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Als ich in der gesegneten Provinz Malabar in der Stadt Cannanore anlangte, führte mich der Hindu Rameni vor das Haus, das er mir für die Zeit meines Aufenthaltes vermieten wollte. Es war nach Art der europäischen Häuser Indiens erbaut, einstöckig, mit hohem überhängenden Dach und einer breiten Veranda, die die ganze Front entlang lief. Ich erblickte es, nachdem wir uns mit vereinten Kräften durch den verwilderten Garten gearbeitet hatten. Rameni sagte: »Dies ist mein liebstes Besitztum auf Erden. Ich habe es geschont und behütet, und seit sieben Jahren hat kein menschlicher Fuß es betreten. Sein letzter Bewohner war Sahib John Ditrey, ein englischer Offizier von großer Macht, dem jeder Soldat Gehorsam leistete, der in seine Nähe kam. Er war Tag für Tag glücklich unter diesem Dach und wäre es heute noch, wenn die Regierung ihn und seine Leute nicht an einen anderen Ort verschickt hätte.«
Ich betrachtete die großen, meist leeren Räume, in denen sich eine üppige Vegetation entwickelt hatte und in denen eine Tierwelt ihr Dasein fristete, deren Mannigfaltigkeit meine Erwartungen aufs höchste steigerte.
»Alle diese Tiere sind arglos,« sagte Rameni freundlich, »sie werden sich zum großen Teil wahrscheinlich zurückziehen, denn sie lieben die Gesellschaft der Menschen nicht. Aber da du in Begleitung bist, Sahib, einen Hund, einen Diener und einen Koch mitgebracht hast, wird dein Gemüt von keiner Einsamkeit zernagt werden. Ich gebe Hühner, wenn du willst ...«
Rameni beherrschte die englische Sprache in einem Maße, daß ich fühlte, wie meine Haare sich unter dem Korkhelm sträubten.
»Auch du bist ein Engländer,« sagte er zu mir, als er eine lange Ruhmrede auf Sir John Ditrey, den Offizier, beendet hatte.
Ich sagte ihm, daß ich ein Deutscher sei, und er tröstete mich.
»Ich habe von diesem Land niemals gehört,« sagte er endlich, aber seine Bewohner gelten als freigebig, und wahrscheinlich ist es reicher als das britische Reich.«
Da ich ihn verstand, fragte ich nach dem Preis, den er als Miete für seine Besitzung fordere. Er sprach darauf so eifrig von anderen Dingen, daß meine Befürchtungen an Raum gewannen. Endlich gelang es mir, ihn zu Geständnissen zu überreden, und er begann zu rechnen und addierte mit geheimnisvoller Ergriffenheit die Verluste zusammen, die ihm in den sieben Jahren entstanden waren, in denen sich kein Mieter gefunden hatte. Ich beobachtete schweigend ein Volk weißer Ameisen, das die Dielen des Fußbodens und das Mauerwerk auf das geschickteste zur Anlage ihrer Ortschaften untergraben hatte. Ich werde euch nicht hindern, dachte ich, eure Reiche sollen unter meiner Herrschaft zu ungeahnter Blüte gelangen, und ich will euch ein weiser Fürst und treuer Gefährte sein. Durch das Palmendickicht am Fenster strahlte die Morgensonne, durch grüne Schleier voll zackiger Ornamente. Das unfaßliche Bewußtsein jenes Glücks, unter dem ich erzitterte, seit ich den Boden Indiens betreten und zum erstenmal den Geruch, die Wärme und das Licht dieses Landes eingesogen hatte, sank mir aufs neue ins Herz.
»Fürchte dich nicht, Sahib,« sagte Rameni und zählte an seinen krampfhaft gespreizten Fingern, vor Zweifel, Hoffnung und Erwartung beinahe fassungslos. Ich sprach von meinem Mut, und er hob die Hand zum zehnten Male, um aufs neue die braunen, mageren Finger von rechts nach links nebeneinander zu ordnen. Dann vergaß er alles und sprach hastig von der Teuerung und den schlechten Reisernten. »Jeder Kuli wird es dir bestätigen,« rief er, »soll ich einen rufen?«
»Wieviel forderst du?« sagte ich streng. »Ich habe von einem Haus am Meer gehört, das der Kollektor vor Jahren bewohnt haben soll, und das die Regierung für einen geringen Preis hergibt.«
Rameni gab sich mit großer Anstrengung einen Ruck und teilte mir mit, daß das Haus im Jahre wohl einen Mietwert von hundert Rupien habe, für die verlorenen sieben Jahre wolle er mir nur den vierten Teil dieser Summe in Rechnung stellen, unter der Bedingung, daß ich ihm für die drei kommenden Jahre den vollen Preis vorauszahlte.
Als ich nickte, erblaßte er.
»Sahib, stammelte er, »verspottest du deinen Diener? Es ist wahr, ich habe eine große Forderung gemacht. Vergessen wir die sieben verderblichen Jahre, ich werde die Schickung des Himmels verschmerzen, zumal sie vorbei ist. Wenn du in der Tat drei Jahre vorausbezahlst, so werde ich dir so lange dienen, als ich lebe.«
Ich habe über meine Bereitwilligkeit niemals Reue empfunden und obgleich ich nur einige Monate in Cannanore geblieben bin, hat mein geringes Opfer sich in der ausgiebigsten Weise belohnt, denn Rameni setzte seine ganze Ehre ein, um die Beschämung gutzumachen, die ich ihm ohne meinen Willen angetan hatte. Er sandte mir beinahe täglich Eier und Früchte, Fische oder Geflügel und widersetzte sich keinem meiner Wünsche, die sich auf Einrichtungen oder Veränderungen in Haus und Garten bezogen. Erst als er nach Wochen bemerkte, daß ich in einem Glaskasten eine lebende Kobra unterhielt, zog er sich von mir zurück, ohne meine Schwelle noch einmal zu betreten und ohne meine Hand noch einmal zu berühren. Er vermied es weniger aus Furcht und, wie ich zuverlässig weiß, nicht ohne Kummer, sondern weil er es nicht mit seinen Überzeugungen vereinigen konnte, eine Gottheit gefangenzusetzen, um durch eine Glasscheibe zu beobachten, was sie tat. Aber die Zeit unserer Gemeinschaft bis zu dieser Entdeckung gehört zu den liebenswürdigsten Erinnerungen meiner indischen Jahre.
Als mein Gepäck auf einem Ochsenwagen vom Hafen herbeigeschafft worden war, begann ich die bestgelegenen Zimmer für die Nacht einzurichten, wobei mir mein Diener Panja und der Koch zur Hand gingen. Panja warnte mich oft und eindringlich, kannte mich damals aber schon gut genug, um zu wissen, daß gerade seine Befürchtungen nur zu häufig auf dasselbe hinausliefen, wie meine Hoffnungen. Der Koch, ein Sohn aus den Bergen von Südmaratta, der in Bombay an den Umgang mit Europäern gewöhnt worden war, widerstand längst nicht mehr dem Bösen in mir. Allerdings war ich ihm gleichgültig; er tat verschlossen und in stoischer Ruhe seine Pflicht, bestahl mich, wo er konnte, und erwartete mit matt gesenkten Lidern meinen Untergang, den er jedesmal voraussagte, wenn ich ihn über einer Ungehörigkeit ertappte. Trotzdem habe ich immer eine Neigung für diesen eigensinnigen und auf seine Art stolzen Mann empfunden, der es nicht über sich brachte, sich vor den Europäern zu beugen, und der seinen Haß gegen die Fremden um der Liebe zu seiner Heimat willen nährte. Gegen Panjas gefügige Unterwürfigkeit, die übrigens keiner niedrigen Gesinnung entsprang, sondern einer kindlichen Bewunderung für den Glanz alles Fremden, hob sich der schweigsame Widerstand dieses Mannes seltsam würdig ab. Ich nannte ihn Pascha, weil ich seinen Namen nicht behalten konnte. Das hätte übrigens niemand gekonnt.
Als ich auf die Veranda hinaustrat, um mich davon zu überzeugen, daß im Hause keine Scheibe heil war, hockte Panja auf einer Bücherkiste, rauchte und zog meine Hängematte über die Knie.
»Sie ist überall zerrissen«, sagte er, ohne aufzustehen, und ohne, wie er es anfangs getan hatte, bei meinem Herannahen in größere Arbeitseile zu verfallen. »Sahib, das kommt davon, wenn du eine Hängematte zum Fischen im Fluß verwendest.«
»Es war ein ausgezeichneter Gedanke«, entschuldigte ich mich. Aber Panja antwortete nur: »Du hast nichts gefangen.«
Ich untersuchte die Fußböden, die überall von den Ameisen untergraben waren; die Steinfliesen und Bretter schaukelten fast alle, oder sanken tief ein, wenn man darauf trat, ein Sodom und Gomorra dieses Volks vernichtend.
»Wenn du sehen willst, was diese Tiere tun,« sagte Panja spöttisch, »so darfst du sie nicht stören. Übrigens sind Ratten im Haus,« fügte er hinzu, »und vor dem Tor von Cannanore ist die Pest.«
»So müssen wir Katzen halten«, entschloß ich mich. »Morgen wirst du in die Stadt gehen, um welche zu kaufen.«
Panja sah mich mitleidig an: »Wer wird eine Katze bezahlen?« fragte er, »überall laufen sie herum. Auch in diesem Hause werden Katzen wohnen.« Er meinte die Moschuskatzen, eine kleinere Art, die mir in Malabar viel begegnet ist, und die in fast keinem älteren Gebäude fehlt. So beschloß ich zu warten. Aber da die Ratte als Trägerin der Pest gilt und diese furchtbare Seuche immer noch nicht erlosch, obgleich die eigentliche Regenzeit längst vorüber war, handelte es sich darum, vorsichtig zu sein. Meistens erlischt die Pest mit dem letzten Regen, zu Beginn des indischen Frühlings, da ihr Bazillus nur im Feuchten fortkommt. Mit dem ersten Regen, nach der heißen Zeit, taucht sie aufs neue auf.
Übrigens könnte die Darstellung unseres Gesprächs ein falsches Bild meiner Stellung zu Panja geben und der Stellung der Europäer zu den dienenden Klassen der Hindus überhaupt. Es ist wahr, daß ich Panja, wie überhaupt allen Leuten, die mir dienten, viel persönliche Freiheit ließ, aber meine Opfer an Autorität oder gar an Selbständigkeit wurden durch eine Gegengabe bedankt, die ich immer höher eingeschätzt habe, als jede andere Darbietung, und dieses Geschenk bestand in der freimütigen Offenheit des Menschenwesens. Die Verwendbarkeit eines Menschen ist der geringste Teil seiner Anlagen, die mir Interesse abnötigen, und alle Unterwürfigkeit verbindet sich mit Verstellung. Die Art, wie die Engländer die Hindus behandeln, verschließt ihre Charaktere und unterdrückt ihr wahres Wesen, wenngleich ich ohne Einwand zugebe, daß solche Stellungnahme, wie die ihre, das unerläßliche Erfordernis zur Beherrschung des Landes ist. Aber ich bin nicht nach Indien gereist, um es zu beherrschen.
Übrigens gab es auch zwischen Panja und mir erregte Szenen im Ringen um die Oberhand des Einflusses. Für gewöhnlich endete solch ein Auftritt damit, daß ich diesen Sklaven niederschlug. Nun waren allerdings mein Schlag und sein Niedersinken zwei Erscheinungen, die in keinerlei Beziehung zueinander standen, denn häufig brach er schon zusammen, bevor meine Hand ihn erreicht hatte, und im schlimmsten Falle wußte er sich für gewöhnlich immer noch auf eine Art zu wenden oder zu schützen, die kaum mehr als eine Deformierung seines Turbans oder seiner geölten Haarfrisur zuließ. Trotzdem brach er jedesmal zusammen, wälzte sich von einer Ecke des Zimmers in die andere, beklagte heulend meine Undankbarkeit und die Folgen seiner Treue. Aber ehe der Abend hereinbrach, sorgte er doch dafür, daß die Last solcher Verschuldung gegen ihn mir nicht die Nachtruhe raubte.
»Sahib«, sagte er und pflanzte sich kerzengerade vor mir auf, wobei ein Stolz und eine Menschenwürde seine Züge verklärten, die in der Tat mein Herz mit Dankbarkeit erfüllten. Aber er schien nicht zu wissen, wem er beide verdankte. »Sahib, wie konntest du dich so vergessen?« Sein Gesicht trug einen Ausdruck so ehrlicher Traurigkeit, daß ich alles eher vermocht hätte, als an ihr zu zweifeln. Ich erklärte ihm bescheiden den Umfang seines Vergehens und die Bedeutung der Folgen, aber in solchen Fällen verstand er nicht genügend englisch, um mich zu verstehen.
»Deine Studien in Hindustani machen keine Fortschritte«, meinte er dann etwa betrübt, und wir beide waren froh, ein Gebiet gefunden zu haben, das uns wieder auf die Straße unseres gewöhnlichen Verkehrs brachte. Es kamen dann Zeiten eines glücklichen Wandels und schönster Gemeinschaft, in denen Panjas Selbstentäußerung so weit ging, daß er sogar meinen Whisky unverdünnt auf den Tisch brachte, und ich daher genau nachprüfen konnte, wieviel er aus der Flasche gestohlen hatte.
Ich war damals im zehnten Monat in Indien, und außer Panja und Pascha war noch ein prächtiger Hund die ganze Zeit hindurch mein treuer Begleiter gewesen. Er hieß Elias und hatte eben sein erstes Lebensjahr vollendet, so daß mir vergönnt gewesen war, seine Erziehung selbst zu leiten und seine Entwicklung zu überwachen. Leider ist es bei den Hunden so bestellt, daß man bei einem zwei Monate alten Tierchen sehr schwer in der Lage ist, über seine Abstammung und seine endgültige Ausgestaltung irgend etwas mit Bestimmtheit auszusagen. Aber ich habe immer eine besondere Neigung für solche Menschen empfunden, die allen Erscheinungen und Personen die besten Seiten abzugewinnen wissen und ihre eigenen Tugenden in andere so lange hineinlegen, bis sie eines Schlechteren belehrt werden. Und in der Nacheiferung solcher Charaktere ist es mir gelungen, in Elias das Muster eines vortrefflichen Tieres zu erblicken. Ich möchte bei der Aufzählung seiner Vorzüge nicht in Dingen seiner äußeren Erscheinung stecken bleiben, zumal nicht abzusehen ist, ob sich im Laufe der Zeit nicht noch das eine oder andere bei ihm verändern wird, aber sicher ist, daß er einen gesunden Appetit und einen gesunden Schlaf hat. Er ist außerordentlich vorsichtig und begibt sich niemals in Gefahr, auch fällt er keine Fremden an und unterdrückt seine Wachsamkeit aufs äußerste, was mir um so willkommener ist, als ich oft in aufreibende geistige Arbeit verstrickt bin, bei der jedes Gebell mich stören würde. Seine Anhänglichkeit ist so groß, daß er sie auf alle Menschen erstreckt, die ihm begegnen, und besonders muß man, ohne das Vorurteil einer selbstsüchtigen Hoffnung, den außerordentlichen Eigensinn seines Willens rühmen, der die Grundlage des echten Charakters ist. Elias läßt sich weder durch Drohungen noch durch Versprechungen dazu bringen, die Wünsche anderer, oder die meinen, zu beachten. Er verunreinigt weder den Garten noch die Straße und nimmt uns auch, was seine Fütterung betrifft, jede Mühe ab, die durch Herzutragen von Nahrung entsteht.
Leider ist es mir bisher nicht gelungen, zwischen ihm und Panja ein erträgliches Verhältnis herzustellen. Wahrscheinlich läßt Panja sich als Orientale in seinen herkömmlichen Begriffen vom Wesen des Hundes gehen, sicher ist, daß ihm jedes tiefere Verständnis für Rasse abgeht.
»Sahib, was ziehst du für ein Schwein ins Haus?« rief er, als ich damals den eben erworbenen Elias heimbrachte.
»Er ist bestaubt, und die Schnur hat sich am Hals zugezogen,« sagte ich, »warte, bis er gewaschen ist.«
»Willst du ihn waschen?« fragte Panja und verschlang abwechselnd mich und Elias mit übergroßen Augen.
»Es ist ein vorzüglich veranlagtes Tier, das uns gute Dienste leisten wird«, versicherte ich etwas enttäuscht von dem Empfang, den uns Panja bereitete, und mit einem nachdenklichen Blick auf Elias, der die Türschwelle bekämpfte und in seinem hilflosen Eifer einen entzückenden Anblick unschuldiger Tatkraft bot.
Wenn nicht alle Samenkörner, die ich in Elias' junge Seele legte, zu gedeihlicher Entfaltung erblüht sind, so ist sicher Panja schuld daran, der seine herabwürdigende Meinung über dieses Tier niemals bekämpft hat. Nach meiner Überzeugung verdankt alle pädagogische Einwirkung auf ein unerwachtes Gemüt ihren Erfolg der gemeinsamen Mühe aller Hausgenossen. Solange Elias keinen Rückhalt an Panja hat, und Panja Elias zur Quelle allen Übels macht, werde ich kaum an einem von ihnen die volle Freude erleben, die ich mir versprochen habe.
Der Abend überraschte uns nach diesem ersten Tag in Cannanore. Panja stöberte in den Kisten umher, um Kerzen zu finden, und warf alles durcheinander, um Ordnung zu schaffen. Die Moskitoschleier für mein Lager befanden sich in der größten Kiste zu unterst, da Panja sie bei unserm Aufbruch naturgemäß zuerst abgenommen und damit auch am tiefsten vergraben hatte.
Ich saß noch lange, nachdem Panja schlief, auf der Veranda meines neuen Hauses und wartete auf den Mond und auf die Kühle. Aus den unbeweglichen Vorhängen der Bäume, Büsche und Pflanzen des Gartens zog ein schwüler Hauch voll betäubender Gerüche, alles blühte, und eine leidenschaftliche Lebensfülle drängte sich auf mich ein, um den Weg in mein Blut zu finden. Überall entzündete der gewaltige, stille Drang zu überschwenglichem Keimen die von den Grillen schallende Luft, die so ruhig war, daß die Flamme meiner Kerze nur wie in der Bedrängnis der übersättigten Luft zitterte, ohne zu flackern. Aus den Palmwaldungen, irgendwoher aus der Ferne hinter dem Garten, klangen die Blasinstrumente der Hindus aus einem Tempelhof, untermischt mit einförmigem blechernem Klirren. Man merkte dem begleitenden Gesang die zunehmende Trunkenheit der priesterlichen Sänger an.
Wenn ich die Augen schloß, überwältigte mich bei dieser Musik ein Bild aus meiner frühesten Kindheit. Ich erinnerte mich, daß ich einmal durch ein seltsames Klingen, dem ich nichts von allem Bekannten zu vergleichen vermochte, aus dem elterlichen Garten auf die Landstraße gelockt wurde. Es schallte fernher, von dort, wo die Chaussee-Linden, die sich beim Dorf einander zu nähern schienen, alles in geheimnisvolle Schatten hüllten, und ich lief hinaus in die Sonne, die Gartentür blieb hinter mir offen, und ich vergaß das Verbot meiner Mutter. Vor einem Bauernhof fand ich im Kranz einer hellhaarigen Schar von Dorfkindern zwei große, traurige Männer unter einem Baum stehen, mit schwarzen Bärten und in langen Mänteln. Sie bliesen diese schreiende Musik auf grauen Säcken und überwältigten mein Herz zum ersten und größten Ereignis meiner Kindheit. Ich weiß deutlich, daß ich wie in einem Taumel des Bluts Halt suchte, um nicht zur Erde zu sinken. Heute begreife ich, daß seit jener Stunde die Ahnung einer schmerzlichen Ruhlosigkeit in meiner Seele wach geworden ist, und daß der erste Blick meines Geschicks mich segnete. Immer noch gehen die Wünsche meiner Seele dieser tierhaften Klage voll ungestümer Lustbegier wie im Banne einer Erlöserhoffnung nach. Sie tauschen mir das Nahe und Vertraute gegen das Fremde und Ungewisse ein, das Haus gegen die Straße und die Heimat gegen die Welt. – Als ich die Augen öffnete, saß ein großer brauner Nachtfalter auf dem kupfernen Griff des Leuchters und sah bestürzt und hilflos in das unfaßbare Licht. Nach einer Weile begann er langsam die Flügel zu heben und zu senken, und seine Augen voller Angst und unbeweglicher Schwärze füllten sich mit dem Lichtwesen des heiligen Feuers. Die Luft trug seine starken Flügel leicht, diese Luft, die so schwer in meine Brust einzog und so ermüdend auf ihr lastete. Ich bemerkte erst jetzt, daß die Veranda sich bevölkert hatte, und daß ein beflügeltes Geschlecht nächtlicher Vagabunden bei mir zu Gast gekommen war. Alles drang auf geheimnisvolle Art aus dieser grünen Mauer hervor, die mich und mein Haus einschloß. Der Mond mußte hinter ihr aufgegangen sein, denn ich unterschied in der warmen Pflanzenwand nun hellere und dunklere Flecke, die Ornamente der Palmenfächer und die gewaltigen Formen der Bananenblätter, die wie die Keulen schlafender Riesen emporragten, oder gebrochen, wie zerrissene Häute niederhingen. Den Himmel konnte ich nicht sehen. Da löschte ich mein Licht aus, und eine matte, magische Dämmerung erhob sich lautlos um mich her, als sei die Welt durch ein grünes Glasmeer vom Licht getrennt. –
Von allem, was dem Menschen gegeben ist, sind seine Gedanken das Herrlichste. Und die Nachtgeborenen, die auf ihrer Reise über die Erde das unvergängliche Licht erstreben, werden in der Nacht am lebendigsten, als erwachten sie im Dunkeln, wie in heimlicher Angst, zu verdoppelter Tatkraft. Ihnen ist nichts verschlossen, der Weg in die Zukunft ist ihnen so frei, wie der in die Vergangenheit, und sie dringen in die Geheimnisse der versunkenen Geschlechter ein, in die Kelche der Blumen und in den Schlafraum der Geliebten. Die kleinen Dinge des Alltags, mit denen sie sich beschäftigen, nehmen ihnen die Schwungkraft nicht, das Wesen Gottes zu ermessen. Ihr Triumph liegt im Grenzenlosen, und ihr unbewußtes Ziel ist die Ewigkeit. Je stärker sie sind, um so mehr streben sie die Ordnung an, die Schwester der Erkenntnis, und es ist ihre irdische Arbeit, die Zusammenhänge zwischen den versunkenen und den gegenwärtigen Geistern zu finden.
Während ich so meinen Besinnungen freie Fahrt ließ, hörte ich merkwürdige Geräusche aus dem Hause dringen, bald war es ein Scharren oder Pochen, bald rieselte es von den Wänden, oder knisterte im Gebälk. Manchmal unterschied ich Tierstimmen, seltsam klagende Laute des Kampfes oder der Liebe. Es war schwer zu unterscheiden, ob die Laute von außen oder von innen zu mir drangen, aber ich entzündete nach kurzer Zeit mein Licht aufs neue, um den Ungewißheiten der nächtlichen Dämmerung zu entgehen. Als ich aufbrach, um mich zur Ruhe zu begeben, war der Mond voll aufgegangen; es lockte mich, den beschienenen Garten zu betreten, aber die damit verbundenen Gefahren waren auf einem fremden und seit langem von Menschen verlassenen Gebiete zu groß.
Im Hausgang schlief Panja auf seiner Kokosmatte am Boden, und sein Schnarchen beruhigte mich als der einzige vertraute Laut in dieser Abgeschiedenheit. Im Hintergrund flüchtete ein niedriger Schatten lautlos in eine der geöffneten Türen der Gartenzimmer. Ich erwog es, ihm nachzugehen, unterließ es aber. Elias lag auf meinem Bett, als ich eintrat.
Die Holzstäbe an den Fenstern waren morsch und teilweise zerbrochen, Scheiben waren nicht mehr vorhanden. Auch hier verhüllte die undurchdringliche Pflanzenwand den Ausblick ins Freie und den Zuzug frischerer Luft. Der Blütenduft im Raum war berauschend, bald giftig, bald süß, die Düfte erschienen mir schwer und greifbar, während der Gesang der Grillen betäubend im Mondlicht zunahm.
Ich untersuchte meine Schußwaffe, obgleich ich wußte, daß sie in Ordnung war, und rückte mein Lager weit vom Fenster ab. Es stand mir schwer bevor, Elias wecken zu müssen, denn es war mir bekannt, daß ihn jede Störung aufs tiefste verletzte, und für diese unsichere Nacht wollte ich meinen einzigen Gefährten ungern verstimmen. Aber er knurrte nur unwillig und schlief am Boden weiter, ohne recht erwacht zu sein. Da ich gezwungen war, das Licht bald zu löschen, weil seine Anziehungskraft auf die Insektenwelt zu groß ist, lag ich bald unter den Gazevorhängen im grünlichen Dämmerlicht und versuchte einzuschlafen.
Draußen wurde es von Viertelstunde zu Viertelstunde lauter und leidenschaftlicher; die Lebendigkeit des fremden Getiers teilte sich meinem Blut in aufreizender Art mit, und ich fühlte den Augenblick herannahen, in welchem man die letzte Hoffnung auf Schlaf fahren läßt. Meine Gedanken beschäftigten sich mit den vielerlei Veränderungen und Einrichtungen, die für einen dauernden Aufenthalt in diesem Hause notwendig waren. Solche Erwägungen verstimmten mich, wie leicht gleichgültige Dinge es tun, die mit einem Augenblickszwang an Stelle guter und harmonischer Besinnungen treten. Aber allmählich umfaßten meine Gedanken die Gegenstände nicht mehr, mit denen sie sich abgaben, die Umrisse verwischten sich, ich hatte unter den geschlossenen Lidern noch den unbestimmten Eindruck, als ob es im Zimmer heller geworden sei, und das Grillengeschrei verschwamm zu einem schwülen, drückenden Luftmeer, in dem ich leblos dahintrieb. Ich versank in Schlaf wie in einen Opiumrausch.
Ein weiches Gedräng an meiner Seite ließ mich auffahren, erstarrt blieb ich in der Haltung liegen, in die mich mein Erwachen gestürzt hatte, bis ich Elias erkannte, der sich mitsamt dem Moskitoschleier unter meine Decke verkrochen hatte. Wäre nicht ein schrecklicher Lärm im Zimmer stärker als mein Zorn gewesen, so hätte ich sicher meinem unschuldigen Hunde eine ganz neue Art des Luftsprungs beigebracht, aber mein Instinkt sagte mir rasch, daß das äußerste Entsetzen Elias zu seinem Vorgehen veranlaßt hatte, er zitterte heftig, und sein Winseln glich den Lauten der Todesangst. So ließ ich ihn gewähren, drückte ihn an mich und forschte nach der Ursache des eigentümlichen Lärms, der meinen Schlafraum füllte.
Es war fast hell im Zimmer, da der Mond nun so hoch am Himmel stand, daß seine Strahlen durch die Palmenwipfel den Weg ins Haus fanden, aber die Lichtflecke am Boden und die blassen Streifen in der Luft verwirrten mein Auge anfänglich, bis ich erkannte, daß der Fußboden von einer erregten Schar großer Ratten wimmelte, die sich wie zu einem Angriff an der einen Seite des Raums gesammelt hatten. Ihnen gegenüber kauerte in der Ecke eine Katzenfamilie, kleinere, langhaarige Tiere mit ihren Jungen, und zwischen den beiden Parteien lagen getötete Ratten, einige verwundete schleiften sich mühsam unter kläglichem Piepen voran, einen Blutstreifen hinter sich zurücklassend. Es war deutlich erkennbar, daß die Katzen – ich zählte derer ohne die Jungen etwa vier oder fünf – sich im Zustande höchster Angst und äußerster Bedrängtheit befanden. Sie kämpften einen Verzweiflungskampf gegen die Übermacht der Ratten. Ihr drohendes Fauchen und Miauen hatte etwas, selbst überlegene Gegner, außerordentlich Einschüchterndes, und ihre Gebärden erinnerten mich an die eines gereizten Panthers. Es schien eine alte Feindschaft zu sein, die seit langem im Bereich dieses Hauses herrschte, und die in dieser Nacht vielleicht zum soundsovielten Male blutig ausbrach. Es mag einmal anders gewesen sein, vielleicht herrschte vorzeiten das Geschlecht der Katzen ohne Einschränkung und als tyrannischer Unterdrücker der Ratten, bis diese zu jener Überlegenheit gelangt waren, die mir jetzt über jeden Zweifel erhaben schien.
Die Ratten rückten langsam und mit widerwärtigen Lauten des Zorns und der Blutgier heran. Das magische Licht und der fast leere Raum, dessen Ecken in Dämmerung gehüllt waren, verschob meinen Sinnen auf eigenartige Weise die Verhältnisse von Größe und Weite, es kam mir vor, als rückten dunkle Ungeheuer zum Kampfe gegeneinander heran, ich selber war kleiner als sie, auf einem weit entfernten Berg.
Als die erste Katze, wie es mir erschien, ein alter und erfahrener Kater, zur Verteidigung mit einem langen, flachen Satz vorsprang, erschreckte und begeisterte mich die Wildheit seiner Bewegung. Der Kater verließ sich im Kampfe weniger auf sein Gebiß, als vielmehr auf seine Pranken, die mit zäher Geschmeidigkeit und tödlicher Sicherheit dreinhieben. Die Ratten stoben anfangs auseinander, als er mitten unter sie sprang, nur eine, die von seiner Tatze getroffen worden war, wand sich schreiend neben ihm am Boden, ohne daß er sie vollends tötete, oder auch nur noch beachtete. Seine glühenden Augen, dicht über dem Boden, waren auf die aufs neue heranrückenden Gegner gerichtet. Sie kamen langsam und mit häßlichem Kreischen näher, aus welchem sowohl Todesangst als auch äußerste Kampfeswut klangen, aber ein erneuter Sprung des Katers mitten unter sie hatte nicht mehr die gleiche Wirkung, wie der erste. Die diesmal getroffene Ratte hatte sich offenbar an seiner Lippe festgebissen, jedenfalls schlug das Tier, von seinen Schmerzen wie von Sinnen, mit ungeheurer Wut planlos um sich, sprang hoch empor und wälzte sich am Boden, während immer die eine Ratte, schon fast zerfleischt und in Strömen blutend, an seinem Maule festgebissen hing und hin und her geschlenkert wurde, hinauf und hinab. Und während ich, von Grauen fast atemlos, sah, daß die unheimlichen schattenhaften Gefährten der geopferten ersten sich von allen Seiten in der kämpfenden Katze festbissen, beobachtete ich sogleich, wie hart an der Wand eine andere Rattenschar gegen die in der Ecke zusammengedrängten Katzen vorrückte. Sie glitten, eng aneinandergedrängt, wie ein langsamer Schatten dahin, und das furchtbare Geschrei des sterbenden Katers mitten im Zimmer begleitete ihren gespenstigen Zug wie eine greuliche, herausfordernde Kampfesmusik.
Plötzlich, wie auf einen heimlichen Zuruf hin, stürzte der herannahende Schatten blitzschnell auf die zusammengekauerten Katzen, und es entspann sich ein zweiter, nicht weniger erhitzter Kampf im Dunkel, der mich um so mehr entsetzte, als ich keine Einzelheiten zu erkennen vermochte.
Ein winziges, junges Kätzchen von zärtlichster Anmut flüchtete betroffen, und scheinbar die Gefahr kaum ahnend, mit zierlichen Sätzen ins Licht. Zwei rasche Schatten folgten ihm, man sah keine Bewegungen an ihnen als einzig die des Dahingleitens, und in wenig Augenblicken war das Tierchen zerfetzt. Auf den kurzen, jammervollen Angstschrei arbeitete sich die Mutter mit verzweifelten Anstrengungen zur Hilfe heran, und zu meinem Entsetzen sah ich die schauerlichen Nachtgesellen in ihren Leib verbissen, und sie schleppte, vor Schmerzen heulend, wie ich niemals eine Katze habe klagen hören, ihre blutdürstigen Mörder mit sich, ohne ihrem Kinde Hilfe bringen zu können.
Wäre dieser Kampf nicht gleich darauf auf eine entscheidende Art unterbrochen worden, so hätte ich sicher eingegriffen, um ihn endlich zu beenden. Ich habe mich später oft gefragt, was mich daran gehindert haben mochte, es gleich zu tun. Dem Menschengemüt haftet ein sonderbarer Hang an, kämpfenden Tieren zuzuschauen, und der wollüstige Genuß an solch erregenden Schauspielen ist nicht nur verwerflicher Art, sondern er muß auch eine Achtung vor den selbsttätigen Bewegungen der Natur zur Grundlage haben und ein heimliches Bewußtsein für die Wahrheit, daß der Mensch ihrem Walten weder etwas nehmen noch hinzufügen kann. Ich entsinne mich, daß ich schon als Kind einem Hahnenkampf mit Freude und Genugtuung zuschaute, und daß ich sein Ende mit dem erhebenden Gefühl einer Bewunderung und ohne Beschämung erwartete. So habe ich als Knabe auch nur schwer begreifen können, daß die Menschen Hunde zu trennen suchten, die in eine Beißerei geraten waren, und obgleich einem reizenden Affenpinscher, den ich mein eigen nannte und dem ich aufrichtig zugetan war, von einem Wolfshund die Kehle durchbissen wurde, weiß ich doch gut, daß ich trotz meines Schmerzes dem bösen Sieger mit einer Ergriffenheit nachschaute, die geradezu an Anbetung grenzte und die mit heftigem Neid auf seinen Lorbeer gemischt war.
In jenem Augenblick nun, als ich, von Entsetzen und Mitleid gepeinigt, in den blutigen Kampf der Tiere einzugreifen beschloß und vorsichtig nach meiner Schußwaffe tastete, im voraus mit heimlicher Genugtuung die furchtbare Wirkung ermessend, die das Krachen eines Schusses auf dem nächtlichen Schlachtfeld hervorrufen würde, erklang aus dem dunklen Winkel des Raumes, hinter mir, ein Laut, dessen gebieterische Macht stärker war, als der feurige Donner aus dem eisernen Mund meiner Waffe. Es war ein leises Zischen, das man auch ein trübes Fauchen hätte nennen können und das den seltsamen und etwas lächerlichen Lauten zu vergleichen war, mit denen bisweilen Gänse mit gesenktem Kopf gegen einen Gegner vorzugehen pflegen. Aber die Wirkung dieser klanglosen und widerlich eindringlichen Stimme war alles andere als lächerlich, sie war von einer geradezu grauenhaften Macht. Ich fühlte mein Blut in den Adern gerinnen, und die Totenstille, die im Raume eingetreten war, erhöhte den Schauer meines Entsetzens zu einer todesartigen Erstarrung. Es war so still, daß ich mein gehemmtes Blut in den Ohren sausen hörte, bis langsam, ganz langsam mein Herz jenes furchtbare, dumpfe Hämmern begann, unter dem der Atem stockt und ein schmerzhaftes Gefühl des Erstickens einsetzt. Ich sah die Tiere wie dunkle, reglose Flecke am Boden, selbst das Todesgeschrei der Verwundeten verstummte für eine Weile, nur eine große Ratte, deren Leib völlig aufgerissen war, kreiste in einer Lache ihres Blutes am Boden, in ihr Eingeweide verwickelt, mitten im Mond, und ihr heiseres Piepen hatte in Gemeinschaft mit ihrem scheußlichen Reigen eine fast komische Wirkung unbeteiligten und ahnungslosen Eifers.
»Die Schlange hat gesprochen, unter den heißen Steinen,
ihr tauber Gesang schüttet das Herz in Schnee,
aus ihrer Stimme brechen die Augen des Todes
wie aus den Berggefilden des ewigen Schnees.«
Ich hatte diese Verse in Maratta von einem Fakir gehört und sie mir später geben lassen, wobei ich erfuhr, daß sie alter Herkunft sind und einem viel gesungenen Liede der Bergvölker der West-Gates entstammen. Nun dachte ich in diesem Augenblick zwar nicht an sie, sondern die Verse schienen an mich zu denken, sie bemächtigten sich meiner in dieser schrecklichen Lage, und mir geschah aufs neue das ergreifende Wunder jener erhabenen Gelassenheit, die, in Augenblicken der Angst, wie eine höhere und unbeteiligte Gewalt über uns hereinbrechen kann.
Darüber sah ich eine große Schlange herangleiten, ihr schmaler Kopf war wohl eine Handbreit über dem Erdboden erhoben, und als er ins Licht kam, sah ich die feine Zunge eifrig spielen. Es erschien mir, als lächelte das Tier.
Unter meinen Augen begann nun das grausame Spiel der Schlange, das alle Völker auf Erden kennen und rühmen oder verfluchen. Keinem anderen Tiere ist die geheimnisvolle Macht dieser Wirkung verliehen, die lautlos, unerklärbar, und wie aus einer unterirdischen Welt des Bösen stammend, daherkommt. Kraft und Mut, oder gute Waffen und kühner Sinn bringen ihrer Herrschaft nur selten Gefahr, denn sie hat neben vielen magischen Mitteln jenes furchtbare in ihrer Begleitschaft, das auch den Helden wehrlos macht, den Ekel. Aber neben ihm und vielem anderen, das ihr Wesen enthält, erstrahlt jener dämonische Abglanz aus ihren Regungen, der uns wie eine alte Erinnerung an den beständigen Triumph des Bösen anmutet. So ist ihr listiges Schleichen mit Weihe gepaart, ihre Schönheit mit Verstecktheit und ihre Macht mit Niedrigkeit. Alle Eigenschaften, welche dem Starken Freimut verleihen, verbindet sie, wie in einer heimlichen Genugtuung eigennütziger Bosheit, mit Falsch. Die Elemente von Wasser, Erde und Luft scheinen bei den Bewegungen dieses Körpers ihre unterscheidende Eigenart einzubüßen, denn der Gang der Schlange ist dem keines anderen Lebewesens zu vergleichen; in ihm ist das einfältige Rieseln des Wassers mit den Beschwörungen der Magier verbunden.
Die Schlange umkreiste eine verwundete Ratte, die noch lebte, fuhr aus ihrem verschlafenen Tanz, der alle Wesen bannt, jählings zu und begann das erbeutete Tier zu verschlingen. Ihre Sorglosigkeit und die überlegene Sicherheit ihres Tuns erregte meine Bewunderung in hohem Maße, es war, als wäre sie sich keiner Feindschaft bewußt, die ihr etwas anzuhaben vermöchte. Das Zimmer blieb still, nur von der Decke rieselte bisweilen ein feiner Staub, und die zackigen Lichtornamente am Boden rückten langsam beiseit. Die Erde kreist, dachte ich, mit mir, mit dieser Räuberin, mit den kleinen Sterbenden und Toten dieses Raumes und mit allen, von denen ich durch ein unendliches Meer getrennt bin. Draußen schnarchte Panja, und Elias war an meinem Rücken eingeschlafen. So nahm ich vorsichtig vom Kofferrand eine der großen indischen Landzigarren, die braun wie Torf und feucht wie Erde sind, zündete sie an und wartete auf den Morgen. Meine Gedanken zogen mit den Rauchwolken in die grünliche Dämmerung, und ihr Gegenstand war das Leben der Menschen und Tiere auf der merkwürdigen Erde.