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Seit dem Erscheinen der zweiten, von Alfred Brehm noch selbst bearbeiteten Auflage des »Tierlebens«, der das im vorstehenden Mitgeteilte entstammt, ist unsere Kenntnis der Menschenaffen in vieler Hinsicht erweitert worden. Der deutsche, inzwischen leider wieder verloren gegangene Kolonialbesitz im Verein mit den vor dem Kriege von Jahr zu Jahr bequemer und billiger werdenden Reisegelegenheiten brachte es mit sich, daß nicht nur die Zahl der nach Deutschland gelangenden Menschenaffen gewaltig anwuchs, sondern daß auch das Freileben der Tiere in ihren Heimatländern von Forschern und Jägern eingehender beobachtet wurde. Es liegt nicht im Plane dieses Büchleins, das Neue hier vollständig nachzutragen, zumal die von Brehm entworfenen Bilder im großen und ganzen auch heute noch als durchaus gelungen gelten können. Wie trefflich er zu beobachten wußte und wie genial er die Seele des Tieres auf Grund ihrer Äußerungen erkannte, dafür ist die Schilderung des Schimpansen auf Seite 51–67 geradezu ein Musterbeispiel. Nur zweierlei sei hier noch nachgetragen: erstens die fesselnde Schilderung des weltberühmten Gorillas »Mpungu«, den um die Mitte der siebziger Jahre die deutsche Loango-Expedition als ersten nach Europa brachte, und zweitens die wichtigen Forschungsergebnisse, die an gefangenen Schimpansen auf Teneriffa gemacht worden sind.
Die mancherlei menschenähnlichen Züge, die man bei den Affen seit langem kannte, vor allem die starke Ähnlichkeit, die ihr Großhirn verglichen mit unserem aufweist, legten nämlich die Frage nahe, ob wohl die großen Menschenaffen (und ganz besonders die Schimpansen) verständig und einsichtsvoll handeln könnten, sobald es die Umstände nötig machten, mit anderen Worten: ob diese Tiere ein wirkliches Denkvermögen besäßen. Der größte Teil der Tierpsychologen vertrat sehr hartnäckig die Behauptung, daß eigentliche Intelligenz, also Einsicht in ursächliche Zusammenhänge, ausschließlich beim Menschen zu finden sei; die Fähigkeit, durch Erfahrung zu lernen, gestand man den Tieren bereitwillig zu, Zweckbewußtsein und Schlußvermögen sprach man ihnen dagegen ab – im Gegensatz zu Alfred Brehm, der Zeit seines Lebens den Satz verfocht: »wer den Verstand der Tiere leugnet, ruft um den eigenen Sorge wach«. Man scheute sich vor dem Zugeständnis, daß zwischen der Leistung des Menschengehirns und der Geistestätigkeit der Tiere zwar ein bedeutender Unterschied sei, daß aber der Unterschied nur den Grad und nicht das Wesen der Leistung betreffe. Das Material an Beobachtungstatsachen sei, wie man sagte, noch viel zu gering und lange nicht einwandfrei genug, als daß man die tierische Intelligenz bereits für erwiesen halten könne. Da setzte nun in dem letzten Jahrzehnt (1912–1920) die Teneriffa-Forschung ein, die »Intelligenzprüfung« an Schimpansen, und zwar in einer Beobachtungsstation, für welche die Preußische Akademie der Wissenschaften die Mittel hergab. Neun Schimpansen aus Kamerun, von denen zwei leider frühzeitig starben, wurden dort von Berufspsychologen auf ihre Fähigkeiten examiniert, und das Ergebnis der sorgsamen Prüfung nach wissenschaftlichen Grundsätzen war, daß das Verhalten der Schimpansen unzweideutig Einsicht bewies und daß man ihnen das Ehrenzeugnis intelligenzbegabter Geschöpfe auf Grund ihrer Leistungen ausstellen mußte. Die größten Erfolge mit den Schimpansen erzielte Prof. Wolfgang Köhler, der jetzt den Lehrstuhl für Psychologie an der Göttinger Hochschule innehat. Auf seinen ausführlichen Berichten über die Teneriffa-AffenWolfgang Köhler, Intelligenzprüfungen an Menschenaffen, Zweite, durchgesehene Auflage, Berlin 1921. beruhen auch unsere Ausführungen.
Zunächst nun die Schilderung des Gorillas, den Stabsarzt Dr. J. Falkenstein von der Loango-Expedition mit Glück und Geschick nach Deutschland brachte.
»Wie so oft glückliche Ereignisse von kleinen Zufälligkeiten abhängen,« erzählt der Genannte,Die Loango-Expedition. Zweite Abteilung. Von Dr. J. Falkenstein. Leipzig 1888. »so sollte auch uns durch die beschleunigte Reise noch am Schlusse ein Resultat zuteil werden, das mehr als alle glücklich überwundenen Schwierigkeiten, mehr als alle wissenschaftlichen Forschungen zusammengenommen die Expedition in weiteren Kreisen bekannt gemacht hat. Als ich am zweiten Oktober (1875) Pontanegra erreichte und in das Magazin des Portugiesen Laurentino Antonio dos Santos trat, um einige Zeuge und Rum zu entnehmen, fand ich einen jungen Gorilla, den wir leider vorher vergeblich im Walde zu erhalten gesucht hatten, an der Brückenwage gefesselt vor. Vor wenig Tagen hatte ihn ein Neger, der die Mutter geschossen hatte, aus dem Innern gebracht, und man suchte ihn nun, so gut es ging, so lange zu ernähren, bis der nächste vorbeipassierende Dampfer ihn für einen möglichst hohen Preis mit nach Europa nehmen konnte. Es war ein junges Männchen, das elend genug aussah, weil es bisher von den vorgesetzten Waldfrüchten wenig genossen hatte, und es wäre zweifellos zugrunde gegangen wie seine Vorgänger bei ähnlichen früheren Versuchen, wenn man es in diesem Zustande an Bord eines Schiffes gebracht hätte. Schon jetzt glaubte ich nicht, daß es möglich sein würde, das Tier am Leben zu erhalten, hoffte jedoch, es bis Tschintschotscho zu bringen, um wenigstens die erste Photographie eines lebenden Gorilla aufnehmen zu können, und bot daher jeden erschwingbaren Preis, wenn er mir überlassen würde. Herr Laurentino lehnte dies jedoch ab mit dem Bemerken, daß er sich freue, mir im Namen aller seiner Landsleute, die ich stets so uneigennützig behandelt und gepflegt hätte, eine Anerkennung zuteil werden zu lassen; er bäte mich herzlich, den Affen als Geschenk von ihm anzunehmen. Da ich den Wert des Gorillas kannte, im Fall es gelingen sollte, ihn lebend nach Europa zu führen, sträubte ich mich anfänglich, von der Liebenswürdigkeit Gebrauch zu machen, ließ jedoch bald dem wahrhaft herzlichen Anerbieten gegenüber und in der Erwägung, daß in anderen Händen der Wert doch ein sehr fraglicher war, jedes Bedenken schwinden und verabschiedete mich mit ihm unter lebhaftem Danke, den ich hier, nachdem die damals bewiesene Uneigennützigkeit so herrliche Früchte für die afrikanische Gesellschaft getragen hat, noch einmal in wärmster Weise wiederhole.
Auf der Station angekommen, war es meine erste Sorge, alle erreichbaren Waldfrüchte holen zu lassen und eine Mutterziege zu erwerben, um die ziemlich gesunkenen Kräfte des jungen Anthropomorphen zu heben; selbstverständlich verfolgten wir seine Freßversuche mit großem Interesse und fühlten uns in hohem Grade erleichtert, als er nicht nur die Milch mit Behagen trank, sondern auch verschiedene Früchte, namentlich aber die walnußgroßen der knorrigen, in den Savannen wachsenden Anona senegalensis mit sichtlich erwachtem Appetite auswählte. Trotzdem blieb er noch längere Zeit so matt, daß er während des Fressens einschlief und den größten Teil des Tages in einer Ecke zusammengekauert schlafend verbrachte. Nach und nach gewöhnte er sich an die Kulturfrüchte wie Bananen, Guayaven, Orangen, Mango und begann, je kräftiger er wurde und je öfter er bei unseren Mahlzeiten zugegen war, alles, was er genießen sah, selbst gleichfalls zu versuchen. Indem er so allmählich dahin gebracht wurde, jegliche Nahrung anzunehmen und zu vertragen, wuchs die Aussicht, ihn glücklich nach Europa zu transportieren.
Dies ist gewiß der einzige Weg, später andere und vielleicht ältere Exemplare für die Überfahrt fähig zu machen; jeder Versuch, sie unmittelbar nach der Erlangung, ohne vorherige Entwöhnung von der alten Lebensweise, ohne sie den veränderten Verhältnissen ganz langsam und planmäßig anzupassen, an Bord zu bringen, wird immer wieder von neuem ein mehr oder weniger schnelles Hinsiechen und den Tod zur Folge haben.
Man darf, in einem sehr verbreiteten Vorurteil befangen, durchaus nicht ängstlich sein, jeder Art von Affen Fleischnahrung in irgendeiner Form zu verabreichen; das lehren sie uns selbst, wenn wir sie im Freien zu beobachten Gelegenheit haben, indem sie mit wahrer Leidenschaft den Insekten, namentlich Spinnen und Heuschrecken nachstellen, aber auch Vögel und Eier eifrig zu erlangen streben. Für Schimpansen sind Ratten Leckerbissen, die sie gegen alle Gelüste der Genossen energisch verteidigen, und ebenso verlangt der Gorilla nach Fleisch, das er zum guten Gedeihen notwendig braucht. Im Walde wird er sich, wenn die Jagd ungünstig ist, vielleicht oft mit Früchten begnügen müssen, wenigstens fand ich bei zwei großen erlegten Schimpansen nur vegetabilische Reste im Magen, doch bin ich überzeugt, daß der Befund ein zufälliger war und daß man bei anderen Gelegenheiten den Nachweis der tierischen Kost leicht wird führen können.
Wenn in anderen Berichten die Wildheit auch junger Gorillas besonders betont und das Unwahrscheinliche ihrer Zähmbarkeit ausgesprochen worden ist, so waren wir bei dem unsrigen in der Lage, gerade entgegengesetzte Erfahrungen zu machen. Er gewöhnte sich in wenigen Wochen so sehr an seine Umgebung und die ihm bekannt gewordenen Personen, daß er frei herumlaufen durfte, ohne daß man Fluchtversuche hätte zu befürchten brauchen. Niemals ist er angelegt oder eingesperrt worden, und er bedurfte keiner anderen Überwachung als einer ähnlichen, wie man kleinen umherspielenden Kindern angedeihen läßt. Er fühlte sich so hilflos, daß er ohne den Menschen nicht fertig werden konnte und in dieser Einsicht eine wunderbare Anhänglichkeit und Zutraulichkeit entwickelte. Von heimtückischen, bösen, wilden Eigenschaften war keine Spur vorhanden, zuweilen aber zeigte er sich recht eigensinnig. Er hatte verschiedene Töne, um den in ihm sich entwickelnden Ideen Ausdruck zu geben; davon waren die einen eigentümliche Laute des eindringlichsten Bittens, die anderen solche der Furcht und des Entsetzens. In selteneren Fällen wurde noch ein widerwilliges, abwehrendes Knurren vernommen.
Was Du-Chaillu über das eigentümliche Trommeln der Gorillas berichtet, fanden wir völlig bewahrheitet, da unser ›Mpungu‹ zu verschiedenen Malen, augenscheinlich im Übermaß des Wohlbefindens und aus reiner Lust, die Brust mit beiden Fäusten bearbeitete, indem er sich dabei auf die Hinterbeine erhob. Außerdem gab er seiner Stimmung häufig in rein menschlicher Weise durch Zusammenschlagen der Hände, das ihn nicht gelehrt worden war, Ausdruck und vollführte zu Zeiten – sich überstürzend, hin und hertaumelnd, sich um sich selbst drehend – so ausgelassene Tänze, daß wir manchmal bestimmt glaubten, er müsse sich auf irgendeine Weile berauscht haben. Doch war er nur aus Vergnügen trunken; nur dies ließ ihn das Maß seiner Kräfte in den übermütigsten Sprüngen erproben.
Besonders auffällig war die Geschicklichkeit und Behutsamkeit, die er beim Fressen an den Tag legte. Kam zufällig einer der übrigen Affen ins Zimmer, so war nichts vor ihnen sicher, alles faßten sie neugierig an, um es dann mit einer gewissen Absichtlichkeit von sich zu weisen oder achtlos fallen zu lassen. Ganz anders der Gorilla: er nahm jede Tasse, jedes Glas mit einer natürlichen Sorgfalt auf, umklammerte das Gefäß mit beiden Händen, während er es zum Munde führte, und setzte es dann leise und vorsichtig wieder nieder, so daß ich mich nicht erinnere, ein Stück unserer Wirtschaft durch ihn verloren zu haben. Und doch haben mir das Tier niemals den Gebrauch der Geräte noch andere Kunststücke gelehrt, damit wir es möglichst naturwüchsig nach Europa brächten. Ebenso waren seine Bewegungen während des Fressens ruhig und manierlich; er nahm von allem nur so viel, als er zwischen dem Daumen, dem dritten und Zeigefinger fassen konnte, und schaute gleichgültig zu, wenn von den vor ihm aufgehäuften Futtermengen etwas weggenommen wurde. Hatte er aber noch nichts erhalten, so knurrte er ungeduldig, beobachtete von seinem Platze bei Tische aus sämtliche Schüsseln genau und begleitete jeden von den Negerjungen abgetragenen Teller mit ärgerlichem Brummen oder einem kurz hervorgestoßenen grollenden Husten, suchte auch wohl den Arm der Vorbeikommenden zu erwischen, um durch Beißen oder täppisches Schlagen sein Mißfallen noch nachdrücklicher kund zu tun. In der nächsten Minute spielte er wieder mit ihnen wie mit seinesgleichen und unterschied sich dadurch gänzlich von allen übrigen Affen, namentlich den Pavianen. Er trank saugend, indem er sich zu dem Gefäß niederbückte, ohne je mit den Händen hineinzugreifen oder es umzustoßen, setzte kleinere jedoch auch an den Mund. Im Klettern war er ziemlich geschickt, doch ließ sein Übermut ihn hin und wieder die gebotene Vorsicht vergessen, so daß er einmal aus den Zweigen eines glücklicherweise nicht hohen Baumes auf die Erde herabfiel. Es scheint aber, als würden die Bäume nur von ihnen erstiegen, um Nahrung zu suchen, während der gewöhnliche Aufenthaltsort der Waldboden ist. Ebenso bleiben sie gewiß nachts auf der Erde und raffen sich von allen Seiten Blätter und Reisig zum Lager zusammen, wie wir es den unsrigen oft tun sahen. Bemerkenswert war dabei seine Reinlichkeit; denn wenn er zufällig in Spinngewebe oder Abfallstoffe gegriffen hatte, so suchte er sich mit einem komischen Abscheu davon zu befreien oder hielt beide Hände hin, um sich helfen zu lassen. Ebenso zeichnete er sich selbst durch völlige Geruchlosigkeit aus und liebte über alles, im Wasser zu spielen und herumzupatschen. Von all den seine Individualität scharf ausprägenden Eigenschaften verdient seine Gutmütigkeit und Schlauheit oder eigentlich Schalkhaftigkeit hervorgehoben zu werden: war er, wie dies wohl anfänglich geschah, gezüchtigt worden, so trug er die Strafe niemals nach, sondern kam bittend heran, umklammerte die Füße und sah mit so eigentümlichem Ausdruck empor, daß er jeden Groll entwaffnete; wollte er überhaupt etwas erreichen, so konnte kein Kind eindringlicher und einschmeichelnder seine Wünsche zu erkennen geben als er. Wurde ihm trotzdem nicht gewillfahrtet, so nahm er seine Zuflucht zur List und spähte eifrig, ob er beobachtet würde. Gerade in solchen Fällen, in denen er mit Beharrlichkeit eine gefaßte Idee verfolgte, war ein vorgefaßter Plan und richtige Überlegung bei der Ausführung unverkennbar. Sollte er z. B. nicht aus dem Zimmer heraus oder umgekehrt nicht hinein und waren mehrere Versuche seinerseits, seinen Willen durchzusetzen, abgewiesen worden, so schien er sich in sein Schicksal zu fügen und legte sich unweit der betreffenden Tür mit erheuchelter Gleichgültigkeit nieder; bald aber richtete er den Kopf auf, um sich zu vergewissern, ob die Gelegenheit günstig sei, schob sich allmählich näher und näher, indem er, sorgfältig Umschau haltend, sich um sich selbst drehte, richtete sich an der Schwelle angekommen behutsam auf und galoppierte dann, mit einem Sprunge darüber setzend, so eilfertig davon, daß man Mühe hatte, ihm zu folgen. Mit ähnlicher Beharrlichkeit verfolgte er sein Ziel, wenn er Appetit nach Zucker oder Früchten, die in einem Schranke des Eßraumes aufbewahrt wurden, erwachen fühlte; dann verließ er plötzlich sein Spiel, schlug eine seiner Absicht entgegengesetzte Richtung ein, die er erst änderte, wenn er außer Sehweite gekommen zu sein glaubte. Dann aber eilte er direkt in das Zimmer und zu dem Schranke, öffnete ihn und tat einen behenden, sicheren Griff in die Zuckerbüchse oder die Fruchtschüssel (zuweilen zog er sogar die Schranktüre wieder hinter sich zu), um dann behaglich das Erbeutete zu verzehren oder schleunigst damit zu entfliehen, wenn er entdeckt war; in seinem ganzen Wesen verriet er dabei deutlich das Bewußtsein, auf unerlaubten Pfaden zu wandeln. Ein eigentümliches, fast kindisch zu nennendes Vergnügen gewährte es ihm, durch Klopfen an hohle Gegenstände Töne hervorzurufen, und selten ließ er eine Gelegenheit vorübergehen, ohne beim Passieren von Tonnen, Schüsseln oder Blechen dagegen zu trommeln; auch trieb er dieses übermütige Spiel sehr häufig während unserer Heimreise auf dem Dampfer, wo er sich ebenfalls frei bewegen durfte. Unbekannte Geräusche waren ihm aber in hohem Grade zuwider. So ängstigte ihn der Donner oder auf das Blätterdach prasselnder Regen, mehr aber noch der langgezogene Ton einer Trompete oder Pfeife so sehr, daß stets sympathisch eine beschleunigte Verdauung angeregt wurde, die es geraten erscheinen ließ, ihn in möglichster Entfernung von sich zu halten.
Unter fortgesetzter Pflege gedieh unser Schützling zusehends bis zu Anfang Februar 1876; zu dieser Zeit aber befiel ihn eine schwere, mit Konvulsionen verbundene Krankheit, die nur als eine eigentümliche heftige Malaria-Infektion gedeutet werden konnte. Vier Wochen lang fürchteten wir täglich ihn zu verlieren, bis seine außerordentlich kräftige Konstitution und vielleicht der konsequente Gebrauch von Chinin und Kalomel endlich den Sieg davontrug und ihn allmählich der Genesung entgegenführte. Die unendliche Mühe, die Mpungu allen Expeditionsmitgliedern gemacht hatte, wurde reichlich durch die Aufmerksamkeit, die ihm während seines ziemlich anderthalbjährigen Aufenthaltes in Berlin von allen Seiten gezollt wurde, aufgewogen; und wenn ihn auch schließlich die allen Menschenaffen Verderben drohende Lungenkrankheit gleichfalls hinwegraffte, so war dann ein Verlust für die Wissenschaft wenigstens nicht mehr zu beklagen.
Tatsächlich erfolgte der Tod unter den Erscheinungen der galoppierenden Schwindsucht, der sich in den letzten Tagen ein heftiger Magendarmkatarrh hinzugesellt hatte. Die übrigens in Gegenwart der ersten pathologisch-anatomischen Autorität (Virchow) vorgenommene Obduktion ergab noch das überraschende Resultat, daß Mpungu mehrere sehr schwere Krankheiten in der kurzen Zeit seines Lebens, und zwar wahrscheinlich der letzten Periode, durch seine außerordentlich kräftige Konstitution überwunden hatte. Es zeigten sich nicht nur die Reste einer früheren Herzbeutel- und Brustfellentzündung, sondern auch einer sehr ausgedehnten Darmerkrankung. Diese alle hatte er glücklich durchgemacht, und wäre es nicht gerade dieses unheilbare Übel gewesen, dem er erlag, so wäre es der wahrhaft aufopfernden Pflege seines Besitzers und Wärters wohl gelungen, ihn noch jahrelang der Wissenschaft zu erhalten.«
Über die Weiterentwicklung dieses Gorillas im alten Berliner Aquarium berichtete der damalige Direktor Hermes ausführlich in einem während der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg (1877) gehaltenen Vortrage. »Das Berliner Aquarium hat seit Jahren großen Wert auf den Besitz menschenähnlicher Affen gelegt. Innerhalb der letzten Jahre ist es in den Besitz aller vier Anthropomorphen gelangt: des Gibbons, des Orangs, des Schimpansen und des Gorillas. Ich hatte daher die beste Gelegenheit, über ihr Gefangenleben eingehende Studien zu machen und Vergleiche anzustellen. Auf der niedrigsten Stufe stehend, ist der kleinste derselben, der Gibbon, zugleich der zarteste und geschickteste von allen. Das mit weißem Barte umrahmte Gesicht und die abenteuerlich langen Arme geben ihm ein merkwürdiges Aussehen. Er ist der einzige, welcher auf ebener Erde gehend stets einen aufrechten Gang besitzt. Freilich ist sein Gang mehr ein Balancieren, er erinnert an einen Seiltänzer, der mit seinem halb ausgestreckten Armen das Gleichgewicht zu halten sucht. Als Bewohner des Waldes klettert er vortrefflich und führt, von Ast zu Ast sich schwingend, die weitesten und elegantesten Sprünge aus.
Ihm gegenüber ist der Orang ein ungeschickter und phlegmatischer Geselle. Jung zutraulich und liebenswürdig, wird er mit zunehmendem Alter wild und ungebärdig. Es vergingen Monate und es bedurfte täglicher Leckerbissen, ehe ich wagen durfte, mich dem großen Orang, dem größten, der jemals in Gefangenschaft war, zu nähern. Seinem Aussehen nach war er ein wahres Scheusal. Die rote zottige Behaarung, die eng aneinandergerückten kleinen tückischen Augen in dem glatten Gesicht, die Abscheu erregenden Manieren, das furchtbare Gebiß ließen ihn als ein teuflisches Ungeheuer erscheinen, bei dessen Anblick man kaum glauben konnte, daß in ihm eine im ganzen gutmütige Natur steckte. Es gehörte nicht viel Phantasie dazu, ihn für einen wegelagernden Waldstrolch zu halten.
Im Gegensatze zu dem linkischen Orang bietet der Schimpanse ein Bild der ausgelassensten Munterkeit und Geschicklichkeit, an Intelligenz jenen weit überragend. Die liebenswürdigste aller Schimpansinnen, Tschego, kannte ihre Umgebung genau und gehorchte aufs Wort. Als ein die Reinlichkeit über alles liebendes Fräulein putzte und polierte sie die Glasscheiben ihres Käfigs. Sie kannte und benutzte die zum allgemeinen Affenkäfig und zum Orang führenden Schlüssel, suchte sie sogar aus dem Bunde heraus. Unter den Affen hatte sie ihre ausgesprochenen Lieblinge, mehr noch liebte sie Kinder, und je kleiner diese waren, desto mehr beschützte sie diese. Größere behandelte sie mehr als ihresgleichen, scherzte mit ihnen, teilte Ohrfeigen aus und tat es ihnen im Purzelbaumschlagen zuvor. Als sie vor einiger Zeit einem Herzleiden erlag, war mir zumute, als ob ein alter Bekannter von mir geschieden wäre. Ein anderer Schimpanse, zwar schon zwei Jahre in Gefangenschaft, aber noch wild und ungezogen, ersetzt zwar die Art, nicht aber entfernt das Temperament, die Tugenden Tschegos.
Von allen Menschenaffen der vornehmste aber ist der Gorilla. Es ist, als habe er ein Adelspatent mit auf die Welt gebracht. Unser etwa zwei Jahre alter männlicher Gorilla hat eine Höhe von fast drei Fuß erreicht. Sein Körper ist bedeckt mit seidenweichem, graumeliertem, auf dem Kopfe rötlichem Haare. Seine derbe, gedrungene Gestalt, seine muskulösen Arme, sein glattes, glänzend schwarzes Gesicht mit den wohlgeformten Ohren, das große, kluge, neckische Auge geben ihm etwas frappant Menschenähnliches. Er würde einem Negerknaben gleichen, wenn die Nase förmlicher gestaltet wäre. Dieser Eindruck steigert sich durch die Unbeholfenheit seines ganzen Wesens; jede seiner Bewegungen läßt einen mehr tölpelhaften Buben als einen Affen erkennen. Wenn er, dasitzend wie eine Pagode, seinen Blick über das ihn anstaunende Publikum schweifen läßt und dann mit nickendem Kopfe plötzlich in die Hände klatscht, hat er sich im Nu die Herzen aller erobert. Er verkehrt gern in großer Gesellschaft, unterscheidet jung von alt, männlich von weiblich. Gegen Kinder von zwei bis drei Jahren ist er liebenswürdig, er küßt sie gern und läßt sich alles gefallen, ohne jemals von seinen überlegenen Kräften Gebrauch zu machen. Ältere Kinder behandelt er schon schlechter; läßt er sich auch gern auf das Spielen mit ihnen ein, rennt mit ihnen um die Wette um den Tisch und Stühle, die er häufig umwirft, dabei in neckischer Weise bald diesem, bald jenem einen Schlag mit der Oberfläche seiner Hand versetzend, so geniert er sich auch nicht im mindesten, mitten im Spiele ein Bein zu erfassen und seine Zähne daran zu probieren. Auf dem Arme von Damen benimmt er sich höchst dankbar, er umarmt sie und bleibt, sich an ihre Schulter lehnend, gern längere Zeit auf ihrem Schoße. Im allgemeinen Affenkäfig spielt er gern, und hier ist er der unbedingte Beherrscher, selbst der Schimpanse ordnete sich ihm widerstandslos unter. Er behandelte diesen aber ebenbürtiger, indem er ihn fast ausschließlich als Spielgefährten erwählte und ihn, wenn auch manchmal etwas derb, liebkoste, während er mit dem gemeinen Affengesindel rücksichtslos verkehrte. Er packte den Schimpansen, und ihn festhaltend, wälzte er sich mit ihm auf der Erde. Entwischte er ihm, so fiel der Gorilla wie ein ungeschickter Knabe mit vorgestreckten Hände auf die Erde. Sein Gang hat mit dem des Schimpansen viel Ähnlichkeit, er geht auf der Sohle des Fußes, indem er sich wie jener auf die Außenflächen der Hand stützt. Aber er setzt die Füße mehr auswärts und trägt den Kopf aufrecht mit einer Vornehmheit, die den Eindruck hinterläßt, als gehöre er den höheren Ständen an. In guter Laune, die ihn übrigens selten verläßt, steckt er die Spitze der roten Junge aus dem glänzendschwarzen Gesichte, was den negerbubenhaften Eindruck noch erhöht.
Menschenähnlich wie sein ganzes Wesen ist auch die Weise, wie er lebt. Morgens um die achte Stunde erhebt er sich von seinem Lager, setzt sich aufrecht hin, gähnt, kratzt sich an einigen Stellen seines Körpers und bleibt schlaftrunken, teilnahmlos, bis er seine Morgenmilch eingenommen hat, die er aus einem Glase zu trinken pflegt. Nunmehr, ganz ermuntert, verläßt er sein Bett, sieht sich in der Stube um, ob er für seine Zerstörungslust einen Gegenstand findet, guckt zum Fenster hinaus, fängt zu klatschen und in Ermangelung passenderer Gesellschaft mit dem Wärter zu spielen an. Stets muß dieser bei ihm sein. Nicht einen Augenblick bleibt er ganz allein. Mit schrillen Tönen schreit er, wenn er sich von diesem verlassen findet. Um neun Uhr wird er gewaschen, was ihm wohlgefällt. Mit grunzendem Tone gibt er seiner Freude hierüber Ausdruck. Dem Zusammenleben mit dem Wärter entsprechend hält er seine Mahlzeiten wie dieser. Zum Frühstück erhält er ein Paar Wiener, Frankfurter oder Jauersche Würste oder ein mit Hamburger Rauchfleisch, Berliner Kuhkäse oder sonstwie belegtes Butterbrot. Dazu trinkt er am liebsten seine kühle Weiße: höchst originell sieht es aus, wenn er das umfangreiche Glas mit seinen kurzen, dicken Fingern anfaßt, das ihm entfallen würde, wenn er nicht einen Fuß zu Hilfe nähme. Obst ißt er gern und viel, von Kirschen sondert er sorgfältig die Kerne. Um ein Uhr bringt die Frau des Wärters ihm sein Essen. Solange er während des heißen Sommers in meiner Wohnung lebte, erwartete er sehnsuchtsvoll diese Stunde. Er ließ es sich nicht nehmen, die Korridortür selbst zu öffnen, wenn es klingelte. Erscheint die Frau, so untersucht er die Speisen und nascht gern von dem, was ihm am besten schmeckt. Eine Ohrfeige ist die gewöhnliche Folge seiner Naschhaftigkeit, und artig erwartet er dann, nicht einen Blick von den Speisen wendend, den Beginn der Mahlzeit. Zuerst eine Tasse Bouillon. Im Nu ist diese bis auf die Nagelprobe geleert. Dann gibt es Reis oder Gemüse, vornehmlich Kartoffeln, Mohrrüben oder Kohlrabi mit Fleisch gekocht. Die Frau hält darauf, daß er sich anständig benimmt, und er gebraucht in der Tat den Löffel schon mit Geschick. Sobald er sich aber unbeobachtet glaubt, fährt er mit dem Munde in die Schüssel. Zum Schlusse ist ihm ein Stück eines gebratenen Huhnes am willkommensten. Er ist kein Kostverächter: was der Wärter ißt, ist auch seine Speise, und an Menge gibt er diesem nicht viel nach. Ist das Essen vorüber, so will er seine Ruhe haben. Ein ein- bis anderthalbstündiger Schlaf macht ihn wieder aufgelegt zu neuem Spiele. Nachmittags erhält er Obst, abends Milch oder Tee und Butterbrot. Um neun Uhr geht er zur Ruhe. Er liegt auf einer Matratze, in eine wollene Decke eingehüllt. Der Wärter bleibt bei ihm sitzen, bis er eingeschlafen ist, was bei seinem großen Bedürfnisse nach Schlaf nicht allzu lange dauert. Lieber schläft er mit dem Wärter in einem Bette, wobei er ihn umfaßt und den Kopf auf eine Stelle seines Körpers legt. Er schläft fest die ganze Nacht hindurch und pflegt vor acht Uhr nicht zu erwachen.
Auf diese Weise hat der Gorilla gleichmäßig gelebt und sich so wohl dabei befunden, daß sein Gewicht sich von 31 auf 37 Pfund vermehrt hat. Da plötzlich, vor etwa vierzehn Tagen, erkrankte er an einer Luftröhrenentzündung, mit der ein starkes Fieber verbunden war. Der sonst so muntere Affe lag teilnahmlos im Bette, hustete und röchelte, daß es ein Jammer war. Dabei verhielt er sich höchst unliebenswürdig, so daß er biß, wenn man ihn berührte. Fast acht Tage dauerte dieser besorgniserregende Zustand; außer Tee und Wasser nahm er nichts zu sich. Mehrere Ärzte versammelten sich täglich mehrmals an seinem Bette, darunter sein treuer Pfleger aus Afrika; er wurde mit Chinin behandelt und mußte Emser Kränchen trinken. Nachdem er das Bittere des Chinins das erste Mal gekostet, zog er später bei jedesmaliger Annäherung des Teelöffels die Decke über den Kopf. In seinem großen Krankenzimmer wurde stets eine gleichmäßige, mit Wasserdunst geschwängerte Temperatur von 19 Grad erhalten. Er erholte sich schnell, und als ich ihn am Sonntag verließ, aß er wieder, zeigte die Zunge und klatschte in die Hände, untrügliche Zeichen seines Wohlbefindens. Vor wenigen Minuten noch brachte mir Professor Virchow die Nachricht, daß der Gorilla gestern auf ihn den Eindruck gemacht, als sei er ganz wieder der alte. Die Teilnahme des Publikums für den Patienten war groß, mehr als hundert Anfragen nach seinem Befinden erfolgten täglich. In kürzester Zeit hat er es verstanden, der allgemeine Liebling zu werden, und unstreitig ist Mpungu einer der populärsten Bewohner der deutschen Reichshauptstadt.
Es ist ihm ein eigener Glaspalast, der mit einem kleinen Palmenhause in Verbindung steht, erbaut worden. Dieser soll ihm die feuchte Atmosphäre seiner tropischen Heimat ersetzen. So darf ich bei seiner sonst kräftigen Natur wohl hoffen, den Gorilla als höchste Zierde unseres Aquariums längere Zeit zu erhalten, Deutschland zur Ehre, der Menschheit zur Freude, der Wissenschaft zum Ruhme.« Der Gorilla starb im November 1877, nachdem er neun Monate in Afrika und fünfzehn Monate in Berlin beobachtet worden war; auch eine kurze Gastspielreise nach London hatte er gesund überstanden.
Jetzt zu den Teneriffa-Schimpansen. Zunächst ein paar allgemeine Züge, die zwar mit der Intelligenzprüfung selbst in keinem direkten Zusammenhang stehen, die aber schon an und für sich betrachtet mit aller Deutlichkeit bekunden, wie treffend der Name ›Menschenaffen‹ das Wesen der Tiere wiederspiegelt, und so die vielen Berichte ergänzen, die Brehm und andere lieferten. ›Ergänzen‹ noch im besonderen Sinne. Den meisten gefangenen Schimpansen, vor allem auch jenen, die vor dem Kriege jahraus jahrein nach Deutschland kamen und dann in Zoologischen Gärten, im Zirkus oder im Varieté die Zuschauer lebhaft zu fesseln wußten, mangelte sehr begreiflicher Weise infolge des täglichen Umgangs mit Menschen, mit ihrem Wärter, ihrem Lehrmeister, vor allem auch mit dein Publikum, das größtenteils aus Kindern bestand, sehr viel von ihrer Ursprünglichkeit. Soweit sie nicht regelrecht dressiert waren, ahmten sie dieses und jenes nach, was sie bei den Menschen beobachtet hatten, kurzum, es haftete diesen Affen schon allerlei »Nichtschimpansisches« an, was mehr oder minder ihr Wesensbild trübte. Anders bei den Stationsschimpansen. Die kamen von keiner Kultur beleckt aus ihren afrikanischen Wäldern und wurden aufs peinlichste davor bewahrt, sich Menschengewohnheiten anzueignen. Und siehe da, diese Kameruner benahmen sich auf dem Stationsspielplatz zum mindesten ebenso menschenähnlich wie ihre kulturübertünchten Kollegen. Sie gingen sogar über diese hinaus, insofern sie allerlei Gegenstände im Spiel als Werkzeug verwenden lernten und so die bis dahin herrschende Ansicht, daß Werkzeuggebrauch nur dem Menschen eigne, ein für allemal widerlegten.
Besonders beliebt und entsprechend vielseitig war die Verwendung des einfachen Stockes, der nach und nach für die Schimpansen eine Art Universalwerkzeug wurde. Sie brauchten ihn nicht nur, um Gegenstände, die jenseits des Maschengitters lagen und sich mit der Hand nicht erreichen ließen, bequem an sich heranzuziehen, sie lernten ihn auch als Hebel gebrauchen, um auf echt menschliche Art und Weise mit seiner Hilfe den festen Deckel einer Grube emporzuheben. Nicht minder beliebt war er ferner zum Graben nach allerlei Pflanzen und Pflanzenwurzeln, und das ist insofern bedeutungsvoll, als der »Grabstock« nach Ansicht der Urgeschichtsforscher auch bei den einfachen Menschen der Vorzeit das erste, schlichteste Ackergerät, also gleichsam der Vorfahr des Spatens war, aus dem ja dann später der Pflug hervorging. Sogar die Zuhilfenahme des Fußes, der handmäßig auf den Stock gesetzt wurde, stand bei den Affen bereits in Brauch.
Ein seltsames Spiel, das sehr häufig geübt und schließlich förmlich zur Mode wurde, war bei den Schimpansen das »Hühnerstechen«, ein Spiel, das an Max und Moritz erinnert und in seiner ganzen Eigenart so überaus menschlich anmutete, daß Köhler selbst, wie er mehrfach versichert, es nicht für möglich halten würde, wenn er es nicht tagaus tagein mit eigenen Augen beobachtet hätte. Wenn die Schimpansen am Gitter saßen und dort ihr Frühstücksbrot verzehrten, sammelten sich an der Außenseite gewöhnlich die Hühner des Nachbargrundstücks, um dort die Brosamen aufzulesen, die von der »Herren« Tische fielen. Das reizte die Aufmerksamkeit der Schimpansen und führte in weiterer Folge dazu, daß die Affen die Hühner fütterten. Sie drückten zwischen einem Biß und dem nächsten ihr Frühstück so fest an das Gitter, daß die Vögel bequem daran picken konnten, und warfen ihnen auch durch die Maschen häufig kleinere Brotstücke hin, worauf sie dann das Gebaren der Hühner mit lebhafter Anteilnahme verfolgten. Allmählich bekam diese Fütterung insofern einen spaßhaften Zug, als die Schimpansen ihren Köder, sobald die Hühner zufahren wollten, mit einem Ruck wieder an sich zogen, und schließlich entwickelte sich jenes Spiel, das ebensogut wie die Menschenaffen auch Max und Moritz erdacht haben könnten, um dadurch die Witwe Bolte zu ärgern. Das Huhn, so berichtet Wolfgang Köhler, wird mit dem Brot an die Maschen gelockt, und just in demselben Augenblick, in dem es arglos zupicken will, stößt ihm die freie Hand des Schimpansen, zuweilen auch die eines Spießgesellen, der neben ihm am Gitter hockt, geschwind einen Stock oder – schlimmer noch – ein starkes Drahtende in den Leib. Das trieben die Affen wochenlang so, entweder jeder auf eigene Hand oder je zwei mit verteilten Rollen. Weshalb? fragt Kühler und fügt dann hinzu, daß Gassenjungen, die übermütig an fremden Häusern zu klingeln pflegen, um dann sofort Reißaus zu nehmen, die Frage vielleicht beantworten könnten.
Eine andere Lieblingsbeschäftigung war eine Zeitlang das ›Ameisenangeln‹, das gleichfalls für die Erfindungsgabe der Affen sehr bezeichnend ist. Wo die Schimpansen auf ihrem Spielplatz Ameisenzügen begegneten, da steckten sie schleunigst nach Art der Spechte die Zunge in das Gewimmel hinein, um sich die Insekten so einzuverleiben, vermutlich der Ameisensäure wegen, die ihnen als Freunden von Säuerlichkeiten offenbar angenehm mundete. Es gab aber innerhalb der Umhegung zuletzt keine wandernden Ameisen mehr, wohl aber pilgerten die Insekten in langem, dichtbelebtem Zuge draußen am Maschengitter vorbei. Was taten nun die Stationsschimpansen? Sie holten sich Strohhalme oder Stäbchen und hielten sie durch die Maschen hindurch direkt in die Ameisenstraße hinein. Dann warteten sie ein paar Sekunden, bis es an den Stäbchen wimmelte, zogen die Beute dann eiligst herein und streiften sie mit dem Munde ab. Auch dieses Spiel wurde förmlich zur Mode, und zwar war, wie der Beobachter meint, der, sportliche Reiz daran ebenso groß wie der Appetit auf die Ameisensäure, blieb doch das Angeln auch dann noch beliebt, als sich in allerbequemster Nähe wieder Ameisenstraßen zeigten, die man nur abzulecken brauchte.
Fast menschenhaft war auch der Schmucktrieb der Affen, den sie bei jeder Gelegenheit mit sichtbarer Lust betätigten. Krautranken, Seile und allerhand Zeugfetzen wurden über die Schultern gehängt, Metallketten, die sie erreichen konnten, lagen sofort um den Hals der Tiere, und eine Schimpansin ließ mehrfach die Schnüre auch über beide Ohren laufen, so daß die Enden an beiden Gesichtsseiten lustig baumelnd herunterhingen. So aufgeputzt pflegten die Schimpansen häufig gemeinsam im Kreise zu trotten, immer einer hinter dem andern, und daß es sich wirklich dabei um ein Spiel, um eine Art Reigen handelte, das war umso weniger zu verkennen, als immer der Führer der Polonaise bei jedem zweiten Schritt heftig stampfte.
»Oft kommt es vor,« schreibt Köhler, »daß sich ein Schimpanse mit Kot, dem eigenen oder dem der Kameraden, beschmutzt. Nun habe ich bisher einen einzigen Vertreter der Art gesehen, der nicht in der Gefangenschaft Koprophage (d. h. Kotfresser) war, und doch: tritt einer von ihnen in Kot, so kann häufig der Fuß nicht ordentlich auftreten, genau wie bei einem Menschen im gleichen Fall; das Tier humpelt davon, bis es eine Gelegenheit findet, sich zu reinigen; und nicht leicht wird es die Hand dazu benutzen, sondern mit einem Stäbchen (auch wohl Papierstücken oder Lappen) muß das geschehen, und das Gebaren dabei zeigt unverkennbar Unbehagen an. Kein Zweifel, daß das Tier sich eben von etwas ihm Unangenehmen befreit. Gießt man Wasser auf ein Tier oder ölt man seine Haut, so reibt es entweder die Flüssigkeit an einer Wand, einem Baumstamm ab, oder – und das ist sehr häufig – es rafft Stroh, einen Lappen, Papier auf und wischt sich damit ab. Blut wird bisweilen ebenso entfernt, das Betupfen von kleinen Wunden mit Spreu (auch Blättern), welche dabei mit Speichel befeuchtet zu werden pflegt, ihre Untersuchung mit Strohhalmen, kann man öfters sehen. Nachdem Tschego (der älteste Schimpanse, ein Weibchen) geschlechtsreif geworden war, wurde fast bei jeder Menstruation beobachtet, wie sie Papier, Lappen usw. benutzte, um das rinnende Blut abzutupfen. Wenn die Haut an der schwer erreichbaren Schulter juckt, wird ein Scherben, ein Stein und dergleichen genommen und die Stelle damit gekratzt.
Wie schnell die Einschaltung des Stabes auftritt in Fällen, wo der zu behandelnde Gegenstand nicht gut anzufassen ist, konnten wir vortrefflich beobachten, als die Schimpansen zum ersten Male mit Elektrizität hoher Spannung zu tun bekamen. Der eine Ableitungspol eines schwachen Induktoriums war mit einem Drahtkörbchen verbunden, das mit Früchten gefüllt vom Dach herabhing, der andere mit einem Drahtnetz auf dem Boden unter dem Korb. Nie habe ich in kürzester Zeit so viele vollkommen menschliche Reaktionen und Ausdrucksbewegungen an den Schimpansen gesehen wie in diesem Fall: das Zurückfahren beim ersten Schlag, der überraschte Schrei, das vorsichtige Vorstrecken der Hand beim zweitenmal, wobei diese fortwährend wie getroffen schon wieder zurückzuckt, ehe überhaupt die Möglichkeit eines Ladungsausgleichs durch den Körper besteht, das heftige Schütteln der Hand in der Luft nach einem ordentlichen Schlag insbesondere, welches genau so aussieht wie das Handschütteln eines Menschen, der versehentlich einen heißen Ofen angefaßt hat – alles geht seiner Form nach genau so vor sich wie bei uns, und man ist ganz überrascht zu sehen, wieviele unserer Reaktionen, weit entfernt menschliche Angewohnheiten zu sein, in der dunklen Vorzeit der Primaten ihre Wurzel haben müssen. Mit denselben Gebärden sind die Schimpansen sicherlich vor vielen Jahrtausenden schon von der unbeabsichtigten Berührung mit einem Stacheltier, von einem stechenden Insekt usw. zurückgefahren, mit denen wir von einer Starkstromleitung zurückprallen, und vielleicht ergibt die nähere Untersuchung der kleinen Affenarten auch bei ihnen bereits die gleichen Reaktionsformen. Was man aber vielleicht nicht bei diesen antreffen dürfte, das ist das Aufraffen eines Stockes auf die unangenehme Erfahrung hin, wie ein Schimpanse nach dem andern es in diesem Falle tat, um so in weniger direktem Kontakt mit dem gefährlichen Ding doch womöglich die Früchte zu erreichen. Mit hölzernen Stäben ging zunächst auch alles gut, nur bog der Korb an dem Kabel, an dem er aufgehängt war, fortwährend aus, und im Eifer nahmen die Tiere auch feste Drähte und Eisenstangen; als ihnen der Korb nun wieder Schlag auf Schlag versetzte, gerieten sie allmählich in Zorn, aber nur Tschego, die dauernd bei einem Holzknüppel geblieben war, nahm ernstlich den Kampf auf und prügelte, aufrecht stehend, mit aller Macht gegen das Körbchen, daß es in der Luft herumfuhr und am Ende abriß. Hier ist zuletzt der Stock sehr deutlich Waffe; denn Tschego steht in großem Zorn da, während sie draufloshaut, und tut dies ganz blind, im Gegensatz zu den ersten Bemühungen, sorgfältig die Früchte aus dem Drahtnetz herauszuholen.«
Aus all diesen einzelnen hübschen Zügen, die sich an Hand des Köhlerschen Buches noch ganz beträchtlich vermehren ließen, geht eigentlich schon klar hervor, daß das Verhalten der Schimpansen von dem der übrigen Säugetiere in sehr bedeutsamer Weise absticht und durchweg jene Formen ausweist, die als spezifisch menschlich gelten. Noch deutlicher wird das jedoch erkennbar, wenn wir die einzelnen Versuche zur Prüfung ihres Verstandes betrachten.
Die Art, wie diese Versuche erfolgten, war immer dieselbe und immer gleich einfach. Man stellte eine Lage her, die den direkten Weg zum Ziel für die Affen vollkommen ungangbar machte, jedoch einen indirekten freiließ. Und eben diesen sollten sie finden. Sie fanden ihn auch in den meisten Fällen, doch war bei den einzelnen Gliedern der Gruppe die ›Findigkeit‹ sehr verschieden groß. Es gab eben auch bei den Menschenaffen genau wie bei uns in geistiger Hinsicht alle möglichen Unterschiede, also begabte und unbegabte, gescheite und beschränkte Schimpansen, und zwar waren sehr bezeichnenderweise die Männer pfiffiger als die Weiber; bezeichnend insofern, als die Männchen auch bei den freien Waldschimpansen immer die Führer der Horden sind.
Daß die Schimpansen Stöcke benutzten, um allerlei lockende Gegenstände (meistenteils drehte es sich um Bananen), die mit der Hand nicht erreichbar waren, durchs Gitter an sich heranzuziehen, das ist bereits berichtet worden. Es handelt sich in diesem Falle also um wirklichen Werkzeuggebrauch, ebenso wie bei der Grabstockverwendung, wie bei dem ›Ameisenangeln‹ und ›Hühnerstechen‹. Und da man den Werkzeuggebrauch bei Tieren bis dahin bestreiten zu müssen glaubte (obgleich z. B. längst bekannt war, daß Paviane in ihrer Heimat den Angreifer heftig mit Steinen bewerfen), so war bereits diese erste Feststellung prinzipiell von besonderem Wert. Es blieb aber nicht bei der Werkzeug benutzung; die Affen gingen auch dazu über, sich selbständig Werkzeuge herzustellen, wo die verfügbaren nicht mehr genügten oder keine vorhanden waren. Fehlte ihnen zum Beispiel ein Stock, um die Banane heranzuholen, so suchten sie augenblicks nach Ersatz und bewiesen dabei beträchtliche Einsicht. Entweder versuchten sie die Bananen mit ihrer Decke heranzuziehen, die sie zu dem Zweck aus dem Schlafraume holten und durch das Maschengitter zwängten, oder sie brachen von einem Baume entschlossen schlanke Äste ab, um das gewünschte Ziel zu erlangen. Um solch einen Ast »von dem Baum als Ganzem gewissermaßen loszusehen«, mit anderen Worten, um diesen Ast, obgleich er an seinem Baume festsitzt und einen Bestandteil des Baumes bildet, sofort als verwendbaren Stock zu erkennen, bedarf es schon einer Überlegung, wie man sie ohne die Versuche den Affen keinesfalls zugetraut hätte. Und doch gingen diese noch einen Schritt weiter: sie trennten sogar mit Händen und Zähnen von Kisten und Brettern Holzsplitter ab, um diese als Stockersatz zu benutzen, betrieben also ganz unzweideutig die Herstellung eines brauchbaren Werkzeugs!
Aber auch damit noch nicht genug. Wiederum lockt die Banane vorm Gitter, aber kein Stock von genügender Länge, um damit das Ziel erreichen zu können, und kein gefälliger Baum ist vorhanden. Es stehen dem Prüfling allerdings zwei Stäbe für seinen Gebrauch zur Verfügung, zwei hohle feste Schilfrohrstengel, die ungleich lang und ungleich dick sind, indessen reicht keiner von diesen aus, um die Banane heranzubefördern. Was tut nun der Affe? Er führt zunächst das eine Rohr möglichst weit hinaus, nimmt darauf das andere zur Hand und schiebt mit ihm das erste Rohr immer weiter dem Ziele zu, bis es zuletzt die Banane berührt. Die Überlegung ist gut, aber – falsch. Gut insofern, als der Affe tatsächlich sein Ziel etwas in der Gewalt hat (er kann die Banane mit seinem Stock jetzt wenigstens anstoßen und bewegen), falsch insofern, als er die Frucht auf diese Weise nicht bekommt und obendrein einen Stock dabei einbüßt. Auf jeden Fall aber hat er »gedacht«, wenn auch das Ergebnis ein Fehlschlag ist. Der Versuch wurde vorläufig abgebrochen, nach kurzer Zeit jedoch wiederholt, und diesmal mit dem erhofften Erfolg. Nach einigem Hin- und Herprobieren schob richtig der Affe das dünnere Rohr in die Öffnung des dickeren hinein und holte sich dann mit dem Doppelstock die ausgelegten Bananen heran. Nachdem er die Sache einmal begriffen, machte sie ihm ersichtlich Spaß und er betrieb das Zusammensetzen und Wiedertrennen der beiden Rohre mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er das in den Heimatswäldern bereits von Jugend an geübt. Als man das Ziel später weiter entfernte und ihm drei Rohre übergab (ein dünneres, zwei von größerem Umfang), schob er sie alle drei zusammen, ohne auch nur ein einziges Mal den unfruchtbaren Versuch zu machen, die beiden dickeren, gleich starken Rohre irgendwie zusammenzubringen. Ja mehr noch: als man ihm späterhin ein Rohr und ein zugespitztes Brettstück, das ganz und gar nicht mehr stockähnlich aussah, für seinen Zweck zur Verfügung stellte, machte er sich sogleich an die Arbeit, auch diese zwei ineinander zu fügen, und als er das Brett als zu stark erkannte, um in die Öffnung des Rohres zu passen, biß er mit seinen kräftigen Zähnen solange am spitzen Ende herum, bis es die benötigte Dicke hatte und nun gemeinsam mit dem Schilfrohr wiederum einen Stock ergab. Ob wohl die kulturlosen Menschen der Urzeit bei ihrer ersten Werkzeugbereitung wesentlich anders zu Werke gingen?
Zum Schluß aus der Fülle des Materials, das Köhler in systematischer Weise seinen Prüflingen abgewann, noch etwas über die Art und Weise, wie die Schimpansen zum Ziele gelangten, wenn die Banane hoch angebracht war – wiederum so, daß sie Werkzeuge brauchten, um sich der Frucht zu bemächtigen. Ein Weibchen, das sich von Anfang an als gewandteste Turnerin erwies, erreichte die aufgehängte Banane durch einen Akrobatentrick: sie stellte einen langen Stock, den sie sich selber herbeigeholt hatte, senkrecht unter dem Ziel auf den Boden und turnte so rasch an ihm empor, daß sie die Frucht zu erhaschen vermochte, bevor der Stock wieder umfallen konnte. (Siehe die beigegebene Tafel.) Die anderen suchten sich dadurch zu helfen, daß sie den Wärter oder Beobachter an der Hand nach der Stelle zogen, über der sich das lockende Ziel befand; dann kletterten sie ihm geschwind auf die Schultern und holten sich die Banane herab. In solchem Falle geschah es einmal, daß sich der Wärter absichtlich bückte, während der Affe die Schultern bestieg; das Tier rutschte darauf klagend herunter und tat etwas, was bei einem Affen immerhin überraschend war: es faßte den Wärter unters Gesäß und suchte ihn mit beiden Händen kräftig in die Höhe zu drücken. Es suchte, wie Köhler launig sagt, »das menschliche Werkzeug zu verbessern«.
Man ließ es aber bei dieser Art des Bananenpflückens nicht bewenden. Man entzog der Akrobatin den Stock und den andern Schimpansen den menschlichen Stützpunkt und stellte statt dessen hier und dort eine Anzahl Kisten in den Versuchsraum. Und siehe da, das Erwartete geschah wie zumeist auch in diesem Falle: die Affen zerrten jetzt statt des Wärters die Kisten unter das winkende Ziel und türmten, je höher man letzteres aufhing, auch desto höhere Bauten empor. Der pfiffigste Affe der ganzen Gesellschaft brachte es schließlich zu einem Turm, der aus vier ungleichen Kisten bestand, und hatte sogar Verständnis dafür, daß es durchaus nicht dasselbe sei, ob er die Kisten flach oder steil (der Breite oder der Länge nach) zur Erlangung der Frucht aufeinander setzte. Es machte die Affen auch nicht verlegen, als man die Kisten durch Steine oder Sand beschwerte; sie räumten den Inhalt einfach heraus und verfuhren dann in der gewohnten Weise.
Die Tatsachen, die wir hier wiedergaben, sind nur ein bescheidener Auszug dessen, was Köhler an Intelligenzbeweisen der Menschenaffen gesammelt hat – genug, wie mich dünkt, um die alte Fabel vom »unverständigen Tier« zu zerstören. Die Kluft, die den Menschen vom Tiere trennt, bleibt freilich nach wie vor bestehen, die Grenzmauer zwischen »Instinkt« und »Verstand« ist aber endgültig eingestürzt. »Die Schimpansen,« sagt Köhler im Schlußwort seines anregenden Buches, »zeigen einsichtiges Verhalten von der Art des beim Menschen bekannten. Nicht immer ist, was sie Einsichtiges vornehmen, äußerlich Menschenhandlungen ähnlich, aber unter geeignet gewählten Prüfungsumständen ist der Typus einsichtigen Gebarens mit Sicherheit nachzuweisen. Das gilt, trotz der sehr bedeutenden Unterschiede von Tier zu Tier, selbst für die unbegabtesten Individuen der Art, die beobachtet wurden, und wird sich danach an jedem Exemplar der Art bestätigen lassen, sofern es nicht gerade schwachsinnig in pathologischer Wortbedeutung ist. Auf jeden Fall bleibt es dabei: dieser Menschenaffe tritt nicht allein mit allerhand morphologischen und im engeren Sinne physiologischen Momenten aus dem übrigen Tiersystem heraus und in die Nähe der Menschenrassen, er weist auch jene Verhaltensform auf, die als spezifisch menschlich gilt. Wir kennen die Systemnachbarn nach der andern Seite bisher nur wenig, aber nach dem Wenigen ist es nicht ganz unmöglich, daß auf dem Prüfungsgebiet der Menschenaffe auch an Einsicht dem Menschen nähersteht als vielen Affenarten.«
Der schlimme Währungssturz nach dem Kriege hat leider der Menschenaffenstation auf Teneriffa ein Ende bereitet; die Tiere sind nach Berlin überführt worden, um dort im Zoologischen Garten noch weiter der Wissenschaft zu dienen. Der Weg der systematischen Prüfung einzelner Menschenaffenarten wird sicherlich bald auch anderswo mit gleichem Erfolge beschritten werden (Amerika scheint schon damit zu beginnen), so daß wir die Hoffnung hegen dürfen, die heute noch sehr im Argen liegende wissenschaftliche Tierpsychologie in Kürze ersprießlich gedeihen zu sehen. Nicht aller Mensch, aber sehr viel Mensch steckt ohne Zweifel im höheren Tier, besonders in der bewährten Dreiheit Schimpanse, Gorilla und Orang-Utan.