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An Clemens
[Weimar, den 10. Oktober 1803.]
Ei, Clemens, guten Morgen! – wie lange hab ich geschlafen! – gestern Abend, weißt Du noch, da warest Du bei mir; wir saßen oben in dem grünen Saal, der etwas liederlich aussah, Du sprachst viel wunderliche Reden von der Zukunft, vom Rhein, von Almanach, von – Nun hab' ich so viel und schwer geträumt, daß ich nicht weiß, was wachend und was träumend geschehen, und es ist mir so wunderlich wie den rückwärts geschobenen, poetischen Personen im Zerbino. Und daß Du nun nicht bei mir bist, das ist mir das verdrießlichste! Ich kann Dir's zuschwören, die Zeit, die doch in mir sein soll, und also ich selbst, dehnt sich mir so lang, so lang, daß ich ordentlich zuweilen erschrecke und meine, die Lebenssonne müsse untergehen, weil der Schatten so groß wird. Je näher die Stunde kömmt, wo ich Dich sehen soll, desto ferner scheint sie mir, je wahrscheinlicher, desto unmöglicher. – O! komm doch gleich, komm jetzt! ach Clemens, in diesem Augenblick überfällt mich eine Sehnsucht, die mich zu Tränen zwingt! – ja! Du denkst an mich, Du liebst mich! – o Qual! o Seligkeit! Ich habe mir ein Liedchen gemacht, das will ich alle Morgen uns vorsagen.
Strebet mutig, meine Geister,
noch ist nicht die Höh erreicht!
Wer noch nicht des Lebens Meister,
ringe, bis er sie ersteigt!
Will die Zeit doch wiederkommen,
wo das Herz in Freude schwimmt,
alles Leid ist dem entnommen,
den die Liebe zu sich nimmt.
Schon in meinen neuen Spiegel
strahlt mir eine Welt voll Lust,
und das Leben regt die Flügel
mächtiglich in meiner Brust.
Zweige wehn wie Freudenfahnen,
Morgenrot ist Liebesschein,
und der Vögel süßes Mahnen
kehrt in meinen Busen ein.
Wieder will ich Lieder singen,
Leben, wieder dich verstehn
und auf deinen leichten Schwingen
durch die grünen Täler gehn!
Ich habe Deine Geschenke erhalten und weiß nicht, wie ich sie genug preisen soll. Es ist alles so lieblich und schön – das Kettchen umschlingt mich mit zarten, goldnen Fädchen – die Schale beut mir Necktartropfen – und der Schleier, ach! der Schleier verhüllt mich und meine Liebe vor den harten grausamen Blicken der Menschen!! – Glaubst Du, dies letzte wäre mir Ernst? – Da irrst Du Dich gewaltig, denn Menschen sind so übel nicht, sobald man nur gesund ist und über sie lachen kann, und ich habe eben jetzt, ganz für mich allein, so unsinnig gelacht, daß die Träne der Sehnsucht, die mir noch im Auge stand, ganz davon – doch still von Sehnsucht, denn sonst – ja, wirklich, o Du verdamm –
Mit Tieck habe ich mich auch nicht wenig gequält. Hat der Schelm nicht wenigstens 1 Dutzend Billetts von mir erhalten! nun endlich ist die Büste abgereist, oder er war der unverschämteste Lügner, der je geatmet – und wüßte ich, daß Du den leisesten Argwohn haben könntest, als sei ich in dieser Sache nachlässig gewesen, ich stürzte mich – in den Ausbruch der schwärzesten Verzweiflung – in seine Arme! – Du würdest doch dazwischentreten? – ach Clemens, ich habe Dich so herzlich lieb! ich lebe so ganz, so ganz in Dir! – und ich bin so froh, daß ich wieder gesund bin! – ach! ich bin recht krank gewesen, kränker, viel kränker als Du Dir denken magst. – Was ich Dir nur geschrieben habe? ich hätte Dir lieber gar nicht schreiben sollen, aber das hätte Dich doch ein wenig beunruhigt. Nun, Du wirst es ja meinen Briefen wohl angefühlt haben, daß ich nicht in meiner natürlichen Stimmung war und wirst Deine Sophie deshalb nicht weniger lieben.
Mit Deiner Protegee habe ich tausend Spaß. Sie kann nun nichts, gar nichts, und das macht mir denn drei Arten von Vergnügen. Erstens denke ich bei jeder kleinen Mühe, die ich übernehme, es sei für Dich. – Die Hand geküßt. – Zweitens lehre ich einem andern vieles, was ich selbst nicht erlernte, ja, noch nie geübt habe. – Die Nase gerümpft. – Drittens mache ich mir alle Augenblicke über meine Geschicklichkeit ein Kompliment. – Ei pfui, Clemens, so höhnisch zu lachen! ja wärst Du bei mir, zur Strafe – doch das schickt sich nicht zu schreiben – o Liebe – Haß adieu – ich lauf ins Theater!
den 11ten 8ten
O! Du Ungeheuer, Genie, Bösewicht, Lügner, Verleumder, Räuber, Schriftsteller, Komödiant – ach! Du Teufel – ich bin außer mir, ich sterbe, ich bin schon tot. Betraure mich, weine ein paar verführerische Tränen, um damit das Lächeln eines weichfühlenden Mädchens zu gewinnen, schreibe die rührendsten Trauerlieder auf Deine arme Geliebte, um Dir neue Freude damit zu erkaufen – ach! wie interessant wirst Du sein in Deinem heuchlerischen Schmerz, Deine Koketterie lockt mich von den Toten zurück, ich kehre noch einmal ins Leben, um mich von neuem in Dich zu verlieben – Doch nein! ich nehme mich zusammen, wir sind getrennt, und ich sage Dir ein ewiges Lebewohl!
Lieber Clemens, Du siehst wohl, daß ich Deinen letzten Brief erhalten habe. Ach! Du hast Deinem armen Freund einige sehr harte Worte gesagt, und er hatte es nicht verdient, die treue Seele! bereuen kann er nichts, denn er sagte Dir keine Lüge, und daß er unglücklich war und krank, hättest Du so streng nicht rügen sollen. Aber er, er ist Dir drum nicht böse, er ist nur still und sieht Dir nach, Du kühnes, göttliches Licht, das ihn mit seinen Strahlen nach dem Himmel lockt. Dort sucht er Dich mit dem hellen Blick der Liebe (nicht mit dem Augenglas, durch welches Ama Deine Tugend sehen sollte, als könnte diese mit bloßem Auge nicht erkannt werden, wie bescheiden!), er betet still zu Dir und hat sich nie mit Dir vergleichen wollen. Ach! was in seinem armen, treuen Herzen redlich glüht, ist ohne Strahl und Glanz, doch kennen es die Himmlischen wohl, sie lieben es und wissen, daß es einstens eins mit ihnen wird. – Ja, Clemens, in Dir bete ich das Göttliche an, wo hätte sich die Gottheit mehr verherrlicht? Du sollst an die Stelle meiner guten Geister treten, die mich oft getröstet haben. O! erscheine mir, wenn ich glaubend, dringend zu Dir bete, tröste mich mit ernsten, sanften Worten, aber bezähme jede harte, verwundende Rede, und wenn ich in allem gern Deine Überlegenheit anerkenne, so wolle Du nur hierin selbst – nichts vor mir voraus haben!
Heute, zugleich mit Deinem Brief, erhielt ich einen aus Norden; einen ehrlichen, gutmeinenden, lustigen Brief. Einer meiner einstigen Bekannten, der unterdessen auf der Leiter des Glücks emporgestiegen ist, schreibt mir und bietet mir seine Hand, ich werde ihm antworten, was kann ich ihm schreiben als die Worte:
Ich folge treu des Sängers Lied,
das mich nach Süden zieht.
O, ich glaube an Dich, wie ich nie geglaubt habe, ich liebe Dich, wie ich nie liebte, ich bin treu, wie ich es nie war!
Reise nun bald nach Marburg zurück, denn ich komme bald – ob ich es gleich selbst noch nicht glaube –, und ich schicke vorher noch Bücher und Betten. Doch erwarte ich erst einen Brief von Dir und schreibe Dir noch einmal – dann geht hinab die dunkle Zeit, auf geht des Glückes Stern, ich trage gern das größte Leid, bist Du mir nur nicht fern!
Ich habe Dir, glaub ich, geschrieben, ich wünschte 60 Friedrichsdor – ich brauch aber nur 40. Hast Du sie also noch nicht abgeschickt, so richte Dich danach, wo nicht, so bring ich Dir sie gleich wieder mit.
Bei alledem, Brentano, betragen Sie sich doch sehr unzart gegen mich. Bei der geringsten Veranlassung werfen Sie gleich die Maske der Liebe und Bescheidenheit weg und machen sich mit Ihrer Vortrefflichkeit so breit wie Mereaus Rücken, den ich doch immer noch lieber sah als sein Gesicht. Da heißt es gleich »Doch das verdienst Du nicht! Das kannst Du nicht verstehen! Das wirst Du nie erreichen!« Hören Sie, mein Herr, eine solche Geringschätzung verzeiht kein Weib, daß Sie es nur wissen! – Beleidigt hast Du mich, ich hab's geschworen, ich räche mich, nahst Du Dich mir, so bist Du gleich verloren, ich warne Dich, in Liebesworten will ich mit Dir rechten, vernimm's und schweig, die Arme sollen fesselnd Dich umflechten, Verbrechern gleich, wie Pfeile sollen meine Blicke sinken in Deine Brust, den Hauch will ich von Deinen Lippen trinken, mit Rache Lust,
empfehle mich Ihnen –
Wie glücklich Du bist! Da lebst Du den ganzen Tag mit zwei der liebenswürdigsten Weiber, siehst eine Menge artiger Gesichter und vergißt täglich wohl 20mal Deine arme Geliebte, die von dem allen nichts hat! – Doch ich will Dirs nicht verhehlen, wenn Du glaubst, daß ich unterdessen immer ruhig hier gewesen bin, so irrst Du Dich. Kaum wußte ich Dich in Frankfurt, so nahm ich meine übrige Barschaft, hüllte mich in männliche Kleider, und nun hin! meine Eifersucht ließ mir keine Ruhe. Hast Du denn nie den blonden Jungen bemerkt, der immer so nah als möglich bei Dir war? – eine blonde Perücke, ein falscher Backenbart, etwas Schminke und die moderne Tracht der Männer machten mich vollkommen unkenntlich. Ach! wie nahe war ich Dir oft, im Schauspiel, abends auf der Straße und bei der schönen Putzmacherin! oft hätte ich einen Dolch durch Dein treuloses Herz stoßen mögen, wenn Dein schönes Aug' so begehrend nach andren schönen Augen blickte; oft aber auch Dir um den Hals fallen mögen, wenn Du traurig aussahst und die Törin sich einbildete, Du denkest vielleicht an sie! Deine Schwester habe ich auch oft gesehn; sie ist ein liebes, liebes Kind, und ihre Gestalt ist größer und ausgebildeter, als ich mir sie gedacht, und Deine Schwägerin ist wirklich schön, sie hat einige Ähnlichkeit mit der Mine [Reichenbach]. – Ich schicke Dir hier ein Halstuch, das ich als Mann getragen, unter welchem mein Herz oft so laut für Dich geschlagen, nun wird es das Deine bedecken – Herz, o Herz des einzig Süßen! all mein Leiden sollst du büßen! daß ich einst ihn kränken müssen, muß ich schuldlos schuldig büßen! O! wie werd ich einst vermessen mich an seinen Busen pressen, alle Trauer sei vergessen und die Freude ungemessen! –
Clemens, nun kein Wort mehr, ich bin ganz beschämt über das viele Geschwätz – über das nämlich, was ich verschwiegen. Nur noch eine Bitte: sei nie wieder so künstlich zärtlich und so natürlich grob wie in Deinem letzten Brief! – bitte, bitte, lieber, dummer Bub! –
Und, mein Allerliebster, sollte ich wieder in den Fall kommen, traurig oder krank zu sein, so schwöre ich bei allen Göttern der Freude und Gesundheit, mir andre Hülfe zu suchen, denn Sie sind der ungeschickteste Arzt und der grausamste Tröster, den es je gab. Und wie leicht kann das sein! denn nur der Frohe fühlt den Schmerz, nur der Gesunde die Krankheit, nur der Mutige kann verzagen! – Was hilft es den armen Verschütteten, wenn einer über den Ruinen einen prächtigen Triumphbogen erbaut? Glücklich, wenn er noch Kraft genug besaß, sich auf einer andern Seite selbst herauszuhelfen und nun dasteht und lächelnd den wirklich malerischen Effekt des Bogens bewundert, durch welchen der Erbauer eben, die Lyra im Arm, wie der Gott der Lieder selbst, stolz hindurchschreitet; sein Auge ist zum Himmel gerichtet, sein Ohr lauscht seinen eignen Tönen, und nur zuweilen steht er still und erstaunt, daß nicht ein Jauchzen des Versunknen zu ihm aus der Tiefe empordringt! – Nein, für die nachlässige vertraute Wahrheit eines Gemüts haben Sie keinen Sinn; Sie lieben nur die Wahrheit, wenn sie Ihnen gefällt, Sie erfreut – und ich habe leider! keine andre Strafe für Sie, als so zu bleiben, wie ich bin. – Mögen Sie sich dann auf meine Kosten erheben und stolz auf Ihre Vortrefflichkeit ausrufen: Herr, ich danke Dir, daß ich nicht wie die andern bin! – ich, innig, demütig, aber der Erhörung gewiß, seufze neben Ihnen: Gott! sei – dem Sünder gnädig!
Ich erhalte eben diesen Almanach; wenn ihn Betine noch nicht hat, gäbst Du ihr ihn wohl, mein Lieber? Morgen erhalte ich auch den von Schlegel, aber ich will den Brief nicht zurückhalten, also das nächste Mal. Reise nun bald nach Marburg und schreib mir, wenn Du dort bist, denn ich habe Lust, Dir nicht mehr als 2-3 Briefe noch zu schreiben und dann Dir selbst Brief und Siegel zu geben, daß ich da bin.
»Herz, o Herz, was soll das heißen?
bist so frei, so übermütig,
willst die Zweifel von dir weisen?
und er ist dir doch nicht gütig!
Laß mir meinen Mut, den freien,
ist er doch ein süßes Zeichen!
mag er loben, mag er dräuen,
nimmer find't er meinesgleichen!
Von unsichtbaren Gewalten,
hab' ich kühn ihnden Clemens. [Bemerkung Sophiens.] mir errungen,
und geheime Fäden halten
ihn mir ewiglich bezwungen.
Lebend muß ich nach ihm ringen,
sterbend werd ich triumphieren,
Geister weiß ich zu bezwingen,
keiner kann ihn mir entführen!
Mag er lieben, mag er hassen,
immer bleibt er doch mein eigen!
Drum bitt ich, mir zu lassen,
meinen Mut, das sichre Zeichen!
An Sophie
[Frankfurt] den 11. 8bre 1803
Liebe Sophie!
Vor zwei Stunden schloß ich meinen letzten Brief und schicke ihn Dir, seit zwei Stunden ist mir gar nichts Neues geschehen, ich habe nichts anders mit Dir zu reden als was ich Dir, seit ich Dich liebe, gesagt. Seit ich Dich liebe? – ach Sophie! es läßt mich keine Minute ruhen, daß ich Dich so liebe, alles, was ich ergreife, sehe, tue, alles das ist das Rechte nicht, ich muß in jeder Minute wechseln, immer etwas anderes ergreifen, o ich weiß wohl, was ich suche, wenn ich es werde gefunden haben, so werde ich es wohl wissen, ich werde ruhiger sein, glücklicher, Dir näher, sobald ich irgend etwas berühre, worauf Dein Gestirn influiert, aber diese Nähe, sie ist noch mehr bittere Ferne, es war mir ja oft ängstlicher, wenn Du mit verhülltem Kopfe neckend neben mir saßest, als wenn ich Dich gar nicht sah, so eile ich den ganzen Tag mit dem Gedanken umher, um etwas zu tun, was ich Dir, Dir allein, Du geliebtes, seliges Weib, tun könnte, aber ich finde kein Ziel, dieser Liebesmelancholie würdig zu stecken, als daß ich mich wieder setze, vor das reine, liebe, gute Papier, den unschuldigen Boten meiner Gesinnung, wenn Liebe Gesinnungen hat, wenn Liebe nicht die schönste Sinnlosigkeit ist, – ich fühle, daß alle meine Sinne sich zu einem einzigen verwandelt haben, seit ich wieder so unendlich glücklich bin, zu lieben und geliebt zu sein. Alle meine Sinne liegen wie ein inniges Begehren, um Trost und Befriedigung flehend vor meiner Erinnerung und Phantasie auf den Knien, und ich kann kaum auftreiben, was diese hungrigen, ungeduldigen Kinder alles wollen, und nur von Dir, und immer von Dir, o süße Worte, Blicke, Küsse, Zweifel, o süßer Streit, o Sieg, o Frieden, Freude, Du Knospe, Rose, Blatt, ihr Zweige, Palmen, o ganzer mächtger, schimmernder Liebesbaum! Ein Liebesbaum – still ihr Sinne, seid fromme Kinder, betet, so wird der heilige Christ euch einen Liebesbaum bescheren mit goldnem Flitter, bunten Lichtern, mit religiöser Kindesphilosophie soll Phantasie ihn euch ausschmücken, und Erinnerung die liebe Mutter, die wohl weiß, was ihr jegliches verdient habt, die wohl weiß, was ihr jegliches wünschet, sie wird euch den freudigen Baum wohl auszuschmücken wissen. Da gehen die Kinder in die Kammer und knien nieder, und jegliches bittet nach seiner Art und ist fromm, und beten doch alle nur dasselbe, denn sie lieben sich, seit Du mich liebst, und sind eins und dasselbe, aber wie schmückt ihnen die Mutter auch ihren Weihnachtsbaum, da sind Küsse, Blicke, süße Reden, Scherze, Seufzer, gute, ja auch zornige Worte von Dir gar reizend zwischen grünen Blättern und goldnem Golde und flammenden Flammen aufgehängt, Deine zornigen Worte und Deine niederländische Kälte und französischer Leichtsinn sind gar artig in eine Rute gebunden, aber in dem Stiele der Rute stecken eine Menge indianische Süßigkeiten, o du Weihnachten, du Herzensfreude, o Du liebes Weib, o ich Kindskopf! – gute Nacht, morgen früh schreibe ich wieder, morgen Abend geht die Post wieder. –
[12. Oktober 1803.]
Guten Morgen, wenn ich heute nicht eben so komische Sachen wie gestern schreibe, so ist dies nicht, als wäre ich nicht zufrieden, sondern es fällt mir nichts ein, ich habe mich zwar gestern Abend im Bette auf mancherlei besonnen und ist mir so vieles eingefallen, womit ich Dich unterhalten könnte, aber teils sind es Sachen, an deren schriftlichen Darstellung selbst die größten Schriftsteller scheiterten, teils sind alle diese schönen Träume heute Nacht wirklich verträumt worden. Was von allem dem übriggeblieben, außer dem Thema der unendlichen Variation Ich liebe Dich, sind die Kruditäten, das heißt reine Nahrungssorgen, aber sei versichert, mein Kind, daß ich sie ganz objektiv behandle. Mein fester Wille, ja das einzige, worauf ich mich einzulassen gedenke, ist die Ehe, ist die Ordnung, denn ich empfinde, daß alle Trägheit, meine Fehler, meine Unruhe, Unzufriedenheit ihren Ursprung aus der Unordnung herzuleiten haben, ich habe bis jetzt mit meinen Gedanken, Worten, Werken, meinem Besitz, meinen Freunden, ja mit meiner Liebe selbst in einer gewissen Unordnung gelebt, die ganz darauf hinauslief, mich in allen meinen Verhältnissen, selbst in denen zur Kunst, zum Verderben zu bringen. Indem ich mich mit Dir verbinde, übernehme ich eine freudige, heilige Pflicht, ich will mit Dir verbunden auf alle Weise zur Ordnung streben, ja in Dir selbst die Ruhe und Reinheit wieder mit allem ihrem segensvollen Einfluß auf das Leben hervorführen. Ich bitte Dich, Sophie, widerstrebe diesem frommen und festen Vorsatze nicht, besser zu werden, als ich bisher war, Du bist es ja, die die Früchte dieser Besserung allein genießen und sich ihrer erfreuen soll, wie Du es auch bist, die mich in meinem Verderben begründen und zugrunde richten kann. Ich versichere Dich, es ist kein böser Funke in mir, kein schlechtes Äderchen, und auf alle Beschuldigungen der Welt kann ich mir nichts vorwerfen als Unordnung. Meine Verbindung mit Dir wird mir bald der schrecklichste Vorwurf sein, wenn ich nicht zugleich mit ihr in die größeste, wohltätigste Ordnung eintrete, und ewig werde ich glücklich sein durch Dich, wenn Du mich zur Ruhe, zur Gesetzmäßigkeit und so auch zu dem eigentlichen größten Geheimnis aller Tugend, aller Kunst führest. Dein letzter Brief spricht so gütig, so rein, so wahr »ich will ja nichts als Dir Freude machen und alle meine Verhältnisse mit dem Leben rein erhalten«, o geliebtes Weib, nimm mir den schönen Trost, den mir diese lieben Worte gegeben, nicht wieder, laß mich Dir ganz trauen und glauben können, o wie glücklich wäre ich, wenn etwas, was Du sagst, mir das Gefühl einer überlegten, unumstößlichen Wahrheit einflößte, mir ein festes, ewiges Natur- und Kunstgesetz würde, an das ich mein verwirrtes, verirrtes Leben von neuem mit Ruhe und liebender Zuversicht anbauen könnte. Sieh, ich will Dich einen tiefen Blick in mein Inneres tun lassen, mißbrauche ihn nicht, knüpfe an ihn das erste schönste Werk Deiner Liebe zu mir. »Meine ganze Bizarrität, alles, was in mir bloß interessant ist, was mich störend, auffallend macht, ist die mit einem großen Aufwand von ängstlicher Arbeit und mißbrauchtem Kunstsinn scheinbar genialisch drapierte Unordnung und daraus entsprungene Mutlosigkeit und Unwill an dem Leben.« Du bist der erste Mensch, dem ich dies sage, nicht als wäre es mein schmutziges Intresse gewesen, es zu verbergen, sondern weil Du der erste Mensch bist, den ich unbegrenzt achte und liebe, ich vertraue Dir, denn ich erwarte Hülfe, Liebe und den wohltätigsten, ordnendsten Einfluß von Dir auf mein Leben. Wenn meine Hoffnung an Dir scheitert, die Hoffnung, durch Dein Mitleben zur Ordnung, Ruhe und Arbeitsamkeit in allen meinen Angelegenheiten, geistlichen und weltlichen, zu kommen, so ist mein Leben auf Erden gescheitert, der erste und notwendigste Schritt hiezu ist, daß Du mein Weib vor Gott und den Menschen seist, und wehrst Du Dich dagegen, so wird mir immer ein Mißtrauen in Dich bleiben, das meinige, von dem ich Dir, sobald ich mit dem Kuratelamt abgerechnet habe, eine völlige Spezifikation einhändigen werde, wirst Du mit mir genießen und mir mit Rat und Tat treulich verwalten helfen, daß, sollte mein frommster, schönster Wunsch vom Leben Gott gefallen, sollte ich je mich mit Dir eines Kindes erfreuen, wir es mit der liebenden Freude guter Eltern anschauen können, die ihr Kind schon vor seinem Dasein bedachten. O Sophie! verzeihe mir, daß ich mich hier auf einen Augenblick von meinen ernsten Reden entferne, um mich mit aller Freude auf diesen beseligenden Gedanken zu werfen, o Sophie, unser Kind, die unschuldige, versöhnende Frucht so mancher wundersamer Schmerzen und Freuden, über den bange schlagenden, kämpfenden Herzen ein Engel schwebend mit der Friedenspalme, ach, ich kann ihm in die Augen, in die Seele sehen, ich kann Dich in ihm ruhig und gereinigt von den Wunden des Lebens wiedersehen, ich kann Dich lebend in den Armen halten und doch Dich anschauen, wie Du schon im Himmel wandelst, und Du, geliebte Seele, willst Du Dich auch meiner in solcher Unschuld erfreuen, ach Sophie, daß Du jetzt nicht bei mir bist, mich in diesem Augenblick nicht küssen kannst, daß Du mir jetzt nicht antworten kannst und mir sagen, ja, lieber Clemens, ich will glücklich sein durch Dich, ich will Dich glücklich machen, Dir helfen, Dir wohltun, ich will Dein treues, liebendes Weib sein.
– Und so kehre ich zu meinen ernsten Reden zurücke. Soeben komme ich von meinem Bruder Franz zurücke, mit dem ich von meiner Abrechnung gesprochen habe, es ist mir wunderbar, wie es mich immer angreift und bewegt, mit diesem unendlich guten, genialischen Menschen über ernsthafte Gegenstände zu reden, nachdem er mir mit einer stillen, treuen Darstellung auseinandergesetzt hatte, welche Wege ich bei der Obrigkeit gehen muß, nachdem er mir mit der Besorglichkeit eines Vaters über die nunmehrige Notwendigkeit, mein Vermögen selbst zu verwalten, gesprochen hatte, mußte ich weinend aus der Stube gehen. Was ich Dir heute Morgen schrieb, hatte diesem fremden, mir bis jetzt ganz unbekannten Teil meines Lebens einen so feierlichen und edlen Anstrich gegeben, daß ich weinen mußte, ach Sophie, wie habe ich Dich lieb um diese Tränen, ich bin sehr glücklich in mir durch sie geworden, ich fühle, wie ich lieben kann, wie ich leben werde, ich freue mich des Lebens, das in vielen Teilen mir sehr würdig erscheinen kann, was ich vorher nie geglaubt, ich gehe in wenigen Tagen von hier nach Marburg, wo ich Deine Briefe etwas umständlicher erwarte und von wo aus ich Dir das Geld schicken werde. Nur bitte ich Dich, Deine Abreise dann sehr zu beschleunigen und mir das Nähere vorher wegen dem, was Du mitnimmst, und der Versendung zu schreiben, so daß Du mit Deinem Geräte zugleich hier bist und Dich nicht in die leeren Bettstellen zu legen brauchst. Ich hoffe dann, daß Du Dich nicht mehr lange wehrst, ganz mit mir zu existieren, denn ich versichre Dich, Du wirst mich erst kennen, lieben und nie mehr lassen wollen, wenn wir ganz zusammen sind. O liebe Sophie, achte jedes Wort, was ich Dir sage, denn mir ist es ganz ernst, alles ist mir ernst, und antworte mir auf diesen Brief nicht wie auf einen frühern, »wie kannst Du mir nur so unverständig verständige Briefe schreiben«. Wenn Du dies alles unverständig nennen kannst, so bist Du unverständig und verstehst weder mich noch irgend etwas auf der Welt. Es besteht jetzt in diesem Augenblick eine Gesinnung zwischen uns, die für uns und die Welt die einzig rechte ist. Ich bitte Dich, liebe mich, störe mich nicht, sei mein Weib.
An Sophie
18ten 8br. 1803. Frankfurt a/M.
Liebe Sophie!
Ich habe nun seit zwölf Tagen keine Briefe von Dir, doch hoffe ich übermorgen auf Nachricht und wünsche, daß Du mir recht ausführlich auf vieles, was Du mir bis jetzt unbeantwortet gelassen, Deine ernste, liebe Meinung sagen mögest. Ich versichere Dich, es fehlt Dir nichts als Vertrauen in mich und Mißtrauen in die Welt, um recht sehr glücklich zu werden, bedenke Dein Leben, wer hat Dich zu verderben gesucht, wessen Freundschaft hat Dir und Deiner Kunst so mannigfach geschadet? die Welt und ihr Umgang mit Dir; liebes Weib, wenn Du die eigentliche innere Einfachheit meines Herzens begreifen wolltest, Du würdest sehr glücklich mit mir sein, Du nimmst die Stürme in mir für Verwirrtheit, ach, es mag eine Welle über die andere sich kräuslen auf der größern, das weite Meer liegt doch fest in den ewigen Banden seines eignen Herzens, der Demant Klarheit, ja nur das Flüssige ist fest, und das ist das Geheimnis aller Liebe in der Welt, das Flüssige bekömmt nie Narben, wo es durchschnitten, wo ein schweres Schiff gefahren, siehst Du kaum ein wenig Schaum in der Spur, auch die Stellen, die der Sturm emporwirft, sind Spiegel des Himmels, und ewig darfst Du dem Meer vertrauen, denn es ruht ewig in der Tiefe, so sei Sirene, Du reizend Weib, und steige in mich nieder, wenn es stürmt, und sehe, wenn es ruht, der Sterne Abbild um Deinen Busen auf der stillen Fläche spielen. O liebe Sophie, wenn Du so recht begreifen möchtest, wie ich liebe, wenn Du Dich so recht an mich hängen möchtest, so zu Haus in mir, mir angebannt wie Flügel einem Vogel, zu welchen freud'gen, ruh'gen Höhn wollte ich Dich schwingen, vertrau mir, liebe mich, verlange nach mir, und alles, was mich beschwert, alles Irdische, die Sünde will ich niederfallen lassen, den Himmel leichter so mit Dir zu erschweben. Doch still, daß ich Deinem Herzen nicht vorgreife, das sicher mir noch größere Freuden bereitet, als ich erwarten darf, der sein Verdienst kennt, Dich.
Morgen abend denke ich Dir die 60 Friedrichsdor zu senden, aber halte Haus, Liebchen, und komme bald zu mir, ich bitte Dich herzlich, auf der Reise Dich warm zu kleiden, es ist jetzt eine schlimme Jahrzeit, und mir nochmals zu schreiben, daß ich Dir Holz kaufe, ich wollte Dich auch herzlich bitten, mir zu erlauben, daß ich in Deiner Wohnung den Saal und die Kammer den Winter schon beziehen darf, Du fändest dann gleich bei Deiner Ankunft einen vertrauteren Wirt, denn mein Weg ist ohnedies aus meiner jetzigen Wohnung sehr weit und im Winter des glatten, bergigten Bodens wegen oft halsbrechend. Auch wünscht Savigny, der sehr eng mit mir wohnet, mehr Platz, und das Ganze wird bequemer und wohlfeiler für unser Leben. Es wird mich schmerzen, wenn Du mir es versagen wolltest, ja, es schiene mir dann, als würdest Du vielleicht gar ganz wegbleiben, wenn Du Dir kein Dementi geben wolltest. Dann brauche ich Dir auch kein apartes Holz zu kaufen, und Du hast meinen schönen Büchervorrat zur Hand, und wir leben ruhig und schön abgeschlossen von der Welt. Bis Montag gehe ich nach Marburg zurück, wo ich sogleich Deine Antwort hierauf finden werde, o mache mir keine unnötige Betrübnis durch Dein Verweigern. Chevalier Thelos lebte ja auch mit seiner Liebe zusammen, und die kleine Ausschweifung mit dem Teetrinken, wie angenehm ist sie im Winter und der Bequemlichkeit; und wie begierig bin ich, Tee mit Dir zu trinken, sei lustig, Sophie, liebe mich und komme und schreibe und glaube an Deinen
Clemens.
So schreibe doch wegen meiner Büste, die immer noch nicht hier.
An Clemens
[Weimar] d. 19ten 8br. [1803.]
Ich habe Deine letzten Briefe erhalten; ich liebe sie unendlich, und mehrere Stellen, die Du wohl erraten wirst, wenn Du meinen Brief ganz gelesen, haben mir fromme, wunderbare Tränen ausgepreßt. Nein, Clemens, ich will die Ordnung Deines Lebens nicht stören, ich will sie sichern; leichtgesinnt werde ich sein, aber nicht leichtsinnig, Deine Freiheit will ich zu erhalten streben, indem ich Dich der Unordnung entreiße, und alle Reife, welche die mir aufgenötigte Sorge für die Erhaltung meiner eignen Existenz, meinen Verstand gegeben hat, will ich gebrauchen, um Dir auf jede Weise nützlich zu werden. – O! Du glaubst nicht, wie seit einiger Zeit die Zuversicht meiner Seele wächst! Das Vertrauen auf Dich, das Gefühl meiner wahren, reinen Neigung zu Dir läßt mich stark und kühn der Meinung aller andern entgegentreten, und ich weiß es so gewiß, daß ich recht handle, ja, daß ich sogar alle andern davon überzeugen müßte, daß ich es fast gar nicht der Mühe wert achte, es zu tun, sondern ruhig und sicher meinen Gang fortgehe. – Seit man von meinem Entschluß weiß, erhalte ich eine Menge Briefe; von allen Seiten, von Gotha, Altenburg, Camburg usw. drohen mir Besuche, die ich nur dadurch zurückhalte, daß ich meine Abreise noch nicht so nahe ansetze, nämlich für die andern.
Du tatest einige Fragen über meine Lage, und ich will sie Dir kurz und deutlich beantworten. Ich nehme – wenn nicht unterdessen einer von drei Buchhändlern Bankerott macht – auf Ostern 700 Rtlr. ein; nun war mein Plan, mir unterdessen gegen eine zur Ostermesse gefällige Assignation auf einen der Buchhändler das nötige Geld geben zu lassen, und auf diese Weise war ich bis dahin die Schuldnerin eines andern geworden. Nun aber werde ich die Deine bis Ostern, denn dann mußt Du es wieder nehmen, der Ordnung wegen, doch bitte ich Dich, die 40 Friedrichsdor sogleich zu senden, weil ich nun jenes aufgegeben und sie jetzt notwendigst brauche.
Ferner rechnete ich für meine Einrichtung in Marburg gegen 300 Rtlr., wovon ich wünschte, das meiste erst Ostern bezahlen zu können, doch ist es sehr wahrscheinlich, daß ich einen Teil dieses Geldes sowie auch 100 Rtlr., welche ich für meinen Unterhalt bis Ostern rechne, entweder gleich mitbringe oder zu Weihnachten erhalte. In wenig Tagen werde ich hierüber Gewißheit haben und Dir es schreiben. Meine Reisekosten werde ich besorgen, Dich aber dennoch bitten, mir entgegenzukommen – davon mit nächster Post, denn ich bin heute gestört worden, will Dir den Brief doch gern schicken und habe nur noch wenig Zeit bis zum Abgang der Post. – Die Bestellungen, um die ich Dich gebeten, besorge gleich – die Strohmatratze für das Sofa ja nicht zu vergessen. Auch werde ich Dir es sehr danken, wenn Du unterdessen Holz für mich besorgst.
Wahrscheinlich werde ich künftige Woche unter Deiner Adresse mehrere Sachen nach Marburg abgehen lassen; man kann es von Erfurt aus durch Fuhrleute sicher tun; doch muß ich Dich bitten, die Fracht, welche ich vorher akkordieren und Dir anzeigen werde, unterdessen auszulegen, weil es sichrer ist, das Geld beim Empfang zu zahlen.
Meine Verhältnisse mit Mereau sind folgende. Als ich mich von ihm trennte, verlangte ich es unter jeder Bedingung; ich verlangte nichts von ihm und sprach ihn gern von der Zurückgabe des kleinen Eigentums frei, welches ich ihm zugebracht hatte. Doch als er kurz darauf, zum Teil durch meine Vermittlung, in eine beßre Lage kam, war er ehrlich genug, mir eine jährliche Einnahme von 200 Rtlr. zuzusichern, bis ich wieder heuraten würde, und in diesem Fall mir ein seinen Umständen angemeßnes Fahrgeld für Hulda zu geben, wobei er sich jedoch das Recht vorbehielt, diese von mir zu entfernen, – was er aber, bei der geringsten Rechtlichkeit, nie wollen kann und wird.
Dies ist alles, was ich von meiner äußern Lage weiß; von meinem Herzen weiß ich, daß es Dich liebt, mein Freund, und recht ruhig und unruhig an Dich denkt. Mein nächster Brief wird Dir mehr davon sagen – in diesem schrieb ich Dir ja nicht einmal, warum ich über manche Stellen Deines Briefs weinen mußte. – Clemens, was wirst Du sagen? –
An Sophie.
Frankfurt, den 20. 8bre 1803.
Liebe Sophie!
Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief, der, indem er eine Summe von Stimmungen mit einer einzigen umfaßt, mir beinahe ein genügendes Bild Deiner Liebenswürdigkeit gibt, Du bist ein liebevolles, frommes, kunterbuntes Weib, das von der Gütigkeit fait macht und mir so lieb ist, daß ich mir genug Gutes von mir durch Sie verspreche, aber so recht verstehst Du doch mein Wesen nicht, und ich glaube beinah, Du stellst Dich allein bei meinen Briefen ein bißchen dumm an, um mich auf eine so artige Weise auszuschimpfen und nicht gar vor Liebe wirklich einmal zu lieben. Es ist eine Kunst, an irgend jemand, dessen Glück durch Briefe gefristet wird, zu schreiben, so zu schreiben, daß die Zeit, welche der Brief unterwegs ist, ihn nicht zum Lügner mache, und ich wünsche Dir Glück, Dein letzter freier, liebender, strenger Brief ist wahr und schön und gut. Jetzt weiß ich, wie Dir ist, Du bist, und der Flamme näher gerückt, wallt mein Herz von neuem zu Dir auf. Wir erwarten beide vieles von der Zukunft, Wiedersehn, Küsse, Vertraulichkeit, ich erwarte mehr als Du, Du kannst Dir selbst gefallen mit Freude, Du kannst Dir unter vielen Menschen lachend gefallen, ich, wenn ich mich meiner erfreuen soll, muß in mich selbst zurückkehren und einsam sein, jetzt nicht mehr so, Du hattest die ganze Welt zum Gesellen, ich hatte wenige Menschen, die mir meist fern sind, ich hatte niemand, nun willst Du meine Gefährtin sein, nicht mehr zurückgebannt zu mir selbst ins Herz, das ich auswendig kann, wie der Vogel seinen Käficht, Du stellst, ein grünend, freudig Frühlingsziel, Dich mir so liebvoll in die freie Welt, ich will hinaus, hinaus zu Dir, wie Bienen schwärmen oft mir die Gedanken, und wenn ich steche, ach, verzeiht es Menschen, und wollt die Bienen darum nicht boshaft nennen, denn schon hängen sie sich dicht zusammen, wie Küsse auf geliebten Lippen, wie süße Beeren sich zur Traube bilden, so gleicht an jenem grünen Baum der wilde Schwarm schon einer wunderbaren Frucht, die in dem neuen Stocke ihr künstliches, ihr süßes Werk beginnen wird. Ach, liebes Weib, wie freue ich mich auf Dich, wie werde ich glücklich durch Dich sein, und wenn Du dann so immer größer wirst in Deiner Liebe, wenn ich Dich so allein habe, und alles Schlechte, was Dich nur umgab, fern von Dir ist, ich mich aus voller Seele recht ergießen kann, ach, lange nicht, nie möcht' ich wohl sagen, hab' ich empfunden, was der Quell empfinden muß, wenn er nach langer unterirdscher Reise aus seinen Banden zu Licht und Sonne springt, o süßes, herrliches Entzücken, von einer andern reinen Seele gewußt zu werden, o soll ich nicht silbern, kühl und mutig stürzen mich vom Fels, wenn solche Blumenaugen nach mir schauen wollen, Sophie, ich sehe Deine Augen, die gütig nach mir blicken, nur nach mir, soll ich diese Augen nicht erfreuen wollen, mit mutiger und freudiger Gebärde, ach, alle die Sinne, die meiner harren, das ganze liebe, kleine, kluge, gute Weib, Du selbst, Du liebe Sophie, soll ich Dich nicht erfreuen wollen, nicht glücklich machen, vor Dir zu leben, zu leben wie Du ein Leben gerne sehen magst, sei mir das beschränkende wohltätige Gesetz, ach, Ruhe wirst Du in mich bringen, Du wirst in Deinen lieben Armen mir einen Raum vergönnen, den auszufüllen mir endlich eine Gestalt gibt, ein Bett gibst Du dem flüßgen Element, die Untiefe machst Du tief, das Stürmende rasch, das träge, schmerzvoll Drängende zur freien, freudigen Bewegung, und wie geregelter Bewegung man vertraut, so sammelt sich das Leben an dem Ufer gern, Du bringst das Leben mir, und wo es näher, liebevoller steht, da spiegelt es sich in mir, seid mir willkommen, ihr Büsche, Bäume, Blumen der Geliebten, sei mir willkommen, Fischer, Sirene wohnet nicht in mir, und in der Mitte sieht sich der Himmel an mit seinen Sternen, o gütge Dichtung, die den Flüssen einen Gott, den Ufern Nymphen gab, o steige nieder, Liebchen, in mein ewges Haus, das aus der Erde Herz quillt, den Himmel spiegelt, ewig wandlend feststeht, o liebes Weib, ich will Dich umarmen, wie will ich Dich küssen, leben, sterben. O lieb Weib, wenn ich Dir nur eine rechte Freude erschaffen könnte, wenn ich Dir nur in der Einsamkeit, die Du mit mir beginnst, einen Spiegel aufstellen kann, in dem Du ein schöneres Getümmel der Welt erblickst als jenes, das Dir bis jetzt genügte, dann freue ich mich noch der wunderbaren Gabe, vielseitig zu empfinden, und jeglicher Empfindung hingegeben, doch nur einer Viele dir zu sein. Du bist bei allem dem ein wenig unvorsichtig, Du sprichst in Deinem Briefe von den Gaben, die mir der Himmel verliehen und deren ich mich beinah Deinetwegen erfreuen könnte, und dann legst Du die Eugenie bei, die mich zerschmettern könnte, was sie aber gar nicht tut, sie steht so fest, daß sie niemanden zerschmettern kann, nur einen langen schönen Schatten wirft sie in das Land, und Gott sei Dank auf einen Fleck, auf den ich in meinem Leben nichts zu bauen gedachte, wenn mir wieder jemand sagt, es sei dann ein Weiser oder ein Frauenzimmer, gegen die man galanter sein muß, als ich es sein mag, die Eugenie sei schön, so nenne ich ihn einen Esel, einen Lügner, einen gepreßten Matrosen, der God save the King singt. Ich für meinen Teil finde sie viel zu schön für mich und viele andre, und im ganzen oft außerordentlich schwerfällig geschniegelt im Ausdruck, so daß man über die gewöhnlichsten Dinge, die oft da gesagt werden, nachdenken muß, das Ganze macht mir den Eindruck einer kolossalen Niobe von Meißner Porzellan, und eine Miniatur-Venus von Kommißbrot wäre das Gegenteil, die Erfindung, der Plan ist mir außerordentlich schön, der einzelne Ausdruck ist mir zuwider, und die forcierte holländische Reinlichkeit in der Ausführung ekelt mich, meine Empfindung ist, daß man zuviel Zeit verliert in diesem kurzen Leben, wenn gewöhnliche Reden die Pretension machen, man soll die Suppe über sie kalt werden lassen. Bei allem dem ist sie ein großes Werk, zu groß für mich, groß genug für die Kunst, und Goethe eben recht, doch möchte ich lieber Shakespeares schlechtstes Stück geschrieben haben, als dieses, es ist seltsam, mir eigentümlich und daher nicht frech, wenn ich sage, daß es mir lieber wäre, die Eugenie wäre nicht geschrieben, ich gewinne nichts durch sie für die Kunst, sie gibt mir eine ekelhafte Empfindung von dem dritten Akt an. – Doch verzeih, Sophie, ich fühle erst in dieser Minute, warum sie mir unangenehm ist, sie ist mir unangenehm, weil sie mir Veranlassung gab, hier von ihr zu sprechen, sie hat so meiner Liebe zweimal Eintrag getan, einmal nahm sie mir einen Abend, da Du zu ihrer Vorlesung gingst, und nun wiederVon »Ich lobe« bis »bei uns –« gestrichen.. Ich lobe mir die Dichter, die nicht mehr leben, sie können einem nicht wie Goethe, Schiller, Kotzebue, Tieck ect. durch die miserable Weimarer Ziererei zum Ekel werden, ich versichere Dich, ich kann mir keinen ekelhafteren Rahmen und ein Kunstleben denken, als das jämmerliche Nest, das sich zur Poesie wie das plackichte Hanswurstkleid zum komischen verhält, die Rührung rührt dort immer mit einer Empfindung zum Erbrechen, dann das gebildete Publikum besteht aus einigen verrückten Hofdamen, ect. Wenn ich an Weimar denke, wird mir es miserabel. Ach, liebe Sophie, eile Dich, da hinwegzukommen, um wieder ganz gescheit und gesund zu werden, ich bin grade zur rechten Zeit mit einem blauen Aug' davongekommen, und ich schwöre Dir, Du wirst, wenn du diesen Ort mit dem Rücken siehst, nie wieder einen Rückfall in die Krankheit, mich nicht zu lieben, bekommen. Das ganze Nest hat für mich so eine hungrige Prahlerei, wie eine tönerne Schüssel in der Gestalt einer Pastete. – Hu, † † † Gott sei bei uns. –
Ich mache über das vorhergehende ein Gitter, um es loszuwerden. Gestern schickte ich Dir mit dem Postwagen 60 Friedrichsdors, wenn Du nur 40 brauchst, so ist es desto besser, und wir können die 20 sparen, ich denke überhaupt eine Ökonomie unter uns auszuführen, daß wir vollauf haben, ohne doch mehr zu zeigen, als wir haben, gut essen, brav Wein trinken, viel lustig sein, lachen, gute Bücher lesen, uns nicht ärgern. Du sollst Deine Freude haben, was Du immer dicker und breiter werden wirst, für Schminke, eau de lavandle, Flitter und Mode wollen wir nicht so viel ausgeben als sonst, aber mehr für ein warmes Bad, Blumen, gutes Fleisch und Bücher. Wenn Deine Magd, die Du meine protegée nennst, gar nichts kann, so ist dies ein ganz wichtiger Grund, ihr den Abschied zu geben, was willst Du mit einer unwissenden Magd, solltest Du auch selbst nichts wissen, mir ist diese Person sehr gleichgültig, und ich wünsche nur Deine Bequemlichkeit; wenn Du mich mit dieser Magd neckst, fällt mir eine gewisse Gräfin ein, die ich, ich weiß nicht mehr wo, einen armen Gelehrten mit allerlei Liebschaften aufziehen hörte, das Gespräch nahm sich nicht gut aus für eine Gräfin; doch freue ich mich herzlich, daß Dir die Ungeschicklichkeit Deiner Magd Spaß macht, es ist ein Beweis Deines lieben und muntern Herzens, und ich hoffe um so mehr Deine Verzeihung für meine ungeschickte Empfehlung, ich wußle nichts von ihr als Unermüdlichkeit, Sittsamkeit und Treue, ihre Geschicklichkeit hatte ich von keiner Seite zu ergründen Gelegenheit. Doch muß ich Dich bitten, da ich in meiner Liebe so gern in der unbedeutendsten Sache eine freudige Sorge finde, Dich soviel es möglich in der kurzen Zeit noch um alle Küchenkünste zu bemühen, die Deine Gelehrigkeit erwischen kann, denn ich esse manchmal gern etwas Gutes, und so viel Stockfisch ist doch immer sehr viel Stockfisch, daß jemand aus Norden Dein alter Bekannter ist und auf der Leiter des Glücks gestiegen ist, freut mich für ihn, daß er Dich aber auch auf die Leiter hinaufbemühen will, ist sehr ungenügsam, er soll Gott danken, daß er oben ist, und schweigen, ich versichere Dich, ich habe mit Deinen Freiern gar nichts gemein, meine Begierde nach Dir ist die mir eigentümliche einzige Begierde, zu leben und glücklich zu sein, wer es ohne Dich werden konnte und dann Dich dazu einladen, ist Deiner unwürdig, ohne Dich werde ich ewig elend sein, mit Dir allein sehr viel wert, Du bist das einzige Mittel, mich glücklich zu machen, ich habe nichts mit Dir zu teilen, alles mit Dir zu erringen, o liebes, gutes, einziges Weib, verlasse mich nicht, weil ich ernst und dunkel gleich der Erde bin, die den Keim verschließt, o scheine nieder, du Sonnenwärme, du Tauesmilde, senke dich zu mir, erquicke mich, du sanfter, wohltätiger Regen, daß ich das grüne freudige Gewand anlegen darf, daß alle Blumen zu dem Himmel steigen, für meiner Geliebten Krone leichte duftende Edelsteine. Ach Sophie, ich habe so unendlich viel zu sagen, solche brennende Begierde, Dich an mein Herz zu schließen, daß ich unschuldig bin, wenn ich die Gegenwart verdamme und die Zukunft vor mich nieder bannen möchte. Es wird mir so freudig bang ums Herz, wenn ich denke, daß ich Dich bald haben werde, Dich, ach, dies Weib, dies ewig ersehnte, wunderbare kluge, böse, zärtliche Weib, Kind, Engelchen ect. O liebe Sophie, komme bald, nichts hält Dich mehr ab, Du hast Geld, Liebe, Gesundheit, Deine Sachen mußt Du nach Alsfeld schicken, wo ich Dir einen Kaufmann nächstens anzeigen werde, der mir es nach Marburg schicken wird, o Gott, ich fühle eine Ungeduld, die mich zerreißt, ich darf nicht weiterschreiben, das Herz schlägt mir, als wolle es mir die Brust zerschmettern, o Sophie, liebe Sophie, bleibe mein, o komme bald, ich fühle, ach, ich fühle das einzige Göttliche in mir, das mir die Götter mitgeteilt, das einzige, woran ich sie erkenne, es ist die Macht in mir, und nur in mir, Dich unaussprechlich glücklich zu machen, o laß uns den Göttern danken, liebes Weib, die unser Los so schön verwechselt, komme bald, Geliebte, doch schreibe mir vorher noch alles bestimmt, wie Du reisest, wenn Du etwas absendest, wenn Du selbst kömmst, o Sophie, laß mich nicht mehr lange warten auf Dich, auf das einzige, was ich liebe, o komme schnell, das Leben ist so kurz, zu kurz, um all die Liebe Dir zu geben, die Du verdienst.
Dein treuer guter
Clemens.
Anfang der nächsten Woche bin ich schon wieder in Marburg und besorge Deine Bettstellen und was sonst mir nötig scheint.