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O-Tahaiti.

An Georg Forster.

O glücklich Land! auf das, wie's heißt, hernieder
So reichlich Gottes bester Segen quoll,
Bist du's, auf dem ein Theilchen uns'rer Brüder
Sein gold'nes Alter wirklich leben soll?

Und du, o Volk, das, laut so vieler Sagen
Der Erdensöhne höchstes Glück genießt,
Ist's wahr, daß du so frei von allen Plagen
Der Menschheit, und so überglücklich bist?

Zwar malt man in so reizendem Gewande
Das Bild uns vor, das deine Fluren krönt.
Daß mancher sich aus seinem Vaterlande
Hinaus und hin nach deinen Hütten sehnt.

Allein erlaube mir nur wenig Fragen,
Eh' auch mein Mund dich glücklich preist;
Vielleicht läßt auch von dir der Spruch sich wagen:
Es ist nicht alles ächtes Gold, was gleißt.

Hast du Pandorens Büchse, die uns allen
In der Vernunft Natur, die Mutter, schenkt,
Noch nicht so aufgethan, daß draus der Qualen
Vollzählig Heer um deine Flur sich drängt?

Ist's wirklich falsch, was ich im Angesichte
Der Menschenleiden, und bei manchem Grab
Mir dachte, daß mit jenem Seelenlichte
Uns die Natur – ein spitzes Messer gab?

Fuhrst du mit jenem spitzen Himmelsstahle
Nie an die eig'ne Kehle, wie ein Kind?
Erfuhrst du wirklich nie, was in der Schale
Des hellsten Lichts für Irrwischflammen sind?

Hat die Vernunft, der edlen Freiheit Mutter,
Nicht selbst um ihre Gabe dich gebracht?
Streust du nicht Königen gezwungen Futter,
Und huldigst Götzen, die du selbst gemacht?

Sind nicht ein Heer von deinen Brüdern Sklaven,
Füllt ihre Hand nicht manches Höflings Wanst,
Die, während diese Königsthiere schlafen,
Für ihre leckern Gaumen kocht und pflanzt?

Ist's nicht ein Raub an deinem eig'nen Gute,
Daß dir der Stärkere die Schweine nahm?
Erhältst du nicht mit deinem eig'nen Blute
Die fremden Sklaven deines Königs zahm?

Hört man dich nicht am harten Ruder winseln,
Das du mit saurer Arbeit selbst geschnitzt?
Führst du nicht Tausende nach fremden Inseln,
Wo dann ihr Blut – nicht für die Freiheit – spritzt?

Hat deine Seele keine Abenteuer
Des tollen Aberglaubens ausgeheckt?
Hast du nicht Pfaffen, deren Hand den Schleier
Der heil'gen Lüge dir um's Auge legt?

Wird nicht durch sie das Weib im Trauerkleide,
Das wüthend um des Mannes Leichnam rennt.
Ein Ungeheu'r, das auch mit fremdem Leide
Und fremdem Blute seinem Schatten fröhnt?

Ernährest du nicht einen Schwelgerorden,
Der Arbeit und des Eh'stands Fesseln haßt,
Und der, von dir gehegt, in ganzen Horden
Herumzieht, und auf deine Kosten praßt?

Sprich, hat die Mode, deren Narrenschelle
Man sonst in aufgeklärten Zonen trägt,
Zu steter Qual erfindsam, wie die Hölle,
Nicht auch dein Land schon mit Tribut belegt?

Muß nicht dein Jüngling, ihrem Dienst zu Ehren,
Sich lächelnd unter tausend Stichen freu'n?
Und muß er nicht dein Ebenbild zerstören,
Natur! um o-tahitisch schön zu sein?

Sind deine Weiber treu, sprich, sind sie minder
Auf Putz und Tand als unsere erpicht,
Vergessen Pflicht sie, Ehre, Mann und Kinder
Ob einer kleinen Glaskoralle nicht?

Wohnt Unschuld noch in deiner Mädchen Seelen,
Ist unbestechbar, rein und keusch ihr Sinn,
Und geben sie, was uns're für Juwelen
Verkaufen, nicht für rothe Federn hin?

Sind also unter deinem Himmelsstriche,
So mild er ist, die Menschen glücklicher?
Und drücken dich der Menschheit schwere Flüche,
Weil Brod am Baum dir wächst, drum weniger?

O nein! Wo Menschen sind, da sind auch Uebel:
Mit ihrer Zahl wächst ihre Kümmerniß,
Und, ach! gleich anfangs waren, laut der Bibel,
Schon ihrer zween für's Paradies! –

So dacht' ich, Freund! als ich dein Buch gelesen,
Wo ich dies Bild von O-Tahaiti fand:
Ich war von meiner Lust dahin genesen,
Und liebte – wie vorher – mein Vaterland.

*


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