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Afghanistan

Muhammed din Tilaï, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Indien geboren, lebte zumeist in Naushara. Tilaï nennt sich die Kaste der Ölverkäufer, der er angehörte.

Rahchan Kayil, geb. 1853, ist der populärste der neueren Dichter Afghanistans. Er hat große Reisen durch Asien unternommen und auch Europa besucht. Gelegentlich einer Verschwörung gegen den persischen Schah, in die er verwickelt war, wurde er 1901 zu Teheran festgenommen, zum Tode verurteilt und gehängt.

Geliebte, komm!

O komm, Geliebte! Immer wieder ruf ich:
Komm zu mir! Selbst die Papageien klagen
Und weinen laut nach dir. Geliebte, komm!

Die Lippen meines Mundes sind wie Zucker,
Wie Honig ist das Fleisch um meine Zähne,
Mein Herz erglänzt von Liebe. Komm, o komm!

Die Hyazinthe hat in deine Flechten
Den wundervollsten Duft gemischt. Dein Hals
Ist wie ein Blütenstengel schlank und fein.

Auf deinem Antlitz haben Rosen sich
Entfaltet, und ein Schönheitsfleck vereint
Zu holdem Bogen deine Augenbraun.

Mein Leben ist wie Schutt und öde Trümmer,
Aus meinen Augen rinnen blutige Tränen,
Die Trennung tötet mich. Geliebte, komm!

Ich bin nicht meiner Herr mehr. Ich bin trunken
Und toll. Seit einem Jahr lieg ich im Sterben,
Und du nur kannst mich heilen, – Liebste, komm!

Muhammed din Tilaï

* * *

Der Verlassene

Obwohl du schön bist wie das Tal von Kaschmir
Bei Sonnenaufgang, treulose Geliebte, –
Glaub mir, ich bin auf deinen neuen Freund
Nicht eifersüchtig, der auf deinem Lager
Die nächste Nacht statt meiner ruhen wird.
Lad mich zu eurem Abendschmause ein!
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Sorge dich nicht, ich bring etwas zu trinken
Und essen mit. Die Liebkosungen machen
Den Menschen hungrig, und die Küsse trocknen
Die Kehle aus ... Dann sing ich euch die schönsten
Von meinen Liedern, die du einst mir lohntest
Mit deiner Tränen hellen Diamanten
Und mit den Glutrubinen deiner Küsse
Und mit den feinen Perlen deines Lachens ...
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Und heiß, gedörrt, zerrissen werd ich euch
Mein Herz auftragen, das durch die Verachtung,
Die du mir spendest, so verwandelt ward.
Und euren Durst zu löschen biet ich euch
In einem Kruge, statt der Milch, das Blut
Aus meinen Adern dar, damit die Liebe,
Nach deinem Wunsche, ganz aus mir entweicht.
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Und deinen Freund werd ich die Lieder lehren,
Die du so liebst. Wenn sie dein Innres treffen,
Reichst du die rote Schale deiner Küsse
Voll Sehnsucht dar. Noch gestern abend hab ich,
Der Wächter deiner Tür, sie dir gesungen,
Heut willst du sie aus anderm Munde hören.
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Und eine Strophe sing ich deinem Freunde,
Aus der er die geschickt-kunstvolle Art
Erfahren soll, das Haar dir aufzulösen,
Dir deine üppigen Flechten zu entwirren,
Die schwarz sind wie die Nacht und ganz beladen
Mit Wohlgerüchen und mit Goldgeschmeide,
Mit Blumen und dem Atem deiner Haut.
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

O dieser wundersame Duft, davon
Mein Sehnen überquillt! O Honigduft,
O Duft nach Rosenwasser, Milch und Sandel!
O Ambraduft von deinen runden Schultern,
Der bei den Liebesfesten mich verwirrte!
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Ich werde deinem Freund vorsingen, wie
Man Küsse pflückt von deinen Lippen, Küsse,
Die süß wie Datteln sind, und wie man alle
Erblühten Blumen pflückt von deinem Busen:
Narzissen, Nelken, Rosen ohne Zahl,
Und wie man alle Früchte, reich an Ruch,
Von deinem Hals pflückt: Pfirsiche, Orangen.
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Vorsingen werd ich ihm, wie er das Haupt
Auf deine rechte Schulter schmiegen soll,
Du Herrliche, wo stolz und schlank geformt
Das schwarze Schönheitspflästerchen sich dehnt,
Das einem finstern Stern im Lichte gleicht,
Das einer dunklen Nelke gleicht im Schnee.
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Anzünden will ich einen Liebesbrand
Im Herzen deines Freundes, mächtig wie
Er in mir selber lodert. Morgen dann
Will ich ihn leiden sehn die fürchterlichsten
Qualen der Hölle, die ich heute leide.
Denn du wirst ihn verlassen, um zu mir
Zurückzukehren. Heute aber ladet
Mich ein zu eurer Abendschmauserei!
Noch trag ich deines Körpers Duft an mir.

Rahchan Kayil

* * *

Das fünfte Element

Da Allah nun das Wasser und die Erde,
Das Feuer und die Luft geschaffen hatte,
Beschloß er noch ein Element zu bilden,
Das alle Elemente in sich schließt.

Er schuf die Liebe. Schneller als die Luft
Fliegt der Gedanke eines Liebenden
Zum Gegenstande seiner Leidenschaft,
Und weilte er am Ende dieser Welt.

Der Körper der Geliebten schließt die Schätze
Der ganzen Erde in sich: Holde Blüten
Sind ihre Lippen, ihre feinen Brüste
Sind reifen, schön gediehnen Früchten gleich.

Ihr Leib ist wie die Sonne, ihre Flechten
Sind wie die dunkle Nacht, ein Schatzbehalter
Für Perlen und Rubinen ist ihr Mund,
Gleich Diamanten blitzt ihr Augenpaar.

Der süße Zauber ihrer Liebkosungen
Ist tiefer als das Weltmeer. Der Geliebte
Taucht, an der Schulter seines Mädchens rastend,
In einen Ozean des Glückes ein.

Wie eine mächtige Flamme facht die Sehnsucht
Die Sinne an. Die Eifersucht entzündet
Die Augenlider, so, als wären sie
Durch eines jähen Feuers Glanz entbrannt.

Gleich allen Erdensöhnen trag auch ich
Dies flammende Element in meinem Herzen,
Zu meinem Glücke und zu meinem Leide:
Dies Element, das alle in sich schließt.

Rahchan Kayil

* * *

Die Liebe

Am schönsten strahlt der Herr des Himmels
Sein Wesen in der Liebe aus.

Der Liebe höchste Augenblicke,
Wenn sie auch schnell vorüberrauschen,
Umschließen jeder schauervoll
Die ganze dunkle Ewigkeit.

Rahchan Kayil

* * *

Leben und Tod

Wenn deine weißen Arme mich umschlingen
Und du von Liebe stammelnd an mir hängst,
Verdoppelst du mein Dasein, Herrliche.

Wenn deine weißen Arme mich umschlingen
Und du bist lau und deine Rede matt,
So gibst du mir den Tod, o Herrliche!

Rahchan Kayil

* * *


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