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Vierzehntes Kapitel.

Von der Geduld des heiligen Franziskus und seinem seligen Tode.


1) Franziskus war jetzt mit Leib und Seele mit Christus ans Kreuz geheftet und brannte nicht blos von seraphischer Gluth gegen Gott, sondern durstete auch mit Christus dem Gekreuzigten nach der Rettung vieler Seelen. Und da er nicht gehen konnte, weil die Nägel aus seinen Füßen nach unten herauswuchsen; so ließ er seinen erstorbenen Leib durch Städte und Dörfer umherführen, um alle anzueifern, Christi Kreuz zu tragen. Zu den Brüdern sprach er: Lasset uns anfangen, meine Brüder, dem Herrn, unserm Gotte, zu dienen; denn bisher haben wir nur wenig gethan. Er brannte auch von großem Verlangen, zu den ersten Uebungen der Demuth zurückzukehren, den Aussätzigen wie im Anfange seiner Bekehrung zu dienen, und seinen schon zerfallenen Leib wie früher mit harter Arbeit zu beladen. Unter der Leitung Christi nahm er sich vor, sehr große Dinge zu vollbringen; und obwohl seine Glieder erschlafften, so war er doch stark und feurig im Geiste und hoffte noch auf neue Kämpfe, auf neue Siege über den Feind. Denn Lauheit und Trägheit haben dort keinen Platz, wo der Liebesstachel stets zu größern Dingen treibt. So groß war bei ihm die Eintracht zwischen Fleisch und Geist, so groß die Bereitwilligkeit des Fleisches gegen den Geist, daß das Fleisch dem Geiste, der nach Heiligkeit rang, nicht blos nicht widerstrebte, sondern ihm selbst voranzueilen suchte.«

2) Damit aber die Verdienste des Mannes Gottes, die alle in der Geduld ihre wahre Vollendung finden, sich möglichst mehrten, so begann er an vielerlei Krankheiten so heftig zu leiden, daß auch kaum ein Glied an ihm ohne große Schmerzen war. Durch verschiedene, langwierige und anhaltende Krankheiten kam es mit ihm endlich so weit, daß er nur aus Haut und Knochen bestand. Und wiewohl er von körperlichen Schmerzen hart geplagt wurde, so glaubte er doch seine Trübsale nicht Strafen, sondern Schwestern nennen zu müssen. Als er einmal schlimmer als gewöhnlich von Schmerzen geplagt wurde, sprach ein recht einfältiger Bruder zu ihm: Mein Bruder! bitte den Herrn, daß er etwas gelinder mit dir verfahre; denn seine Hand scheint schwerer als billig auf dir zu liegen. Bei diesen Worten schrie der heilige Mann laut auf und sprach: Wenn ich deine Einfalt und Reinheit nicht kennete, so würde ich von jetzt an einen Abscheu vor deinem Umgange haben, weil du es gewagt hast, die Gerichte Gottes an mir zu tadeln. Hierauf warf er, obgleich von einer langen und schweren Krankheit ganz aufgerieben, seine matten Glieder hart auf die Erde, küßte dann den Boden und sprach: Ich danke Dir, mein Herr und mein Gott, wegen aller dieser meiner Schmerzen, und bitte Dich, mein Herr, Du wollest mir hundertmal mehr Leiden geben, wenn es Dir so gefällt; denn das ist mir das Angenehmste, daß Du mich mit Schmerzen plagest und meiner nicht schonest; die Erfüllung Deines heiligen Willens ist mir überschwänglicher Trost. Wegen seiner vielen Leiden war es den Brüdern, als sähen sie einen andern Job. Wie aber die Schwäche des Leibes bei ihm zunahm, so wuchs auch die Frische und Kraft seines Geistes.

3) Die Zeit seines Todes wußte der Heilige lange vorher; und als der Tag seines Scheidens herannahete, sagte er zu seinen Brüdern, bald müsse er seines Leibes Hütte ablegen, wie ihm Christus geoffenbart habe. Nachdem er nun zwei Jahre hindurch seit der Eindrückung der heiligen Wundmale, nämlich im zwanzigsten Jahre seiner Bekehrung, durch qualvolle Krankheiten wie durch viele Schläge von Meisterhand wohl zubereitet, um als Stein dem Bau des himmlischen Jerusalems eingefügt zu werden, und nachdem er wie ein Kunstwerk von getriebener Arbeit durch den Hammer vielfältiger Trübsale zur Vollendung gelangt war: da ließ er sich nach Maria von Portiunkula bringen, um dort das leibliche Leben auszuhauchen, wo ihm das geistige Leben eingehaucht ward. Obschon er nun so krank war, daß er an allen Gliedern litt, so hat er doch, nachdem man ihn dorthin gebracht hatte, vor Inbrunst des Geistes ganz nackt auf den bloßen Boden sich geworfen, um in aller Wahrheit durch die That zu zeigen, daß er nichts mit der Welt gemein habe, und damit er in der letzten Stunde, wo der erzürnte Feind noch angreifen konnte, nackt mit dem Nackten ringen könnte. Hier lag er nun auf der Erde, den sackähnlichen Habit abgelegt, das Angesicht wie gewöhnlich zum Himmel erhoben, ganz versunken in Betrachtung der himmlischen Herrlichkeit, die Wunde der rechten Seite mit der Hand bedeckend, damit Niemand sie sehe. Dann sprach er zu den Brüdern: Ich habe meine Sendung erfüllt; was euer Beruf sein wird, möge Christus euch lehren.

4) Die Genossen des Heiligen waren von Mitleid wunderbar gerührt und weinten. Einer jedoch aus ihnen, den der Mann Gottes seinen Guardian nannte, erkannte durch göttliche Eingebung den Wunsch des heiligen Vaters, erhob sich plötzlich, nahm Gürtel, Unterkleider und Habit und reichte es dem Armen Christi mit den Worten: Dieses leihe ich dir als einem Armen; auf Befehl des heiligen Gehorsams nimm es an! Jetzt freut sich der heilige Mann und frohlockt vor Wonne des Herzens, weil er sieht, daß er seiner Herrin, der Armuth, bis zum Tode treu geblieben ist. Dann erhebt er die Hände gen Himmel und preist Christum, daß er von Allem entlastet frei zu ihm gehen könne. Alles dieses that er aus Eifer für die Armuth, so daß er nicht einmal einen Habit, als nur geliehen haben wollte. Denn er wünschte in Allem Christo dem Gekreuzigten gleichförmig zu sein, der ja in Armuth, Blöße und Schmerzen am Kreuze hing. Darum entblößte er sich auch im Anfange seiner Bekehrung vor dem Bischofe von Assissi, und am Ende seines Lebens wollte er nackt aus dieser Welt gehen. Den umstehenden Brüdern legte er liebevoll im Gehorsame auf, sie sollten ihn nach seinem Tode so lange auf der bloßen Erde liegen lassen, als Jemand braucht, um eine halbe Stunde Weges mit Muße zurückzulegen. Ja, in der That! du bist der allerchristlichste Mann; du hast dich bemühet, gleichförmig zu werden im Leben dem Leben Christi, sterbend dem sterbenden Heilande und nach dem Tode dem gestorbenen Jesus, und hast verdient mit ausgeprägter Ähnlichkeit desselben geschmückt zu werden.

5) Als endlich die Stunde seines Hinganges herannahete, ließ er alle Brüder des Klosters zu sich rufen, beruhigte sie mit Worten des Trostes über seinen Tod und mahnte sie mit väterlichem Herzen zur Liebe Gottes. Dann sprach er lange über die Geduld und Armuth und den Glauben der römisch-katholischen Kirche, und zeigte, wie man diese Tugenden zu bewahren habe, und zog das Evangelium allen andern Satzungen vor. Hierauf streckte er über die Brüder, die um ihn herumsaßen, die Hände aus, die er in Kreuzesform über einander geschlagen hatte, (denn dieses Zeichen liebte er allzeit) segnete in Kraft und im Namen des Gekreuzigten alle sowohl anwesende als abwesende Brüder und sprach dann: Lebet wohl, alle meine Brüder! lebet wohl in der Furcht des Herrn und verbleibet stets in derselben: denn es nahet heran die Anfechtung und Trübsal; selig, die in dem ausharren, was sie angefangen haben. Ich aber eile zu Gott, dessen Gnade ich euch alle anempfehle. Nach Beendigung dieser süßen Ermahnung ließ der von Gott so sehr geliebte Mann das Evangelienbuch holen und sich aus dem Evangelium des heiligen Johannes den Abschnitt vorlesen, der anfängt: Vor dem Osterfeste. Er aber brach dann, so gut er konnte, in die Worte des Psalmisten aus: Mit meiner Stimme habe ich zum Herrn gerufen, mit meiner Stimme habe ich zum Herrn geflehet! und betete diesen Psalm bis zum Ende, wo es heißt: Mich erwarten die Gerechten, bis du mir Vergeltung gibst. Nachdem nun alle Geheimnisse an ihm erfüllt waren, trennte sich seine hochheilige Seele vom Leibe und ward versenkt in den Abgrund der göttlichen Klarheit. Der heilige Mann entschlief im Herrn.

6) Einer von den Brüdern und Schülern des Heiligen sah dessen Seele unter der Gestalt eines hellleuchtenden Sternes, von einer lichten Wolke getragen, auf vielen Wassern geraden Weges zum Himmel fahren. Durch dieses Gesicht sollte angedeutet werden, wie herrlich schön diese Seele sei durch den Glanz erhabener Heiligkeit, und welche Fülle von himmlischer Weisheit und Gnade sie durch diese Tugenden und Gaben besitze. Ja, der Mann Gottes verdient einzugehen in das Haus des Lichtes und Friedens, wo er jetzt mit Christus ohne Ende ruhet. Am Sterben und seit lange sprachlos war zu eben dieser Zeit Bruder Augustinus, Provinzial in den Missionen, ein wahrhaft heiliger und gerechter Mann. Aber plötzlich schrie er auf, daß alle Umstehende es hören konnten und sprach: Warte auf mich, Vater, warte! siehe, ich komme schon mit dir! Die Brüder wunderten sich sehr hierüber und fragten, mit wem er so rede. Er aber antwortete: Sehet ihr denn nicht unsern Vater Franziskus, wie er zum Himmel fährt? Hierauf verließ seine heilige Seele sogleich den Leib und folgte dem hochheiligen Vater.

7) Der Bischof von Assisi machte um dieselbe Zeit eine Wallfahrt zur Kapelle des heiligen Michael auf dem Berge Gargano. Auch ihm erschien der heilige Vater in der Nacht seines Hinscheidens und sprach: Siehe, ich verlasse nun die Welt und gehe zum Himmel. Am anderen Morgen erzählte der Bischof seinen Genossen, was er gesehen hatte; und nach seiner Rückkehr nach Assisi fragte er genau nach und erkannte mit Gewißheit, daß der heilige Vater um eben die Stunde die Welt verlassen, wo er das Gesicht gehabt hatte. Die Lerchen, Freunde des Lichtes, aber Feinde der Finsterniß, kamen um die Sterbestunde des heiligen Mannes, obgleich es schon Abenddämmerung war, in großer Menge herbeigeflogen, umflatterten lange und mit außerordentlichem Frohlocken das Dach des Hauses, wo er am Sterben lag, und gaben der Verherrlichung des heiligen Mannes, der sie zum Lobe Gottes einzuladen pflegte, ein liebliches und augenscheinliches Zeugniß.


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