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Zweiter Teil

1923-1924

Das Wasser der Söse ist aufgetaut, munter gurgelt es zu Tal. –

Zwei Jahre lang war »mein« Sösewasser eingefroren. Jetzt hat sich auch bei mir das Eis gelöst, und so will ich im Heimatstädtchen gern wieder ein Wegweiser sein.

Wir unterhielten uns zuletzt von Adams Rippe, die an zwei Ketten geschmiedet an der Giebelseite des Rathauses hängt. Sehen wir uns das Gebäude näher an, so erblicken wir eine Reihe von Inschriften. Sie enthalten nur nüchterne Daten über den Bau und die Erneuerungen dieses Hauses. Da ich nun aber gern Deine Aufmerksamkeit auf die Sprache der Häuser, ihre Inschriften, lenken möchte – die der Glocken und Schellen hast Du ja im ersten Teil kennen gelernt – so höre, was Dir das Rathaus kündet:

ANNO DM 1552
C. L B. BH
AO 1737

Damit haben wir an der Westseite das Erbauungsjahr und die Bemerkung einer Erneuerung. An der Ostseite hat der Bürgermeister Johann C. Crauel sein Verdienst verewigt:

Hoc aedificium publicum
Repar. A. O. MDCCLXXXXIX
CURA AEDIL. I. C. CRAUEL
M. M. I. A. B.

Die Südseite gibt das jüngste Datum an:

Erneuert 1871.

Es sollen indessen nicht nur trockene Zahlenreihen sein, die ich hier aufführen will. Sie sind gewiß nicht Dein Geschmack. Doch es ist nun einmal ein Amtsgebäude, und da kannst Du alles andere, nur keine Poesie verlangen.

Gehst Du aber ein wenig weiter und leihst Dein Ohr den Häusern des Rollbergs, so wirst Du mit Freuden erkennen, daß mancher alte Balken ein frisches Leben in sich trägt. Und was uns so wohltuend berührt, ist das hohe Gottvertrauen, daß unsere Vorfahren auch hier bezeugen.

Omnia cum Deo Alles mit Gott.
Abgebrant A. D. 1736 d. 24. Aug.
Aufgebaut A. D. 1737 d. 22. Maj.
I. B. BÖTCHER . M. S. RCICC.

(Rollberg 9)

 

GOTTE ALLEIN DIE EHRE.

(Rollberg 16)

 

E. W. Raschie
C. E. H.

1737

(Rollberg 6)

 

Nicht Kunst, nicht Fleiß, nicht Arbeit nützt,
Wenn Gott der Herr das Haus nicht schützt.

(Rollberg 35)

 

Eben da Zwey Hundert Jahr ruhig waren, hat beschlossen
Als um der Religion fester Friede ward geschlossen
Und ein frohes Jubilaeum wir hier celebrierten fein
Mit Gott dieses Haus erbaut Heinrich Christian Angerstein.

MDCCLV

(Rollberg 33)

 

Eine prächtige Wetterfahne dreht sich auf Haus Rollbergstraße Nr. 30. Sie stellt einen Lindwurm dar, und darunter steht:

 

B. A. B. 164? Die letzte Ziffer ist zum größten Teil abgerissen. Es kann eine 1 sein.

 

Das »Ritterhaus« daneben (Rollbergstraße 32) ziert auch eine schöne Lindwurm-Wetterfahne. Ueber dem Hauseingang ist das Schachtruppsche Wappen (Opferlamm) angebracht, das wir auch noch am Hause der Bürgermädchenschule (Spritzenhausplatz 9) und des Realgymnasiums (Dörgestraße 10) wiederfinden.

Vor einem schönen alten Fachwerkhaus stand ich und suchte vergebens, die Buchstaben des eingehauenen Spruches zu enträtseln. Es gelang mir nicht. Ich trat darum in den Flur und bat den Hauseigentümer um Auskunft. Großes Erstaunen. Obwohl er in dem Hause geboren und eine Reihe Dezenten hinter sich hatte, wußte er nicht, daß über seiner Haustür eine Buchstabenparade von 2 Meter Länge aufgestellt war und vor jedem Vorübergehenden präsentierte! –

Werfen wir einen Blick in die Jakobitorstraße, so verrät uns die Wetterfahne auf dem Haus Nr. 8, daß dies Grundstück einst ein Herrensitz war:

 

Bodo v. Hodenberg
16 (Wappen) 49.

 

Wir biegen in die Untere Neustadt ein:

 

Mir genügt, wie's Gott fügt.
1855

(Untere Neustadt 30)

 

Und daneben der herrliche Eingangsspruch:

 

Der Herr segne und behüte dich,
Der Herr leuchte sein Angesicht über dich, und sey dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden. Amen.

Berend Friedrich von Bremen
Johanna Dorothea von Bremen.

nec so?ner. consumatum est.
Anno 1732

(Untere Neustadt 28)

Von Zerstörung und Wiederaufbau berichtet die Wetterfahne auf dem Haus Untere Neustadt 13. Dort stand das Kohlstrucksche Anwesen, ein alter Fachwerkbau, der 1928 einem Schadenfeuer zum Opfer fiel. Gerettet wurde die schmiedeeiserne Wetterfahne mit der Inschrift:

I. C. B. 1771.

Als auf dem Grundstück der jetzige Neubau – er fügt sich sehr gut in das alte Stadtbild ein – errichtet wurde, brachte man die Wetterfahne wieder zu Ehren und schlug in ihr Wahrzeichen, ein Sachsenroß, die Jahreszahl ein

1928.

Wetterfahnen mit Inschriften und Jahreszahlen birgt auch das Städtische Museum. Sie stammen meist von Häusern, die Feuersbrünste vernichteten. Da man weiß, von welchen Grundstücken sie übernommen sind, halte ich es für richtig, sie auf den Nachbauten wieder anzubringen. Dann sind sie besser in der Lage, Osteroder Geschichte zu künden, als wenn sie im Museum unbeachtet schlummern.

Die alten Häuser mit Inschriften sind auf der Neustadt größtenteils verschwunden. Wir müssen schon ein großes Stück weiter die Stadt durcheilen, um unsere Zwiegespräche fortzusetzen.

Das Hospital zum »Heiligen Geist« in der Marienvorstadt hat zwei schier endlos lange Querbalken, die aneinandergereiht sind und von Anfang bis zum Ende eingeschnittene Schriftzüge tragen. Wenn Du, verehrter Leser, vor diesem Hause stehst und versuchst, die Worte der Balken zu lesen, so kommst Du Dir vor, wie ein ABC-Schütze, der die Fibel vor sich hat und mit dem Finger jeden Buchstaben verfolgt und nach endlosem Buchstabieren ein Wort nach dem andern herausbringt.

Im sechzen hundert elften Iahr
nach unsers Erlösers G(e)burt zwar
ist abgebrochen dazumal
des Heiligen Geist Hospital.
Wider aufgebaut so gut
als er anitzo stehen dhut.
Vormund domals g(e)wesen erkorn
Iorg Rethen und Bartold Wenborn.
Zim(me)rmeister Hans Marks g(e)wesen ist,
new aufgerichtet zur selben Frist.
Darzu g(e)holfen Stehenriken
Heinrich Humberg dergleichen;
auch der Kn(e)ch(t) Hans Klapperot.
Dieselbigen ale behuet Gott.
Bewahr zugleich den Hospital
fur Feuer und anderm Unhail.

Die Bedeutung der Buchstabenreihe » Stehenriken« ist mir nicht ganz klar. Soll es heißen »Steine reichen« oder »steh' eingerückt«? Doch der immer freundliche Leser hat gewiß mehr Zeit als ich, darüber nachzugrübeln, welchen Sinn dies Zauberwort enthält. Vielleicht begibt er sich einmal selbst nach dem ehrwürdigen Bauwerk und beweist, daß seine Weisheit größer ist, als die meine. Hoffentlich macht er dabei auch noch in anderer Weise bessere Erfahrungen als ich. Denn beim ersten Abschreiben der Inschrift wurde ich mit einer derartigen Fülle von Fragen bedrängt, daß ich fluchtartig den Platz meiner Tätigkeit verließ. Und als ich nach ein paar Tagen nochmals vor dem Haus erschien, um die Abschrift auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen, glaubte ich, daß vom Himmel nicht der Heilige Geist, sondern der leibhaftige Satan selbst mit Feuer und Schwefel auf mich herabstürze. Es waren aber nur die elektrischen Drähte, die vom Dach herabfallende Schneeklumpen zum Kurzschluß gebracht hatten. Und doch muß der Böse dabei seine Hand im Spiel gehabt haben, denn bei dem plötzlichen Seitwärtsdrehen erhielt ich einen Hexenschuß! –

Wie in der Neustadt, so sind auch in der Marienvorstadt durch Brände die alten Häuser verschwunden. Und so begeben wir uns zum Kornmarkt, wo das stattliche Patrizierhaus des gelehrten Doktor Iuris Cludius unsere Aufmerksamkeit erregt. Eine eigentliche Inschrift ziert dieses Gebäude nicht, wohl aber zwei Cludiussche Familienwappen und die Idealgestalten der Rechtswissenschaft, welche bezeichnet sind mit

 

»Iustitia« (Gerechtigkeit)
und
»Clementia« (Milde)

(Kornmarkt 12)

 

Gleichfalls mit einem Wappen versehen ist das Haus des Kaufmanns Adolf Nitsch. Das Wappenbild zeigt ein dreiteiliges Blatt. Außerdem steht eingeschrieben

 

Anno 1764
I. C. G.

(Gemüsemarkt 13)

 

Wir gehen weiter. Vorüber an dem Keitelschen Hause, dessen Wetterfahne die Jahreszahl 1730 trägt, zur wohlbekannten »Ratswaage«. Hier dürfte den meisten Lesern ganz unbekannt sein, daß sich an diesem alten »Hochzeitshaus« ein Spruch voll tiefer Weisheit befindet. Ueber dem Eingang trägt die Holzverzierung ein vergoldetes Horn, eingefaßt von einem Spruchband. Im Hinsehen glaubt man, ein Posthorn vor sich zu haben, doch beim Lesen des Spruches erkennt man, daß es ein Jagdhorn ist:

 

Das sin nicht ale Jeger
de de Horne blasen.

(Waagestraße 8)

 

Das sind nicht alle Jäger, die die Hörner blasen! Gewiß nicht. Es sind auch nicht alle Soldaten, die Uniform tragen. Es sind auch nicht alle Kirchengänger fromme Menschen. Und so könnte man dies Sprichwort immer weiter ausspinnen. Die Bedeutung des Jagdhorns an der »Ratswaage« mag daher stammen, daß früher bei großen fürstlichen Jagden die Jägerei hier untergebracht und das Wildbret hier zerwirkt wurde.

Ehe wir in die Waagestraße einbiegen, hätten wir dem Turm der Marktkirche einen Blick schenken sollen. Weil wir es vergessen haben, müssen wir noch einmal dorthin zurück.

An der von Baurat Thurm errichteten Stütze des Turmes ist ein alter Gedenkstein neu eingemauert. Als ich vor ein paar Tagen fragend vor dem Stein stand, war es mir nicht möglich, seine Worte richtig zu lesen. Freche Schneesternchen hatten von ihm Besitz genommen.

Wie ich mich auch stellte und drehte, ich bekam nicht mehr heraus als die Worte:

herr Frits Ebert.

Das kam mir etwas sonderbar vor. Denn Reichspräsident Ebert lebte doch noch. Außerdem konnte ich mir nicht recht denken, daß man ihm als Katholiken ausgerechnet an einem evangelischen Gotteshaus bei Erneuerungsarbeiten ein Erinnerungsmal errichtet hatte.

Ich wartete darum von Tag zu Tag mit vielen anderen lieben Mitmenschen darauf, daß der Schnee verschwände. Endlich, endlich war es soweit, und folgende Inschrift trat zu Tage:

 

Anno 1578

Im namen der Heiligen Dreifaltigkeit angefangen.
Der Bauherr Andreas Ebers. In Gott.

 

Die Südseite des Turmes war nicht von Schnee behangen, und trotzdem war es mir nicht möglich, mich mit dem Turm zu unterhalten. Ich hätte 15 Meter größer sein müssen. Mein gutes Zeißglas, dem ich manchen Rehbock verdanke, sollte mir helfen. Ich wollte auch schon mitten auf dem Gemüsemarkt Aufstellung nehmen und dann vermittels des Fernglases mit der Südseite des Turmes Zwiesprache halten. Ich wurde mir aber bald bewußt, daß ich dort am hellen Tage nicht nach den Sternen sehen konnte, ohne eine erwartungsfreudige Menschenmenge um mich zu versammeln und ein Verkehrshindernis zu bilden.

Ein Anwohner des Gemüsemarktes stellte mir daher bereitwilligst ein Fenster seiner Bel-Etage zur Verfügung, und von hier aus konnte ich folgendes erkennen. Ganz oben am Mauerwerk eine Eisenplatte:

 


A O C. 1695
repariret
Bavh. H?
An dieser Stelle steht ein Bauzeichen. M. H. W.

 

Darunter ein Stein:

 

Anno
1579

H. N. E.

Und an der linken Seite:

 

Repariret
1856.

 

Wir setzen nun unsere unterbrochene Wanderung in der Verlängerung der Waagestraße fort und gelangen nach dem sogenannten Ritterhof in der Petersilienstraße. An dem Herrenhause befindet sich ein künstlerisch geschnitztes Wappen der Familie von Bär. Im Spruchband steht:

 

Anno 1645

Bvrchardt von Behr

 

Wappen und Inschriften birgt noch der Amtshof bei der Schloßkirche. Diese selbst schmückt ein Gedenkstein für meinen gefallenen Freund Hans-Hellmut Gehrcke. Im Amtshof ist über einem Eingang der Pächterwohnung in einem Schlußstein eingemeißelt:

 

G. R. 1750

 

Die gleiche Inschrift, zwar arg mitgenommen, weist dort ein Stallgebäude auf (jetzt abgerissen).

An dem früheren Schloßgebäude, dem jetzigen Amtsgericht, finden wir an der Wand neben dem Eingang eine Steintafel mit zwei Wappen aus der grubenhagenschen Fürstenzeit und einer nicht mehr lesbaren Inschrift.

Als letztes Gebäude aus der Vergangenheit redet das Harzkornmagazin zu uns mit eingeschriebenen Worten:

 

Utilitati HercyniÆ
exstrvctvm hoc Ædificium
Zum Nutzen des Harzes wurde dies Haus erbaut.

A. O. R CI?I?CCXXII
G. R.

 

In der Neuzeit ist die Vorliebe, den Häusern durch einen Sinnspruch ein Gepräge zu geben, anscheinend abhanden gekommen. Um so sympathischer berührt es uns, wenn wir hier Ausnahmen begegnen.

Da ist es vor allem die (frühere) Kunstanstalt Schumacher & Co., welche uns in weithin leuchtenden Buchstaben die Worte zuruft:

 

In arte voluptas
(In der Kunst das Vergnügen.)

Labor mihi decus.
(Die Arbeit ist mir Zierde.)

(Schwiegershäuserstraße Nr. 47)

 

In der Eisensteinstraße versetzt uns das neue Haus des Essigfabrikanten Panse in die Zeit unserer Vorfahren. Im Stil der alten Osteroder Fachwerkhäuser erbaut, reden die Balken eine Sprache längst vergangener Zeiten:

 

Hilf dir selbst,
dann hilft dir Gott.
Georg Panse.  Johanne Panse geb. Gödecke.
1905.

(Eisensteinstraße Nr. 9)

 

Aehnlich das Haus des viel zu früh verstorbenen Stadtbaumeisters Bismarck Neuse, welcher in seiner großen Liebe zur Heimatstadt für sein Eigen die alten Osteroder Häuser zum Vorbild nahm. Hier spricht, umgeben von eingeschnitzten Worten, das Wappen der Stadt Osterode:

 

19

Heimat und Herd
05

Halte über Alles wert

(Scherenbergerstraße Nr. 12)

 

Und nicht weit davon, auf der anderen Seite der Straße, noch ein Haus mit einem Sinnspruch:

 

Ein fröhlich Herz,
Ein friedlich Haus,
Macht das Glück
Des Lebens aus.

(Scherenbergerstraße 11)

 

Den freundlichen Schlußstein dieser Betrachtungen möge ein schmuckes Häuschen in der Siedlung Dreilinden bilden:

Schaffen und Streben
Allein nur ist Leben.

(Lindenplan Nr. 1)

Dieser ganze Abschnitt war etwas langweilig, beinahe Chronik. Du hast, lieber Leser, wie immer Recht. Doch ich wollte im Vorübergehen das mit ein paar Zeilen festhalten, was morgen schon in Schutt und Asche liegen kann und dann für immer für die Nachwelt vergessen ist. Sei darum nicht ungeduldig, wenn ich auch in dem jetzt folgenden Abschnitt wieder als Chronist auftrete.

 

II.

Drei Schulgebäude unserer Heimatstadt sind mit dem Namen Schachtrupp verbunden: das Reformrealgymnasium, das Luisen-Lyzeum und die Bürgermädchenschule, denn Angehörige dieser alten, angesehenen Osteroder Familie hatten diese drei Gebäude einstmals als Wohnsitz inne. Da dürfte es vielleicht von Interesse sein, manches, was an diese Familie erinnert, ins Gedächtnis zurückzurufen.

Das älteste bekannte Haus der Familie Schachtrupp war das Eckhaus Kornmarkt-Jöddenstraße, welches im Jahre 1882 mit dem benachbarten Bäckerhause und dem Turm der Marktkirche abgebrannt ist. Hier wohnte der Churhannoversche Bergfaktor und Kaufmann Johann Georg Schachtrupp, Seine Tochter Charlotte Dorothea Friederike (* 12. November 1775, † 6. April 1826 zu Osterode) verheiratete sich mit dem Stadtkämmerer Carl Friedrich Gottschick (* 8. Juli 1777, † 5. April 1824 zu Osterode) und wohnte gleichfalls in dem Stammhause am Markt 8. Deren Tochter Julie (* 5. September 1800, † 30. Januar 1848) verheiratete sich mit dem Faktor und Fabrikant Georg Heinrich Blum (* 9. März 1793 in Nörten, † 12. Dezember 1865 in Osterode) und bewohnte das Haus Scheffelstraße 14, das jetzige Luisen-Lyzeum. Die hiesigen Familien Wuthmann, Döring, Christiani, Hullen sind in weiblicher Linie Nachkommen dieses Schachtruppschen Zweiges. geboren am 12. April 1739 und gestorben am 1. Januar 1801 in Osterode am Harz und auch dort begraben.

Sein Sohn war der Berghandlungsoberfaktor Johann Friedrich Schachtrupp (* 29. Juli 1773, † 7. Januar 1822). Im Jahre 1809 erbaute er das jetzige Luisen-Lyzeum, Scheffelstraße 14. Hiervon zeugt eine Inschrift am Hintergebäude:

 

Johann Friedrich Schachtrupp
Berghandlungs-Oberfactor
neu erbaut im Jahre 1809

 

Unter ihm entstand im Jahre 1812 die Bleiweißfabrik am Scherenberge bei Osterode.

.

Das Haus Lindenberg, das jetzige Realgymnasium, zu dem ein großer Park, Stallungen und Reitbahn gehörten, erbaute im Jahre 1826 an der einstigen Straße nach Northeim Kaufmann und Oberfaktor Johann Georg Wilhelm Schachtrupp, Sohn und Nachfolger des vorigen (* 24. Dezember 1801 in Osterode, † 29. April 1864 in Braunschweig).

J. G. Wilhelms Bruder, der Landwirt Carl August Friedrich Schachtrupp, war der Besitzer des Hauses Spritzenhausplatz 9/11, der jetzigen Bürgermädchenschule. Er ist geboren am 20. November 1805 in Osterode und gestorben am 2. Januar 1865 in Hannover.

Ein bekanntes Haus, welches auch von Mitgliedern der Familie Schachtrupp erbaut ist, ist das sogenannte Ritterhaus am Rollberg, welches in den Besitz der Stadt übergegangen ist.

Die ursprüngliche Heimat der Familie Schachtrupp dürfte Westfalen sein: 15 Kilometer nördlich Soest – an der Straße über Oestinghausen-Herzfeld nach Diestedde – und 4 Kilometer nördlich Herzfeld und der Lippe liegt die Bauernschaft Schachtrup mit dem Schulzenhof Schachtrup. Der Name wird verschieden geschrieben: Schachtrup, Schachtrop und vereinzelt Schachtropf – in neuerer Zeit Schachtrupp. – Trup oder Trop bedeutet einen Haufen von Einzelhöfen, also eine Bauernschaft. Er findet sich in Westfalen und Lippe-Detmold außerordentlich häufig, bald in Form von trup, bald in Form von trop: Antrup, Höntrup, Heckentrup, Uelentrup, Hultrop, Heintrop, Uentrop usw.

Im Anfänge des 16. Jahrhunderts gehörte die Familie Schachtrupp den Zünften der Stadt Soest an, und eins ihrer Glieder, Johann Schachtrop, spielte eine wichtige Rolle, ja die entscheidende Rolle beim Eintritt der Stadt in die protestantische Kirchengemeinschaft. Ueber diese Vorgänge kündet die Chronik der Stadt Soest:

Die »Herren« im Rate, keineswegs einverstanden mit dem Volkswillen, glaubten eine Zügellosigkeit, welche sich bei der Verpachtung der neuen Waage fünf der entschlossensten »Eidgesellen« (Anhänger der neuen Lehre), unter ihnen der reiche Gerber Johann Schachtrop, im Weinhause erlaubten, indem sie alten Gebrauchs eine freie Zeche forderten und am Kämmerer sich vergriffen, zur Herstellung ihres Ansehens benutzen zu müssen. In voller Versammlung einigte man sich zur strengsten Ahndung des an sich unbedeutenden Vergehens und ließ in der folgenden Woche erst die vier anderen Unruhestifter in den Stock legen, dann auch Meister Schachtrop, welcher eine peinliche Verfolgung nicht für möglich gehalten und deshalb die Gelegenheit zur Flucht versäumt hatte. So ereigneten sich dann Auftritte, welche neben dem Gräßlichen den Schimmer der Romantik an sich trugen und, als Märtyrertum aufgefaßt, der jungen Kirche das Siegel aufdrückten. Im Kerker durch verfängliche Fragen und Peinigung zum Geständnis gebracht, als wollten sie ihre katholischen Mitbürger »kloppen« und deren Gut gemein machen, erkannten die Gefangenen, was ihnen bevorstände, suchten Seelentrost bei ihren Geistlichen und traten in Fesseln vor das Rathaustribunal, welches Bürger zu Roß und zu Fuße in blankem Harnisch umringten. Die Entschuldigung ihrer trunkenen Taten und ihr Flehen um ein gerechtes Urteil blieben kraftlos; zum Tode bereit, wiewohl keines Verbrechens geständig, zogen sie unter frommem Gesange durch die erschütterte und weinende Menge zur Gerichtsstätte, und alle drängten sich, den ersten Schwertschlag zu empfangen, bis man dem Meister Schachtrop den Vortritt gönnte. Wir dürfen uns der nun folgenden Szene nicht abwenden, weil sie das damalige Geschlecht charakterisiert. Der Scharfrichter tat einen Fehlhieb, »indem man ihn seitens der Freunde der Opfer trunken gemacht,« verwundete jedoch den Unglücklichen im Rücken, der darauf zur Lebenshoffnung plötzlich erwachte, weil aller Sitte nach der Bruch des Stricks oder der verfehlte Schwertstreich dem Verurteilten Gnade erwirkte. Mit der Kraft der Verzweiflung entriß der starke, wiewohl heftig blutende und noch gebundene Mann den Henkern das Schwert, rang mit ihnen einen grauenvollen Kampf, hielt das zweite Schwert als guter Fechter sich vom Leibe, nachdem er die Handfesseln mit den Zähnen gelöst, bis dem entsetzlichsten Gebalge und der Mißhandlung des Zertretenen der »Gerichtsherr«, erschrocken über die drohende Gebärde und das Geschrei der Umstehenden, »es seien offenbare Gerichte Gottes «, ein Ende machte und den Verstümmelten freigeben ließ.

Mit seinem Siegeszeichen, dem Schwerte, in der Hand nach Haus getragen und dem Arzte übergeben, starb der Märtyrer gleichwohl folgenden Tages; seine Leiche wurde unter ungeheurem Zudrange und lautem Wehklagen bestattet und das erbeutete Richtschwert nach seinem Willen auf die Bahre gelegt.

Aber die Folgen der obrigkeitlichen Härte erwiesen sich nicht segensreich, obgleich die Richter auf Bitten von dreihundert Matronen und Jungfrauen die vier anderen begnadigt und nur mit Verbannung, bestraft hatten. Die Angst vor dem erstarkten Volke trieb die Bürgermeister und Ratsherrn zur Flucht, als um Pfingsten im Weinhause ein neuer Tumult entstand. –

Von Soest wird die Familie Schachtrup oder ein Zweig von ihr – vielleicht in Verfolg jener Vorgänge – nach Osterode am Harz ausgewandert sein. Soest bildete eins der wichtigsten Glieder der Hansa, so daß früh einige Handelsverbindungen mit Einbeck, Goslar und wohl auch Osterode bestanden. – 4 Kilometer nordöstlich Goslar, 2 Kilometer nördlich Oker, am Ostfuße des Sudmer Berges und an der Oker, liegt Schachtrupps Mühle.

Nach Pastor Max – Vorlesung in der Aula der Realschule in Osterode, gehalten am 1. Februar 1871 – ist die Familie Schachtrupp 1650 mit Burchard Schachtropf aus Westfalen in Osterode eingewandert, hat in weltlichen Aemtern unserer Stadt gedient, durch eine umfangreiche Industrie sich weiterhin einen Ramen gemacht und in frommem Sinn das Banner mit der Siegesfahne zu ihrem Wappenzeichen erwählt, wie man es an der Decke der Aula und an der Balustrade des großen Balkons des Reform-Realgymnasiums, sowie ähnlich am Ritterhaus und an der Bürgermädchenschule erblickt.

So finden wir einen Philip Wilhelm Schachtrup als Senator der Stadt Osterode, welcher gleichzeitig Beisitzer der Gilde der Leineweber war. Auf dem alten Aushängeschild der Leineweber (jetzt im Nachlaß des kürzlich verstorbenen Kunstmalers Ferd. Nitsch) steht Philip Wilhelm Schachtrupp als »assesur und Senator« bezeichnet. Rechts oben auf dem Schild ist das bekannte Schachtruppsche Wappen angebracht.

In Osterode hatten sich die Schachtrupps, durch die Nähe des Harzes und dessen Bergwerke geleitet, früh dem Handel und Vertrieb der im Bergbau gewonnenen Bodenschätze aller Art zugewandt und es Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem außergewöhnlichen Wohlstand gebracht. Als Berghandlungsfaktoren der Hannoverschen Regierung hatten sie den kommissionsweisen Vertrieb der auf den Bergwerken des Harzes gewonnenen Metallschätze. Zur Ausnutzung des Bleies gründeten sie unter anderem im Sösetale, 2 Kilometer von Osterode, den »Scherenberg«, eine Fabrik zur Herstellung von Bleiweiß, Schrot usw.

Waren es im wesentlichen die hiesigen Schulgebäude, welche an den Namen Schachtrupp erinnern, so sei am Schluß noch erwähnt, daß dieser Name sich auch an einer anderen Stelle einen Ehrenplatz gesichert hat. Das Kriegerdenkmal auf dem Kaiserplatz erzählt uns, daß der Sekondelieutenant A. Schachtrupp im deutsch-französischen Kriege 1870/71 am 18. Januar 1871 bei St. Quentin gefallen ist. Er war ein Sohn des oben genannten Landwirts Carl August Friedrich Schachtrupp, welcher das Haus der jetzigen Bürgermädchenschule bewohnte. Als Truppenteil gibt die Tafel des Ehrenmales das 2. Husarenregiment Nr. 14 an. In der Familiengeschichte wird Johann Emil Fritz Alexander Schachtrupp als Angehöriger des Königlich Preußischen 2. hannoverschen Ulanenregiments Nr. 14 zu Münster bezeichnet. Hiernach hat er bei einer Attacke seines Regiments auf französische Infanterie bei Terty-Proeuilly, 12 Kilometer nordwestlich St. Quentin, den Tod fürs Vaterland gefunden.

Eine Anzahl Schachtruppscher Grabdenkmäler ist auf unserem ehrwürdigen Friedhofe erhalten. Das schönste ist das Johann Georg Schachtrupps, gekrönt mit einer Urne, die das Familienwappen trägt. Möge die Nachwelt die Gräber pietätvoll erhalten im Gedenken an ein Geschlecht, das Osterode im vorigen Jahrhundert zu größter Blüte verhalf.


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