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Man kann eine überraschende Neuigkeit auf verschiedene Art entgegennehmen: mit einem lauten, wilden Schrei oder ganz leise und sanft, mit einem Hochziehen der Brauen, mit einem geflüsterten Wort. So erging es Templar. Das Zimmer, in dem sie saßen, hatte sich urplötzlich verändert. Flammen schienen aus dem dichten, grauen Teppich emporzuzüngeln. Wäre der ruhig ihm gegenübersitzende Mann mit seinem kahlen, glänzenden Kopf aufgesprungen und hätte ihm jene Worte ins Gesicht geschleudert, es hätte ihn weniger erschüttert als diese ruhige, so selbstverständlich klingende Stimme, aus der völlige Aufrichtigkeit sprach.
»Ich lebe in beständiger Angst, ermordet zu werden!«
Templar war halb aufgestanden. Dann fiel er in seinen Stuhl zurück, unterdrückte einen Ausruf und saß aufrecht, wartend da. Endlich stieß er mühsam hervor: »Ich weiß nicht recht. Eins muß ich Ihnen von Anfang an sagen: ich bin kein professioneller Raufbold und möchte auch keiner sein.«
»Das ist ganz selbstverständlich«, antwortete Condon. »Sie sind aus anderm Holz geschnitzt. Ich will Sie auch nicht kaufen. Sie werden zwar ganz gut bei meinem Angebot abschneiden, aber vor allen Dingen hoffe ich, daß das Abenteuer Sie reizen wird. Ich bin von schrecklichen Gefahren umgeben. Wollen Sie mir in diesen Gefahren zur Seite stehen?«
Templar konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Die Einladung klingt etwas merkwürdig«, sagte Condon. »Das weiß ich wohl – aber ich glaube, Sie zu verstehen. Sie sind nicht nach dem Westen gekommen, um Rinder zu hüten, Gold zu graben oder Holz zu fällen. Sie müssen also hier sein, um sich zu zerstreuen – oder unterzutauchen –«
Er machte zwischen seinen Worten ganz kurze, tastende Pausen, aber Templar rührte sich nicht.
»Ich nehme an, daß Sie Aufregungen lieben, und ich darf wohl Ihre Abendunterhaltung gestern als Beweis dafür gelten lassen. Ich möchte mich, wenn Sie gestatten, noch etwas deutlicher ausdrücken. Wie gesagt, ich will Sie nicht kaufen. Bin ich nach dreißig Tagen noch am Leben, dann bekommen Sie – sagen wir – fünftausend Dollar! Es ist nicht nötig, daß Sie dauernd um mich sind – das können wir von Tag zu Tag oder, besser noch, von Stunde zu Stunde festlegen. Sie brauchen auch nicht Tag und Nacht auf dem Posten zu sein, denn die Sache liegt, kurz gesagt, so: die Gefahr wird mich wie eine heimtückische Schlange überfallen, und dann möchte ich Sie an meiner Seite haben, um die Schlange – oder vielmehr die Schlangen – zu töten.«
Templar seufzte und sagte dann: »Ich habe noch nie fünftausend Dollar auf einmal zusammen gesehen.«
Condon lehnte sich, als ob nun alles Notwendige gesagt sei, in seinen Stuhl zurück, stopfte sich eine Pfeife, setzte sie in Brand und starrte den Rauchwolken nach. Die Stille in dem Raum schien wie ein dunkler Schatten zu sein. Solange sie sprachen, hatte die Sonne warm durch die Fenster geschienen. Jetzt, da sie schwiegen, breitete sich eine kalte Dunkelheit aus; Sonne, Garten und Himmel wirkten wie matte, farblose Kulissen.
Endlich brach Templar das Schweigen. »Offen gestanden: ich hätte Lust zu der Sache, denn es sieht aus, als ob es an Abenteuern nicht mangeln würde. Mein gesunder Menschenverstand jedoch sagt mir: Hände weg! ... Für einen toten Mann haben ja fünftausend Dollar keinerlei Wert, und ich bin halb davon überzeugt, daß ich die dreißig Tage nicht überleben werde.«
»Sie haben zweifellos eine Chance, durchzukommen«, entgegnete Condon so ruhig, daß Templar ein wenig den Mund verzog.
»Eins zu zwei?« fragte er.
»Eins zu fünf!« verbesserte Condon.
»Und Sie? Ebenso?«
»Eins zu zwanzig ... Mir ist die Sache aber fünftausend Dollar wert, doch ich will Sie nicht kaufen. Ich kaufe kein Menschenleben!«
»Allmächtiger!« flüsterte der junge Mann, der tapfer genug war, um seine Furcht offen zugeben zu können. Er wollte gern mehr hören, denn er sehnte sich danach, überredet zu werden. Furcht und Abenteuerlust durchzitterten ihn. Doch Condon schwieg. Ruhig rauchte er weiter und beobachtete Zug um Zug die wirbelnden, sich zusammenballenden und wieder auseinanderflatternden Rauchwolken. Wie gebannt sah auch Templar dem Tanz der Schwaden zu. Plötzlich aber zwang er sich, wieder zur Sache zu kommen.
»Gut, sprechen wir weiter darüber!«
»Gern, wenn noch etwas zu sagen ist«, antwortete Condon freundlich.
Da riß Templar die Geduld. »Verflucht noch mal, Condon, Sie können doch unmöglich von einem Menschen verlangen, daß er mit offenen Augen in sein Verderben rennt!«
»Bitte, ich verlange gar nichts! Ich versuche nicht einmal, Sie zu überreden, weil ich glaube, daß Sie jung genug sind, sich selbst zu überreden, und weil ich nicht Ihr Blut an meinen Händen haben möchte ... Wir leben im Zeitalter des Geschäfts: ich habe Ihnen ein Geschäft vorgeschlagen, weiter nichts. Ich habe Sie nicht aufgefordert, sich für mich zu opfern!«
»Gewiß, gewiß, das weiß ich ja – nur ...« Lebhafter fuhr er nach einer Weile fort: »Herr Condon, Sie spielen hier in der Gegend die erste Geige, da würde der Sheriff mit seinen Reitern doch gern Ihr Haus bewachen.«
»Aber einer dieser Reiter würde mich von hinten niederschießen!« fiel Condon ein.
»Ach – so steht die Sache! Sie haben also viele Feinde? Wer ist eigentlich hinter Ihnen her?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber, Herr Condon, Sie müssen doch einen Verdacht haben!«
»Nicht den leisesten.«
»Sie haben wohl bei Ihren Geschäften immer mit Samthandschuhen zugegriffen?«
Condon überhörte die Ironie. »Ich habe manchem auf die Füße getreten«, gab er mit dem ihm eigenen Freimut zu. »Gewiß, ich habe manchem auf die Füße getreten und wohl auch dem einen oder dem anderen das Herz gebrochen.«
»Männer morden aber nicht wegen einer gebrochenen Zehe, und gebrochene Herzen schießen nicht aus dem Hinterhalt!«
»Nein, für gewöhnlich nicht«, sagte Condon. »Das hab' ich mir auch bereits gesagt.«
Als ob er sich nicht alles genau vorher überlegte, sagte sich Templar, dessen Achtung vor diesem sonderbaren Mann von Minute zu Minute wuchs und sich zu einer fast ehrfürchtigen Scheu steigerte. Er konnte ihn durchaus nicht besser leiden als vorher, kein wärmeres Gefühl regte sich in ihm, aber der Kerl machte einen immer bedeutenderen Eindruck auf ihn.
»Sie sind reich, Herr Condon. Sind Sie eigentlich sehr reich?«
»Die Zeitungen schätzen mich auf zwanzig Millionen. So reich bin ich aber nicht; ich besitze kaum den vierten Teil. Ich bin kein gewaltiger Geldmann, aber ich bin reich. Ja«, sagte er langsam, »ich bin sehr reich, und wenn ich noch einen Monat am Leben bleibe, werde ich noch viel reicher sein – viel, viel reicher!«
Zum erstenmal klang Leidenschaft aus seiner Stimme, eine Leidenschaft, die sich auf seine letzten drei Worte konzentrierte. Und da gingen Templar die Augen auf. Er hatte eine Vision: Stapel von Gold, Berge von Säcken voller Gold, zum Platzen voll, Goldstaub und Goldkörner, wuchtigen Stroms, quollen an allen Enden hervor.
»Hier in der Gegend«, sagte Templar, »scheinen Sie recht beliebt zu sein. Hier dürften Sie wohl kaum viel Feinde haben.«
»Vielleicht gekaufte!« sagte Condon. »Eine gekaufte Kugel trifft aber ebenso gut, nicht?«
Das klang wie eine Frage, und da brachen Templars Gefühle sich Bahn.
»Nein, nein!« rief er. »Bei Gott, das ist nicht wahr. In der Ehrlichkeit liegt Kraft. Ein ehrlicher Mann ist stärker.«
»Das hat man gestern in Last Luck erfahren«, lächelte Condon.
»Sie wissen nicht mal, wie viele es sind? Ist es eine ganze Bande, oder ist es nur einer?«
»Etwas weiß ich«, sagte Condon ausweichend, öffnete eine Schreibtischschublade und holte unter einem Haufen von Papieren ein schwarzes Kästchen hervor.
»Das ist nicht Leder, sondern guter, harter Stahl. Ich benutze diese Kästchen als Zigarrentaschen. Sie sind wasserdicht und unnötig stark; aber ich liebe unnötige Stärke! Sehen Sie, da!«
Condon drehte das Etui herum und hielt es Templar hin. Die Rückseite war durch einen spitzen Gegenstand eingebeult und der schwarze Lack ringsum abgesplittert, so daß man den harten, glänzenden Stahl sah.
»Ferner weiß ich folgendes«, sagte Condon. »Hier die erste Botschaft!« Mit diesen Worten nahm er aus derselben Schublade einen eingewickelten Gegenstand, packte ihn aus und zeigte Templar ein Messer mit einer zehn Zentimeter langen, scharf zugespitzten Klinge und einem sehr schweren Griff.
»Fühlen Sie, wie schwer das ist!«
Das Messer war für seine Größe ungeheuer schwer. Vermutlich war der Griff mit Blei ausgegossen.
»Das kam eines Abends, als ich hier arbeitete, durchs Fenster geflogen. Sehen Sie, wo es getroffen hat?« Er zeigte auf einen tiefen, schmalen Schnitt im Holz. »Und hier ist noch mehr.«
Aus derselben Schublade nahm er ein kleines Fläschchen mit einer dunkelgrünen Flüssigkeit, das in der Sonne prachtvoll glänzte.
»Ich bin etwas herzleidend, aber es ist nichts Gefährliches. Digitalis tut mir sehr gut. In dieser Flasche ist Digitalis. Es hat einen eigentümlichen bitteren Geschmack. Arsenik schmeckt ungefähr ebenso. In dieser zweiten Flasche hier ist Arsenik. Nicht das gewöhnliche weiße Pulver, sondern ein äußerst feines, wunderbares Arsensublimat, das in Italien im goldenen Zeitalter der Giftmorde viel verwendet wurde. Würde ich hiervon zehn Tropfen nehmen, wäre ich tot, ehe der Morgen dämmerte.«
Er legte alles wieder in die Schublade zurück und sagte: »Das passierte vorige Woche.«
»Um Gottes willen«, sagte der junge Mann und hielt sich schaudernd seine starken Hände vors Gesicht. »Ich bin Ihr Mann!« rief er aus. »Natürlich helfe ich Ihnen!«
Er streckte Condon die Hand hin; der aber schüttelte den Kopf.
»Ich danke Ihnen«, sagte er. »Ich freue mich, daß Sie zu mir kommen, aber wir wollen die Sache als ein Geschäft behandeln. Gefühlsduselei trübt den Blick.«