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Jeder, der auf Reisen gewesen ist, wird sich schon einmal über die verschiedenen Grade von Fremdheit und Gewöhnung, Nähe und Ferne, Erschlossenheit und Spröde, die er im Verhältnis zu Städten gekannt hat, klar geworden sein. Gott sei Dank gibt es eine große Anzahl von Stufen zwischen der Existenz eines Vergnügungsreisenden oder Touristen und eines Menschen, der ansässig ist und arbeitet. Gewiß hat die Einteilung der Leute in solche, die in einer Stadt Geld ausgeben und die es in ihr verdienen, einiges Berechtigte, und sie trifft ja auch für dieses große Fremden- und Vergnügungszentrum Paris viel weitgehender zu als für andre Städte. Der Schriftsteller aber ist ihr jedenfalls – und das ist eine seiner großen Chancen – enthoben. Ihm wird bei einiger Konzentration jeder Ort, an dem er eine Weile gelebt hat, zur Arbeitsstätte. Und es erstaunt ihn vielleicht – mir jedenfalls war es unerwartet –, wie nach langer Abwesenheit selbst im Rahmen eines flüchtigen und programmatisch wenig belasteten Aufenthalts die strengeren Arbeits- und Lebensgewohnheiten sich schnell wieder herstellen. Ich werde Ihnen darum weniger von Neuigkeiten des Theater- und Kunstlebens als von zufälligen Konstellationen des Alltags, vor allem von Begegnungen und Menschen zu sprechen haben, dem wenigen Neuen und dem vielen Alten, das mich frappierte. Es gibt vielleicht keinen größeren Glücksfall für ein Wiedersehen mit der Stadt als lange dort gelebt und gelernt zu haben, noch länger fortgewesen zu sein und dann nach vielen vereitelten Reiseprojekten beinah überrascht eines Morgens wieder in ihr zu erwachen. Im übrigen ist es für mich ein etwas snobistischer aber schöner Trost gewesen, beim Zeitunglesen die Entdeckung zu machen, daß meine halb freiwillige Abwesenheit von der Stadt beinah auf Jahr und Tag mit der erzwungenen eines ihrer interessantesten Bewohner zusammenfiel. Léon Daudet, der Sohn des berühmten Tartarin-Dichters, der Chefredakteur der royalistischen »Action francaise«, der vor zweieinhalb Jahren durch einen genialen Handstreich der Camelots du Roi aus dem Gefängnis geholt wurde und nach Belgien entfloh – dieser Léon Daudet, von dem man annahm, daß die Regierung ihn nach acht Tagen begnadigen werde, hat erst jetzt die Erlaubnis bekommen, aus dem Exil heimzukehren. Die Intellektuellen haben zu wiederholten Malen seine Begnadigung energisch gefordert und man begreift, daß die Manifeste, mit denen sie für diesen rechtsradikalen Fanatiker eintraten, unter anderm die Namen der bedeutendsten linksorientierten Autoren trugen. Denn Léon Daudet hat nicht nur die erheblichsten Verdienste um das französische Schrifttum – so ist und bleibt er der authentische Entdecker von Marcel Proust in dem Sinne, daß unter all seinen frühesten, schüchternen Verehrern er der einzige war, der öffentlich für ihn eintrat und ihm dadurch den Goncourtpreis verschaffte –, Daudet hat das ganz besondre Verdienst um die Stadt, der erste gewesen zu sein, der auf den Gedanken gekommen ist, seine eigne Biographie zu einem Denkmal von Paris zu machen. »Paris vécu« hat er seine Lebensbeschreibung betitelt. Was ihr zugrunde liegt ist nicht das chronologische sondern ein topographisches Schema. Was ihm ein jedes Arrondissement von seinem ersten Pariser Tage bis heute gegeben hat, hat er darin erzählt. Um dies Buch ganz zu verstehn, muß man das Eigenleben der Pariser Arrondissements kennen, das so eigensinnig und reich ist, als seien diese Arrondissements ebenso viele Provinzstädte. Wir sind uns darüber im klaren, daß große folkloristische Unterschiede in den verschiedenen Quartieren aller Weltstädte zu beobachten sind. Aber wo anders als in Paris könnte das Selbstbewußtsein eines beliebigen beinah kleinstädtischen, völlig kleinbürgerlichen Arrondissements so weit gehen, eine eigne Wochenzeitung ins Leben zu rufen, wie die nun schon zehn Jahre bestehenden »Echos du quatorzième« für das friedliche Viertel sie darstellen, das sich zwischen dem Parc Montsouris und der Gare Montparnasse hinzieht. Dem Viertel übrigens, das in der geisterhaft benannten Rue de la Tombe-Issoire Lenin jahrelang sein Asyl gab. So viel von Lenin und Daudet. Man stellt den zweiten Band seiner Memoiren, »Rive gauche«, in Aussicht, das Pendant zu der »Rive droite«, die allen Liebhabern dieser Stadt als eines ihrer lebendigsten Dokumente genannt sei. – Wir werden nicht viel von Büchern reden, wir werden vor allem nicht rezensieren, aber wenigstens eine Verheißung wollen wir uns nicht entgehen lassen. Wir meinen den neuen Roman »Robert« von André Gide, der vor den staunend aufgerissenen Augen der Pariser in der »Revue hebdomadaire« zu erscheinen begonnen hat. Man muß wissen, daß Gide in Frankreich mit dem Ruf eines großen Autors zugleich den des gefährlichsten Spielverderbers verbindet, daß »Si le grain ne meurt«, seine Autobiographie (die deutsch unter dem Namen »Stirb und werde« vor kurzem erschien), den französischen Familienvater, seine großen Kolonialreportagen »Voyage au Congo« und »Le retour du Tchad« den französischen Staatsbürger sehr vor den Kopf stießen. Die »Revue hebdomadaire« aber ist die Wochenschrift eben dieser Familienväter und Staatsbürger. Herr Le Grix hat denn auch den neuen Roman von Gide mit einer redaktionellen Bemerkung versehen, die nicht weniger als 18 Seiten umfaßt. Der Durchschnittsfranzose, das muß man wissen, bringt der Diskussion sexueller Probleme – und nun gar so spezieller, wie Gide sie aufwirft – gar kein Interesse entgegen. »Il en est encore«, wie Léon Pierre-Quint, der Proustbiograph, es mir gelegentlich sagte, »toute aux histoire de jupons dans le genre de ›La vie parisienne‹ et du ›Sourire‹.« Gerade unter den Familienvätern und Staatsbürgern, den soliden Franzosen gibt es nicht wenige, die Gide als einen zweiten Marquis de Sade betrachten. Man kann diesem Vorurteil sogar Vernunft abgewinnen, wenn man sich einen Augenblick die kühne Charakteristik vergegenwärtigt, die ein junger französischer Essayist vor kurzem von Sade gegeben hat. »Was lehrt denn das Werk von Sade anderes«, schreibt er, »als zu erkennen, wie sehr ein wahrhaft revolutionärer Geist sich der Idee der Liebe entfremdet. Soweit seine Schriften nicht Verdrängungen darstellen, wie sie bei einem Gefangenen natürlich sind, soweit sie nicht aus der Absicht, Anstoß zu erregen, hervorgingen, und an die glaube ich nicht bei Sade, denn das wäre bei einem Häftling der Bastille ein ziemlich albernes Vorhaben gewesen – soweit dergleichen nicht im Spiele ist, entspringen seine Werke einer bis in die äußersten logischen Konsequenzen entfalteten revolutionären Verneinung. Was wäre denn auch ein Protest gegen die Machthaber nutze, wenn man einmal die Naturbedingtheit des menschlichen Lebens mit allem, was sie Empörendes mit sich bringt, akzeptiert hat? Als wäre die ›normale Liebe‹ nicht das anstößigste aller Vorurteile! Als wäre die Zeugung etwas anderes als die nichtswürdigste Manier, den Grundplan des Universums zu unterschreiben! Als wären die Naturgesetze, denen die Liebe sich unterwirft, nicht tyrannischer und hassenswerter als die sozialen. Der metaphysische Sinn des Sadismus besteht in der Hoffnung, die Revolte des Menschen werde eine so gewaltige Intensität gewinnen, daß sie für die Natur den Zwang bedeute, ihre Gesetze zu wandeln, daß angesichts der Entschlossenheit aller Frauen, die Unbill der Schwangerschaft, die Gefahren und Schmerzen der Entbindung nicht mehr länger zu dulden, die Natur sich genötigt sieht, auf andere Wege zur Erhaltung der Menschheit auf Erden zu verfallen. Die Kraft, die zu der Familie oder zum Staate Nein sagt, muß Nein auch zu Gott sagen, und genauso wie die Anordnungen des Beamten und des Priesters muß das alte Gesetz der Genesis übertreten werden: ›Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, in Schmerzen sollst du gebären‹ – das Gesetz, das nicht hervorgerufen zu haben, das erduldet zu haben, Adams und Evas Verbrechen ausmacht.« Es ist eine Schrift des jungen Emmanuel Berl, der diese immerhin einprägsamen Sätze entstammen. »Der Tod der bürgerlichen Gedankenwelt« ist das Buch, dem sie entnommen sind, überschrieben. Wenn die französische Essayistik heute auf europäischer Höhe steht, und ihre kritischen Schriften insbesondere die unsrigen so weit übertreffen, verdankt sie das Figuren wie Julien Benda, wie Alain Chartier, wie Emmanuel Berl. Ich bin zu Berl gegangen und habe aus einem zweistündigen Gespräch einen ziemlich deutlichen Eindruck von der Denk- und Seinsweise des Mannes mit nach Hause genommen. Ich versicherte ihn der Bedeutung, die seine Schriften auch für die Avantgarde der deutschen Intelligenz besitzen und merkte, daß er zu den Menschen gehört, die nur auf ihr Lieblingsthema gebracht sein wollen, um dann, ohne viel Unterbrechung zu dulden, was sie zu sagen haben memorieren. Jetzt handelt es sich in der Fortführung seines polemischen Werkes für ihn vor allem darum, die Pseudoreligiosität des Bürgertums aus ihren letzten Schlupfwinkeln zu vertreiben. Als solche sieht er aber weder den Katholizismus mit seinen Hierarchien und Sakramenten noch den Staat an, sondern den Individualismus, den Glauben an die Unvergleichlichkeit, die Unsterblichkeit des Einzelnen, die Überzeugung, das eigene Innere sei der geheiligte Schauplatz einer einmaligen, nie wiederkehrenden tragischen Handlung. Und die modischste Form dieser Überzeugung erblickt er in dem Kultus des Unbewußten. Daß er in dem fanatischen Kampf, den er diesem Kultus ansagt, Freud auf seiner Seite hat, wüßte ich, auch wenn er mir's nicht versicherte. Und mit einem Blick auf das »Grand jeu«, die kurzlebige Zeitschrift einiger modischer Obskuranten, die ich bei mir hatte: »Tout ça ce sont des séminaristes.« Nun einige merkwürdige Andeutungen über den Lebensstil dieser jungen Leute: den refus, wie Berl sagt, wir können übersetzen: die Sabotage. Ein Interview zu versagen, eine Kollaboration abzulehnen, ein Foto zu verweigern, gilt ihnen für ebensoviele Beweise ihres Talentes. Berl setzt das auf sehr geistvolle Art mit dem eingewurzelten Hang zur Askese, der dem Pariser eignet, in Verbindung. Andererseits spukt hier noch die Vorstellung vom verkannten Genie, die wir bei uns so gründlich zu beseitigen im Begriff stehen. Ich höre ihm zu, ich widerspreche ihm nicht. So ganz unverständlich aber ist mir die Haltung dieser jungen Leute nicht. Ich sage mir, wie viele Prozeduren es gibt, als Literat zu reüssieren, und wie wenige darunter mit Literatur das geringste zu tun haben. Ein Champion in dieser Kunst: Jean Cocteau. Es gibt selbst in Paris nicht viele Autoren, die auch ohne zu dichten dem Publikum so beständig sich in Erinnerung zu bringen wissen wie Cocteau. Noch kürzlich, in einer Art von Propagandaschrift im Programmheft des neu eröffneten Théatre Pigalle, das von dem Baron Rothschild für eine Schauspielerin mit enormem Aufwand erbaut wurde. Im Pariser Volksmund hat es den Namen »Théatre de la monnaie« bekommen. Die Innengestaltung erhält ihren Charakter durch das Widerspiel der konstruktiven, meist metallischen oder gläsernen Teile und der verschiedenfarbigen, wechselnden Lichtbündel, unter deren Schein sie hervortreten. Im Zwischenakt bietet das Vestibül mit seinen Auslagen, Buch-, Blumen- und Schallplattenhandlungen einem, der Pariser Sitte gemäß immer noch verhältnismäßig festlich gekleideten Publikum ein sehr helles und eigentümliches Bild. Freilich ist ungewiß, wieviel man davon dem Kontrast gegen die verstaubten, mit zähen Alexandrinern beschrifteten Bildern von Guitrys »Histoires de France«, die sich im Innern des Theaters abrollen, zuschreiben muß. »Der große Nutzen der Werke von Cocteau«, so hieß es neulich in einer Pariser Zeitung, »besteht – abgesehen selbstverständlich von ihrem literarischen Wert – in ihrer Eignung, nach ihnen Bars zu benennen, die ohne sein Protektorat vermutlich im Banalen versanden würden. Der ›Bœuf sur le toit‹ machte den Anfang, dann kam der ›Grand écart‹ und das neueste ist die blendende Einweihung der ›Enfants terribles‹.« In der Tat, dies alles sind zugleich Titel Cocteauscher Werke. Das kann man sich noch gefallen lassen. Zweifelhafter ist der Geschmack, mit dem man den Namen einer kleinen mondänen Bar an der Place de l'Odéon dem Werke Rimbauds entnehmen zu wollen glaubte: »Le bâteau ivre«, das trunkene Schiff. Nun gibt es drinnen allerdings Kommandobrücken, Bullaugen, Schallrohre, viel Messing, viel weiß Lackiertes, und die Patronin des Unternehmens, die Prinzessin d'Erlanger, hat sich bemüht, dem Namen, den sie wählte, gerecht zu werden. Es ist nämlich neueste Mode, daß die Boîtes de nuit von Damen der Aristokratie unterhalten werden. Da der Gin-Fizz außerdem zwanzig Francs kostet, so kann die Aristokratie nebenbei noch Geschäfte machen und dies mit um so besserem Gewissen, als sich an ihren geistigen Getränken zum guten Teil Schriftsteller inspirieren, der Betrieb also den geistigen Schatz der Nation mehrt. Im übrigen habe ich persönlich keinen Grund, mit dem Bâteau ivre und der Prinzessin, die es befehligt, unzufrieden zu sein. Denn dort begegnete mir lange nach Mitternacht, glutheiß, gewissermaßen aus dem Kesselraum auftauchend, der selten sichtbare Léon-Paul Fargue. Nicht ganz einfach, diesen Mann vorzustellen. Man könnte zum Beispiel sagen, Besitzer eines schönen Vollbarts, dessen er sich jedoch, wenn's ihm einfällt, von einem Tag zum andern entäußert. Man könnte auch sagen, Besitzer einer gut gehenden Majolikafabrik. Als er da plötzlich vor mir auftauchte, blieb mir aber nur Zeit, meiner Nachbarin zuzuflüstern: »Der größte Lyriker Frankreichs.« Das wiederum war vielleicht etwas übereilt. Man muß diesen Platz für Valéry reservieren. Abgesehen davon aber, daß Fargue in der Tat ein großer Lyriker ist, an diesem Abend lernten wir ihn als einen der bestrickendsten Erzähler kennen. Er hatte kaum erfahren, daß ich mich mit Marcel Proust viel beschäftigt habe, als er seine ganze Ehre dareinlegte, das kolorierteste und zerrissenste Bild seines ehemaligen Freundes vor uns aufzurufen. Das war aber nicht nur die Physiognomie des Mannes, die erstaunlich in Fargues Stimme auflebte, nicht nur das laute exaltierte Lachen des jungen Proust, des Salonlöwen, der, am ganzen Körper geschüttelt, die weiß behandschuhten Hände vor den weit aufgerissenen Mund preßte, während sein viereckiges Monokel am breiten schwarzen Band vor ihm hertanzt; nicht nur der kranke Proust, der in einem Zimmer, das sich vom Möbelspeicher eines Auktionshauses kaum unterschied, in tagelang ungemachtem Bett, vielmehr in einer Höhle aus Manuskripten, beschriebenen, unbeschriebenen Blättern, Schreibunterlagen, Büchern hauste, die sich zu Bergen türmten, in den Ritzen zwischen Bett und Wand sich verfingen, auf dem Nachttisch gestapelt lagen – nicht nur diesen Proust rief er auf, er skizzierte die zwanzigjährige Geschichte dieser Freundschaft, die Ausbrüche rührender Zärtlichkeit, die Anfälle irrsinnigen Mißtrauens – dies »Vous m'avez trahi« à propos de tout et de rien –, nicht zu vergessen die denkwürdige Darstellung, die er von dem Diner und freilich auch von seiner eignen Regie des Diners gab, zu dem er Marcel Proust und James Joyce, die sich dabei zum ersten und letzten Mal sahen, zu sich gebeten hatte. »Die Unterhaltung in Gang zu halten«, sagt Fargue, »hieß für mich eine Zentnerlast stemmen. Dabei hatte ich schon vorsorglich zwei schöne Frauen eingeladen, um den Zusammenstoß etwas zu mildern. Aber das hinderte nicht, daß Joyce beim Fortgehn sich hoch und teuer verschwor, nie wieder den Fuß in ein Zimmer zu setzen, wo er dieser Figur zu begegnen Gefahr laufen könne.« Und Fargue ahmte das Entsetzen nach, das den Iren durchzitterte, als Proust von irgendeiner kaiserlichen oder prinzlichen Hoheit mit aufgerissenen leuchtenden Augen beteuerte: »C'était ma première altesse.« (Das war meine erste Hoheit.) – Dieser frühe Proust vom Ende der neunziger Jahre stand am Beginn eines Weges, dessen Verlauf er selbst noch nicht absehen konnte. Damals suchte er die Identität im Menschen. Sie erschien ihm als das was den Menschen vergottet. So begann der größte Zerstörer des Begriffs von Persönlichkeit, den die neue Literatur kennt. – Wir blieben unter einem kleinen Feuerregen von Erinnerungen und Maximen zusammen, bis man uns um drei Uhr heraussetzte. Es ist noch nicht achtundvierzig Stunden her, daß mein letzter Pariser Abend, mit dem ich hier schließen will, mir aus sehr anderem Spiegel das Bild Prousts erscheinen ließ. Dem Spiegel Albertinens, wenn wir so einen Mann nennen dürfen, der bei seinen Freunden und bei allen Parisern, die Proust kennen, Monsieur Albert heißt. Nicht so sehr daß das, was Monsieur Albert von Proust zu erzählen weiß, dieser Spiegel gewesen wäre – nicht alles, was er mir zum Besten gab, war neu, und noch weniger war es zur weiteren Verbreitung bestimmt – aber in diesem Manne selbst ist noch etwas, was spiegelhaft den Abglanz des Dichters gibt. Jedenfalls verrät die Diskretion, die Monsieur Albert im Sprechen wie im Auftreten hat, mehr den ehemaligen Leibdiener des Prinzen Orloff, den späteren Kammerjunker des Fürsten von Radziwill, als den heutigen Besitzer der Kaschemme »Trois colonnes« in der Nähe der Place de la Bastille. Monsieur Albert wollte mir noch die Ehren dieses Etablissements erweisen. Ich aber zog es vor, in der vornehmeren Kaschemme, in der wir unser ausgezeichnetes Abendbrot eingenommen hatten, ihn beim Kaffee festzuhalten und dem angenehmen Tonfall zu lauschen, mit dem er die Erinnerung an die früheren gemeinsamen Nachtspaziergänge auf dem Boulevard Haussmann zu Seiten des Dichters heraufrief, der die wechselnden Effekte des Mondlichts jeweilen mit den geeignetsten Versen von Vigny, Hugo, Lamartine oder Mallarmé begleitete. Paris hat mir in diesen Wochen kein anziehenderes Bild gegeben, als diese Worte von Monsieur Albert vor mir auftauchen ließen.