu). Nun, Herr Hilchen?
Hilchen. Der Franciscus läßt Dir danken. Der Entsatz kommt uns zu rechter Zeit. – Sind das Deine Leut'? Grüß' Gott, Ihr Leut', grüß' Gott! Ihr sollt dann vollauf zu essen und zu trinken haben. (Zu Jäcklein.) Tüchtig's Volk – ein Bissel ruppig!. Ihr habt Euch durchschlagen müssen?
Jäcklein. Durch die Hessen und die Pfälzer, an der Gränz'. Aber der Weg hier herauf war frei.
Hilchen. Weil wir den Waffenstillstand haben bis nach Mitternacht.
Jäcklein. Bis dahin kommt der Hauptzug. Wir sind nur der Vortrab –
Hilchen. Ich weiß! Der Fremde war gestern hier, der Puppenspieler, der so geheim thut. Der Franciscus verhandelt' die halbe Nacht mit ihm –
Jäcklein. So? – Wo ist denn die Justine?
Hilchen. D'rinnen beim Bruder. Er ist verwundet – aber man darf nicht dergleichen thun. Ein harter Splitter fuhr ihm in den Leib, als sie uns den Ein'n Thurm dort vorgestern niederlegten. D'rauf trugen sie uns selber den Waffenstillstand an. – Das war ein Schießen, Jäcklein! Tag und Nacht! Nun, wir sparten's auch nicht! – Braver Junge! Daß Du wieder da bist! Wir sah'n uns nicht seit Trier –
Jäcklein (zerstreut). Seit Trier – ja –
Hilchen. Aber die Justine sagt' es gleich: Der Jäcklein kommt gewiß – der bleibt nicht aus –
Jäcklein. Die Justine? Wo weilt sie nur?
Hilchen. Beim Bruder – Du hörst's ja. – Weißt Du's schon? Der Helmstätt, ihr Galan, ist vom Landstein weg gelaufen – und die Ritter, die Schelm', die liefen noch früher! Der Franciscus that's Klügste: er ließ sie laufen, wie wir einmal über's Trier'sche 'naus waren, wo sie uns übrigens allenthalben mit offenen Armen aufnahmen.
Jäcklein. Da rückten Euch aber die drei Fürsten auf den Leib –
Hilchen. Mit der Reichs-Execution! Um Ordnung zu machen, wie sie's nennen.
Jäcklein. Die hättet Ihr selber machen können – mit dem Bundschuh.
Hilchen. Hilf, was helfen kann! Ich sagt's ihm auch. Aber er wollt' nicht – er muß das verstehen. Der Franciscus that doch wieder 's Klügste. Er besetzt' erst seine Burgen und bracht' sie mit einander in Verbindung, d'rauf warf er sich mit den besten Leuten hier auf den Landstein.
Jäcklein. Den sie Euch brav zerschossen haben!
Hilchen. Sie meinen, das gehört auch zum Ordnung machen.
Vorige. Justine (aus der Thüre links).
Jäcklein. Das Fräulein!
Justine. Lieber Jäcklein –
Hilchen. Was sagte der Leibflicker? Was macht die Wund'?
Justine. 's ist besser. Der Bruder will sich ankleiden. Ich hab' ihm das spanische Kleid zurecht richten müssen.
Hilchen. Das spanische Kleid? Was soll ihm das hier zur Belagerung? – Ich seh' zu Deinen Leuten, Jäcklein, daß sie zu essen kriegen. – Wenn jetzt noch die Schweizer kämen, die wir erwarten! – Doch gleichviel! Morgen geht's wieder los. Die zwei Tag' war's so ruhig – mir geht was ab. Ich bin an das Knallen gewöhnt. (Ab im Hintergrunde rechts.)
Jäcklein. Justine.
Jäcklein. Justine! Ich seh' Euch wieder! Und froh und muthig?
Justine. Und Du, Jäcklein?
Jäcklein. Ich steh' vor Euch, vergeß' alles Uebrige! – Hört mich an, Fräulein! Ich sagt' Euch damals, Euer Bruder ist verloren – er ist nicht verloren! Jäcklein Rohrbach nimmt seine Sach' auf – nun braucht's keiner Ritter mehr! Jäcklein und seine Gesellen! Sie schützen ihn – ihn und Euch. Vor Allem Euch! (Wie geheimnißvoll.) Sie haben eine Fahne gestickt, die heilige Justine d'rauf – der wollen wir Alle folgen! Die Brüder haben mich aufgenommen, mir die Hand gereicht – die Ungleichheit der Menschen hört auf – sagt' ich Dir's nicht? Das soll noch werden!
Justine. Das soll noch werden – ja, ja – so sagtest Du!
Jäcklein. Und der Jäcklein soll's mit herbeiführen helfen! (Hält die Axt geschwungen.)
Justine. Der Jäcklein – – Leg' das weg, Jäcklein –
Jäcklein. Die Streitaxt? Warum? (Legt sie weg.)
Justine. So sah ich Dich schon einmal, denk' ich –
Jäcklein. Du sah'st mich? Und so? (Langt wieder nach der Axt.)
Justine. Laß, laß! Du wirst lachen, Jäcklein – aber Du standest leibhaft vor mir.
Jäcklein. Dir hat's geträumt?
Justine. Nein, nein! 's war kein Traum. Der Mond schien hell – ich sah's deutlich.
Jäcklein. Was denn?
Justine. Sieh, die Nacht d'rauf, als zum ersten Mal hier die Geschütz' donnerten – mein Kopf war völlig wüst von dem Lärm – ich konnt' lang nicht einschlafen, aber ich schloß die Augen – bald lag ich wie im Fieber, Bilder stiegen vor mir auf, dunkle, düstere, dann wieder lichte, helle, freundliche – ich sah Euer Schicksal –
Jäcklein. Unser Schicksal –
Justine. Meines Bruders, Dein's auch – mein eigenes – aber ich kann die Bilder nicht mehr zurückrufen – sieh, das ängstigt mich so sehr! – Wenn ich's nur beschreiben könnt'! Ich sah ein großes, großes Land, und die Menschen liebten sich und nannten sich Brüder – ach, es war so schön, so schön!
Jäcklein. Dein Leben ist schön – so sind's Deine Träume!
Justine. Und plötzlich erklang eine sanfte, fröhliche Musik, wie Hörner und Flöten – nur schöner, weit schöner! Ich öffnet' die Augen und saß im Bett auf, im Mondenschein, und hört' es noch immer – Hörner und Flöten! Dann ward ein dumpfes Gebraus, Männerstimmen, Geklirr von Waffen – mich erfaßt' eine Angst, eine tödtliche Angst – war's um den Bruder, war's um Dich, Jäcklein? Ich weiß nicht! Ich warf mich auf's Lager zurück, hüllte mich in die Decke, schloß die Augen fest zu – und da sah' ich Dich wieder – und da verfolgtest Du mich und ich floh vor Dir – und da warst Du ein Mörder! Jäcklein, ja, das weiß ich gewiß! (Sie blickt wie zufällig auf die Axt und stößt einen leisen Ausruf des Schreckens aus.)
Jäcklein. Was hast Du?
Justine (wie ängstlich flüsternd). Ein rother Flecken dort an der Axt – Du bist doch nicht –? (Hält inne.)
Jäcklein (sanft). Ein Mörder? Gewiß nicht! Ich bin nur ein Rächer.
Justine. Ein Rächer?
Jäcklein. Du liebst ihn nicht, gelt? Den Junker –
Justine (rasch). Helmstätt!
Jäcklein. Er bracht' Dich hieher, er begehrt Dich zur Hausfrau, ich weiß – Du suchtest Ausflucht – da verließ er Eure Sach' –
Justine. So that er! Und Du?
Jäcklein. Ich traf ihn beim Feind, dort sucht' er Schutz. Er trat mir entgegen, es gab ehrlichen Kampf – (hält inne). Ich leb' noch, und steh' vor Dir.
Justine (leise schaudernd). Ein Rächer – Du bist's!
Jäcklein (nach einer kleinen Pause, tritt näher). Hast Du jetzt noch ein Scheu vor mir?
Justine (sieht ihn an). Eine Scheu? Nein –
Jäcklein (ergreift ihre Hand). Und mag ich Dir frei sagen, daß ich Dich liebe – nur Dich!
Justine. Du liebst mich –
Jäcklein. Weißt Du's denn nicht?
Justine. Ich glaub' fast –
Jäcklein. Du weißt's! – Und – Du zürnst nicht?
Justine. Wer darf über Lieb' zürnen?
Jäcklein (wie freudig). Justine! – Ja, ich rette Dich, ich schütze Dich! Und ob Dein Bruder ein Freiherr sei, ein altadelich Blut, ich darf ihm jetzt sagen: Gib mir die Verlassene, die schöne Schwester zum Weib. Sie sei des Jäcklein Hausfrau! Keines Ritters!
Justine (mit leisem Kopfschütteln) Nein, Jäcklein! So doch nicht –
Jäcklein. Was nicht? Warum denn nicht?
Justine. Ich kann niemals Deine Hausfrau werden –
Jäcklein. Magst Du mich denn nicht?
Justine. Ob ich Dich mag, d'rauf kommt's nicht an.
Jäcklein. Worauf denn sonst?
Justine. Hast Du vergessen, daß ich des Sickingen Schwester bin?
Jäcklein. Was weiter!
Justine. Der Sickingen hat eine Sendung. Seine Schwester – das ist ein Schicksal, eine Bestimmung.
Jäcklein. Schöne Worte! Der Jäcklein hat auch eine Sendung – vielleicht eine bessere. – Aber ich seh' schon, Du suchst Ausflucht – wie bei dem Helmstätt. Aber ich bin kein Junker! blos ein Bauer – das bedenk'! Wo die lieben, da ist kein eitler Zierath. Das wächst in Fleisch und Blut hinein. – Du trägst meinen Rosenkranz – gib ihn mir zurück.
Justine. Ungern – aber da. – Du bist hart, Jacob –
Jäcklein. Magst Du ihn behalten? – Es war doch schöner damals, als ich Dir'n gab – da war noch Hoffnung! – Ich hielt mich immer für was Großes aufbewahrt – es wird doch nicht sein! – Sei's denn! – (Rafft die Axt vom Boden auf.) Lieb' mich oder nicht! Ich geh' für Euch zu kämpfen! Ich bin's ja gewohnt, meinen Kopf für Euch zu Markte zu tragen.
Justine. Armer Jäcklein! Du hast recht! Der Jäcklein hat eine Sendung –
Jäcklein. Siehst Du's ein? – Weihe mich!
Justine. Ich beweine Dich. Thu', was Du nicht lassen kannst.
Jäcklein. Du liebst mich doch! Und Du sollst mir's noch sagen! – Die Brüder nah'n – ich erwarte sie. Dann gilt's den Kampf für Dich – um Dich! – Wenn bald die hellen Haufen sich erheben, die Schlösser und Burgen der Edlen hell auflodern und ihre behelmten Häupter fallen – so denk', es ist der Jäcklein, der die verderbte Welt in Trümmern schlägt, daß aus dem Schutt und Graus ein neuer Bau sich aufthu' – der Gleichheit und der Liebe! (Rasch ab.)
Justine (allein). Ein Rächer – o Hutten! Ein Rächer – (Ab zur Seite rechts.)
Hilchen Lorch, dann Sickingen.
Hilchen Lorch (noch im Auftreten bei Justinen's Abgang). Steig' Einer auf den Thurm. Ich mein' immer, die Schweizer müßten heut' noch kommen –
Sickingen (im schwarzen, spanischen Costum, mit Mantel und Federhut, die goldene Kette um den Hals, tritt aus der Thüre links).
Hilchen. Da ist er ja! Potz! Wie siehst Du prächtig, Franz! Erwartest Du Gäst'?
Sickingen. Ich denk', sie sind schon da.
Hilchen. Wer? die Leut' vom Entsatz? Für die ist der Prunk?
Sickingen. Ich will sie empfangen, wie sich's ziemt, als des Kaisers Rath und Kämmerer – das Bildniß unser's Carl auf der Brust.
Hilchen. Sie dienen Dir – Dein Namen ist denen genug.
Sickingen. Mein Namen! D'rum eben! Der Namen Sickingen hat noch Klang. Das Volk ehrt ihn noch, nicht wahr?
Hilchen. Wie denn anders?
Sickingen. Gut, gut! Laß sie meine Farben aufstecken. Sie sollen später den Eid schwören. Ich ruh' indeß ein wenig – (setzt sich).
Hilchen (tritt zu ihm.) Die Schweizer müssen jetzt auch auf'm Wege sein.
Sickingen. Wohl möglich.
Hilchen. Der Hutten hat Dir's ja geschrieben?
Sickingen. 's ist hübsch lang her –
Hilchen. Um so bälder müssen sie kommen.
Sickingen. Freilich, freilich – (langt nach der wunden Seite).
Hilchen. Es engt Dich was?
Sickingen. Laß', laß'! 's ist nichts.
Hilchen (für sich). Die Wunde schmerzt ihn – aber man darf nichts sagen.
Sickingen (nach einer Pause). Weißt Du, Hilchen, wer heut' noch kommen kann?
Hilchen. Wer?
Sickingen. Ich muß immer an ihn denken.
Hilchen. Du meinst den Hutten?
Sickingen. Ja, meine Seele sehnt sich nach dem Freund – und das trifft häufig zu: an die man recht lebhaft denkt, die Personen begegnen uns.
Hilchen. Nun, ich denk' recht lebhaft an die Schweizer, und wär' mir lieb, wenn mir ihrer etlich tausend mit ihren Hellebarden begegnen möchten!
Vorige. Richard von Greifenklau (im churfürstlichen Kleide vom Hintergrunde links).
Richard. Sickingen –
Sickingen (fährt auf). Herr Churfürst!
Hilchen. Der Bischof!
Sickingen. Ihr kommt zu mir, Herr von Greifenklau?
Richard. Zum zweiten Mal. – Ich hörte von Eurer Verwundung –
Sickingen. Ihr seht, ich bin wohl!
Richard. Die Waffenruh' läuft heute ab. – Ihr habt Euch nicht erklärt. Die Fürsten wollten Euch Boten entsenden – nehmt mich statt ihrer an.
Hilchen (leise). Nimm' Dich in Acht, Franz! Sie wollen verhandeln – sie wollen den Landstein –
Sickingen (eben so). Sorg' Dich nicht! Ich werd' ihn nicht weg schenken.
Hilchen (im Abgehen). Ich hoff' auf die Schweizer. (Ab.)
Richard von Greifenklau. Sickingen.
Richard. Wenig Worte, Sickingen! Es ist der Wille Seiner Majestät, unsern Zwist mit Dir auf die glimpflichste Weise zu lösen –
Sickingen. Dann fangt Ihr's seltsam an, Ihr Herren, da Ihr ein Heer gegen mich ausrüstet!
Richard. Dein Beispiel hat uns aufgefordert, uns're Macht zu zeigen.
Sickingen. Darum zerstört Ihr die Schlösser meiner Freunde und Anhänger!
Richard. Du weißt am besten, mit welchem Recht wir handeln. Das weite Land ist aufgeregt – durch Dich, wenigstens für Dich. Wir müssen Ernst zeigen, denn wir brauchen Ordnung.
Sickingen. Das heißt, Ihr wollt mich verderben wie alle die Meinigen!
Richard. Im Gegentheil! Wir wollen Dich mächtiger machen, als Du jetzt bist.
Sickingen. Wie wollt Ihr das anstellen?
Richard. Wenn Du mich ruhig anhören wolltest –
Sickingen. Ihr seht, ich bin ruhig.
Richard. Laß eine kaiserliche Commission hier auf dem Landstein uns're Händel schlichten – erkläre Dich für den Frieden, für die Ordnung, und die Acht wird aufgehoben. Der Bund der Ritterschaft ist gelöst – doch soll er einem neuen, größeren Bunde weichen, dem der Fürsten, und Du sollst später daran Theil haben als unsers Gleichen.
Sickingen. Als Eures Gleichen? Will sagen: Ihr fürchtet mich noch?
Richard. Nein. Aber wir schonten Dich gern.
Sickingen. Ich brauch' keine Schonung! Und ich mag nicht Eures Gleichen sein!
Richard. Sickingen –
Sickingen. Ihr seid's, die die Ordnung zerstören, die Ihr im Munde führt, Ihr habt die Ritterschaft vernichtet, den freien Adel!
Richard. Weil er sich übernommen – und d'rum sich überlebt!
Sickingen. Du irrst! Einer lebt noch frisch! Franz von Sickingen!
Richard. Laß den alten begraben sein – der neue, größere Sickingen sei uns willkommen!
Sickingen. Alt oder neu! Er soll Euch immer zu schaffen machen!
Vorige. Martin Luther (der im Hintergrunde bleibt).
Richard (ergreift Sickingen's Arm). Sickingen! Ich warne Dich zum letzten Mal. Noch bieten wir Dir des Kaisers Gnade an –
Sickingen. Spar' Deine Wort', Richard! Uns're Verhandlung ist aus.
Richard. Die Folgen auf Dein Haupt! Ich setze den Fuß aus diesem Gemach und lasse die offene Rebellion zurück.
Sickingen. Ein Rebell! Soll ich's denn sein, so bin ich's!
Luther (tritt vor). Nein, Franciscus, Du bist's nicht!
Sickingen (wendet sich um). Wer ruft? Du bist's!
Richard. Martin Luther!
Sickingen. Du kommst zu mir? Mitten in's Kriegsgetümmel!
Luther (mit Würde, aber immer lebhaft). Es hat mich gemahnt. Ein Freund ist in Noth! Da durft' der Luther nicht fehlen.
Sickingen. Du irrst, Martin! Dein Freund ist frohen Muth's! Und nun ich Dich hab' – (mit Beziehung) den Einen –ist Alles gut.
Luther. Ich bin freilich nur Einer! Wie damals in Worms! Aber Einer ist mit mir! (Betrachtet Beide.) Wo 'naus, liebe Herrn? Ihr zankt und hadert? Das steht nicht fein.
Richard. Der Ritter will sich nicht fügen. Meine Sendung ist aus.
Sickingen. So ist's, Herr Churfürst! Das Schwert soll entscheiden.
Richard. Lebt wohl, Herr Doctor –
Luther. Bleibt, churfürstlich Gnaden, bleibt! – Was willst Du mit Deinem Schwert, Franciscus? Das Wort ist besser.
Sickingen. Es ist gesprochen!
Richard. Und es verhallte ungehört.
Luther. So sprecht's noch einmal, und wieder, und wieder! Das Wort ist ein Wunder wie der Regen. Regnet's Wasser, regnets's Gold – regnet's Wort', regnet's Edelstein. – Ich kenn' Euern Hader, Herrn. 's geht um's Regiment – nicht wahr? Wer soll's führen? Ich weiß nicht! Aber wir brauchen's. Und ein ziemlich, fest, scharf Regiment! Obrigkeit muß sein und die Ordnung ist gar ein göttlich Geschöpf.
Richard. Das sagt' ich dem Ritter –
Luther. Ihr hört, churfürstlich Gnaden, ich sag's ihm auch. Man weiß ja, wie's zugeht! Der Bauer ist wild, Bürger geizt, Adel kratzt. Man darf dem Pöbel nicht viel pfeifen, er tollet sonst gern – darum Richter, Juristen, Büttel – die bös' Welt kann ihrer leider nicht entrathen. Summa, wir brauchen einen Herrn – einen tüchtigen Herrn. – Frösch' müssen Störch' haben – und die Fürsten sind Gottes Stockmeister. Ach, Herr Gott! Ich bin solcher Weltsachen wohl zu kindisch – aber ich begreif's doch, was Noth thut!
Richard. Ihr sprecht wie ein kluger Mann, Herr Doctor, und wie sich's ziemt.
Sickingen. Du sprichst, was die Herren gern hören, Martin!
Luther. Bei mir geh'n viel Wort' in ein'n Sack, aber ich hab' deren allerlei. – Ich hört' vorhin was von ein'm Rebellen reden und von Gnad' – das fährt Ein'm wohl in der Hitze 'raus – aber Hitz' thut kein Gut! Ich weiß das von mir.
Richard. Hitz' gegen Hitz', Herr Doctor. Ich hab' den Ritter nicht beleidigen wollen.
Sickingen. Ich sagt' nichts gegen des Herrn Churfürsten Person –
Luther. Nun, man sagt seine Meinung – so oder so. Aber ein Rebell ist der Sickingen nicht, und Gnade braucht er nicht. – Das ist so meine Meinung. – Deine Hand, Franciscus! Du hast Dich einen Mann erwiesen.
Sickingen. Einen Mann? Wie meinst Du's?
Luther. Damals vor Trier. Ich hab's vernommen. (Mit Nachdruck.) Du hast die Bauern nicht annehmen wollen, den Bundschuh.
Sickingen (wie betroffen). Den Bundschuh –
Luther. Du that'st recht in meinem Sinn! Denn würden die Bauern Herren, würde der Teufel bald Abt sein.
Richard. Ihr seid ein weiser Mann, Herr Doctor! Ihr denkt wie ich.
Luther. Nit so ganz, churfürstlich Gnaden, nit so ganz! Aber Rudel ist Rudel – das steht fest. Sie sagen freilich: 's Volk – aber ein Kürbiß ist noch keine Melon'.
Richard. Man hört Euch mit Vergnügen sprechen!
Luther. Dank der Gnad' –
Richard (halblaut). Wenn's der Ritter nur einsehen wollt'! Ihr habt ihn getroffen, scheint's. Ihr könntet da noch viel thun! Wenn wir Euch zu den Uns'rigen zählen dürften – ich spreche vom Weltlichen – wenn Ihr hier vermitteln wolltet, ausgleichen –
Luther. Wenn ich's vermag! Vom Herzen. Was meinst Du, Franciscus?
Sickingen (der nachdenklich ward). Du sprachst vom Bundschuh –
Luther. Den haben wir los! Will's Gott, für immer! Aber es gährt noch, es murret noch. Wißt Ihr warum? Der arme Mann braucht auch Luft und Raum zum Leben, und fehlt ihm das, so wird er wild. (Zu Richard.) Das vergeßt Ihr Herren!
Richard. Ihr meint uns?
Luther. Nicht Euch insbesondere, Herr Churfürst – die Herren und Fürsten überhaupt. Ein Fürst ist Wildpret im Himmel. Geräth ein Fürst, das ist der großen Wunder Ein's. Aber 's gibt deren, 's gibt deren – nur sind sie rar, wie die Rosen im Winter. – Seht, in meinem Wittenberg daheim gab's auch Unruh' – 's waren Rudel und Rotten – sie hätten mich schier erschlagen. Aber mein gnädiger Herr von Sachsen hat's zu stillen gewußt durch Weisheit, durch Mäßigung – durch gerechte Duldsamkeit. Laßt Euch mahnen, Ihr Herren und thut Alle des Gleichen – so mag's noch gut und löblich enden!
Sickingen. Du sprichst vergebens, Luther! Sie hören Dich nicht.
Luther. Sie werden's, denk' ich – sie werden's! – Ich soll vermitteln, Herr Churfürst? Wohlan denn! Hier steht der Sickingen und der Luther bei ihm. Sie verlangen keine Gnad', sondern nur das Recht, das Rechte. Und wir dürfen's verlangen – wir, die wir das Volk noch bezähmen! – Nicht wahr, Franciscus? (Zu Richard.) Aber Gott ist beiden Feind, Rotten wie Tyrannen – das bedenkt! – Ihr hindert die Kirchenverbesserung, Herr Erzbischof, Ihr treibt Handel mit dem Ablaß, Ihr drückt den gemeinen Mann – nun, schafft das Alles ab und noch Einiges, und der Krieg ist aus. Ich steh' für den Sickingen, ich selbst will ihm das Schwert aus der Hand nehmen wie einem Kinde, und ihn in Eure Arme führen! So Ihr Euch aber nichts abtrotzen ließet, auch Eure Fehler nicht, Euer Unrecht, Eure Sünden – dann wahrlich sage ich Euch, Ihr werdet's nicht erreichen, und wenn's gleich neun Tage nacheinander eitel Bischöf' Richarde regnete! Hie sage ich nein, nein, nein, weil ich eine Ader regen kann, es verdrieße Kaiser, König, Fürsten, Teufel, und wen es will!
Richard. Ihr führt eine Sprache, Herr Doctor – ein Fürst bekommt das selten zu hören –
Luther (wischt die Stirne). Verzeiht, verzeiht! Bist ruhig, Martin! Hitz' thut kein gut. – Noch einmal verzeiht! Meine Wort' rauschen wie der wilde Platzregen, ich weiß wohl, 's ist kein warmer Landregen, sie geh'n nicht fein sachte und lieblich, wie Melanchthons! Im Uebrigen – gern lass' ich den Doctor bei Seit' – thut Ihr dasselb' mit dem Fürsten, mit dem Bischof – Ihr habt mich aufgefordert und hie bin ich, um als Mensch zum Menschen mit Euch zu reden.
Richard. Ihr habt das gethan, mein' ich. Ihr sollt uns Fürsten zu manchem Opfer unserer Macht bereit finden – sagt es auch dem Manne dort, der es verschmäht, in unsern Kreis zu treten, weil er eine eigene Bahn schreiten will und die Welt im Sturme hinter sich herzieh'n.
Luther. Das will er nicht, churfürstlich Gnaden! Er hat den Bundschuh nicht angenommen.
Sickingen (nach einer kleinen Pause). Du irrst, Martin! Sie sind auf dem Wege herauf – sie sind schon da.
Luther. Wer?
Sickingen. Die Du gering hält'st; das Volk.
Luther. Das Volk? Die Rotten!
Sickingen. Nenn's wie Du willst! (Zu Richard.) Ich wollt' dem Lande helfen, das Land will jetzt mir helfen.
Richard (wie erschrocken). Sickingen! Versteh' ich Dich?
Sickingen (wieder nach einer kleinen Pause). Nein, Herr Churfürst. Der Aufruhr klopfte an's Thor – ich wehrt' ihm den Eingang! Er klopft ein zweites Mal – ich rief ihm nicht: herein! aber ich kann ihm nicht wehren, ich reich' nicht mehr aus – und Ihr noch minder!
Richard. Entsetzlich!
Sickingen (ergreift seine Hand). Ihr habt den Adel zerstört – das Volk rächt uns an Euch! Rüttelt Ihr von Oben, drängen sie von Unten – die neue Macht in der Mitte, die Euch beschränken wird, Ihr schafft sie selber! (Läßt seine Hand los.) Doch seid unbesorgt! Für dies Mal zerschellen die Wogen an einem Fels – der Fels heißt Sickingen! Und wolltet Ihr ihn zertrümmern, so bricht die schäumende Fluth über's Geröll, über Euch! – Ein Namen hält die Menge noch und lenkt sie! Luther mahnt uns Beide zu rechter Zeit: daß ich den reinen Namen nicht beflecke, daß Ihr ihn nicht auslöscht!
Luther. Ich hab' Dich gleich begriffen, Franz!
Sickingen. Der Landstein ist Euer. Kommt herauf, Ihr Fürsten, und verhandelt redlich und treu! Ihr findet Luther, Sickingen, und das wir bezähmen – das Volk. – Ist Dir's so recht, Martin? Bist Du mit mir zufrieden?
Luther. Du bist ein großer Mann, Fränzel! Die machen Alles recht. – Churfürstlich Gnaden! Was meint Ihr dazu? Der Franz hat recht! Es gibt auch ein Volk – nicht blos Rudel und Rotten! Und das Volk ist wahrhaft, ehrsam, stark, treu und gerecht – aber 's ist in Noth, 's ist arm und darbt – an seinem Leib, an seinem Geist! D'rum gebt dem Volke, was ihm gebührt: gebt ihm den freien Leib, den freien Geist! Dann ist's nicht mehr schädlich – merkt das, Ihr Fürsten! Der Sickingen mahnte Euch mit dem Schwert – der Luther mit dem Wort – aber das Wort ist besser!
Richard (nach einer Pause.) Ich habe Dich verkannt, Sickingen – Luther, auch Dich! (Reicht Beiden die Hände.) Ein Fürst braucht einen großen Blick – Ihr habt mir die Augen geöffnet und Ihr sollt mich Euer würdig finden. – Ich habe unbeschränkte Vollmacht und ich will thun, was dieser Stunde ziemt. – Wir seh'n uns wieder! (Rasch ab.)
Luther. Sickingen.
Luther. Nun, mein Franciscus –
Sickingen (in tiefer Aufregung). Luther! Luther! Nun ist's vorbei –
Luther. Vorbei? Was?
Sickingen. Meines ganzen Lebens Werk! Ich wollt' dieser Fürsten Herr werden – ich vermag's nicht!
Luther. Lieber! Wer sticht gern unter die Horniß 'nein? Man mag sie räuchern – das ist klüger. – Du langst nach der Seit' – fehlt Dir was?
Sickingen. Nichts, nichts! – Wir haben uns lang' nicht geseh'n, Martin!
Luther. Du wirfst mir's vor?
Sickingen. Nein. Sieh', ich hatt' die Mahnung, ein Freund müßt' kommen – und Du bist da.
Luther. Ein Freund?
Sickingen. Wir sind doch Freund'! Oder nicht?
Luther. Du weißt's ja, Alter! Ich häng' an Dir, wie der Rost am Eisen.
Sickingen. Und hast Dich dem Hutten doch verweigert!
Luther (wie schmerzlich berührt). Dem Hutten!
Sickingen. Und mir. – Mein Herr und Meister! So Du kein solcher Freund der Fürsten wärst!
Luther. Nu, nu, Franz! Ich mal' ihnen auch keinen Heiligenschein an. – Aber laß uns gleich vom Rechten sprechen. Ich wollt' Dich aufsuchen – Du nanntest da den Hutten – Du hast den Uli nach der Schweiz gesendet – nicht wahr?
Sickingen. Schon vorlängst. Um Hilfe. Die Truppen sollten auf'm Wege sein.
Luther. Sie sind's auch. Ich bin ihnen begegnet.
Sickingen. Das wär' ja gut!
Luther. Gut oder nicht! Aber unser armer Uli – (Hält inne.)
Sickingen. Nun?
Luther. Er ist krank –
Sickingen. Krank?
Luther. Schwer krank, tödtlich krank –
Sickingen (vor heftigem Schreck flüsternd, faßt seine Hand). Der Hutten! Weißt Du's gewiß?
Luther. Nur zu genau! Er bot seine letzte Kraft auf, um die Leut' für Dich zu sammeln, zu werben – da brach er bald zusammen und lag schmerzhaft dahin auf der Insel Ufenau, im Zürcher See. – Wir sind eben Alle auf einer Insel, Franz; die satanischen Wellen schlagen um uns her, bis sie uns hinunter spülen. Meist die Besten! Sei ein Mann. Franz! (Milde.) Unsern Freund haben sie verschlungen.
Sickingen. Mein Uli!
Luther. Christ muß dulden! Sei ein Mann!
Sickingen. Todt! – Todt! – Todt!
Luther. Ja, aber der Herr zählt die Seinen!
Sickingen (nach einer Pause). Der Freund ist fort – es mahnt mich, ihm zu folgen.
Luther. Was fällt Dir ein! Nun mußt Du erst recht leben.
Sickingen. Unsere Herzen waren in einander gewachsen – bricht sein's, hat auch das meine ausgeschlagen –
Luther. Was hast Du? Du greif'st wieder an die Seit'?
Sickingen. Ich bin doch was hart troffen, mein' ich –
Luther. Da sei Gott für! Du bist verwundet?
Sickingen. Laß nur, laß! Es wird schon besser (Setzt sich. Der Mantel fällt und man sieht das Wamms zur Seite aufgeschlitzt.) Uli! Mein Uli! (Verhüllt das Gesicht.)
Luther (folgt ihm). Mein Franciscus! Es muß eine kleine Zeit gelitten und geschwiegen sein – dann mag's wohl wieder werden!
Sickingen (schlingt den Arm um ihn). Meinst Du, Freund?
Luther. Gewiß, gewiß! Und d'rum sollst Du Dich schonen –
Sickingen. Schonen? Wofür? – Du bist ein großer Mann, Luther – der Uli war's auch – ich hätt' vielleicht Einer werden können!
Luther. Du bist's, ohn' es zu wissen. Das ist die wahre Größ'!
Sickingen (sieht rasch auf, ergreift seine Hand). Ich will Dir was sagen, Freund! (Aufflammend.) Wer ein Werk anfängt, der vollendet's nicht – er öffnet den später Kommenden nur die Gasse. Jeder große Mann ist ein Arnold von Winkelried. In seine Brust dringen tausend Speere, und erst wenn sein Herzblut geflossen, wird's den Andern klar, was sein kühnes Herz gewollt!
Luther. So warst Du – so bist Du! Aber Du lebst und wirst noch lange leben und wirken!
Sickingen. Nein, nein! Ich bin nichts ohne den Hutten. Mein stolzes Herz hatte mir's nur vorgespiegelt! Ich hab' Großes angestrebt und war ihm nicht gewachsen!
Luther. Wer thut ihm genug? Einer ist Keiner! Du kommst an den Kleinen um, wie wir Alle!
Sickingen. So lösest Du mich meines Fehls, meines Irrthums?
Luther (legt die Hand auf sein Haupt). Wer lebt, der irrt. (Mit einem Blick nach oben.) Qui tollis peccata mundi! – Es ist ein Wunder! Ich Unreiner vor dem Herrn darf Dich rein sprechen.
Sickingen. Ich dank' Dir, Luther. Deine Näh' hat mich wunderbar getröstet. Und so ich noch Einen bei mir hätt' – – so ich unser's Deutschland's Ausgang wüßt' – – (mit Gemüth) sprich, Martin! Hat ein Sickingen, ein Hutten ganz vergebens gelebt? Glaubst Du das, Luther?
Luther (nach kleiner Pause). Willst Du meine wahre Meinung wissen? Leut' wie Ihr – (gemüthlich, mit Bewußtsein) Leut' wie wir – taugen nicht für gleich jetzt, aber 's ist immer gut, daß sie da waren. Man klaubt und gräbt uns später wieder einmal herfür, wie die gesunden Kräutlein unter'm Schnee. – Und Deutschland! Sie wollen frei sein? Mir recht! Aber betracht' Dir einmal das ganze Volk! Sie laufen und schrei'n wohl eine Weile mit, aber geht's einmal schief, heißt's gleich: Kehr' um! Das macht, sie sind was roh und plump. Der Koth hängt sich alleweile an's Rad. Und sind die Fürsten viel besser? Sie schwanken zwischen Uebermuth und Kleinmuth und denken an sich selber. Und die Andern schmeicheln ihnen oder machen wilde Wirthschaft. Zum Helfen oder Fördern ist Keiner da! So steht es, Franz! Nun, sind's doch meine lieben Deutschen und Landsleut'! – Ob sie je eine Nation werden, das weiß ich nicht! Sollen sie's werden, so bittet Gott, daß er ihnen erst eine rechte Zuchtruthe send' – so einen Holofernes, einen Attila, der sie zusammen dräng', zusammen druck', zusammen press', daß ein tüchtiger Brei d'raus wird, aus dem dann Kerle wie Ihr was Recht's machen können – so aber und blos mit der Vernunft bringt Ihr sie nimmermehr unter Einen Topf! – Bis dahin ist's leicht noch weit! – Jetzt muß man sie eben erst zu Menschen schaffen, mein' ich, und das ist mein Amt, dem ich nimmer aus dem Wege geh' – mein Friedensamt. Am Menschheitswerk weben viele Weber und weiß oft Keiner vom Andern! Will's Gott, ich werd's vollbringen helfen, im Geiste, durch das Wort! Ich oder ein Anderer! Summa, dabei bleibt's!
Sickingen (sanft). Schön, schön! Wir haben's versuchen wollen – der Hutten und ich – Du wirst es vollführen – Ja, Du! (Sie stehen Arm in Arm. Längere Pause.)
Vorige. Hilchen Lorch. Jäcklein. Später ein Herold.
Hilchen Lorch (im Auftreten). Still! Da ist der Herr Doctor!
Jäcklein. Martin Luther?
Sickingen (wendet sich um). Du bist's, Hilchen?
Luther (der ihn unterstützt). Sei stark, mein Franciscus!
Jäcklein (für sich). Steht's so mit ihm?
Herold (tritt auf und bleibt im Hintergrunde stehen). Im Namen des Kaisers! Die Acht gegen Franciscus von Sickingen ist aufgehoben! Gebt Raum für des Herrn Churfürsten von Trier Gnaden!
Sickingen (rafft sich auf). Ich will dem Herrn entgegen gehn.– (Er geht nach dem Hintergrunde.)
Hilchen (folgt ihm). Herr Doctor! Er wankt –
Luther (ebenso). Gott schütz' seine Kraft!
(Eine heitere Musik von Hörnern und Flöten beginnt.)
Vorige. Justine. Später Richard von Greifenklau.
Justine (tritt rasch aus dem Gemach und bleibt an der Thüre stehen). Die Musik! Die Musik!
Jäcklein (tritt zu ihr). Justine!
Justine (wie eingewurzelt). Hörner und Flöten – Männerstimmen – Waffengeklirr –
Jäcklein. Sei ruhig! Es ist der Fürst, dem Dein Bruder entgegen geht.
Justine (wie oben, die Finger krampfhaft bewegend). Jetzt wird's kommen, jetzt –
Jäcklein. Was fehlt Dir, Liebe? Du siehst so bleich –
Justine (in Seelenangst). Still, Jacob, still! Es geschieht etwas –
Jäcklein. Was denn?
Richard von Greifenklau mit Gefolge tritt auf.
Richard (im Hiutergrunde). Deine Hand, Sickingen!
Sickingen. Herr Churfürst –
Richard. Dem Ritter wird nicht wohl – Leute herbei!
(Gefolge eilt hinzu, theilweise den Rücken gegen die Bühne, so daß alle Hauptpersonen im Hintergrunde dem Publicum verdeckt bleiben.)
Justine (mit wogender Brust). Er stirbt – er stirbt –
Jäcklein (faßt sie um den Leib). Sorg' um Dich selbst! Du wirst immer bleicher –
Richard (ungesehen). Bringt Wasser! schnell!
Luther (gleichfalls verdeckt). Knöpft ihm das Wamms auf! Seine Brust arbeitet heftig – (Bewegung – dann Pause – wieder dumpfes Gemurmel.)
Hilchen Lorch (wie jammernd, ungesehen). Franciscus! Mein Franciscus!
Justine (laut schreiend). Er ist todt! (Sie reißt sich von Jäcklein los und eilt nach dem Hintergrunde).
(Die Gruppe löst sich auf. Man erblickt Sickingen im Armsessel lächelnd wie im Schlummer.)
Justine (fällt am Armsessel zu Boden). Franz – mein Bruder –
Jäcklein (macht eine Bewegung nach rückwärts, bleibt dann stehen).
Luther (nach einer längeren Pause, sanft). Er ist eingeschlafen. Sein letztes Wort war Deutschland – sein letzter Seufzer Hutten.
Richard. Sein brechend Auge suchte die Schwester – ein Fürst soll ihr in Zukunft Bruder sein. (Er breitet seinen Purpurmantel über die Leiche und richtet Justinen sanft vom Boden auf. Das Gefolge hat die Fahnen gesenkt.)
Justine. Ein Fürst! Ein Held! Er war's – ach, und es war auch mein Bruder – (sie fällt laut weinend in Richard's Arme).
Luther (tritt zu ihr). Tröste Dich, Mädchen! Sein Werk wird nicht untergeh'n.
Justine (sich erhebend). Nein! Das wird's nicht! (Ergreift Richard's und Luther's Hände.) Nehmt sein Werk auf, Ihr Männer! Wahrt Euch, Ihr Fürsten! Es mahnt Euch des Sickingen Schwester. Schon lauern die Rächer, die blutigen Rächer! (Sie läßt die Hände los, tritt mehr nach vorne, dann wie prophetisch, ohne auf Jäcklein zu schauen.) Einen seh' ich – es treibt ihn mächtig – er will's vollbringen.– und er vermag's nicht – er fällt als Opfer – weh' ihm! Ich lieb' ihn! – (Jäcklein verhüllt das Gesicht.) Und Viele fallen – aber sie lächeln! – Drauf wird's wieder hell – schöne, freundliche Bilder! Die Menschen als Brüder – sich liebende Brüder! Und das große, große Land – im herrlichen Glanze, und mächtig – und frei!
(Sie sinkt in Luther's Arme. In der Gruppe fällt der Vorhang.)
Einer der vielen Versuche, den undramatischen deutschen Helden dramatisch zu gestalten! »Jäcklein« – freilich nicht der wilde, eigentliche historische Bauernheld – ist sonst eine ziemlich gelungene Figur, deren vorzüglicher Darstellung durch unseren Fichtner das Stück auch seinen Erfolg zu danken hatte. Zur Zeit der Reaction wurde es natürlich zurück gelegt.