Georg Bötticher
Schnurrige Kerle und andere Humoresken
Georg Bötticher

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Herrn Dietchen's Erzählungen.

(Sächsisch.)

1. Enne Hosengeschichte.

»Wenn ich den Namen › Karlsbad‹ heere, – sehnse, da werd mersch immer gleich ganz eklich zu Mute, denn dort hammse mer emal enn niederträchtigen Schtreich geschbielt, den ich in meinen ganzen Läwen nich vergesse! – Es is nu e Schticker sechs bis sieben Jahre her. Ich hatte Sie damals das eefältige Läwerleiden und sah ganz grien und gele aus, so daß mer mei Arzt endlich sagte: »Wenn Sie nu nich bald nach Karlsbad fahren, da steh ich fer nischt, da kennen Se nur immer Ihr Destament machen – Sie hamm enne dichtige kadedralische Läwerabblikaziohn!« – Heernse, da kriegt 'ch 's aber doch mit der Angst un wie ich zu Hause kam, sagt 'ch zu meiner Frau: du, sagt 'ch, im Mai mach ich nach Karlsbad – da hilft nu weiter kee Gefiebe nich! Da wollte se freilich erscht nischt dervon heeren, aber zuletzt gab se sich doch. Un wie nu so Mitte Mai rankam un de Sonne so härrlich schien, heernse, un de Beime immer griener un griener wurden, da faßte mich, weeß Knebbchen! enne ganz ungebendigte Reiselust un eenes Dages nahm ich aus der Kommode e scheenes Schtick Zeig, was 'ch da noch vom vorigten Jahre liegen hatte, und trug's, hastenichgesehn! zu meinen Schneider un bestellte mir e biekfeines Reisehabitchen. 's war Sie eegentlich e Winterschtoff, e bißchen dicke un ich schwitzte hernach e bißchen sehre drinne, aber sonst warsch e härrliches Zeig und hatte enne feine Kuleere: so e breinliches Grien un e baar gele Fäden derzwischen – das muß ich Sie nämlich vorausschicken, weil der Ahnzug in der Geschichte enne Haubtrolle schbielt.

Scheen! Ich werde mir also enn Dag zur Abfahrt bestimmen – kriege aber richtig den Ahnzug erscht knabb vor der Abreise, so daß 'ch 'n nich emal ahnziehen kann un nur fix noch in 'n Koffer backe un in meinen gewehnlichen Kleidern abfahren muß! Da hätt 'ch mich schon beinahe fast e bißchen geärgert, aber ich dachte nee, un kam ganz vergnigt in Karlsbad an. Fer diesen Dag warsch nu zu spät, aber den andern Morgen, wie ich in meinen Loschie aufgestanden war, zog 'ch mei neies Habitchen an un ging direktemang schnurgerade auf de Bromenade vor's Kurhaus unter das fremde Bublikum. Da denk 'ch doch ich werde närrsch in Koppe: wie ich auf eemal drei Bekennte, alles Oschatzer, auf mich zukommen sehe, den Birgemeester, den Assessor un Gottlieb Herzern von der großen Schießgasse! Die sehen mich ooch gleich un winken un lachen von weiten un der Birgemeester kommt mir e ganzes Schtickchen entgegen, schittelt mir de Hand un sagt: »Nu, mei guter Herr Dietchen, das is Sie ja eune unverhoffte Freide! Nee, das is zu hibsch, daß mir vier Oschatzer uns hier zusammenfinden, mir wollen recht zusammenhalten.« Der heimdick'sche Heichler! Un dabei kriegt er mich unter den eenen Arm zu fassen un Herzer faßt mich unter den andern un der Assessor henkelt sich wieder beim Birgemeester ein, und se lachen un duscheln egal mit enander un so gehen se mit mir immer auf un ab. Wie mer so e Vertelstindchen geblaudert hamm, da sagt der Assessor: er un Herzer mißten sich jetzt verabschieden, weil sie noch e Bad zu nehmen hätten; un damit dricken se sich. Wie se fort sinn, läßt mich der Birgemeester auf eemal los un sagt: »Heernse, was hamm Se da fir en hibschen Ahnzug? Das is Sie ja e biekfeiner Schtoff, den hamm Se doch nich aus Oschatz?« – »Ei ja,« sag ich, »der is noch von Möllern in der Mittelgasse. Hibsch is er, das is wahr, nur e bißchen dicke, mer schwitzt Sie e bißchen sehre drinne.« Sehnse, da sagt der Birgemeester noch: »Das lassen Se gut sein! Jetzt, bei den kihlen Nächten is e dicker Schtoff kee Fehler. Aber das wirde ich mir an Ihrer Schtelle noch ändern lassen: Das eene Hosenbeen is ja e ganzes Schtick länger wie's andre!«

»Nu gar!« sag ich erschrocken, denn 's ärgerte mich nadierlich nich wenig, daß mei neier Ahnzug so en bedeitenden Fehler haben sollte. »I, das hab 'ch doch noch gar nich bemerkt?!« – »Ja, so was sieht mer an sich selber nich gut,« sagt der Birgemeester»aber en Zoll is es wenigstens.« Un weeß der Härre, wie ich mich so unten rum begucke, da kommt mersch ooch so vor, als wenn das rechte Hosenbeen zu lang wäre un ich sage noch: »Das is ja eefält'g – was kennte mer denn da machen?« Da lacht der Birgemeester un sagt: »Nu, das is leicht zu ändern, das kennen Se sich selber abschneiden, nur nich zuviel, enn Zoll vielleicht, un ihre Hauswirtin, die macht Ihnen en Saum drum.«

Na, ich bedanke mich noch un mer schbrechen noch e bißchen un dann trinkt der Birgemeester seinen Brunnen un ich trinke ooch meinen Brunnen un mittags bei der Dafeltodt sitzen mir vier Oschatzer wieder beisammen un blaudern hechst gemiedlich. Nach Dische geh ich Sie dann in meine Schtube, nehme meine Hose vor, schneide en guten Zoll vom rechten Beene ab un schicke se dann mit enner Empfehlung meiner Hauswirtin nunter. Enne Viertelstunde drauf bringt se mir 's Mädchen schon geseimt wieder rauf, und ich ziehe se wieder an und gehe auf de Bromenade. Wie ich dahin komme, schtirzt der Assessor auf mich zu un ruft: »Gut, daß Se kommen, Herr Dietchen, ich warte schon eene halbe Schtunde auf Sie. Herzer un der Birgemeester sin schon voraus – mir wollen enne Bardieh machen.« Dabei will er mich unter'n Arm fassen, tritt aber auf eemal zurück un sagt: »Mensch, wo haben Sie die feine Fassong her? Ich habe Sie schon die ganze Zeit bei Dische drauf angesehn.« Nu, ich lache un sage: »Den Anzug hat Schneider Kinzel gemacht – hibsch is er, das is wahr, nur e bißchen dicke, mer schwitzt Sie e bißchen sehre drinne.« Da lacht er bletzlich un sagt: »Aber der Esel hat Ihnen die Hosenbeene unegal gemacht – Das eene is ja bedeitend länger wie das andere!« »Was,« sag ich ganz beschtirzt, »immer noch! Ich hab ja schon enn ganzen Zoll abgeschnitten, weil mirsch der Birgemeester ooch sagte?!«

»Da hamm Se zu wenig abgeschnitten. Da muß wenigstens noch e Zoll runter,« meent er un sieht sich ganz ernsthaft die Schtelle an. »Nu, Kinzel soll mer aber wiederkommen,« sag ich, denn es fuchste mich doch eklich – »ei, Deifel! bei den will ich gleich wieder was bestell'n!« – »Na dadurch woll'n mir uns in unsrer Bardieh nich stören lassen,« sagt der Assessor, »kommen Se, Herr Dietchen! Sie schneiden sich das heite Abend ab un damit is die Geschichte abgemacht.«

»Na, mir machen da enne hibsche Bardieh und wie ich abends in mei Loschie komme, schneid 'ch noch en Zoll rund rum um's rechte Hosenbeen ab un schicke de Hose wieder zu meiner Wirtin nunter. Frih, wie ich noch in Bette liege, bringt se mir 's Mädchen geseimt wieder, ich ziehe mich fix an un gehe auf de Bromenade. Da seh ich ooch schon den Birgemeester un den Assessor un Herzern beisammenschtehn un die wollen sich dodtlachen, wie ich auf se zukomme, so daß ich sage: »Was giebts denne? Was hamm se denn so Lächerliches?« Un der Birgemeester faßt mich untern Arm un lacht in eene fort, daß 'n de Drähnen in de Oogen kommen und sagt endlich: der Assessor hätte so enne komische Geschichte erzählt, un dabei fangen se alle drei wieder an zu lachen, daß 'ch endlich ooch mitlache un frage, was das fir enne Geschichte wäre. Die wirden se mir schon emal bei Gelegenheit erzählen, sagt der Assessor un kann gar nich aus'n Lachen kommen, »aber jetzt wollen mer gemeinschaftlich Brunnen trinken;« un damit gehn mer in de Brunnenhalle. Sehnse, un wie mer danein kommen, da fangen Sie de Gäste alle zu lachen an und de Brunnenmamsell, die mer meinen Becher bringt, die lacht mer geradezu ins Gesicht, daß 'ch mich umdrehe, weil ich denke, 's is hinter mir was Lächerliches. Un wie ich dann in der Halle auf un ab gehe, da schteht Sie der Aufseher nich weit von mir, der lacht ooch, un den frag' ich ganz freindlich: »Heernse, weshalb lachen denn de Leite alle so?« – »Ach,« sagt er un lacht in ganzen Gesichte – ich hab'n hernach kee Drinkgeld gegeben, wie ich de Gemeinheit raus gekriegt hatte – »'s hat sich vorhin e Affe sehen lassen!«

»E Affe?« sag' ich – denn fer Diere hab 'ch mich immer sehre interessiert – »sehnse mal, i den hätt' ich ooch gerne gesehn.«

»Den kennen se noch seh 'n,« sagt der infamichte Kerl un grinst mich an: »Morgen frieh kommt er wieder.«

Na, ich gehe in mei Loschie un wie ich in meine Schtube komme, da schteht's Dienstmädchen un reimt grade auf, un wie se mich sieht, da fängt se, Gott Schtrambach! ooch zu lachen an. »Nu,« sag ich, »Sie hamm wohl ooch den Affen gesehn!« Da lacht se aber noch stärker, so daß se sich setzen muß un kreischt: »Aber Herr Dietchen, was hamm Sie denn fer enne Hose an?«

Heernse! Un da steh' ich grade vor den großen Spiegel un wie ich 'nein sehe, da denk 'ch doch, mich soll der Schlag rihren – da is Sie mei rechtes Hosenbeen enne ganze Hand breit kürzer wie's linke – un da fällt mersch auf eemal wie Schubben von den Augen, daß mich die Kerle zum besten gehabt haben! Sehnse un da bin ich Sie aber so wietig geworden, daß 's Dienstmädchen ordentlich zitterte, wie ich 'r zuschrie, se sollte 's Zimmer verlassen, ich müßte mich umziehn! Hernach hab 'ch de Hose zum Schneider geschickt, ich ließ 'n bitten, de Hosenbeene egal zu machen, aber wie ich se den andern Tag wiederkriegte, sehnse, da war se so kurz geworden, daß se nich bis an de Schtiefeletten ging un daß 'ch so lange ich noch in Karlsbad war, in der alten Hose rumloofen mußte! Mit 'n Birgemeester un den Assessor un Herzern hab ^ch aber kee Wort wieder geschbrochen un wie mich der freche Kerl der Assessor mal anredte un meente, ich hätte 's falsche Hosenbeen abgeschnitten, da hab 'ch gar nischt gesagt un hab 'n bloß angeguckt – heernse angeguckt, wie ich Sie noch keenen Menschen angeguckt habe, daß er ooch auf der Schtelle wie begossen weggegangen is. Das hatten se fer ihre Gemeinheit! – Aber seitdem, wissen Se, Gottstrambach, kann mich der Name ›Karlsbad‹ allemal ordentlich in de Wolle bringen. Gottstrambach, noch eens; ich darf Sie gar nich dran denken!«


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