Otto Julius Bierbaum
Die Schlangendame
Otto Julius Bierbaum

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3. Kapitel

Ein aufdringliches thörichtes infames, ein überflüssiges Fremdwort.

In Würzburg sehen wir Herrn Ewald Brock in veränderter Gestalt.

Er hat eine rote Mütze und einen goldenen Zwicker auf; er trägt einen verwegen gelben Anzug mit einem verschmitzt kurzen Jackett, und seine Cravatte ist eine Fanfare aus grüner, gesprenkelter Seide. Sein Haar ist mit kernhaft ausgeprägtem Sinne für Konsequenz von der Stirn zum Nackenknochen wie nach der Schnur geteilt, und so glänzend ist es pomadisiert, daß man sich darin spiegeln könnte. In seinen Händen aber, dunkelrot in das geschmeidige Leder des Mopshundes gehüllt, dreht sich ein Spazierstock von erstaunlicher Dicke.

Es ist kein Wunder, daß ein Fuchs, der sich so vorzüglich anläßt, ein hervorragender Korpsbursche wird.

Herr Ewald Brock wird der Stolz seines Korps. Seine Gestalt gewinnt sichtlich an Embonpoint, sein Gesicht nimmt zu an Quarten und Terzen, sein Gang wird wuchtig und selbstbewußt. Wenn er einen Salamander kommandiert, so werden die Füchse wie mit Begeisterung geladen, wenn er auf der Mensur steht, so wissen die Paukärzte, daß es einen Knochensplitterregen geben wird, wenn er als Chargierter in der Equipage fährt, so ist es den Mädeln, sie wissen nicht wie, aber unangenehm ist es ihnen nicht.

Die Mädel! Das ist nun eigentlich ein wunder Punkt in Herrn Ewald Brocks Korpskarriere. Ein richtiger Korpsstudent, wie man weiß, sollte das weibliche Geschlecht der Öffentlichkeit gegenüber als quantité négligeable behandeln und sich hierin, wie auch sonst, deutlich und mit Würde vom Geschlechte der Lyriker unterscheiden. Aber das Herz des Herrn Brock, obwohl er lyrischer Fehltritte ganz unverdächtig ist, geht, ach, mit jeder Schürze bockssprüngig durch, und von einem Unterrocke gar braucht es nur den untersten Saum zu ahnen, um zu schlagen wie ein Lämmerschwänzchen. Daher fehlt es nicht an ärgerlichen Affairen; Herr Ewald Brock wird sogar einmal aus dem Korps gehängt deswegen. Aber die Erfahrenheit der älteren Semester sah ein, daß es in diesem Falle gut sei, die Augen des moralhütenden C. C. zuzudrücken, und Herr Ewald Brock ist in der That eine viel zu unersetzliche Kraft, als daß sich nicht alles immer wohlgefüglich einrenken sollte.

Herr Ewald Brock fühlte sich über die Maßen wohl in diesen Verhältnissen, die den Leib durch ritterliche Übungen und Alkohol stärkten und doch das Herz nicht verkümmern ließen.

Sechs Semester hat er untadelig in Würzburg verbracht. Ich schätze, er wäre heute noch dort, wenn nicht eines Tages ein unangenehm energischer Brief des alten Herrn aus Halle eingetroffen wäre. Dieser Brief handelte vom tentamen physicum. Ob das nun eigentlich endlich erledigt sei? Er hoffe: Ja! Wenn aber nein, so sei es mit der Würzburgs Herrlichkeit endgiltig aus, und Herr Ewald möge die Güte haben, den Schauplatz seiner Thätigkeit sofort nach Halle zu verlegen.

Dieser Brief ist Herrn Brock junior eine schmerzliche Botschaft.

Das Wort physicum allein geht ihm schon auf die Nerven. Ein aufdringliches, thörichtes, infames, ein überflüssiges Fremdwort! Und nun gar Halle! Halle! An der Saale! Ein ganz unmöglicher Ort! Denn sein Corps hat mit dem dortigen S. C. nicht die entfernteste Cartellbeziehung.

Ob er die Sache nicht in München erledigen könne? Die dortige Fakultät sei auch sehr tüchtig. Desgleichen das Klima.

Aber der alte Herr ist von einer ganz ungewohnten, geradezu beleidigenden Entschiedenheit. Es ist, juristisch gesprochen, eine reine Bedrohung: Entweder Halle oder kein Monatswechsel.

Brutaler Gewalt muß kluge Überlegung weichen. Kein Ausweg mehr. Der schnöde Trumpf liegt auf dem Tisch. Herr Ewald Brock muß sich und seinem Korps und all den süßen Favoritinnen den Schmerz des Abschieds anthun. Er wird mit dem Band als inaktiv entlassen, richtet noch eine große Feuchtigkeit auf der Kneipe und bei einigen untröstlichen Töchtern der Eingeborenen an und fährt mit zerknirschter Seele nach der Stadt seiner Väter.


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