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Mein Dinosaurierlied aber ist selber noch nicht beim Schluß.

Groß, riesig, in »Hybris« der Gestalt – die Worte drängen sich immer wieder auf, wenn man von Jägern und Jagdwild reden soll, die beide zehn Meter wurden – die wie die Türme aufeinander los gingen, hier wirklicher Mauerturm, dort Belagerungswerkzeug in Turmgestalt.

Und doch tritt das alles noch einmal zurück.

Abb. 113.
Der Typ Moschops capensis unter den Karroosauriern (vgl. Abb. 109) im vollständigen Skelett von über 2 m Länge. Man beachte den spitzen Schädel und die Unform der Beine. Alle diese Saurier, soweit sie Afrikaner waren, gehörten zu dem alten wunderbaren Gondwanaland. (Vgl. Abb. 25 und die Erdkarten der Urwelt.)

Wird selber noch einmal klein vor dem Äußersten, was diese Dinosaurier in einem letzten Geschlecht sich leisten sollten.

Es ist nicht ganz leicht, nach allem Gesagten sich hineinzudenken, was das noch für eine eigene Sippe dort sein konnte und woher sie kam.

Ich erzählte bis jetzt wesentlich von den zwei Linien, deren eine sich in den pflanzenfressenden Iguanodonten, Stegodonten und Ceratopsiden verkörpert hatte. Während die andere eben die Jäger, also die Raubsaurier kleinen wie großen Maßes, ergab. Beide durch den besagten Beckenunterschied, aber viel stärker offenbar durch ihre Lebensweise selbst, wie es schien, getrennt.

Nun aber stellt sich uns ein Typ (der fünfte im ganzen unserer Reihe) noch entgegen, der tatsächlich keines von beiden ist oder mindestens beides durcheinander zu sein scheint.

Nämlich Pflanzenfresser der Jagdwildseite, doch mit dem Becken und auch sonst manchen Zügen jener Raubdinosaurier.

Man hat sich den Kopf zerbrochen, wie das möglich sei.

Da dieser schon systematisch offenbar jetzt extravagante Typ für unsere Kenntnis erst auftritt, nachdem die beiden andern bereits vollwertig da waren, vor allem auch die Jäger längst bestanden, hat man die Vermutung aufgestellt, es habe sich dabei um einen nachträglichen Ast dieser Jäger selbst gehandelt, der doch in der Lebensführung noch einmal ganz dort herausgefallen und wieder Pflanzenfresser geworden sei und damit also auch Jagdwild am eigenen Stamm erzeugt habe.

Ich lasse dahingestellt, wie weit das vollständig richtig ist, jedenfalls wäre es noch ein äußerst merkwürdiger Zickzackweg gewesen, den aber doch ein gewisses Geheimnis verhüllen wird, so lange nicht ernste Übergangsfunde als solche auch hier vorliegen. Denkbar ja, daß jene neue Stelle in China sie uns zu anderm geben wird. Zuzutrauen wäre diesem Dinosauriervolk schließlich alles.

Es ist aber die gewichtige Gruppe der Brontosaurier, auf die ich jetzt, nachdem der Name schon ein paarmal anklang, endgültig komme.

Abb. 114.
Zur Entwicklungsgeschichte der Saurier. Den reptilischen Sauriern ging voraus und lief eine Weile noch parallel eine großartige Entfaltung der Amphibien auf der Erde, die auch dort schon einmal zu gewaltigen räuberischen Sauriergestalten geführt hatte. Man kann sie als Vor-Saurier bezeichnen. Das Bild gibt den gewaltigen Schädel des Lurchsauriers Mastodonsaurus giganteus, wie er sich auf der Wende der Muschelkalk- zur Keuperzeit im sauriergesegneten Schwaben noch sehen ließ. Er war das größte je bekannt gewordene Amphibium, eine Mischung aus Molch und Krokodil. Schädelgröße 1,20 m (vgl. Abb. 115).

Ich wähle das Wort dabei wieder so, unbekümmert um gewisse andere Systembenennungen, die man vorgeschlagen – eben nach dem wieder berühmtesten Einzelvertreter, nämlich diesmal der Gattung Brontosaurus selbst.

Bronte heißt nach dem griechischen Lexikon, aus dem nun einmal fast alle diese langen Namengebungen schöpfen, Donner – in Nebenbedeutung auch so viel wie unser gutes deutsches Volkswort Dussel besagt: von einem, der etwas vor den Kopf geschlagen, beschränkt ist. Marsh, der den Ausdruck seinerzeit, als er geistiger Vater dieser ganzen neuen Sippe wurde, mit Mut erfand, scheint aber wirklich an Donner gedacht zu haben, obwohl das andere auch ganz gut paßte – also Donnersaurier, von dessen Schritten der Boden erdröhnt – wozu ich oben schon das Zitat gegeben habe. Es ist immer hübsch, bei solchen ganz ausgefallenen Naturdingen unsern großen Goethe zu zitieren.

Es war aber wieder ums Ende der gleichen siebziger Jahre, die uns Bernissart geschenkt, daß auch aus Marsh's Erdteil Nordamerika die Kunde sich im engern Kreise ausbreitete, es sei nun wirklich der Rekord aller Dinosaurier drüben gefunden worden.

Im August 1879 sollte es bei Como in Wyoming geschehen sein. Marsh und seine Leute hatten das neue Fabeltier gehoben und ergänzend zusammengesetzt.

Es ging nicht aufrecht, konnte bei seiner Größe wohl nicht so gehen, sondern lag diesmal wirklich wie eine Art Landwalfisch lang hingestreckt auf vier eng in der Mitte stehenden Elefantenbeinen, die wie Tragböcke die Länge stützten – endlos der ungeheure dicke Hals, endlos der auch nur langsam verjüngte schwere Schwanz, am Halse aber nur ein Köpfchen so klein wie die Schlußverdickung eines Rüssels.

Über die Länge entstanden zunächst die fabelhaftesten Gerüchte, hauptsächlich veranlaßt, weil die Fußziffern verkehrt auf Meter umgerechnet wurden, es hieß 50, 60 Meter, was dann allmählich bescheiden doch noch auf einige zwanzig wieder herunterging – immerhin auch noch eine merkwürdige »Bescheidenheit«.

Abb. 115.
Versuch einer Wiederherstellung des krokodilähnlichen Panzerlurchs Mastodonsaurus giganteus (vgl. Abb. 114) in einem schwäbischen Schachtelhalmsumpf der Triasperiode. Das Ungetüm hatte mindestens die Größe eines alten Flußpferdbullens.

Eine Weile schien es dann allerdings auch hier, als wenn der Fund Unikum bleiben sollte. Und erst ums Ende der neunziger Jahre (Marsh selber starb um diese Zeit) zeigte sich die erst ganz bekräftigende Fortsetzung. Die Gelehrten vom New Yorker Staatsmuseum nahmen auch diese Brontosaurusfrage größten Stils in die Hand, rückten auch auf den neuen Koloß mit planvollem Feldzug in die »Atlantosaurusbeds«, wie man drüben sagte (wobei in Parenthese bemerkt, das Wort Atlantosaurus selbst nur ein Stichwort für einen besonders großen, wohl sehr alten solchen Brontosaurus selbst blieb), schaufelten, sprengten mit Dynamit und brachten bald auch hier erwünschteste Klarheit.

Das erste Marsh-Skelett wurde durch noch bessere und sicherere, aus mehreren Exemplaren ergänzte Modelle ersetzt – inzwischen hatte Osborn, der unerschrockene Chef jenes Stabes, aber auch schon einen 2 m langen Oberschenkel noch aus der natürlichen Erde ragend entdeckt, was den zweiten Typ, Diplodokus genannt, ergeben sollte – in der Folge ebenfalls reichlich sensationell, obwohl tatsächlich nur eine durchaus ähnliche und wahrscheinlich nicht wesentlich größere Parallelgestalt.

Tafel 33
Diplodokus

Diplodokus, wenig später auch im ganzen Skelett geborgen und montiert, ist hauptsächlich nur dadurch so bekannt geworden, daß der Multimillionär Carnegie, nach dem man die Art wohlwollend benannt, sich erkenntlich zeigte durch Geschenk eines Gipsabgusses dieses Skeletts in voller Größe auch an einige der bedeutendsten Museen Europas, so Berlin und Wien, wo allerdings durch die Dimensionen eine gewisse Raumnot entstand wie bei dem armen Studenten der Anekdote, dem in der Lotterie ein lebendiger Elefant zum Sofortabholen zufiel.

Ich breche aber die Fundgeschichte hier ab, um sie später an anderer Stelle noch einmal aufzunehmen.

Tafel 34
Brachiosaurier

Denken wir uns zunächst jetzt in Brontosaurus selbst als das »Urphänomen« auch dieses neuen und verwunderlichsten Typs hinein.

Die angedeutete erste Charakteristik ist dabei tatsächlich die grundsätzlich beste geblieben.

Auf vier sehr festen Stempeln, die gleichsam in der Mitte einen Stuhl bilden, liegt hingegossen und nach beiden Seiten fernhin darüber hinausgereckt eine Art fetter Seeschlange oder Riesenwurst, selber am meisten verdickt über der Aufsatzstelle, aber jederseits mit schwerer Eigenlast auch noch so verlängert, daß tatsächlich diesmal fast der Eindruck von drei nur ganz lose aneinander gestoppelten Einzelwürsten oder Einzeltieren entsteht – eines die auf Beinen laufende dickste Mitte, eines als besondere, im Skelett mit eigenen Rippen versehene Separatwirbelsäule der enorme Hals, und ein drittes der gigantische Schwanz.

Schließlich muß man sich aber doch darein finden, daß diese unmögliche Dreiheit zu Lebzeiten eine Einheit gebildet hat, die als Ganzes auf den vier Mittelstempeln dahinfuhr, Vorder- und Hinterstück frei abstehend, wobei das Vorderteil mit dem Rüsselköpfchen sich immerhin mehr oder minder aufwärts gebogen haben mag, während das Schwanzstück wohl stets abwärts sank.

Der eigentliche Leib als das Haupt- und Mittelstück der drei Teile tonnenförmig gedrungen, mit etwas katzenhafter Buckelwölbung, jedenfalls ohne irgendeinen besondern Panzer oder Knochenaufsatz, die nicht sehr stark differierenden Vorder- und Hinterbeine steil hineingestülpt und nur im Ellbogen vorne etwas ein- und zur Seite gebogen wie in einer Art Lauerstellung – vorausgesetzt daß die dem Skelett von uns (vgl. das Bild) gegebene Montierung vollkommen richtig ist.

Am unbegreiflichsten aber immer wieder der nicht nur unwahrscheinlich lange, sondern auch in ganzer Länge wirklich brustkorbartig dicke Hals aus 13 wahren Säulentrommeln von Wirbeln mit, wie gesagt, hakenartigen Eigenrippen, jeder Wirbel einem kleinen Tier als ganzer Leib genügend. Es gibt keinen Tierhals, der sich mit dieser in die Weite hinausgeschlagenen Art Pontonbrücke auch nur entfernt vergleichen ließe, und man muß sich die Muskelzüge ausmalen, die dieses Gebilde als Ketten hin und her bewegen und gar noch im Bogen aufrichten sollten.

Das putzige, einem modischen Damenhütchen nicht ganz unähnliche Köpfchen als Endknoten dieses Brückengestells dafür in der Tat um so winziger und auch hier mit weniger Gehirnraum, als in gewissen Wirbeln des Rückgrats gewesen sein mag.

Die Klauen ziemlich steil aufgesetzt – immer vorweggenommen, daß unser nachträglicher Wiederaufbau genau stimmt.

Das Becken jedenfalls mit den Schambeinen bloß nach vorne orientiert, also den Raubdinosauriern völlig analog und nicht dem Typ Iguanodon.

Die Zähne relativ schwach, der Unhold muß trotz dieses Beckens auch ein harmloser Pflanzenfresser wenigstens im normalen Hausbrauch gewesen sein, wobei man unwillkürlich nachdenkt, wie lange jedesmal ein Bissen hier gebraucht haben muß, bis er durch diesen monumentalen Hals an der Verdauungszentrale wirklich anlangte.

Jedenfalls begreift man aber, daß, wie immer die Herkunft dieser neuen Monstra sein mochte, dieser Körper auch hier nicht mehr zweibeinig aufrecht getragen werden konnte, sondern auch ohne Stegosauruskamm und Ceratopsidenmaske von seinem eigenen Rückgrat, Hals- und Schwanzgebälk zur Vierbeinigkeit heruntergearbeitet sein mußte.

Wobei man indessen, genau sondierend, doch auf eines noch aufmerksam wird.

Abb. 116.
Querschnitt durch einen Zahn von Mastodonsaurus (vgl. Abb. 114), um die merkwürdige innere Labyrinthstruktur in welligen Biegungen zu zeigen, nach der man diese Tiere wohl auch Labyrinthodonten (Labyrinthzähner) genannt hat. Ein einzelner Zahn dieser Art im Stuttgarter Museum mißt 10 cm.

Dieses ganze endlose Gestell auf nur vier Mittelstempeln – Landwalfisch auf einem Stuhl mit vier Rädern fahrend oder wie man es sonst charakterisieren oder karikieren will (nachdem die Natur selber hier Karikatur ist), hat doch in sich noch wieder eine bestimmte technische Anordnung, die zu denken gibt.

Diese riesigen Wirbelpontons sind vom Halse bis übers Kreuz in sich künstlich noch einmal leichter gemacht, gehöhlt, luftgefüllt wie eine Art auftreibender Ballons.

Und erst von einem gewissen Strich ab, den man horizontal durch die ganze Länge des Unholds ziehen könnte, wird nach unten alles eigentlich ganz klotzschwer. Die vier Elefantenstempel ganz massiv. Aber auch die Rippen schon so und schwanzaufwärts die weiteren Wirbel, die sich dort absenken über diese Linie nach unten.

Ein Klotz also, auf dem eine Art Ballon schwebt. Unten Blei, oben frei.

Matthew in Amerika hat zuerst auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht, und man hat nicht so sehr den Eindruck, daß hier bloß von oben gedrückt, sondern daß von unten mit Ballast vielmehr auch gehalten wird. Man möchte urteilen, vielleicht war nur so die Geschichte noch möglich. Nachdem das verrückt gewordene Rückgrat herabgedrückt hatte aus dem aufrechten Laufen, war es zuletzt nur noch selber möglich, indem es sich durch Hohlräume wieder leichter machte und umgekehrt nach unten der Ballast mit Aufgebot aller eigenen Knochenschwere gegenstemmte.

Ganz allerdings will das technisch auch noch nicht einleuchten. Und man ahnt noch ein besonderes Geheimnis der Maschine, die doch nicht so verrückt sein konnte, daß sie nicht auch irgendeinen Zweck gehabt haben sollte. Vielleicht noch etwas in der engeren Lebensweise dieser Ungeheuer Begründetes.

Ich stelle es einen Augenblick aber noch beiseite und wende mich zunächst der rein räumlichen Größe dieses Weltwunders zu.

Ich sagte, bei rund 22 m Gesamtlänge ist der Pegelzeiger schließlich stehengeblieben. Wahrscheinlich doch immer bei einem Mittelmaß. Jenes Wort Atlantosaurus bezeichnet, wie erwähnt, wohl weniger eine noch größere Art, als gewisse persönliche Altersriesen der gleichen, uralte Baobabs gewissermaßen noch einmal dieses Riesenvolkes selbst. Also sagen wir 25 Meter. Die amerikanischen Museumsgelehrten denken selber immer noch an halbe Marshmaße der Sensationspresse, mit äußerstem Stande bis 30 Meter.

Abb. 117.
Zum Vergleich mit dem Schädel des schwäbischen Mastodonsaurus in Abb. 114 hier der des zeitlich etwas früheren größten nordamerikanischen Panzerlurchs, des Eryops megacephalus aus Schichten der Permperiode in Texas. Ein Viertel natürlicher Größe.

Hierzu aber scheint wertvoll, ein paar Vergleichsmaße zu geben, zunächst auch auf solche reine Länge.

Ich nehme den lebenden Elefanten, größtes Landsäugetier jetzt – Rüssel darf natürlich nicht mitgezählt werden, da er reines Fleischanhängsel ist, wir vergleichen ja nur als Skelett – 5 m. also höchstens – das Fünf- oder Sechsfache dort!

Wirbel, Beinknochen solches Elefanten, Schwanz, alles ein Spiel nur gegen hier, wenn man allein vom Schädel absieht, in dem eben elefantisch wieder das kluge Tier sitzt gegen den dinosaurischen Dussel.

Das weiße Nashorn, das wir schon einmal zum Triceratops anzogen, nicht ganz 5 m, also mindestens fünffach überholt. Das Flußpferd mit 4,5 m schon mindestens sechsfach.

Man läßt mit einem mitleidigen Lächeln alles übrige »Land« abfallen, geht ins Wasser – zu den wirklichen Walen diesmal.

Der Pottwal, Seeungetüm ersten Ranges, einen Museumssaal fordernd schon für sich – 23 m – also darunter.

Der Grönlandwal – kolossaler denkt man schon nicht leicht einen dort – höchstens 24, meist nur 18 bis 20 m. Wenn auch er tot auf einem Wagen, jederseits wie eine Wurst absinkend, herangefahren würde – der Brontosaurus ginge nicht nur daneben, sondern ragte beiderseitig darüber weg.

Nun wollen wir vor dem noch größern sogenannten Blauwal zunächst ja haltmachen. Meister Heck im Brehm, sicherster Kronzeuge, gibt von neuerlichen Kolossen dort 33 m zu. Ganz bin ich mir aber meiner Sache doch nicht sicher, lieber Freund. Reduzieren wir auf 30, und einigen uns mit dem alten Brontosaurus als Atlantosaurus ebenfalls auf 30. Dann gibt es auch kein Wasserwirbeltier mehr, das in der Gegenwart überholte.

Mehr spaßeshalber gebe ich noch ein paar andere Tiermaße, die meist weniger bekannt. Die größte Muschel, die australische Tridakna, uns von Weihwasserkesseln unserer Kirchen her vertraut, ist doch nur 2 m. Die nordische Riesenqualle mit 2 m Glocke hat 30 m Fangarme, also wieder darauf. Der Krake, lange als Fabel abgelehnter und doch existierender Riesentintenfisch, gibt allenfalls 16 m. Jammervoll. In Münster steht jene Seppenrader Dickscheibe, Ammonshorn des urweltlichen Kreidemeeres, in dem auch einst solcher Krake fuhr, mit 2,55 m Durchmesser ein Wunder jener Urwelt, aber was besagt sie. Ein fadendünner Wurm (Lineus) 30 m, immerhin ausreichende Meßschnur für den größten Brontosaurier.

Mammutbäume, Eukalypten, Rotanpalmen und echte Südseetange darf man natürlich nicht anziehen, das sind Pflanzensproßgesellschaften – immerhin selbst ein Eukalyptusbaum würde gegen solchen Atlantosaurus nur fünfmal mehr Länge messen – es sind in menschlichem Bau schon ungefähr die Kölner Domtürme.

Abb. 118.
Während die Panzerlurche Mastodonsaurus und Eryops (Abb. 114 und 117) noch mehr einem amphibischen Krokodil ähnelten, zeigt dieser sehr breite Schädel des Plagiosaurus (Plagiosternum) pulcherrimus einen Typ metergroßer »Frösche«, die sich in der Keuperzeit (Trias) ebenfalls in Schwaben herumtrieben. Sie zählten aber ebenso noch zu den Panzerlurchen der Zeit.

Nun nehmen wir aber das Gewicht. Man hat es so ziemlich auch für den Brontosaurus wieder auf Fleisch gebracht, wie er in der Markthalle liegen würde. Schätzungsweise natürlich. Die schweren gegen die leichten Knochenteile und alles Drum und Dran ergeben sicher 34 500 kg bei nur einem 22-m-Exemplar.

Der Elefant, wieder, wenn er angewandelt kommt, Riese, der den Himmel zu verfinstern scheint, hat als Durchschnitt nur 3000 kg. Das über elffache also dort – elf und ein halber Elefant. Das Nilpferd 2500 kg, Bagatelle. Die Giraffe 500 kg – eine Maus. Nur wieder der Wal in seinem Element kann sich mehr leisten. Solcher Blauwal mit 29 m gibt 147 000 kg, mit 22 m 63 000 kg, letzteres doch erst knapp das Doppelte. Ein halbes Tausendbataillon Soldaten gibt der Brontosaurus mindestens zu uns, man erschreckt sich ja, daß er noch nicht eine Annäherung Gehirn auch nur an einen hat, denkt wie spielend doch dieses Intelligenzwesen Mensch mit ihm fertig würde – der das Pulver erfunden hat gegen den dinosaurischen Idioten.

Bei Ungeheuern solcher Größe und solchen Gewichts wird natürlich die Frage immer wieder verstärkt schwierig, wie sie sich denn nun im Leben bewegt haben und wie man entsprechend ihre Gerippe wieder richtig zusammensetzen soll, die uns mehr oder minder doch nur in losen Einzelknochen überliefert sind. Eine Zeitlang hat sehr heftiger Gelehrtenstreit getobt, ob die Beine auch hier mehr grätschbeinig nach Krokodilart den Riesenwurm getragen haben könnten mit plattem Fußaufsatz, oder mehr wirklich hochbeinig nach Elefantenart. Die meisten Amerikaner und bei uns Abel haben die Elefantenbeinhaltung verfochten, schließlich doch wohl mit schärferen Gründen innerhalb der allgemeinen Wahrscheinlichkeit. Der Krokodilbau gibt, wie man bei jedem Versuch der Rekonstruktion merkt, ein zu unmögliches Bild. Gewiß waren auch diese Kolosse allem ferner, als selber Säugetiere zu werden. Aber die Notwendigkeit, sich überhaupt mit dem aufgepackten Lindwurm auf den Beinen zu halten, wird elefantenhaftes im Vierergang begünstigt haben, wie drüben bei den Aufrechtgehern, die doch auch keine Vögel waren, vielfach vogelhaftes.

Abb. 119.
Wiederhergestelltes Bild eines sog. Trilobiten- oder Dreilapper-Krebses, wie er sich bereits in Gesteinsschichten aus der ersten Hälfte der kambrischen Periode gefunden hat, also ganz dicht an der Grenze unserer Kenntnis vom Leben der Erde überhaupt. Die dargestellte Art ist Holmia Kjerulfi aus Norwegen. Die Trilobiten starben in der Permperiode wieder aus. (Vgl. auch das Bild auf Tafel 39.)

Immerhin wird man auch so an der Montierung der Skelette noch fortschreitend bessern müssen – den Hals zum Beispiel nicht so tief senken, wie Marsh anfangs getan, sondern, so schwer wieder das Hineindenken fällt, wirklich in kühner S-Krümmung emporrecken.

Summa erinnere ich noch einmal an das oben zitierte gute Wort von Fraas – vom natürlich schon unlogischen hier. Und an diesem grundsätzlichen Sachverhalt haben auch die paar Nebentypen, die man seit jenem Diplodokusfund sonst noch allmählich hinzu entdeckt, bis auf eine Ausnahme nicht viel ändern können.

Diplodokus selber, wie ihn die schöne Carnegie-Reproduktion zeigt, ist im Prinzip, wie gesagt, auch nur ein noch extremerer Brontosaurus gewesen – mit noch längerem und wohl sicher schwanenhaft aufgebogenem Halse und noch mehr ausgezogener, geradezu peitschenhafter Schwanzspitze, das Gebiß wie ein Rechen – man ahnt Wasserpflanzen als Kost, vielleicht doch auch kleines dazwischensitzendes Getier, womit ein Anklang an die reine Fleischnahrung der Vorfahren sich noch andeuten könnte, wenn man diese Herkunftstheorie wirklich annehmen will. Schließlich könnte man sogar an Fische als Zukost denken.

Ein Typ Camarasaurus, identisch mit Morosaurus (auf die vielen Namen und ihre jedesmalige Übersetzung, die doch nichts wirklich an Sinn hinzufügt, kommt es nicht an) schritt vielleicht noch flotter, gerade er ist aber im Gehirn wieder der extrem versimpeltste und zeigt noch im Schädel selbst Andeutung jener Hypophysenvergrößerung, die man auf krankhafte »Akromegalie« gedeutet hat. Ich möchte doch nicht so ganz eng pathologisch gehen; würde eher denken, die Größe, die aus der allgemein im Wesen steckenden »Verrücktheit« dieser Dinosaurier überhaupt entsprang, habe rückwirkend auch die dirigierende Drüse verändert.

Doch einerlei – jedenfalls sind auch diese pendelnden Nebentypen alle vom gleichen Ort und der gleichen Stunde weder im Maß noch sonst eine wirkliche Erweiterung des ungefähren Grundbildes geworden. Und solche macht sich erst geltend bei einer anschließenden Form, die zwar auch, scheint es, in Amerika selbst gelegentlich gefunden wird, in ihrer ganzen Eigenart aber doch erst durch einen Ortswechsel sich präsentiert.

Ich meine den Brachiosaurus (Armsaurier) jetzt, einen Brontosaurier, der, wenn es möglich scheint, selbst diesen Dinosaurierrekord nochmals in seiner Weise überholt.

Abb. 120.
In Ergänzung der Abb. 119 die Unterseite eines Trilobiten-Krebses aus der Mitte der kambrischen Periode, mit den Fühlern und den vielen wimmelnden Spaltfüßen wiederhergestellt durch Walcott und Stromer von Reichenbach. Die dargestellte Art ist hier Neolenus serratus aus Kanada. Der schon überaus verwickelte Bau der Tiere tritt mit voller Deutlichkeit hervor.

Nordamerika hatte längst auch den Brontosaurus- und Diplodokusruhm auf sich konzentriert (nur ein Typ ist gelegentlich im englischen Jura nachgewiesen worden) und die Gelehrten- wie Laienwelt mit ihm erfüllt. Der Carnegie-Abguß war genügend bestaunt worden, man dachte bei den Namen nur an weiland Marsh und den jugendlicheren (jetzt freilich auch grauen) Meister Osborn drüben, den unverwüstlichen Deuter und Finder mit dem unverwüstlichen Temperament – da sollte sich plötzlich ganz fern auch auf damals noch deutschem Boden (es mischt sich ein leiser Schmerz ein) ein ganz unerwartetes brontosaurisches Fundtheater eröffnen.

In unserer schönen Kolonie Ostafrika war's – senke das Blatt, ernster Leser – tempi passati. Am Tendaguruberge dort, ganz nahe der Grenze zum portugiesischen Afrika. Ein Ingenieur Sattler stolpert 1907 in noch hoffnungsvollen Vorkriegstagen über einen auch hier frei herausgewitterten Riesenknochen. Fraas, der unvergeßliche von Stuttgart, kommt hin. Es sind nicht nur afrikanische Dinosaurierknochen, die auch hier greifbar bequem anstehen, sondern, viel sensationeller, ebenfalls »deutsche« Brontosaurier jenseits des Äquators. Auch dort müssen diese Ungeheuer gelebt haben, der Zeit nach ungefähr parallel den Amerikanern.

Fraas hat selbst nicht das Geld, den Schatz zu heben. Ihr Berliner, schreibt er, müßt es machen. Berlin, damals in Geld und Glanz, hat doch auch noch nicht allzuviel für das Leben der Urwelt übrig. Dennoch greift die treffliche »Gesellschaft naturforschender Freunde« ein, schafft einige zwanzigtausend Mark, zu denen die Akademie der Wissenschaften und endlich ein besonderes Privatkomitee zulegen, bis es bald zweimalhunderttausend sind.

Abb. 121.
In neuerer Zeit hat man immer mehr erkannt, daß ein Teil jener uralten Trilobiten-Krebse (vgl. Abb. 119 und 120) besonders in ihrer späteren Zeit am Panzer auch noch die verwunderlichsten Hörner führten, die im kleinen geradezu an unsere Ziegen und Antilopen erinnern können – Beweis wieder ihres schon sehr verwickelten und abwechslungsreichen Baues. Die Hörner dienten wohl wesentlich als eine Art Stacheldraht gegen Angreifer. Die hier nach Richter gegebene wundervolle Probe ist Ceratarges armatus aus dem Devon-Gestein der Eifel, etwa 2½mal vergrößert von oben gesehen. Das Exemplar befindet sich unter den Schätzen des Frankfurter Senckenberg-Museums.

Nun ziehen beste deutsche Forscher aus – Janensch, Hennig – und leisten in schwierigster Lage auch aus deutscher Kraft diesmal das Unmöglichste. Die Knochen liegen doch, wie sich zeigt, wenigstens in brauchbarer Museumsform nicht alle so ganz schön in der Tropensonne aus – es muß auch hier tiefer geschürft werden, 500 Neger müssen mit heran, müssen 4500 einzelne Lasten zur Küste schleppen. Den schwarzen Landeskindern dämmert dabei selber etwas von Drachentagen und Urwelt auf, sie entwerfen eigene naive Bilder, wie die Scheusale ausgesehen haben könnten – keine Osborn- und Abelkunst, aber in ihrer Weise doch köstlich aus ahnendem Volksgemüt wie einst die Bilder Gesners oder Kirchers waren.

Das »Gewicht« geht nach Berlin, umwickelt und auch vergipst – 100 000 kg häufen sich schließlich auf den Treppen des Naturkunde-Museums dort in der Invalidenstraße – es dünkt doch nicht allzuviel, wenn man an Einzeltiere von fast 35 000 kg denkt.

Seitdem wird dort bis heute unermüdlich gearbeitet, mit deutscher Gründlichkeit, im Wiederauswickeln und Zusammensetzen. Dabei ist schon jener Kentrurosaurus aus den Stegosauriden mit seiner Bajonettpyramide erstanden – der Clou sollte aber doch jetzt besagter Brachiosaurus sein.

Man hatte, wie gesagt, auch ihn in Amerika schon signalisiert, ihm den Namen schon dort gegeben – hier aber erstand er jetzt in seiner ganzen, nun doch noch einmal wirklich schauerlichen Sonderpracht.

Brachiosaurus zeigte die in der Tat unter seinesgleichen sehr neue Eigenschaft, daß er nicht in der horizontalen Länge die andere Gigantomachie seines Volkes übertraf, sondern diesmal ausgesprochen in der vertikalen Höhe.

Wie Laokoon, der seine Schlange emporstaut, halte er es seinerzeit verbanden, den eigenen Lindwurm auch noch einmal vom Gestell aus sieghaft hinauf zu drücken, die Stempel selber besonders in den Armen so hoch zu machen, daß sie den ganzen Knäuel immer weiter nach oben drängten, worauf der Hals wie befreit endlich senkrecht wie ein Riesenschornstein jetzt auch in den Himmel steigen konnte.

Abb. 122.
Der in Abb. 121 gezeigte Hörnertrilobit (Krebs der Devonzeit) von der Seite.

Im einzelnen muß man aber erst so die Dimensionen sehen. Nochmals wird auch ohne Hinterbeinaufrichtung sogar gerade durch Worderbeinstreckung die äußerste Höhe erreicht, die je ein Dinosaurier, welcher Sippe es auch sei, bis dahin wie später erzielt. Bei Diplodokus war der Laokoon-Oberarm, der seinen Wurm trug, ungefähr ein Meter lang. Bei dem größten Brachiosaurus jetzt steigt er allein auf 2,13 Meter.

Tafel 35
Festländer und Meere in der oberen Juraperiode

Wieder gibt es kein Wirbeltier sonst, das je solchen Oberarm (Länge eines schon abnormen Riesenmenschen) besessen hätte.

Entsprechend aber der Unterarm, entsprechend das Schulterblatt.

Und auf diesem Riesentraggestell gipfelte sich, bei sonst gedrungenem Körper und relativ kurzem Schwanz, jetzt erst der Hals selber nahezu senkrecht auf.

Ein einzelner seiner Wirbel (als Ponton habe ich sie vorhin bezeichnet) maß diesmal nahezu dreiviertel Meter allein in sich. Der ganze Hals aber bis zu dem auch jetzt kleinen Gipfelkopf mit Einschluß des tragenden Vorderbeins und Schulterblatts vom Boden wird auf volle 14 m geschätzt! Ein Giraffensaurier diesmal – aber die phantastische Riesengiraffe, wie sie eben auch nur die »Hybris« der Dinosaurier hervorbringen konnte.

Ich vergleiche wieder ein paar andere Höhenmaße. Indischer Elefant im Widerrist als seiner höchsten Stelle 3 m, Afrikaner 3,50 m, Nashorn 2 m, Flußpferd 1,50 m. Die Giraffe selbst 5 m. Eine alle Rhinozerosform ohne Horn, die ich schon einmal erwähnte, das Baluchitherium der Tertiärzeit, im gereckten Kopf ebenso 5 m. Mammut in größter Rasse 3,70 m. Dinotheriumelefant von ehemals 5 m.

Am imponierendsten wirkt wohl, daß unser Saurier also nahezu drei Giraffen aufeinander schlug. Nahezu fünf Elefanten in Zirkuspyramide hätten ihn erst erreicht. Etwa acht Menschen in entsprechender Akrobatenpositur, wie sie so steil wohl noch nie geglückt ist.

Ich will als gewissenhafter Chronist wenigstens verzeichnen, daß von einem aus Patagonien bekannten Nebentyp wieder zu diesem Brachiosaurus kürzlich ein einzelner Oberschenkelknochen von sogar 2,32 m Länge festgestellt worden ist. Antarktosaurus, also Südpolsaurier, gilt als Name. Lagen hier die anderen Verhältnisse ähnlich, so könnte dieser Riese noch um ein gewisses Stück selbst über jenen Rekord hinausgegangen sein.

Im übrigen hat diese Tendagurufundstelle selbst aber noch Anlaß zu sehr interessanten Erörterungen über die Lebensweise aller dieser Brontosaurier überhaupt gegeben, wobei auch die oben gestreifte technische Rätselstelle ihre Erledigung zu finden scheint.

Der amerikanische Gelehrte Matthew, der zuerst auf die merkwürdige Trennungslinie in diesen Brontosauruskörpern aufmerksam wurde, die sie unten schwer und oben leichter macht, hat auch eine sehr sinnreiche Theorie über ihre Lebensweise aufgestellt.

Er nimmt an, daß auch die Brontosaurier zwar prinzipiell Landtiere waren, aber doch nur im Sinne etwa unserer Flußpferde. Sie lebten in Landstrichen mit weiten Fluß- und Seengebieten, wie heute jene im äquatorialen Afrika. Mit Liebe aber gingen sie ebenfalls tief in diese Süßwasser selbst hinein, um dort mit ihrem relativ schwachen Gebiß schwimmende Wassergewächse weichster Beschaffenheit abzuweiden, vielleicht auch allerlei Kleingetier dabei mitzuverschlucken. Weniger schwimmend, als einfach watend, trieben sie sich dort herum, die Gewohnheit hatte aber zugleich noch einen andern Vorteil, denn sie schützte sie gegen die Angriffe jener bösen Raubsaurier. Mochten sie nun selbst aus denen einmal hervorgegangen sein oder nicht – jedenfalls war solcher Megalosaurus oder noch größere Räuber da drüben auch ihnen nicht ungefährlich. Ihre ungeheure Größe und Schwere ertrug keinen Panzer und keine sonstige Abwehrwaffe am eigenen Leibe mehr (von denen ja auch nichts sichtbar), rasche Flucht war ihnen wohl unmöglich – auch sie waren also ziemlich wehrlos dort ausgeliefert.

Aber vielleicht brauchten sie diese körperlichen Verteidigungsmittel nicht, denn eben jene Größe selbst erlaubte ihnen, bis in Tiefen ihrer Seen zu waten, wo ihnen kein solcher Räuber mehr nachkommen konnte.

Ihre enormen Hälse gestatteten ihnen, auch aus ziemlich beträchtlicher Tiefe immer noch mit dem Kopf zum Atmen an die Luft zu kommen und zugleich die dicht mit grünem Schwimmkraut überwachsene Wasserfläche gemächlich abzufuttern.

Dem ungeheuren Brachiosaurus würde es noch möglich gewesen sein, in diesem Sinne bis 12 Meter mindestens tief im Wasser zu stehen, aber auch der einfache Brontosaurus und Diplodokus wären jedenfalls noch etwas seichteren Stellen aufs beste gewachsen gewesen.

Wieder zu diesem zugleich faulen und gefahrlosen Wasserkuhdasein würde nun aber auch jene Organisation aufs beste gestimmt haben.

Wenn die enormen Ungeheuer sich langsam in ihrem Element bewegten oder fest am Grunde fußten, so hielten die massiven Beine, Rippen und hintern Schwanzteile wie Bleisohlen unserer Taucher im Grunde fest, während die übrige Wirbelsäule und vor allem der enorme Hals selbst mit ihren ballonhaften Hohlräumen als der leichtere Teil im ganzen eine Art Auftrieb hatten, der zugleich nach oben zog. Also so bequem wie möglich und so sinnreich in sich, daß man meinen möchte, der Knochenbau sei eigens auf diese Lebensart, wenn denn sonst schon solche schweren Ungeheuer aus eigenem Bildungstrieb und verrückter Dinosaurierei einmal sein sollten, für diese engere Lebens- und Futtermethode erfunden worden.

Manche Einzelheit, z.B. die hochgerückte Lage der Nasenlöcher bei Diplodokus, die bei einer Bedrohung ermöglichte, zeitweise fast ganz ohne Atemnot unter Wasser zu verschwinden, spricht noch besonders für die Theorie.

Abb. 123.
Hörner des Trilobiten Dicranurus monstrosa aus Schichten der mittleren Devonzeit in Böhmen, von der Stirnseite gesehen (vgl. Abb. 121 und 122). Das Original ist im Senckenberg-Museum zu Frankfurt a.M. Nach Photographie von Dr. Matern. Größenverhältnis 2:1.

Und ich gestehe, daß sie (der auch Abel zustimmt) wirklich etwas ungemein Verführerisches besitzt, das uns zugleich ein wunderbar anschauliches wirkliches Lebensbild dieser sonst so schwer verständlichen Monstra geben würde.

Weite Wasserflächen im Sonnenglast mit wenigstens in Ufernähe nicht allzu tiefem Grunde, von allerlei saftigem Kraut der Zeit überwachsen – und da und dort nun solche Hälse mit ihren Spargelköpfen etwas länger oder kürzer vorragend und fressend, immerzu fressend, denn was brauchte dieser Organismus, bei dem man an den Riesenfreßkönig Gargantua bei Rabelais erinnert wird, vollends jetzt für Portionen.

Der ferne Wanderer am Ufer würde die Köpfe vielleicht selber für Pflanzen gehalten haben, eine Art Schachtelhalme, die ihn dann doch näher besehen mit einem tückischen Auge angeschielt hätten.

Vielleicht war auch dazu besonders günstig, daß das Köpfchen als solches nur so klein war wie eine Knospe im Wassergemüs – während unten im purpurnen Grunde der ungeheure unheimliche Körper als beschwerte Taucherglocke stand.

Natürlich löst das eine Bild noch nicht alle Rätsel – es wird, immer wieder gesagt, so sein, daß die spezifische Dinosauriertollheit das Ganze zunächst eingeleitet haben müsse wie beim Stegosaurus, worauf es sich dann gerade nur noch mit diesem Notausweg hielt – aber denken mag man doch, daß eine gewisse Balance so für längere Zeiträume geschaffen war, die auch dieses Weltwunder krausester Naturphantasie eine Weile ausreichend tragen mochte als Glücksausgleich.

Das früheste Erscheinen dieses Typs scheint ja, so weit wir wissen, erst im Jura gelegen zu haben – jener Antarktosaurus gehörte aber noch der oberen Kreide an, also eine ziemliche Dauer muß doch auch dieser Tauch- und Watmaschine beschieden gewesen sein, so mangelhaft sie erscheint gegen das herrliche Unterseeboot etwa unseres Anfangsfreundes in dieser Erzählung, des Ichthyosaurus.

Für sich interessant ist aber wieder, inwieweit man sich diese allgemeine altlebenskundliche Brontosauriertheorie in die speziellen afrikanischen Tendaguruverhältnisse eingeordnet denken will.

Die Dinosaurierreste von Brontos wie andern liegen dort überraschenderweise in ausgesprochenem altem Meeresschlamm bei Belemnitentintenfischen und auf den Knochen selbst gelegentlich angesiedelten Austern.

So hat die eine Gelehrtenpartei sich gedacht, es sind hier die Saurier vom Binnenlande auch bis an die wirkliche Meeresküste zeitweise heruntergekommen – vielleicht weil drinnen irgendeine Trockenperiode ihre Gewässer bedrohte. Sie haben sich in die Meerlagunen selbst hinausgewagt, als Brontosaurier auch hier ihre Spargelköpfe herausgestreckt, wie heute noch bei Sansibar die Nilpferde gern ins weite Meer schwimmen, wo es sich ihnen gerade bietet. Dann aber wären doch Meerkatastrophen gekommen, hätten das fremde Volk ersäuft (manchmal in ganzen Herden, wie die Spuren zu zeigen scheinen) und im Wattenschlamm begraben. Etwas Sintflutbild auch dieser heroischen Zeit. Die Saurier hätten sich, in ihrem Wattenmeer überrascht, noch auf Klippen gerettet, die dann zuletzt doch auch die Sturmflut verschlang.

Abb. 124.
In neuerer Zeit ist in Nordamerika ein ähnliches prachtvolles Bilderbuch, wie es Solnhofen für die Jura-Tage geliefert hat, bereits für den uralten mittelkambrischen Ozean entdeckt worden. Glashelle Schwimmtiere ohne festere Substanz haben sich hier tadellos erhalten und nun erst recht den ganzen Reichtum des Lebens schon in dieser fernen Epoche offenbart. Die Abbildung gibt einen kleinen Krebs, der nicht Trilobit ist, sondern unserm noch lebenden seltsamen Kiefernfuß ( Apus) nahe steht – die Naraoia compacta vom Burgeß-Paß in Britisch-Kolumbien nach Walcott. (Zweifach vergrößert.)

Dem stellt sich nun von anderer Seite auch hier wieder die Kadaverschwemmtheorie entgegen.

Ein großer Strom soll auch diesmal wie drüben im Atlantosaurusgebiet mit breitem Delta ins Meer gelaufen sein. Tief in seinem Binnenlande aber lebten ausschließlich die Brontosaurier, ihrer blanken Seen dort froh. Auch da drinnen aber gab es manchmal Hochwasser, soundso viele Ungeheuer ertranken trotz ihrer langen Hälse und Gipfelnaslöcher, manchmal auch kleineres Gezeug in solchen Herden, und jetzt (immer der alte Gedanke) nahm der weit übertretende Strom die Kadaver mit, führte die von eigenen Verwesungsgasen Aufgetriebenen bis ins Delta hinab und bettete sie hier in Meeresschlamm, ohne daß sie das Meer lebend je zu sehen bekommen hätten.

Man hat die Wahl. Sehr kundiges Gelehrtenplaidoyer vertritt beides. Ich habe doch bisweilen gedacht, es könnte noch ein vermittelndes Drittes geben. Vielleicht, da beide etwas Lokalkatastrophen brauchen, der eine nur mehr drinnen im Land, der andere draußen am Weltmeerrand – es könnte sich hier wirklich einmal um eine geologische Grenzänderung überhaupt gehandelt haben, Sinken einer Küste, wobei der Ozean tief ins Innere selbst einbegehrte und die Dinosaurier auch in ihren friedlichen Seen überraschte und begrub. Jene Ecke in Ostafrika war aller gewöhnlichen Annahme nach damals Einsturzgebiet des alten Gondwanalandes – Terrain allgemein sieghafter neuer Wasserperiode – wer weiß also.

Abb. 125.
Aus der gleichen wunderbaren Erhaltungsstelle für kambrische Tierwelt, wie in Abb. 124, erscheint hier ein kleiner Krebs Waptia fieldensis, der bereits damals zur obersten Gruppe unserer lebenden Krebse überleitete. Anderthalbfache Vergrößerung. (Nach Walcott.)

Auch von dem Atlantosaurusdelta drüben in Amerika hat man angenommen, daß es zuletzt solchem Meereseinbruch erlag, der seine Dinosaurier vernichtete. Warum sollten wir nicht am Tendaguru gerade einmal noch Zeugen solcher geologischen Wende sein, die doch irgendeinmal sich wirklich vollzogen haben muß? Ich will's niemand aufdrängen, keiner der streitenden Parteien, aber denken mag man's vielleicht auch einmal.

Ich suche im übrigen noch ein paar Restfragen sonst zusammen.

Also eine alte Haeckelsche Idee: ob nicht auch diese Dinosaurier zum Teil oder alle schon warmblütig gewesen wären. Mit Dauerwarmluft also auch schon in ihren Hohlknochen. Ich möchte doch sagen, sie sind mir zu dumm dazu. Bei den Flugsauriern mit ihrem hohen Gehirn denkt man's schon als möglich. Diese dinosaurische Gehirndegeneration will mir am wenigsten dazu passen.

Dann: wie lange auch diese Brontosaurier noch fortgelebt haben könnten? Ob einzelne Riesen in zufälligem Asyl doch noch bis an unsere Tage gekommen sein könnten, auch in die Drachensagen hinein gewirkt hätten? Im geheimnisvollsten unwegsamen untern Kongogebiet geht heute noch die Sage von einem ungeheuren Tier, das auch so im Wasser weichste Pflanzenstengel äse, dabei viel größer sei als Elefant oder Flußpferd. Ich habe selbst die Quellen und Gerüchte gelegentlich gesichtet. Der alte Hagenbeck wollte mit Gewalt so etwas für sein Stellingen fangen lassen. Irgendeine Gewißheit aber ist doch nicht. Es liegt dem ernsten Gedanken zu viel dazwischen in der langen Tertiärzeit, aus der man doch nie mehr einen Knochen geborgen. Aber lassen wir dem lustigen Phantasiespiel auch hier sein Recht. So gut wie heute der Molchfisch Ceratodus, der einst in der mythischen Anfangszeit der Saurier selbst den Fisch mit dem Molch verknüpfte, in Australien leibhaftig noch fortlebt. Das Okapi sich noch als eine tertiäre Urgiraffe enträtselt hat. Jene Brückenechse bis vor kurzem noch neben uns in Neuseeland umging. Warum nicht irgendein unbekannter Riesensaurier? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, aber auch nicht dem Abend seine Möglichkeiten nehmen.

Die Frage wäre freilich leicht mit entschieden, wenn wir wüßten, warum die Dinosaurier und so viele Saurier überhaupt ums Ende der Kreide ins besagte »große Sterben« kamen. Dann würden wir auch wissen, ob sie unerbittlich wirklich alle damals sterben mußten – mit solchem Strich in der Existenz, gleichsam, wie er bei unserm Brontosaurus durch den eigenen Leib ging auf Schwer und Leicht.

Abb. 126.
Jener seltsame Molukken- oder Pfeilschwanzkrebs, der bereits im »Bilderbuch von Solnhofen« erschien (vgl. Abb. 67), hatte bis in die allerältesten uns bekannten Meere zurück zum Teil riesige Verwandte, die um so unheimlicher wirken, als auch sie gar keine echten Krebse waren, sondern eine Art Wasser-Skorpione. Man sieht hier ein solches Zwitterwesen: den Eurypterus Fischeri, gefunden in Schichten des alten Silurmeers auf der Insel Ösel. Man beachte die Füße, deren hinterstes Paar mächtige Ruder oder Grabklauen bildet, und die nierenförmigen Augen. Ähnliche Arten wurden über meterlang, was für einen Land-Skorpion schon bedenklich viel wäre (vgl. auch Abb. 127).

Lag am Kreideausgang doch ein Klimawechsel, der gerade große Reptile traf? Wurde die alte Erde besonders rebellisch mit Land- und Meervertauschungen, die in beiden die Reptilgäste stärker bedrohte? War mindestens das Dinosaurische auch aus innerer Verrücktheit ausgelebt? Oder die Erdherrschaft dieser Reptile zuletzt auf eine zu bequeme Balance gekommen, die aus sich selbst zur Degeneration führen mußte, nachdem sie nichts anderes mehr übrig hatte? Gibt es im Tierschicksal dunkle Gesetze, die Platz schaffen, wie bei uns im Geiste Ideen wechseln?

Nur ein Narr kann ja meinen, er dürfe das nicht vergleichen. Alles Leben ist auch ein Geistesvorgang. Wenn wir auch meist nur das »Gehirn« dieser Dinge sehen und gern ausschließlich seine Betrachtung »Wissenschaft« nennen. Es gehen zuletzt doch im Innersten dort die gleichen Dinge um, wie bei uns. Reden wir von »Hybris« der Dinosaurier, so ist auch das nur ein Begriff aus unserm Geistesleben und doch als solcher durchaus berechtigt. Auch in unserm Geistesleben erleben wir Entwicklungen, taucht Neues auf, fällt alte Art, wird die weltgeschichtliche Tenne plötzlich rein gefegt für völlig anderen Inhalt – wer will so kurzsichtig sein, dieses Werden und Vergehen, das jeder im schlichtesten Menschenleben geistig erlebt, nicht als Prinzip auch von der fernen Urwelt zu erwarten?

Auch in diesen Sauriern hat sich ein weltgeschichtlicher und geistesgeschichtlicher Gedanke der Natur einmal ausgelebt, wie er in uns schafft und wirkt. Sei es stellenweise als Unsinn – auch Unsinn hat die Größe zuletzt eines solchen Geisteswerts. Wäre die Welt nur eine sinnlose Maschine, so gäbe es auch keinen Unsinn. Und so ist das Wort zuletzt selber ein Trost. Aber in uns Menschen ist auch wirklicher Sinn – und dessen wollen wir uns freuen, wenn das Märchen dieser ausgelebten Zeiten noch einmal wie eine Wundersprache der verschollenen Atlantis zu uns klingt.

Abb.127.
Ein zweiter Typ der in Abb. 126 gezeigten urweltlichen Wasserskorpione: Pterygotus anglicus aus dem devonischen roten Sandstein Schottlands. Wenn er bisweilen den Steinarbeitern dort selber versteint als gespenstische scheinbare Flügelgestalt mit seinen Scheren und Rudern aus den Schichten bricht, nennen sie ihn den »Seraphim«. Ähnliche Arten konnten aber diesmal bis 3 m groß werden.

Das alte symbolische Reptilwort von der Schlange, die sich in den Schwanz beißt, könnte ganz hübsch als Motto auch über dieser meiner letzten Betrachtung stehen.

Weil sie etwas Epilog ist und zugleich doch auch Prolog.

Wir haben nicht mit Lehrbuchtreue alle Saurier genau verfolgen können, mancher durfte fortbleiben, weil unser Interesse an ihm zu gering oder sein Bild der Forschung selbst noch zu problematisch ist.

Aber ein bestimmter Typ muß doch noch berücksichtigt werden.

Auch er kann es nicht entfernt an Größe und Abenteuer mit den Dinosauriern aufnehmen. Und auch von ihm hat der Laie wohl kaum je gehört, am wenigsten, daß er mit einer verkappten Gestalt wahrscheinlich noch mitten unter uns weilt.

Aber ein starkes geistiges Interesse aus unserer eigenen vertieften Schau knüpft dafür bei ihm an.

Es wurde zu Anfang gesagt, daß es eigentlich einerlei sei, wo man von den Sauriern als Reihenfolge zu reden beginne. Aber unsere Erzählung selbst hat uns doch auf so manchen kleinen verknüpfenden Entwicklungszug geführt – wo es war, als spinne sich leise dennoch auch etwas Stammbaum zwischen die losen Bilder.

Bei Archäopteryx haben wir von den Schwierigkeiten allerdings auch der Theorie gesprochen, die diesen Dingen immer noch trotz so viel Hoffnungen innewohnt – besonders was die Ursachen aller Entwicklung angeht.

Aber rein sachlich sahen wir die Eidechsen und Schlangen von heute auf die alte merkwürdige Brückenechse zurückgehen.

Die wilden Mosasaurier stiegen über den Waran aus solcher Eidechse selbst.

Krokodile, Flugsaurier, Dinosaurier pendelten zu dem kleinen Aetosaurus oder doch seiner weiteren Verwandtschaft.

Der Plesiosaurus und sogar der so isolierte Ichthyosaurus schienen wenigstens von Landformen zu stammen.

Abb. 128.
Aus der Geschichte der Fische. Ein charakteristischer Vertreter der in den ältesten Meeren auftauchenden und früh wieder verschwindenden rätselhaften Gruppe der sog. Plakodermen oder Panzerfische: der Schildkopf Cephalaspis Murchisoni aus Schichten der unteren Devonperiode in Schottland, nach einem vorzüglich erhaltenen Exemplar der Münchner Sammlung in halber natürlicher Größe

Von dem Typ, den wir jetzt betrachten wollen, nimmt aber die Mehrzahl der Forscher heute an, daß er geradezu von solcher grundlegenden Stammbaumbedeutung sei.

Nichts Geringeres soll er noch verkörpern, als die ursprüngliche Ahnengruppe, von der alle jene anderen Saurier noch einmal ihren gemeinsamen letzten Ausgang genommen; und zugleich die uralte Übergangsgruppe, die dieses ganze Sauriertum noch mit der nächstniederen Wirbeltierstufe überhaupt verband.

Eine ungeheure Rolle also, die, wenn sie richtig, den Typ in gewissem Sinne ideell zum wichtigsten von sämtlichen machen würde.

Will man sich aber auch sein Bild darauf greifbar vergegenwärtigen, so zeigt sich, daß er sich nach Zeit wie Ort wirklich erst etwas suchen läßt.

Örtlich stellt er (zu solcher Stammbaumrolle ja gar nicht uneben) gleich den Dinosauriern eine ursprüngliche reine Landform, Kontinentalform dar, die als solche nie ins Meer gegangen ist; fragt sich, auf welchem Kontinent von damals.

Ganz exzeptionell dagegen ist seine zeitliche Einstellung.

Tatsächlich reicht er hier noch ein gewisses Stück nach rückwärts über den engern Rahmen hinaus, wie ich ihn oben für die eigentliche Saurierära aufgestellt hatte – sprengt gewissermaßen diesen Rahmen nach unten für sich.

Während er andererseits noch in dem ersten Drittel dieser Ära selbst spurlos schon wieder erlischt, als habe er wie der berühmte Mohr seine Schuldigkeit getan und könne gehen. Beides abermals sehr erklärlich, wenn er wirklich noch jene Urrolle als Vermittler besaß, aber doch das Bild selbst eigenartig und schwierig verschiebend.

Es ist tatsächlich noch die sogenannte Perm-Periode, in die wir auf der Fahnde nach dem Auftreten unseres Typs zeitlich zurückmüssen.

Sie hat ihren Namen wieder nach gewissen Gesteinsschichten, die diesmal zufällig auch im alten russischen Königreich Permia (später zum Teil Gouvernement Perm) liegen, natürlich, wie zumeist bei solchen geologischen Dingen, nicht dort allein.

In der Reihenfolge der erdgeschichtlichen Zeitalter selbst aber überbrückt sie den nicht allzu weiten Zwischenraum von jener engeren Großsaurierära zu den älteren Steinkohlenwäldern mit ihren Bärlappbäumen und Schachtelhalmen. Speziell bei uns in Deutschland war es auch eine Periode teils roter Verwitterungswüste (nach der starken Gebirgsbildung jener Steinkohlentage), teils eines schon einmal von Osten vorübergehend einflutenden Meeres, des sogenannten Zechsteinmeeres.

Abb. 129.
Aus der Geschichte der Fische. Ein zweiter sonderbarer Vertreter der altertümlichen Gruppe der Panzerfische: der Flügelfisch Pterichthys cornutus aus der Devonperiode. Nach den erhaltenen Resten wiederhergestellt in halber natürlicher Größe.

Sollen wir in ihr aber den uns interessierenden Ort finden, so müssen wir weit hinaus auch mit ihm.

Noch über jenen Zauberberg der Riesensaurier am Tendaguru fort bis zur wirklich äußersten Südecke Afrikas.

Jeder hat wohl einmal das Wort Karroo (sprich Karru) gehört. Eine Hottentottenbezeichnung für ein rauhes, steiniges Land, und als solche übertragen auf einen Hauptteil der eigenartigen Terrassenstufen, die dort zum Kap der Guten Hoffnung hinuntersteigen. In der Tat ein steiniges Land überwiegend, in dessen Sonnenglut meist der Boden zu rotem Ziegelstein dörrt, während nur ganz vorübergehend der Regen einen allerdings dann sehr schönen Blütenflor lockt.

Tafel 36
Dimetrodon (Kammsaurier)

Nach dem engeren Landstrich aber hat man wieder gewisse Bodenschichten der Tiefe dort benannt – uralte Landböden selber jetzt und einst aufgestapelt teils schon von der Trias-, teils wirklich noch von der voraufgehenden Perm-Periode.

Zu oberst decken sie vielfach vulkanische Ablagerungen, und auch in ihrer Tiefe zeigen sie sich nicht selten in merkwürdigen Tufftrichtern durchschossen von aufbegehrenden kohlenstoffhaltigen Vulkandämpfen, die dann im Schlot selber sich auskristallisiert haben – das sind die berühmten Kapdiamanten geworden.

Damals, in der Permzeit, gehörte aber auch dieses ganze Südafrika noch zu jenem ungeheuren und umfassenden Südkontinent, dem sogenannten Gondwanaland (vgl. die geologischen Erdkarten auf Tafel 11 und 25).

Noch auf der Wende von der Steinkohlenperiode hatte es entsprechend gerade die berühmte permische Eiszeit mit über sich ergehen lassen müssen.

Wir kennen ja das Schwierige und Ungelöste dieser Eiszeitfragen, die permische war aber besonders schwer deutbar, weil sie anscheinend nur die Südhalbkugel der Erde, also wesentlich eben Gondwanaland betraf; man hat an eine zeitweilige Verlagerung des Südpols in das Gebiet des damals landfesten Indischen Ozeans gedacht, aber auch das bleibt vorläufig sehr problematisch.

Nun, jedenfalls hatte dieser abnorme Klimasturz auch der alten Karroogegend Gletscher und selbst schwimmende Eisberge gebracht, deren Spur wir noch in den Schrammen und Glättungen der betreffenden Grundschicht wie von einem Buch ablesen.

Dann aber, nach erneutem Abzug des Eis-Spuks, war auch hier wieder eine heiße Wüste entstanden, die in vielem schon einmal der heutigen gar nicht unähnlich gewesen zu sein scheint. In ihr aber traten jetzt unsere Saurier auf.

Tafel 37
Die Seppenrader Dickscheibe

Wir wissen heute, daß sie nicht bloß dort, sondern auch anderswo gelebt haben, aber da das oft eisenfeste Gestein gerade der Karroonähe ihre Skelette bis heute ausnehmend gut konserviert und alle unsere wissenschaftliche Kenntnis an diese (von den Engländern technisch genau sondierte) Stelle zu allererst angeknüpft hat – so wollen wir sie danach einmal mit einem Gebrauchswort ebenfalls die »Karroosaurier« nennen. Die hergebrachten wissenschaftlichen Rubriken sind einstweilen alle widerspruchsvoll und zum Teil unmittelbar schlecht.

Ich stelle aber zunächst wieder einige dieser charakteristischen Karrootiere praktisch vor, ehe wir uns der weitgreifenden Theorie zuwenden.

Da ist ein nicht riesiger, aber mit 3 m doch ganz braver sogenannter Wangensaurier – Pareiasaurus, von griechisch pareia die Wange.

Der erste Schädel wurde schon 1838 gefunden – nachher auch ein ganzes Skelett – Owen in London und später noch andere haben ihn beschrieben.

Der von Owen verliehene Name ging auf eine Art knöcherner Scheuklappen zurück, die am Schädel vom untern Augenjoch herabzuhängen schienen und ihr Gegenstück in ein paar entsprechenden Knochenwarzen fanden, die vom Unterkiefer sich wie Stalaktiten senkten.

Man sieht: schon ein ziemlich sonderbarer Schädel, was sich denn auch noch nach bestimmter Richtung geltend macht. Er gleicht im ganzen einer sehr flachen, rauh skulptierten, viereckigen Deckelkiste, in den Knochen fast ganz zu solcher einheitlich verschmolzen.

Und daran schließt ein ebenfalls sehr platter, fast am Boden schleifender Leib mit einer Kette schwacher Panzerschilder den dicken Buckel entlang, der Schwanz entsprechend nur Dickstummel – aber äußerst apart wieder die vier unglaublich massiven kurzen Gliedmaßen auf ihren vier Krallentatzen. Sie lenken ebenso wie der Schädel nach den zu Einheitsringen verschmolzenen Brust- und Beckengürteln hin, streben aber zunächst im Oberknochen rechtwinklig vom Leibe fort, um sich erst mit dem untern wieder schräg vom Gelenk ab neu heranzuschieben, so daß völlig der Eindruck von rassisch krummen Teckelbeinen entsteht, mit denen der Leib vollends tief zum Boden hängt. (Man betrachte das abgebildete Skelett; die englische Rekonstruktion gibt die Lage wohl etwas zu zahm.)

Dabei sind die Extremitätenknochen selbst zum Teil so dick, daß sie wie Klötze oder Klumpen und nicht wie proportionierte Glieder erscheinen. Man hat gesagt, das Tier schaut noch wie aus rohen Latten aufs Geratewohl zusammen genagelt aus.

Es war jedenfalls ein mordshäßliches, wirklich etwas verschrobenes Tier in seiner Permkarroo, dem zunächst wieder keiner der sonst geschilderten Sauriertypen irgendwie zu gleichen scheint.

Ich stelle als zweiten Karrooer daneben, nicht nächstverwandt, aber aus gleichem Grundtyp, den Unhold Dikynodon (von kuon, der Hund), was so viel wie Doppelhundszahn (mit einem Hundszahn jederseits) besagt.

Als der Schädel (auch schon vor vielen Jahren) zuerst gefunden wurde, sah er wirklich nach dem schlechten Scherz eines Fälschers aus, wie einst der überschlaue Professor Giebel von der Archäopteryx behauptet hatte.

Ein Schildkrötenkopf nämlich (man beachte diese Ähnlichkeit) mit dem zahnlosen hornigen Papageischnabel solcher Schildkröte, doch zugleich auffrisiert als Elefant mit Stoßzähnen.

Abb. 130.
Aus der Geschichte der Fische. Ein kleiner Haifisch, der vielfach zur Permzeit in deutschen Seen lebte: Acanthodes Bronni. In natürlicher Größe wiederhergestellt von Walther.

Indem jene angeblichen Hundszähne als solche Stößer ans besonderem Futteral gleichsam über den Schildkrötenschnabel ziemlich sinnlos noch einmal hinwegragten – übrigens nicht bei allen Arten und vielleicht auch dort nur bei den alten Männchen.

Die Größe auch sehr artverschieden – von einer Ratte bis zu einem kleinen Flußpferd. Im übrigen das Skelett ähnlich verschroben und verbacken, offenbar gleiches Modell, obgleich im engern vom Wangentier wieder abweichend.

Man hat sich einen schwer erklärlichen Schildkrötengang dazu ausgemalt.

Ein dritter Typ Moschops – man hat gerade auch von ihm jetzt das ganze Skelett. Er hatte den Schädel oben wie in eine phrygische Spitzmütze ausgezogen, stand hochbeiniger, aber, da alles andere die Unform wahrte, erst vollends wie solches unfertige Lattengeflick; das Bild zeigt es besser als Worte sagen können.

Die Musterkarte ließe sich noch reich vermehren, wobei ich mit Absicht einen merkwürdigen Typ hier doch noch ganz fortlasse.

Was aber ist nun von diesen Ungestalten, die sie wirklich zu sein scheinen, zu halten?

Man könnte einen Augenblick ja wieder mal an reine Anpassung denken.

Die Tiere waren wenigstens in diesen Beispielen alle Pflanzenfresser, der Wangenheld hatte ein wahres bleckendes Pferdegebiß aus ganz einheitlicher Reihe im Maul. Ihre »Karroo« aber war schon damals auch als Ur-Karroo dürr und höchstens mit ein paar kryptogamischen oder koniferischen kaktushaften Saftgewächsen (man denke an jene Pleuromeia) bestanden, die doch auch nicht allzuviel geboten haben können.

So wären die massiven Rohklotz-Gesellen wirklich wie Teckel oder Maulwürfe in die Tiefe gefahren, hätten dort Wurzeln gehoben. Nach Meer- und Luftsauriern – warum nicht auch einmal Maulwurfssaurier.

Und in zweiter Linie mag auch daran etwas im lokalen Sinne richtig und bedeutsam sein (ich komme noch darauf zurück). Die Scheuklappen könnten Schutzeinrichtung gegen auffallendes Erdreich gewesen sein, wie ähnliches bei Gürteltieren vorkommt, die Stalaktiten und Dikynodon-Hauer Stemmeisen und Hebel und so weiter.

Aber der Typ selbst als das eigentlich Fremdartige wird damit offenbar nicht erklärt.

Das kann man schon daran sehen, daß diese Karroowesen, wie erwähnt, damals wie später nicht immer in der Karroo allein geblieben sind.

Mochten sie an sich eine echte alte Schöpfung von Gondwanaland gewesen sein – ausgestrahlt sind sie jedenfalls auch nach Perm-Rußland selber, vereinzelt zu uns und ganz besonders nach Nordamerika.

Und dort haben sie vielfach auch ganz andere Anpassungen bei sich durchgeführt, ohne doch jenen ihren rätselhaften Grundtyp, ihr innerlichstes Eigenmodell, dadurch zu verändern.

Da war, um auch davon ein glänzendes Beispiel zu geben, in Texas drüben ein solcher Extern-Karrooer Dimetrodon, ebenfalls 3 m lang, Fleischfresser diesmal mit bösesten Fangzähnen, genau so kurzbeinig dick am Boden, dafür aber diesmal mit einem ungeheuren Kamm, wie ihn sicher kein Maulwurf brauchen konnte, sondern der schon mehr dem Stegosaurus Konkurrenz machte. (Vgl. das Bild auf Tafel 36, nach einer Prachtrekonstruktion des genialen Amerikaners Knight, der für solche Urweltgemälde in seiner Art ein ebenso erster Meister ist, wie unser Bernhard Hauff für die Präparation selbst.)

In diesem Falle gingen die knöchernen Dornfortsätze der Rückenwirbel selbst als spitze, sehr hohe Sparren in den Kamm ein, die dann sicher von einer derben Haut gesteift wurden.

Man hat gelegentlich die nette Idee aufgestellt, dieser Kamm sei im Leben noch braun und grün gestreift gewesen, und das Tier hätte ihn nicht als eigentliche Wehr benutzt, sondern im Sinne einer Mimikry gegen Angreifer wie Beute verwertet. Wie gewisse Heuschrecken sich heute durch Nachahmung grüner oder dürrer Blätter bis zur völligen Täuschung wie unter einer Tarnkappe verbergen, so hätte auch der Kamm über dem im Moor verborgen lauernden Unhold als eine Garnitur ähnlich starrer brauner Schachtelhalme vor grünem Farnhintergrund gewirkt.

Immerhin mit 3 m schon eine tüchtige Mimikryheuschrecke!

Aber einerlei wieder – jedenfalls lösen all diese, und seien es noch so vielseitige Einzelanpassungen, das Grundrätsel nicht, so wenig wie ihre Einzelhybris den Modelltyp im Dinosaurier.

Und es hat eben dort in Texas auch einige frühe Vertreter (z.B. ein Tier Seymouria) gegeben, wo überhaupt keine solche starke Anpassung merkbar, aber dafür dieser Grundtyp sozusagen in Reinkultur herausgebildet war.

Und hier sind nun jene Entwicklungsgedanken wirklich mächtig geworden.

Man hat von ihnen aus mit, wie es scheint, vollem Recht darauf hingewiesen, daß auch diese Karrooer zwar im Atmungssinne offensichtlich jung wie erwachsen schon echte lungenatmende Reptile waren. Daß sie aber im sonstigen Bau ihres geschlossenen Dachschädels, des verschmolzenen Becken- und Brustgürtels und soundso viel anderem Detail des reinen Grundschemas noch buchstäblich zum Verwechseln ähnlich waren gewissen – Amphibien der Zeit, also wirklich Vertretern der im ganzen noch tieferen Stufe.

Allerdings sehr merkwürdigen, spezifisch urweltlichen Amphibien selbst.

Heute denken wir bei Amphibien ja stets an unser durchweg winziges Zeug in Frosch oder Molch – bekanntlich ist aber selbst unser größter Molch, der japanisch-chinesische sogenannte »Riesensalamander« noch nicht anderthalb Meter und der Goliathfrosch von Kamerun (Rana goliath) als anderer Größenpräsident nur 25 cm lang. Auch sind es durchweg weiche, ungepanzerte Gesellen, wie man sich eben einen »Lurch« vorzustellen pflegt.

Abb. 131.
Aus der Geschichte der Fische. Der bekannteste Haifisch aus der Hochblüte des Ichthyosaurus im Jurameer: der Hybodus Hauffianus, im Umriß wiederhergestellt. Die Tübinger Sammlung bewahrt ein Exemplar noch mit vollständig erhaltener Hautsilhouette von Holzmaden. Länge 2 m.

Ganz anders aber damals.

Schon in der Steinkohlenzeit und immer stärker in der Perm- und selbst noch Triaszeit gab es auch bei diesen Alt-Amphibien große und ritterlich verpanzerte Gesellen von schon völlig eigenem Krokodil- und überhaupt starkem Saurieranblick und -wesen. Ich habe zu Beginn meiner Erzählung schon einmal kurz darauf hingewiesen – als auf solches noch rein amphibische Vorsauriertum.

Da zeigte sich also unter anderen im wasserfrohen Sumpfwalde jener Steinkohlenzeit bei Saarbrücken der sogenannte Archegosaurus (Ur- oder besser hier auch Vorsaurier) mit langem Krokodilschädel und Schwanz und (bei noch mäßiger Größe von auch nur anderthalb Meter) zweifellos schon ein tüchtiger scharfbezahnter Räuber.

Ging auch er aufs moorige Land, so kroch er allerdings noch ungeschickt (viel ungeschickter als ein späteres echtes Krokodil) gleich einem fetten Wurm oder Olm auf kleinen schwachen gespreizten Hebelbeinchen und mit dem schweren Bauch am Boden schleifend dahin, und in sehr guter Anpassung hatte er gerade auch die Brust und den Bauch zu solcher Schleife panzerhaft gehärtet. Eine Parallelgestalt in Nordamerika war Eryops – dieser Lurchritter ebenfalls noch kaum 2 bis 3 m lang. (Vgl. das Bild.)

Aber nachher in der Triaszeit entwickelten sich auch diese Alten überlebend und diesmal schon parallel den Echtsauriern in Süddeutschland bereits in wahre eigene Riesentypen, Drachentypen – der so benannte Mastodonsaurus bei furchtbaren Fangzähnen im ungeheuren Schädel von allein 1 m Länge, im Lebensbilde sicherlich auch in der Gesamtstatur ein richtiges lauerndes Riesenlurchkrokodil.

Während kleinere Arten umgekehrt auch in dieser Linie den Typ mehr auf heutigen Froschkopf mit dem breitausgezogenen Schädel etwa des Tiers Plagiosaurus (Plagiosternum) trieben. (Vgl. zu allem die Bilder.)

Eine unendliche Formenfülle jedenfalls auch so schon, die unsere kleinen degenerierten Lurche von heute in gar keiner Weise ahnen lassen würden, spräche nicht wieder das Urweltbuch selbst.

Sieht man aber im besondern auf die anatomische Organisation dieser Amphibiensaurier, so tritt die Ähnlichkeit mit den Karrooern geradezu aufdringlich hervor.

Man nennt jene Krokodillurche gern direkt Dachschädler (Stegocephalen), weil auch sie bereits solche kompakten Kopfdächer trugen. Im engern stimmt aber – z.B. mit jener modellhaften Seymouria drüben in Amerika – wirklich jede feinste Schädeleinzelheit noch überein.

Und nimmt man immer bloß die eine Tatsache aus, daß auch die Lurchritter von damals wenigstens in der Jugend alle mit Kiemen atmen mußten, also Wasser brauchten, während die Karrooer in diesem Punkte bereits völlig emanzipierte Landtiere und damit Echtsaurier geworden waren – so bleibt in allem andern nahezu noch sich deckende Identität.

Und hier also setzt die Idee ein, die Karrooer seien wirklich und wahrhaftig die alte und erste Übergangsgruppe gewesen, in der (ich verweise auf das bei der Archäopteryx Gesagte) hier der Lurchtyp erst endgültig zum höheren Reptiltyp umschlug.


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