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IV. Capitul. Sempronio schickt Wein auf das Schloß. Herr Friderich resolviert sich zu einem andern Leben.

Diese Verwandlung, gleichwie sie arglistig ausgesonnen war, als ergetzten wir uns auch ziemlich darüber, und mich wunderte nicht unbillig, warum Friderich, der doch sonsten von allen dergleichen Gaukeleien einen ziemlichen Ekel getragen, sich dennoch gefallen lassen, mich auf eine solche Weis hinter das Licht zu führen. Deswegen satzten wir uns nieder, und damit mir der eingenommene Schrecken nicht übel bekommen möchte, verschaffte ich ein gutes Glas Wein nebenst einer großen Schal voll Mandelkern, dabei wir allerlei Gesundheiten herumgejaget. »Bruder,« sagte ich zu Philippen, »nach Laut deines Briefes bist du ein Schelm, denn ich und wir alle sehen dich anitzo außer deinem Einsiedlersrock.« – »Mich wundert,« sprach Philipp, »daß du vor großer Furcht dennoch so viel hast merken können, ich will auch lieber ein Schelm als noch länger so in einer rauhen und filzigen Kutten stecken, in welcher man voll Kot und Läuse wird. Ich habe zwar in derselben ein andächtig Buch aufgesetzet, aber sobald ich drei Zeilen geschrieben hatte, mußte ich mich wieder eine gute Viertelstund im Buckel krauen. Ich glaube nicht, daß so viel Totschläge in Teutschland geschehen sind, als ich diesen Sommer nur allein in meiner Mönchskutte begangen habe.« Aber Friderich wies uns seinen Vorteil, dessen er sich in Abwendung desselben Ungeziefers gebraucht hatte, indem er unter seinem rauhen Schipperstuch ein Hemd mit weißem Wachs ausgedichtet auf dem bloßen Leibe trug, und also ist er wider dieselbigen Feinde, mit welchen Herr Philipp ohne Unterlaß zu scharmitzieren gehabt, sicher und befreit gewesen.

Indem wir noch miteinander redeten und wegen unsers Vornehmen beschäftiget waren, fuhr ein großer Wagen zum Schlosse herein, dabei mir ein Bot folgendes Schreiben einlieferte, welches also hieß: › Monsieur mon frère! Ich lebe in keinem Zweifel, daß Deine angefangene Andacht noch in guten Terminis stehe, wie ich denn nichts Liebers als ein solches Leben wünschen wollte, wenn es meine häufige Haussorgen gestatten wollten. Doch hoffe ich sowohl als Du, in den Himmel zu kommen, und indem Du an dem Paternoster klaubest, bin ich mit meiner Schaufel beschäftiget. Was der Feind vor Vorteil in unseren Landen eingenommen, wird Dir zweifelsohne genugsam bekannt sein. Wenn Du fleißig betest, so will ich indessen fleißig arbeiten und sehen, wie dem Land am besten geholfen werde. Du hast genugsame Gelegenheit, den übeln Zustand des Vaterlandes zu betrachten, denn Du sitzest, wie ich höre, in einem hohen Turm, von daraus Du eine ziemliche Ecke wie Hans Guck in die Welt aussehen kannst. Ein anderer armer Teufel muß seine junge Haut daran strecken, zu Pferde sitzen und dem Feind die Spitze bieten, Du aber sitzest indessen auf dem Turm und siehest die Schlachtordnung im Kupferstich an. Damit Dir nun die Zeit indessen nicht zu schwer noch langweilig falle, will ich Dir hiermit zwei Faß von meinem besten Canari-Seck verehret haben. Erstlich: weil ich weiß, daß Du ein großer Liebhaber dieses Getränkes bist. Vors ander: weil ich wegen der weit ins Land streifenden Parteien mit meinen Victualien nicht gar zu sicher und feste sitze. Vermerke dieses im besten und trinke mit Bruder Philippen meine Gesundheit. Vale.

Dein getreuer und unveränderter Freund
Sempronio.‹

»Sehet,« sagte Philipp, »das ist noch ein Kerl von einem brüderlichen Erkenntnis. Derweiß, womit den Pfaffen am besten geholfen ist, nämlich: mit einem guten und frischen Trunk Wein. Wohlan, Bruder, lasse geschwind aufspunden, der Bot soll seinem Herren ein lebendiges Zeugnis zurücke bringen, daß wir seinen Befelch fleißig vollzogen haben.« Damit schickte ich um meinen Binder oder Böttger, und als dieser beschäftiget war, den Spund zu eröffnen, sprangen die Reife an beiden Fässern entzwei, und als wir meinten, der Wein wäre verschüttet und verloren, kamen aus denselben hervorgekrochen Monsieur Sempronio, mein Vater Alexander, Bruder Gottfrid, Christoph und der ehrliche Dietrich mit zweien Weibern. All mein Lebtag hätte mir nichts so Wunderliches begegnen können, ja, ich hätte mir nichts weniger als eine solche Abenteuer eingebildet, die der Friderich auf diesen Tag mit allen diesen Leuten bei mir auf dem Schlosse angestellet hatte. »Du bist«, sagte ich zu ihm, »ein arglistiger Kopf, und unter diesem Pfaffenmantel stecken viel Schelmenstücklein verborgen.« Die andern bekräftigten solches mit vielen Umständen, und wir hatten genug zu tun, daß wir einander wegen abgefallenen Leibes noch kennen mochten. Dietrich, so ein dicke Sackpfeife er sonst war, hatte doch am Fleische ziemlich hinabgezehret, weil er nach seiner Aussage in dem Wald etliche Wochen versuchet, wie sich die Baumwurzeln saugen und etliche Waldkräuter essen ließen.

Nicht anders hatten es Gottfrid und sein Bruder Christoph an ihrem Ort versuchet, welche so spitznasicht aussahen, daß man hätte Krammetsvögel an ihren Nasen braten können. Aber viel elender war das arme Frauenzimmer zugerichtet, und weil jede das elendeste Leben wollte geführt haben, hat mans gar vielen angesehen, daß sie sich mit spanischer Kreide angestrichen hatten. Hiermit verfügten wir uns in dem Schlosse in ein größers Zimmer, allwo wir weiter miteinander verabredeten, was ich und der Friderich bis daher miteinander abgedroschen hatten.

»Wir sind,« sprach er, »werte Herren Brüder und Schwestern, um keiner andern Ursache willen allhier kommen, als unser Leben in etwas zu ändern. Wir wollen, wie ihr zum Teil wisset, zwar das geistliche Kleid, aber mitnichten das geistliche und recht christliche Herz hinweglegen, mit welchem wir bis dahero unser menschliches Elend betrachtet und beseufzet haben.

Der Mensch ist ein Tier, zur Gesellschaft geschaffen, und solches wird vielmehr uns adeligen Leuten anstehen, weil wir, als eine Fackel, dem anderen Pöbel zu leuchten vorgesetzet sind. Es ist gar gut, daß man sich den äußerlichen Weltsorgen zuweilen entziehe, damit man desto gefaßter an einem einsamen Orte seine innerliche Angelegenheiten beherzigen kann. Aber es ist darumben nicht nötig, alle äußerliche Gesellschaft auf ewig zu fliehen, sondern nur auf eine Zeit seiner Amtsgeschäfte sich so weit zu entäußern, damit man dieselbe nicht gar verlasse oder auf die faule Seite setze.

Solches ist meine Meinung niemalen gewesen, als ich euch zu einem muntern Leben angefrischet habe. Ihr habt auch keine Ursach gehabt, meiner Lebensart nachzugehen, wenn ihr betrachtet, daß es eure Umstände durchaus nicht zulassen, mit mir ein gleichmäßiges Leben zu führen. Ich will anitzo geschweigen von der Gemütsneigung, die ihr vielleicht mit mir ganz ungemein habet. Ihr seid meistens verehlicht, ich bin ledig; ihr seid lustigen Humors, ich hingegen einer ganz einsamen Complexion und finde nichtsdestoweniger in mir allgemach eine andere Neigung, die ich euch bald offenbaren werde.

Ihr sehet es ohne meiner Beweisung, wie harte Lebenstage ich in der Wüsten ausstehen muß und wie schmale Bißlein es in meiner Küche setzet. Ich habe zwar vermeint und bin der Hoffnung gewesen, in einem solchen Leben zur vollkommenen Verachtung der Welt und zu einem recht himmlischen Leben zu gelangen, und in dieser Meinung habt ihr ohne allen Zweifel eure Kleider verwechselt, die Wohnungen verlassen und euch voneinander in die Wälder geschieden. Aber ich spüre genugsam aus der Erfahrung, daß nicht die Veränderung des Orts oder der Luft, sondern vielmehr die Veränderung des sündlichen und fleischlichen Willens glückselig mache. Das Kleid heißet mich wohl einen Geistlichen, ob ich aber ein solcher genennet zu werden würdig bin, das muß das Herz bekräftigen. Liegt also die Geistlichkeit in dem Herzen und nicht in dem Kleid. Dieses sage ich euch, auf daß ihr wisset, daß unter einem schmutzigen Hausrock sowohl ein guter und frommer Mann als in einer Mönchskutte kann verborgen sein. Ich verachte dadurch das Leben der heiligen Einsiedel keinesweges, wenn man aber betrachtet, warum sie und warum wir uns vor der Welt verbergen, so finden sich zwei merkliche Unterschied: sie mußten es tun wegen großer Verfolgung der heidnischen Kaiser, wir tun es darum, auf daß wir die Gelegenheit, öfter zu sündigen, meiden möchten. Es ist etwas, aber was tauget es endlich, wenn wir die Sache bei dem Licht besehen. Wir fliehen hin, wo wir wollen, so laufen wir doch nicht aus der Welt und tragen einmal wie allemal unser sündliches Fleisch mit uns, und solang wir dieses nicht ablegen, solang legen wir auch unsere Unart nicht ab. Etliche geben in dem Land vor, wir hätten uns vielmehr aus Zagheit wegen des Feindes als aus einer bewegenden Andacht der Welt entzogen, damit wir, wie Herrn Sempronio sein Brief lautet, wenn andere dem Feind die Spitze bieten, hinter dem Ofen sitzen und die Schlachtordnung im Kupferstich betrachten könnten. Dieser schändliche Ruf, ob er wohl nur den schändlichen Lästermäulern gemein ist, ist er uns doch allerdings nachteilig, weil die Welt so häufig nach der Lügen schnappet. Ich bin demnach entschlossen, meine bisher geführte Einsiedlerei auf diesen Tag zu schließen, meinen vorigen Habit wieder anzuziehen, aber mitnichten das Herz hinweg zu tun, welches ich, soviel ich gekonnt, in aller Geduld wohl ausgehärtet habe. Ich will mir, gleichwie ihr getan, eine Liebste suchen und mein Leben so vollführen, wie es einem, der sich ein Mitglied einer so ansehnlichen Gesellschaft nennen darf, wohl anständig ist. Seid ihr demnach wie ich gesinnet, so tut ein Gleichmäßiges, wenn ihr nochmals von mir erinnert werdet, daß ein frommes Leben nicht sowohl in dem Kleid als in dem Herzen muß geheget werden.«

Diese kurz abgelegte Rede des Friderichs bekräftigten wir alle mit einem deutlichen Ja, und ist nicht zu sagen, wie günstig ihm unsere Weiber geworden, nicht sowohl, weil er sich zu heiraten resolviert, sondern vielmehr, weil er durch seinen Vergleich sie wieder an unsere Seite gebracht hatte, derer sie nunmehr schon lange entbehren müssen.


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