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Zehntes Kapitel

Dornröschen.

 

In den folgenden Tagen ging sie rastlos umher, ohne irgendwo Ruhe zu finden. Und da erwachte ihre Sehnsucht nach der Mutter, die sie nun seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, aufs neue.

Das bleiche Gesicht hinter dem Fenster der Droschke stieg wieder lebendig vor ihr auf und knüpfte das Band zwischen ihr und der Mutter doppelt fest, jetzt, wo sie selbst Mutter geworden war.

Sie übergab das Kind dem Mädchen, befahl ihr, die Wiege während ihrer Abwesenheit beständig im Auge zu behalten, und fuhr mit dem Frühzug nach Vordingborg.

Als sie in der Anstalt ankam, verlangte sie den Oberarzt zu sprechen.

»Warum wollen Sie eigentlich Ihre Mutter besuchen – jetzt nach so vielen Jahren?« fragte dieser, sie scharf fixierend.

»Weil –« sie suchte einen Augenblick nach Worten, konnte aber nur ganz aufrichtig antworten: »weil ich mich jetzt so sehr nach ihr sehne.«

Er warf einen raschen Blick auf ihr blasses, ernstes Gesicht, dann schüttelte er den Kopf. »Sie werden davon wenig Freude haben,« sagte er. »Sie wissen doch wohl, daß sie jetzt unheilbar ist?«

Sie nickte, ohne zu antworten.

»Wissen Sie auch, daß sie in den letzten Jahren ganz verwirrt geworden ist, so daß sie ihre Umgebung nicht erkennt?«

»Nein, das wußte ich nicht.«

»Wäre es da nicht am besten, Sie würden es unterlassen, sie zu sehen?« fragte er prüfend weiter.

»Ach nein, nein!« Sie sah ihn flehend an.

»Nun wohl, wie Sie wollen. Aber dann ist es am besten, ich mache sie vorher mit den näheren Umständen bekannt, denn es ist notwendig, daß Sie auf ihre Ideen eingehen. – Widerspruch vermehrt nur ihr Leiden.

»Sehen Sie, sie hat die Idee, sie sei das Dornröschen – sie wartet nur auf den Prinzen. – Ich habe übrigens bemerkt, daß sie sich stets beruhigt, wenn sie Besuch von zu Hause erhält, alsdann kann sie mehrere Tage froh und vergnügt sein, und dann erst beginnt die Unruhe aufs neue. Ich habe deshalb vor etwa einem Jahre an Ihren Vater geschrieben und angefragt, ob es ihm nicht möglich wäre, einmal in der Woche herauszukommen, aber er antwortete, seine Geschäfte nähmen seine ganze Zeit in Anspruch, es sei ihm unmöglich, zu kommen.«

Kaja schlug die Augen nieder, ein scharfer Blick über die Brille hinweg hatte sie getroffen, und dieser sagte ihr, daß der Oberarzt in diesem Augenblick dasselbe dachte, wie sie, während sie sich über ihren Vater schämte. »Ist – er – denn gar nicht hier gewesen?«

»Nein – – Aber er schickt seinen Bruder,« erklang es trocken. »Der Herr Adjunkt kam eines Tages und fragte, ob er nicht an Stelle seines Bruders kommen könne – die Stimmen sind sich ja etwas ähnlich – dies ist übrigens auch die einzige Ähnlichkeit,« fügte er freundlich hinzu. »Der Adjunkt kommt nun fast jeden Sonntag, und ich versichere Sie, er hat eine ganz ausgezeichnete Art, mit der Kranken umzugehen. Er hat ein ausgeprägt scharfes psychologisches Verständnis – und außerdem ist er eine sehr feine Natur. Die Kranke hält ihn für den Adjutanten des Prinzen, der ihr jede Woche wichtige Nachrichten bringt, und das hat einen merkwürdig beruhigenden Einfluß auf sie. Der Mann hätte Arzt werden sollen – Psychiater – und nicht Lehrer.«

Kaja war tief errötet, während der Arzt sprach.

Onkel Franz –! Ja, natürlich. Wer sonst hätte dies tun können! Seine freie Zeit einer Geisteskranken opfern, ohne sich je etwas davon anmerken zu lassen. In diesem Augenblicke kam Kaja sich selbst recht klein vor, Onkel Franz dagegen erschien ihr ungeheuer groß. Ein warmer Strom der Dankbarkeit wogte durch ihre Seele. Sie wurde froh in dem Gedanken an ihn, und sie war stolz auf ihn. »Ja, er ist etwas Besonderes,« sagte sie und merkte nicht, daß sie ihre Gedanken laut aussprach.

Der Oberarzt sah sie an und lächelte. »Das ist auch ganz meine Ansicht,« bemerkte er, und nachdem er flüchtig auf seine Uhr gesehen hatte, fuhr er fort: »Soll ich Sie zu ihr begleiten?«

»Nein, ich danke, ich möchte am liebsten allein gehen.« Sie erhob sich, blieb aber, die Hand auf die Klinke gelegt, stehen. »Sagen Sie mir nur noch eins. Gab es nicht vor Jahren schon eine Zeit, wo sie hätte heim kommen müssen, um geheilt werden zu können?«

Sie sah, daß er mit der Antwort zögerte. Dann sagte er achselzuckend: »Ich wage das nicht mit Bestimmtheit auszusprechen, jedenfalls ist in dieser Richtung kein Wunsch ausgesprochen worden – von Seite der Heimat.«

Da wurde es Kaja unbeschreiblich schwer ums Herz. Seine Worte schienen sie beinahe zu erdrücken, und unwillkürlich erwachte sein Mitgefühl. »Ich sehe, Sie sind nicht ganz klar über den Zustand gewesen,« sagte er, »aber wie es auch immer sein mag, jetzt kann sie nirgends anders sein als hier. Und ich glaube, daß sie auch in jener Zeit, worauf Sie anspielten, weniger hier gelitten hat, als es daheim der Fall gewesen wäre. Es ist eine große Frage, ob eine Rückkehr unter den obwaltenden Verhältnissen ihren Zustand wesentlich verbessert hätte. Sie ist nicht die erste Frau, die durch die Schuld des Mannes leiden muß.«

Er schob Kaja sachte zur Tür hinaus und befahl einer Wärterin, ihr den Weg zu der Kranken zu zeigen. Bebend stand sie dann auf der Schwelle, und als sie eingetreten war, verbarg sie das Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus.

Die Kranke stand vor dem Spiegel, eifrig damit beschäftigt, ein Schmuckstück in ihrem Haar zu befestigen. Bei dem Geräusch der sich öffnenden und wieder schließenden Tür wandte sie sich um und trat mit großer Würde zu Kaja. »Wer bist du?« fragte sie, den Blick auf die gebeugte Gestalt neben der Tür geheftet.

»Ach, eine Bettlerin,« antwortete sie sich selbst. »Wart', ich will dir Geld geben. Der Prinz versieht mich reichlich damit.«

Sie zog einen Beutel mit alten Kupfermünzen heraus und suchte zwischen ihnen, bis sie die größte gefunden hatte.

»Hier,« sagte sie, »die beste ist nicht zu gut für dich.«

Aber Kajas Augen standen voller Tränen, so daß sie nichts sah. »Mutter! – Liebes, armes Mütterchen!« war alles, was sie hervorbringen konnte.

Die Kranke war dicht zu Kaja getreten. »Du bist doch eine Bettlerin?« fragte sie plötzlich mißtrauisch.

Da ergriff Kaja ihre mageren Hände und bedeckte sie mit Küssen.

»Ja,« sagte sie schluchzend, »ich bin eine Bettlerin. Ich flehe um die Liebe, die das Leben mir vorenthalten hat. Und ich meine, es sei so entsetzlich schwer, zu leben.«

Unwillkürlich lehnte sie den Kopf an die Brust der Kranken und schlang die Arme um deren Hals. Es war, als gebe sie ihr in diesem einen Augenblick all die Zärtlichkeit, die sie seit vielen Jahren aufgespeichert hatte.

Die Kranke begriff, daß sie trösten müsse, und begann Kaja freundlich die Wange zu streicheln. »Ich habe dich lieb,« flüsterte sie. »Ich hatte einmal ein kleines Mädchen, das dir glich. Aber sie war viel hübscher, verstehst du, sie war ja ein Fürstenkind! Sie pflegte mich auch so zu küssen, wie du, und ihre Arme so innig um meinen Hals zu schlingen –«

Kaja wagte kaum zu atmen und noch weniger aufzuschauen.

»Kannst du dich ihrer noch erinnern?« sagte sie mit einer Stimme, die vor Bewegung zitterte. »Ach, erzähl' mir von ihr!«

Aber die Kranke legte die Hand an die Stirn und sagte: »Das kann ich nicht, es ist so lange her.«

Sie ging ein paarmal im Zimmer hin und her, dann blieb sie wieder stehen.

»Ihr Vater war nicht gut gegen mich, und da wurde ich krank. Ich träumte so schrecklich – aber als ich erwachte, war ich verwandelt. Nun bin ich die Prinzessin im Dornröschenschloß – ich warte nur noch auf den Prinzen. Sein Adjutant kommt jeden Sonntag mit Grüßen und Botschaft. Erst gestern war er wieder hier, und da sagte er, ich dürfe den Prinzen jeden Tag erwarten – deshalb schmücke ich mich auch. Komm', dann zeige ich dir, was der Prinz mir geschickt hat!«

Sie trat wieder vor den Spiegel und zog ein neues Schmuckstück heraus. »Findest du nicht, daß es mir steht?« fragte sie und hielt es vor die Brust. »Komm' und sieh'!«

Aber Kaja rührte sich nicht. Neben der Tür war sie auf einen Stuhl gesunken und starrte gerade vor sich hin. Sie sah hinein in den großen Krebsschaden der Gegenwart, in deren zügellose Leidenschaft, deren grenzenlosen Egoismus, deren Mangel an Opferwilligkeit.

Und es kam ihr vor, als habe alles seinen Grund darin, daß die Menschen sich etwas abhandeln ließen, die Frau von ihren Idealen, der Mann von seiner Ehre – und auch sie selbst? Hatte nicht sie sich etwas von ihrer Liebe abdingen lassen, so daß sie nun ihr ganzes Leben lang dafür büßen mußte?

Nur einen festen Punkt gab es, an den sich ihre Gedanken klammern konnten – und der war Onkel Franz. Wenn sie an ihn dachte, war es, wie wenn der Fuß wieder festen Grund fühlt, nachdem er sich lange im Flugsand abgemüht hat.

Sie hatte sich in der letzten halben Stunde so sonderbar beklommen, beinahe zerschmettert gefühlt, nun wurde sie wieder getröstet. So lange es Menschen gab wie Onkel Franz, so lange gab es auch starke Rücken als Stütze für die Schwachen und starkes Wollen, das nicht nachgab, so lange gab es – und das brauchte die Gegenwart am nötigsten – vollkommene Charaktere, Männer, die sich nichts abhandeln ließen.

Sie wurde aus ihren Gedanken geweckt, als die Kranke, die bis jetzt eifrig mit dem Schmuck beschäftigt gewesen war, wieder zu ihr trat.

»Kennst du meinen Adjutanten?« fragte sie. »Er ist ein vollendeter Kavalier. Sein Betragen ist äußerst fein und ehrerbietig, und seine Stimme sehr weich Ich kann dir seine Stimme gar nicht beschreiben.«

Kaja lächelte. »Nein,« sagte sie, »das kann niemand, denn er hat eine Märchenstimme.«

Die Kranke sah sie verwundert an.

»Hast du ihn vielleicht an der Pforte getroffen?« sagte sie, »und hat er dir ein Geschenk gegeben?«

»Ja,« antwortete Kaja leise und innig, »er gab mir alles, was er hatte.«

»Ich verstehe dich nicht.« Die Kranke wurde plötzlich unruhig und ihr Ausdruck ward ängstlich und verwirrt. »Ich weiß nicht, wer du bist. Du sagst, du seiest eine Bettlerin, aber deine Hände sind klein und zart, und du kennst meinen Adjutanten, der die Geschenke gibt! Du mußt mir sagen, wer du bist, hörst du!«

Sie blieb vor Kaja stehen und betrachtete sie mit irrem Blick.

Da begriff Kaja, daß sie auf den Gedankengang der Kranken eingehen müsse, und daß es sich in erster Linie darum handelte, sie zu beruhigen.

»Ich diene dem Prinzen,« sagte sie, »und ich bin mit Grüßen von ihm hier.«

Da flog ein heller Schein über das Gesicht der Kranken, und über die ganze Gestalt verbreitete sich eine würdige Ruhe.

»Ich dachte es mir wohl,« sagte sie, indem sie sich aufrichtete. »Er weiß, was er mir schuldig ist. Hat er dir sonst noch etwas aufgetragen?«

Kaja überlegte einen Augenblick, dann antwortete sie: »Er bat mich, dir zu sagen, du sollest froh und sicher sein, bis er komme.«

Mit leisem Lachen trat die Kranke wieder vor den Spiegel und musterte ihr eigenes Bild. »Froh und sicher!« wiederholte sie, diesem zunickend. »Sag' ihm, daß ich es immer sei.«

Kaja war der Hals wie zusammengeschnürt, sie wollte etwas antworten, aber da sah sie, daß die Wärterin die Tür leise geöffnet hatte und ihr, den Finger auf den Lippen, winkte. Sie verstand, daß sie gehen müsse, ohne sich zu verabschieden, und sie gehorchte.

Das Letzte, was sie, während sie rückwärts zur Tür hinausging, von ihrer Mutter sah, war das stolze, erwartungsvolle Lächeln, mit dem diese ein anderes Schmuckstück in ihrem Haar befestigte und ihrem Spiegelbild zunickte, während sie leise wiederholte ... »Froh und sicher ... froh und sicher ...«

Als Kaja daheim ankam, stand Onkel Franz im Zimmer und betrachtete mit lebhaftem Interesse den Jungen, der in seiner Badewanne plätscherte, er hielt ihm eine glänzende Klapper hin, spritzte ihm Wasser ins Gesicht und lockte das erste Lächeln auf seine Lippen.

Kaja blieb auf der Schwelle stehen und beobachtete die beiden. In diesem Augenblick fühlte sie sich so unendlich reich – reich in ihrer Mutterliebe und reich in dem Bewußtsein, daß sie einen Freund hatte, auf den sie sich rückhaltslos verlassen konnte.

Aber zugleich wurde der Gegensatz zwischen dem Ort, wo sie herkam, und der Idylle, die sie hier sah, so schneidend, daß ihr die Tränen in die Augen traten. Leise schloß sie die Tür, und Onkel Franz wendete sich bei dem Geräusch um.

»Aber Kaja!« rief er, ihr ängstlich forschend in das bewegte Gesicht sehend; »wo bist du gewesen?«

Sie schüttelte schweigend den Kopf und schickte das Mädchen nach einem warmen Tuch in die Küche. Behutsam nahm sie das Kind aus der Wanne, trocknete den kleinen warmen Körper sorgfältig ab und küßte die weichen Glieder wieder und immer wieder, indem sie mit Tränen in der Stimme sagte: »Wie glücklich bin ich, daß ich dich habe – und du sollst nie deine Mutter vermissen!«

Onkel Franz sah sie betrübt an. »Du bist da draußen gewesen,« sagte er sogleich.

Sie nickte.

»Warum hast du mich nicht mitgenommen? Ich hätte dir gerne das Schlimmste erspart,« sagte er.

Mit einem eigenen Glanz in den Augen sah sie ihn an und erwiderte dann: »Du hast mir schon genug erspart, ich möchte beinahe sagen, du hast mir zu viel erspart. Aber ich kann dir nie genug dafür danken.«

»Du darfst mir nicht danken,« sagte er, »ich tat alles für die, die ich liebe.«

»Ach, trotzdem – – Wenn ich daran denke, wie ich dir vergolten habe!« rief sie. »Alles hast du mir erspart, sogar das – was daheim vorgegangen ist. Und es ist dort etwas vorgegangen – nun weiß ich es – sie hätte geheilt werden können, wenn sie zu rechter Zeit nach Hause gekommen wäre – glaubst du das nicht auch?«

Er wandte sich ab. »Nicht unter den obwaltenden Verhältnissen,« sagte er langsam.

Sie legte das Kind in die Wiege, und als sie sich vergewissert hatte, daß es schlief, setzte sie sich neben Onkel Franz aufs Sofa. »Erzähl« mir von ihr! Erklär' es mir!« bat sie.

Er nickte.

»Nicht umsonst spricht sie immer von dem Prinzen,« sagte er. »Sie gehört zu den Frauen, die ihr ganzes Leben lang auf ihn warten. Die meisten warten vielleicht – mehr oder weniger unbewußt – auf den Mann; aber die, von denen ich hier spreche, die warten auf den Prinzen. Er muß von königlichem Blut sein, geistig gesprochen – ihre Träume sind so zart, ihr Gedankengespinnst so fein – sie weben alles zusammen als einen Einschlag mit ihm, auf den sie warten. Solche Frauen haben stets etwas Eigentümliches, das sich in dem nach innen gerichteten Blick verrät und an dem Schimmer ewiger Jugend über ihrer ganzen Erscheinung, selbst wenn sie schon verblaßt ist.«

»Gerade diesen Schimmer hatte sie – sie hat ihn noch. Als sie meinen Bruder heiratete, glaubte sie, er sei der Prinz, aber sie hatte sich getäuscht. Er schob sie um seiner eigenen Interessen willen auf die Seite, wurde rücksichtslos gegen sie und kümmerte sich nicht darum, daß sie darunter litt. Nach deiner Geburt war sie mehrere Jahre krank und lag meist zu Bett. Bedenke, es ist nicht leicht für einen Mann, immer eine kranke Frau zu haben. Versuche, ob du ihn nicht ein wenig entschuldigen kannst.«

Sie legte ihm die Hand auf den Mund. »Soll ich auch entschuldigen, daß er ihr untreu war?« fragte sie.

»Nein, das nicht.«

»Denn das war es, was sie geknickt hat,« fügte Kaja hinzu. »Ach wenn ich bedenke, daß Vater auch so war!« sagte sie, die Hände zusammenpressend, ohne zu bemerken, daß dies »auch« sie an Onkel Franz verriet.

Bis jetzt war er unsicher gewesen, ob sie das Verhältnis ihres Mannes kenne – nun erhielt er plötzlich Gewißheit, und es war ihm wie eine Erleichterung. Aber mit dem Zartgefühl, das der Grundzug seines Charakters war, verstand er, daß sie den Kampf am liebsten allein ausfechten wollte, und leitete das Gespräch wieder auf die Kranke.

»Sie ist jetzt glücklicher als seit vielen Jahren,« sagte er.

Kaja schwieg einen Augenblick, dann fragte sie:

»Wovon sprichst du mit ihr, wenn du bei ihr bist?«

»Natürlich von dem Prinzen. Ich stelle mir vor, wie gut, wie jung, wie schön er sein müsse, und ich erzähle ihr kleine Züge seines edlen Charakters – ich gebe ihr große Beweise seines guten Herzen.«

Sie sah ihn lächelnd an. »Ja, das ist etwas, das du verstehen mußt,« sagte sie mit stolzer Bewunderung in der Stimme. Dann ergriff sie die kleine Klapper, die noch auf seinen Knieen lag, und spielte damit. »Wie merkwürdig, daß du auch ihm das erste Spielzeug schenkst!« sagte sie, als er aufstand, um zu gehen.

Er reichte ihr die Hand. »Wenn du wieder hingehst, dann nimmst du mich mit; willst du es mir versprechen?«

»Ja, ich verspreche es.« – Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihn treuherzig an. – »Adieu, Onkel Franz, und vielen Dank für alles!«

Als er gegangen war, stand sie lange mit der Klapper in der Hand da, sie unverwandt betrachtend. Dann küßte sie sie plötzlich – heftig – einmal – zweimal – und legte sie alsdann ihrem kleinen Jungen in die Wiege.


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