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Ein Gedicht in sechs Gesängen.
E
rscheine mir, aus deinen reinen Lüften,
mit heitern Strahlen, heil'ge Poesie!
wie neu belebend über stille Triften
der Morgen glänzt; in deinem Licht erblüh',
was, noch von keinem Lebenshauch bewegt,
nur dunkel sich in dem Gemüthe regt.
Du winkest – und auf dein Geheiß entfaltet
mir wunderbar sich eine fremde Welt,
wo zartes Geisterleben sich gestaltet
und der Begebenheiten Kette hält;
des Haines Töne hauchen tiefes Sehnen,
und staunend sieht mein Blick die neuen Scenen.
Ein fremdes Land liegt vor mir aufgeschlossen,
von milderm Himmel lieblich überstrahlt,
wo heil'ge Blumen voll Bedeutung sprossen,
ein schö'rer Glanz des Vogels Fittig mahlt;
wo weicher sich der Schönheit Blum' enthüllt
wnd das Gemüth mit süßer Sehnsucht füllt.
Doch wohnt' auch Unruh in den schönen Fluren;
kein Land vertilgt des Irrthums bange Qual,
es fliegt der Wunsch nach fernen Glückes Spuren,
nicht immer leuchtet schöner Liebe Strahl;
und wunderbar hat, die sich schon beweint,
des Zufalls Spiel hier wiederum vereint.
In eines Amra-Haines
Der
Amra: ein schöner indischer Baum, mit wohlriechenden Blüthen, welche dem Genius der Liebe geweihet sind. düst're Schatten,
nah' an des wundervollen Ganges Strand,
zu dessen frischen, dicht umschirmten Matten
kein Sterblicher den Weg noch jemals fand,
wo hoch am Quell des Lotos
Die
Lotosblume oder
Wasserlilie, eine der schönsten Blumen Indiens. Ihre Blüthen spielen in mancherlei Farben, aber die reiche Knospenkrone ist glühend roth. Sie wird auch Blume der Nacht genannt, weil sie nur zur Nachtzeit blühet und duftet. – Auf die grünen Blätter dieser Pflanze kann man schreiben. heil'ge Blüthe,
von Geistern nur geseh'n, den Hain durchglühte:
Da hatte, von der Wildniß angezogen,
ein Fremdling, der Armido sich genannt,
der Menschen müde, einst sich hingewandt;
ein Mann, der auf des Lebens regsten Wogen,
mit wildem Muth, schon viel umher gefahren,
von unruh'vollem Sinn und reifen Jahren.
Er hatte sich durch ein geheimes Band,
durch kühnen Muth, die Herrschaft über Geister
errungen, und sie dienten ihm, als Meister. –
Denn es erhalten sich in jenem Land
von einer zartern Welt noch sichtbarlich die Spuren,
und Luft und Erde lebt von geistigen Naturen.
Armido spricht die wunderbaren Worte,
die jene Schaar auf unsichtbaren Schwingen,
aus Fels und Luft und dem entferntsten Orte,
zu seinem Dienst herbei zu eilen zwingen,
und schnell durchklingt ein seltsames Gemisch
von Tönen Lüfte, Felsen und Gebüsch.
Ein jeder Ton gebiert ein Geisterkind;
sie quellen aus den Lüften, und entfalten
sich, Blüthen gleich, in duftigen Gestalten,
beweglich, wie des Haines Laubgewind:
so wallen sie in leichtem Tanz um ihn,
wie Morgennebel durch die Thäler zieh'n.
Und bald umkleidet sich durch ihre Macht
der Wildniß Ernst mit weicher Schönheit Blüthe;
wo hoch empor gesproßt der Lotos glühte,
erheben Säulen sich mit heit'rer Pracht,
und aus dem wilden traurigen Gestein
läd't mancher Sitz zur Ruhe freundlich ein.
Der Wüste rauhe Bilder sind verschwunden.
Und in den dichtverschlungnen Blättergittern
der Feigenbäume, die im Winde zittern,
hat milde Schwermuth nun sich eingefunden;
es tönt, um des Gebieters Tiefsinn nicht zu stören,
ein klagender Gesang von unsichtbaren Chören.
Wie süß verträumt Armido seine Stunden,
von Menschen fern, im stillen Aufenthalt!
Ihn dünkt, er sei von äußerer Gewalt,
von Wünschen und Bedürfnissen entbunden,
und fühl', nach langem peinlichen Entbehren,
der Kindheit Ruhe freundlich wiederkehren.
Nicht lange! Von dem stürmischen Gemüthe,
das, mit sich selber kämpfend, stets verliert,
hat alle Ruhe mit der Neuheit Blüthe,
ein kurzer Hauch der Zeit hinweg geführt.
Von Unruh ist sein Herz erfüllt, und schmachtet
Nach Menschen, die der Stolze doch verachtet.
Und von dem Unmuth, der ihn im Gewühle
verfolgte, fühlt er wieder sich umfahn,
ihn fällt sein Schmerz mit neuer Schärfe an,
und dennoch graut ihm vor des Lebens Spiele.
Zwar fühlt er in der Einsamkeit sein Leiden; –
doch fühlt' er's tausendfach im Rausch der Freuden.
Einst sinnt er wieder auf gewohntem Pfade,
unglücklich stets, dem vor'gen Leben nach:
da tönt zu ihm, nicht ferne vom Gestade,
ein banger Ruf, doch leise nur und schwach;
er folgt, und sieht auf moosbedeckter Erde
ein zartes Kind, mit bittender Geberde.
Er hebt es auf, und an des Kindes Arme
zeigt eine Schrift auf Lotosblättern sich:
»Den', daß du sterblich bist und – o! erbarme
der hülfsbedürft'gen holden Unschuld dich.«
Erbarmen! ruft das Kind mit ungewissen Tönen.
Erbarmen! scheint es leis' vom Ufer her zu stöhnen.
Verwundert steht er da, und schaut im Kreise
rings um sich her, und sieh! ein kleiner Kahn
wankt auf der Fluth; er läßt ihm seine Reise:
denn stärker zieht ihn jetzt die Nähe an.
Er sieht gerührt des Kindes Thränen fließen,
und eilt, es sanft in seinen Arm zu schließen.
Mit Liebkosungen bringt er es zur Ruh,
und sucht von ihm das Näh're zu erfahren:
doch wenig kann der kleine Kopf bewahren,
und zweifelnd trägt er es der Heimath zu;
nur in den Schleier, der es leicht umbebt,
ist:
Serafine und ein Kreuz gewebt.
Doch traurig lenkt die Kleine ihren Blick
stets nach der Gegend, wo der Kahn verschwunden.
»O, Mutter,« ruft sie flehend, »komm zurück!
Er ist so freundlich, komm'! er ist gefunden!«
Doch Palmen regen nur die schlanken Glieder,
und keine Menschenstimme tönet wider.
Mit Sorgfalt strebt Armido nun, das Leben
des holden Kinds mit fröhlicher Natur
und lieblichen Gestalten zu umgeben;
auf sein Gebot muß rings umher die Flur,
ihr heit're Bilder in der Brust zu wecken,
mit milderm Reiz sich lächelnd überdecken.
Und jeder Tag wand eine neue Blüthe
in ihrer Schönheit schimmerreichen Kranz
in ungestörter Ruhe. Wie entglühte
ihr Leben frisch im reinsten Morgenglanz!
Nur schöne Formen zeigten sich den Sinnen,
und Geist und Körper schien gleich zu gewinnen.
Die reine Harmonie der holden Glieder,
das braune Aug' voll Sehnsucht und Gefühl,
ist selbst den Geistern der Bewundrung Ziel.
Ein heitrer Glanz fließt von der Stirne nieder;
nur Wohllaut ist der süßen Stimme Klang,
und was sie thut, ist lieblicher Gesang.
Armido sieht erstaunt mit frohen Blicken,
die, als sein eigen, doppelt schön ihm scheint.
Hat eine höh're Macht, ihn zu beglücken,
den Reiz der ganzen Welt in ihr vereint?
Doch bald verlacht er selbst den Glauben, der ihn rührt,
und spricht: Der Zufall nur hat sie mir zugeführt.
Manch Jahr entschwindet, wie auf Blumenmatten
der West sich wiegt; und Serafine blüht
im stillen Thal, wie in der Eiche Schatten,
von keinem Sturm berührt die Rose glüht.
Nie strebt ihr Wunsch nach fernen Glückes Spur;
ihr Leben ist ihr Glück, das Schöne ihr Natur.
Doch hell und heller spielen die Magien
der jungen Phantasie um ihren Sinn;
der Kokila
Der
Kokila, auch der harmonische Vogel genannt, ist ein schwarzer, in Indien sehr häufiger, Vogel, der nur des Nachts singt, und dessen Gesang mit dem Gesange der Nachtigall Ähnlichkeit hat, aber stärker und lauter ist. singt süß're Melodien,
entflammter glüht der Blumen Königin,
und wenn der Amra holde Düfte haucht,
hat Kama
Kama, der Gott der Liebe. Die Blüthen des Amra sind ihm geweiht, und er befestigt sie an die Spitzen seiner Pfeile. jede Blüth' in Gluth getaucht.
Einst wandelt sie bei früher Röthe Schein,
als die Malati
Die
Malati, ebenfalls eine sehr schöne Blume Indiens, die ihr Haupt bei Nacht am Stengel senkt, und sich bei dem Licht der Sonne wieder aufrichtet, und ihre Blüthe entfaltet. froh ihr Haupt erhebt,
und neuer Schimmer rings das Thal belebt,
durch die belaubten Gänge; leicht und rein
schlägt ihr das Herz, und still und unbewußt
trägt sie das höchste Glück in ihrer Brust.
Hin nach den Bergen, die das Thal umschirmen,
zieht sie die Neigung; welch ein frischer Glanz
ruht auf den Höhen, die sich seitwärts thürmen,
und auf der Bäume blätterreichem Kranz!
Noch hat sie niemals dies Gebirg' erstiegen,
und wünscht, sich dort in reiner Luft zu wiegen.
Sie steigt hinauf; durch die bewegten Wipfel
singt manches Lied ihr Träume in die Brust:
bald steht sie auf des Berges grünem Gipfel,
und schaut umher mit kindlich froher Lust.
Doch als sie kaum sich durch's Gebüsch gewunden,
da ist ihr Fuß auf einmal fest gebunden.
Denn in der Dämmerung von Feigenbäumen,
die schwach nur Aruns
Arun, der Wagenführer der Sonne, welche als ein himmlischer Genius verehrt wird, der in dem Wagen des Tages, mit sieben grünen Pferden bespannt, fährt. Blicke noch besäumen,
bei einem Grabeshügel steht ganz nah,
ein schöner Jüngling sinnend vor ihr da.
Er scheint vertieft in fromme Huldigung,
und jeden Blick belebt Begeisterung.
Doch kaum erblickt sein Auge Serafinen,
so färbt ein froher Schreck sein Angesicht.
»O! bist du,« ruft er, »endlich mir erschienen?
So täuschte mich die treue Ahndung nicht?
und meine Sehnsucht konnte dich erflehen,
aus deiner Welt zu mir herab zu wehen?«
Er eilet schnell herbei, und faßt voll Sehnen,
voll heil'ger Freude sie in seinen Arm;
sein Busen schlägt von Lieb' und Andacht warm,
und in dem dunkeln Auge glänzen Thränen.
Hoch überrascht kann sie nicht Worte finden,
und denkt nicht dran sich von ihm los zu winden.
»Ich halte dich! – O! süßer Rausch der Nähe,
in deinem Hauche weht Unsterblichkeit!
Daß in dem hohen Glück ich nicht vergehe,
so lindre selbst die Qual der Seligkeit!«
Dies ruft der Jüngling; wagt es sie zu küssen,
und sinkt begeistert glühend ihr zu Füßen.
Die Jungfrau neiget sich mit süßer Rede
zu ihm herab, und als sie ihm erzählt:
wie dies Gebirg' sie heut zuerst betrete,
wie jenes Thal Armido sich gewählt,
schaut er empor, wie einer, der bei Nacht
aus tiefem, wunderbarem Traum erwacht.
Doch sagt er, bald gefaßter, Serafinen:
»Daß er der Kindheit holde Blumenzeit,
erzogen von dem besten der Braminen
Die
Braminen sind die Priester-Kaste bei den Indiern. Die ältesten derselben brachten in vorigen Zeiten den Rest ihres Lebens meistens in Wäldern, in heiliger Abgeschiedenheit zu.,
hier zugebracht in tiefer Einsamkeit,
bis ihm der Tod, den keine Liebe rührt,
vor wenig Monden seinen Freund entführt.
Einst,« fährt er fort, »hat in geweihten Stunden,
der Heilige voll Andacht mir vertraut,
wie, von dem Zwang des gröbern Stoffs entbunden
er geistige Gestalten oft geschaut,
und eine Nymphe, seinem Flehn erweicht,
mit überird'schem Reiz sich ihm gezeigt.
Erfüllt von diesem Bild, von der Begier
nach gleichem Glück, wenn ich im stillen Haine
oft einsam weilte, rief ich dann: erscheine!
nur ein Mahl gönne deinen Anblick mir! –
Auch tönten oftmals mir entfernte Melodien,
wie linde Weste durch der Wina
Wina, ein indisches musikalisches Instrument. Saiten fliehen,
Heut als ich hier der Trauer fromme Weihe,
um den Geliebten, still der Gruft vertraut,
befiel mich jener heiße Wunsch auf's neue,
und in dem Herzen sprach die Ahndung laut;
so war es leicht, dich, schönste der Gestalten,
für eine jener Himmlischen zu halten.«
Der Jüngling schweigt; doch seine Rede hallt
mit süßem Beben ihr im Busen wieder;
es sinkt der schöne Blick zum Boden nieder;
der leichte Fuß, von lieblicher Gewalt
gefesselt, weilt, und in der zarten Brust
bebt Schüchternheit und nie empfund'ne Lust.
Dies stille Thal, auf dessen frische Matten
der süße Amra seine Blüthen streut,
hat nun der Gott der Liebe sich geweiht.
Der Jüngling denkt nicht mehr des Freundes Schatten;
weit flieht Erinnerung und Schmerz zurück,
allein nur herrscht der schöne Augenblick.
Die Stunden fliehen, unbemerkt von ihnen.
Als schon am Himmel Abendgluthen weilen,
will nun das Mädchen nach der Heimath eilen;
da sagt der schöne Jüngling Serafinen:
»Wohl nahte eine Himmlische sich mir;
Geliebte! denn den Himmel dank' ich dir!«
Sie trennen sich. Mit neubeseeltem Blick,
mit süßer Gluth, auf vollen weichen Wangen,
mit Träumen, die an goldnen Bildern hangen,
geht Serafine ihren Weg zurück,
Und denkt erst spät, daß, ihres Zögerns wegen,
Viel Sorgen wohl Armido's Herz erregen.
Erfüllt von nie empfund'ner Wonne, fließt
das junge Herz in froher Rede über,
wie sich ein Quell den Blumenrand hinüber
mit sanfter fröhlicher Gewalt ergießt.
Armido staunt und kann sich's nicht verhehlen,
daß ihn die süßen Plaudereien quälen.
Wohl ist er bald des Grundes sich bewußt,
und ist bemüht vor ihr sich zu verstellen;
doch schlagen innerlich des Unmuths Wellen
stets höher an die stark bewegte Brust.
Er geht hinweg und eilt zur fernsten Grotte,
und forscht und quält sich dort mit eignem Spotte.
»Was pochst du,« ruft er, »Herz! mit schnellern Schlägen?
Darf wilder Sturm der Jünglings-Leidenschaft
des Mannes Sinn wie leichtes Laub bewegen?
Wo bleibt des Willens, des Verstandes Kraft?
Aus starken Fäden webt' ich meines Lebens Grund,
und jetzt verwirrte ihn mir eines Kindes Mund?
Wie? fühl' ich, ihre Neigung zu erringen,
an Mächten, an Erfindung mich zu schwach?
Bei so viel Mitteln muß es wohl gelingen;
die Liebe folgt des Glückes Spuren nach.
Weg mit der Eifersucht, die alles trübt!
Armido muß nicht fürchten, wenn er liebt!
Mag sie sich doch in goldnen Träumen wiegen,
von jener Wunderfrucht, die nirgend reift,
und Treue heißt; das luftige Vergnügen
ist bald wie Nebelduft herabgestreift.
Der ersten Jugend Gluth ersonnene Gewalt
rührt nur die Phantasie, und das Gemüth bleibt kalt.«
Und wieder grüßet mit gewohnter Huld
nun Serafinen er am andern Morgen,
denkt scherzend nur des vor'gen Tages Sorgen,
und ihres heitern Lebens erster Schuld;
ja, zum Beweis, daß er ihr ganz vergeben,
soll nun der Jüngling stets bei ihnen leben.
Der Freude Schauer bebt durch ihre Brust;
in Düften wallt ihr schmerzliches Entzücken;
die Blumen, sonst des Herzens süße Lust,
liebt sie jetzt nur, dem Freunde sie zu pflücken;
ihr ganzes Daseyn schwebt im holden Traum,
und jede Stund' enteilt mit goldnem Saum.
Einst als sie in der Bäume Schatten weilen,
wo sie zuerst sich unverhofft gesehn,
scheint auf den Wolken, die am Himmel wehn,
ein leiser Klang zu ihnen her zu eilen;
und eine fremde, wundervolle Lust
füllt mit den Tönen Serafinens Brust.
Begeistert lauscht der Jüngling, und dann zeiget
er Serafinen einen fernen Wald.
»Dort,« spricht er, »ist der Töne Aufenthalt!
Wo sich der Wald zu heil'gem Dunkel neiget,
da liegt, erfüllt von hoher Melodie,
geheimnißvoll der Hain der Harmonie
Die Göttin der Harmonie ward unter dem Namen
Saraswati, auch als Göttin der Wissenschaften und Künste, der Weisheit, der Geschichte, der Sprache und des Wohllauts verehrt..
Kennst du die Göttin? – Sie ist Brama gleich;
der hohe Trieb, der nie im Menschen altet,
und sich in Kunst und Wissenschaft entfaltet,
des Schönen heil'ges, ewig dauernd Reich,
dies alles ordnet ihre Hand allein.
Was frag' ich? – Sie muß deine Göttin seyn!
Wo ewig grünend dichte Bäume sprossen,
hat sich die Göttin einen Hain geweiht;
nur Himmlischen glänzt seine Seligkeit:
doch hat er sich auch Sterblichen erschlossen,
und jedem, welchem sich der Hain enthüllt,
wird von der Göttin dann Ein Wunsch erfüllt.
Was innig je des Herzens Saiten rühret,
des Mitleids süßes Weh, der Liebe Schein,
die Ahndung, die den Geist der Erd' entführet,
dies alles ist ein Ton aus jenem Hain:
und wer nur einmal hat den holden Ton vernommen,
hegt ewig in der Brust den Wunsch, dahin zu kommen.
Zuweilen stralt am Hain voll Glanz und Ruh,
des Regenbogens Schein mit seltner Schöne;
dann klingen, bei der Farben Schimmer, Töne,
und neigen liebend sich der Erde zu,
als wollte bei des Bogens heilg'em Scheinen,
das Himmlische sich mit dem Ird'schen einen.
Wer dann die himmlische Musik vernommen,
zugleich der Farben hold Geheimniß sah,
der wage muthig sich dem Walde nah;
ihm ist bestimmt in jenen Hain zu kommen,
ihm weicht die Macht, die, ewig unversehrt
und ungesehn, sonst jeden Eintritt wehrt.
Dies,« fährt er fort, »hat der Bramin erzählt,
Oft hab' ich einzeln manchen Ton vernommen,
und dann mit heißer Sehnsucht mich gequält,
und muthig oft versucht dahin zu kommen;
doch dicht Gebüsch, das rings den Hain verschlossen,
hat stets mich, wie belebt, zurückgestoßen.«
Indessen hüllet sich des Tages Schein,
und ein Gewölk streckt weit die dunkeln Glieder
am Himmel hin, es schauert Kühlung nieder,
und leichte Dämmerung umarmt den Hain;
nur auf des Walds geheimnißvollem Kranz
ruht noch allein ein heitrer Himmelsglanz.
Und schimmernd springt in seiner Harmonie,
am fernen Hain hervor der schöne Bogen;
aus Lüften lockt die reine Melodie.
Belebend fühlen sie sich fortgezogen;
sie eilen hin, mit innigem Verlangen,
und die Erwartung glüht auf ihren Wangen.
»Sieh!« spricht zu dem Geliebten Serafine,
indeß in seinem Aug' ihr Blick versinkt, –
wie aus der Blume schönem Kelch die Biene
den süßen Geist in leisen Zügen trinkt –
»gleicht nicht der Liebe dieses Bogens Licht?
Auf Erden steht er, doch gehört ihr nicht.«
Und wie sie nun sich nahn mit innerm Beben,
umfängt sie ein geheimnißvoller Duft,
ein Strom von Tönen schauert durch die Luft,
wie Blüthen sich im Winde wirbelnd heben:
in ihrer Brust scheint schnell, mit fremder Macht,
ein neues Leben sehnsuchtsvoll erwacht.
Die Büsche, die den Wunderhain umglänzen,
ziehn, kaum berührt von ihnen, sich zurück,
und wölben sich, in schön verschlungnen Kränzen,
zu hohen Lauben über ihren Blick;
sie regen leicht die glänzend frischen Glieder,
und nicken sanft bedeutend auf sie nieder.
Sie gehen weiter – ihnen stockt der Oden
vor ungewohntem Staunen in der Brust;
bei jedem Tritt entsproßt dem Zauberboden
ein süßer Ton des Lebens und der Lust,
und immer weiter dehnt mit goldnen Schwingen
sich der Gesang, daß rings die Lüfte klingen.
Durch die Gebüsche zeigt ein zarter Schein
sich hier und da mit süßen Rosenwangen;
die Düfte, die an allen Blumen hangen,
wehn, wie der Hauch der Liebe, durch den Hain;
das Herz erschrickt in seinen feinsten Saiten,
und bebt vor unbekannten Seligkeiten,
Harmonisch tanzt, mit reinen Silberwellen,
auf farbigem Gestein, bald schimmernd grün,
bald goldumsäumt, die lieblichste der Quellen
ihr klares Leben wohlgefällig hin.
Ihr rascher Lauf, der oft sich hebt und senkt,
scheint sehnsuchtsvoll nach jenem See gelenkt.
Und aller Glanz, der durch die Zweige fliehet,
und jeder leise Ton im heil'gen Hain,
scheint ausgeströmt von Einem Punkt zu seyn,
wohin ihn wieder das Verlangen ziehet;
auch die Beglückten fühlen, wie auf Wogen
der Sehnsucht, stets sich stärker fortgezogen.
Nun sind sie da. – Sieh', eine heil'ge Fluth,
worauf sich himmlische Gestalten regen
und goldner Staub der Lotosblumen ruht,
wogt glänzend ihrem trunknen Aug' entgegen;
von Wasserlilien ist sie umgeben,
die wundervoll hoch in die Lüfte streben,
Ein zarter, nie gesehner Tagesschein,
wie Morgenroth und Mondenlicht sich gatten,
worin der Blick, die Farben nie ermatten,
strebt sehnend in den süßen Kreis herein:
im Bade hier, und dort im leichten Tanz,
sind Nymphen, in der höchsten Schönheit Glanz.
Doch frei hervor, mit lieblicher Gewalt,
stralt, von den Andern gruppenweis' umschlungen,
gleich einem Stern, die himmlische Gestalt,
von welcher aller Glanz und Ton entsprungen!
Gott Kama
Kama, oder der Genius der Liebe, wird von den Indiern als ein schöner Jüngling vorgestellt, der einen 30 Bogen von Zuckerrohr mit einer Sehne von fliegenden Bienen, und mit Blumen zugespitzte Pfeile führt. Ursprünglich war er, nach der indischen Mythe, ein körperliches Wesen; als er es aber einst wagte, einen seiner Pfeile nach dem höchsten Gott Mahadec abzudrücken, um auch ihn zu verwunden, verbrannte dieser den kühnen Genius in einer himmlischen, unauslöschlichen Flamme zu Asche. Doch die andern Götter träufelten von ihrem Göttertrank auf die Asche, und der Genius der Liebe ging neu belebt hervor, aber als ein bloß geistiges Wesen; denn alles körperliche an ihm war von der Flamme verzehrt worden. Seitdem erstreckt sich seine größte Herrschaft auf die Seele, die geistige Natur der Menschen., er, der alle Seligkeit
nach eignem Willen auf die Erde streut.
Er ist es! Er, der Flamme einst entflogen,
ward ihm unsterbliche Gewalt zu Theil,
der Gott, mit seinem unfehlbaren Bogen
von Zuckerrohr und seinem Blumenpfeil:
von ihm, der alle Schönheit in sich hält,
strömt Reiz und Freude durch die ganze Welt.
Und neben ihm sein ewiger Begleiter,
der Frühling
Der Frühling wird als
Kama's unzertrennlicher Freund vorgestellt, der seine Pfeile immer mit frischen Blumen spitzt., mit dem frischen Blüthenkranz,
Den Liebenden wird's in der Seele heiter;
sie mischen froh sich in der Nymphen Tanz,
und alles vor'ge, alles künft'ge Glück
liegt, tiefgefühlt, in diesem Augenblick.
Der Glanz erstirbt, es flieht der Balsamduft,
die Lieder schweigen, und in heitrer Ferne
erheben sich in heilig stille Luft
mit hoher Freundlichkeit die alten Sterne,
und statt der Lieder, statt der Freudenfülle,
umgiebt die beiden eine tiefe Stille.
Doch mitten in der stummen, ernsten Nacht
ist's schnell, als wäre mit erhabner Feier,
in ihrem Busen, himmlischer und freier,
des Lebens und der Liebe Glück erwacht.
Aus Lüften tönt's mit hoher Melodie:
»Beglückte, fühlt! Hier weht die Harmonie.«
Am Himmel ist der dunkle Saum verflogen,
die Erde liegt erfrischt vor ihnen da,
nur noch ein blasser Streif von jenem Bogen,
schwebt in der Fern' dem heil'gen Walde nah;
denn weit von ihm getrennt sind sie nun wieder,
und hören nur des Waldgeflügels Lieder.
Halb zweifelhaft, ob es ein Traum gewesen,
sehn sie erfreut der Wahrheit theures Pfand,
ein zartes Lotosblatt, in ihrer Hand,
worauf sie beide diese Weisung lesen:
Den liebsten Wunsch des Herzens, ohne Graun,
aufrichtig diesem Blatte zu vertraun.
Ein sanfter Schauer hebt der Jungfrau Brust,
sie liebt, und wird geliebt: was kann das Leben,
was können Himmlische ihr weiter geben?
Schon fühlt sie ganz des Daseyns höchste Lust;
und hold beschränkt, verlangt der heitre Sinn,
nach dem Besitz des fernen Guts nicht hin.
Erfüllt von der genoßnen Seligkeit,
die noch die Saiten des Gemüths durchklingt,
entsteht in der beglückten Brust kein Streit,
indeß zur Göttin ihre Bitte dringt:
Laß, schreibt sie,
ganz mich deiner würdig seyn,
und dann empfange mich dein heil'ger Hain.
Allein der Jüngling ringt mit Schmerz und Lust:
erfüllt von Wundern, überird'schen Wesen,
von einer neuen Welt, ist seine Brust,
die sich nicht will in klare Bilder lösen;
verworren stürmt in ihm der Wünsche Chor,
doch keiner tritt bestimmt und hell hervor.
Er eilet endlich, mit bewegtem Sinn,
den Blättern diese Züge einzugraben:
Noch, schreibt er,
kenn' ich nicht des Lebens Gaben,
doch strebt mein Geist nach vielen Wünschen hin.
Mich reizt das weite All; nichts zeigt bestimmt sich mir,
und alles nehm' ich gern, nur Ruhe nicht, von dir.
Kaum haben beide diese Schrift geendet,
so heben sich die Blätter in die Luft;
ein sanft belebter, balsamvoller Duft,
vom Hain der Harmonie herbei gesendet,
eilt wallend, sie auf seinen leichten Schwingen
nach seiner Heimath wieder hinzubringen.
Indessen sind Armidos trübem Sinn
die Stunden unruhvoll dahin gegangen;
unwiderstehlich zieht ihn sein Verlangen
zu Serafinens holdem Wesen hin,
und, wie er auch der eignen Macht vertraut,
so fühlt er doch von Zweifeln sich umgraut.
Den Unmuth, der durch seine Seele bebt,
bemüht er sich mit Gründen zu besiegen.
»Wie!« ruft er; »dem Gefühl sollt' ich erliegen,
das zu zerstören ich mich lang bestrebt?
Wer sich, gleich mir, so arg betrogen fand,
der fliehe zürnend jedes zarte Band.
Nur die Erscheinung schafft des Menschen Glück.
Wenn ich die nach Gefallen formen kann,
bleibt mir die Wirklichkeit, der Augenblick:
was geht die Neigung, was das Herz mich an?
Mich reizt die Willkühr überlegner Geister,
und gerne wär' ich selbst des Zufalls Meister.
Wie preis' ich jetzt den glücklichen Moment,
der über Geister mir die Herrschaft lieh!
Ihr dunklen Mächte, euch verdank' ich sie!
Herauf Dämonen! Auf! die ihr mich kennt,
Euch weiht' ich mich. Mit eurer Kraft verbunden,
soll jeder Schmerz, der in mir brennt, gesunden.
O, dreimal nun willkommen bist du mir,
du magische Gewalt! Beruhigung
empfing das rege Herz zwar nicht mit dir;
doch jetzt gewähre mir Befriedigung.
Ein neues Zauberspiel lenk' Serafinens Sinn,
von Freud' entzündet, bald zu mir, dem Schöpfer, hin.«
Sogleich versammelt er nun um sich her
die Geister all', die seinem Dienst sich weihn.
Sie eilen schnell herbei aus Luft und Meer,
und regen sich geschäftig durch den Hain:
in wenig Stunden sieht der einst verlaßne Strand
die schönste Schöpfung, die nur je das Auge fand.
Mit einem bunten, lieblichen Gemisch
von Bäumen, üppig aufgeschoßnen Reben,
die schön vereint sich in einander weben,
von Kräutern und süßduftendem Gebüsch
ist schnell die ganze Gegend nun bedeckt,
die sonst nur Schwermuth in der Brust erweckt.
Bald führen diese labyrinth'schen Gänge
zu Rasenplätzen, wo in Einsamkeiten
viel muntre Hirsche und Gazellen weiden;
von Ästen strömen fröhliche Gesänge,
und traulich rauscht mit glänzendem Gefieder
das Waldgeflügel zu dem Wandrer nieder.
Hier sinkt der Pfad in eine Felsengrotte,
wo von der Kräuter Wohlgeruch umwebt,
ein weicher Sitz einladend sich erhebt,
und dort erfüllt, geweiht dem süßen Gotte,
wo wunderbar die schönsten Farben prangen,
ein Blumenthal mit Freud' und mit Verlangen.
Und mitten in dem holden Labyrinth
steigt zauberisch ein stolzer Bau empor,
so schön als jemals nur ein Lieblingskind
des Glückes ihn zum Wohnsitz sich erkohr.
Mit einer Decke, wie des Himmels Bogen
gewölbt, ist diese Halle rings umzogen.
Mit mildern Stralen dringt des Tages Licht,
durch buntes Glas, wie Stern' und Mond gestaltet,
rings in der Halle weiten Raum, und bricht
in sanftem Farbenschimmer sich; hier waltet,
bei allem, was die Sinne lüstern macht,
der süße Tag der schönsten Mondennacht.
Die feinsten Düfte wogen durch die Luft,
am Boden schwillt ein weicher Blumen-Saum,
und glänzend springt aus einer Felsenkluft
ein kühler Quell, und füllt der Mitte Raum
mit einer klaren Fluth, in deren munterm Leben
viel kleine Inseln auf und nieder schweben;
Von denen manche, weiche Ruhebetten
und einige, besetzte Tafeln tragen;
von andern winden sich, wie Blumenketten,
Gesänge, die bald liebeathmend klagen,
bald fröhlich schwellend durch die Lüfte fliegen,
und das Gemüth in süße Träume wiegen.
Doch um dem Zauberspiele erst das Leben,
bei dessen Mangel jede Freude flieht,
für Herz und Sinn den höchsten Reiz zu geben,
gebeut Armido nochmals. – Schnell entglüht
ein Geisterheer in blühenden Gestalten,
die nie an Reiz und Jugendfülle alten.
Die Liebenden sehn die bekannte Flur,
bei ihrer Rückkehr, gänzlich umgestaltet:
doch all' der Zauber, welcher hier gewaltet,
erregt jetzt ihr Erstaunen minder nur.
Der Sinn gewöhnt sich leicht an's Wunderbare,
und nichts befremdet mehr oft, als das Wahre.
Noch trugen sie aus jenem Zauberhain
den Nachhall tiefgefühlter Melodieen
in ihrer Brust, und jeder fremde Schein
muß vor dem Glanz des höhern Glücks entfliehen.
Sie sehnen sich, und können's nicht erklären;
begehren viel, ob sie gleich nichts entbehren.
Doch unvermerkt zieht den bewegten Sinn
der frohen Feste lustiges Gedränge,
das Zauberlicht, die lockenden Gesänge,
zu ungewohntem Taumel mächtig hin,
und an den Jüngling sucht sich, im Vergnügen,
die lieblichste der Nymphen anzuschmiegen.
Bald sagt ihm, was sie fühlt, hier, wo im Kranz
der Freuden jeder Tag sich neu belebt,
ein Blick, von trunknem namenlosem Glanz
verkläret, der das Herz mit Lust durchbebt,
ein Seufzer bald, der leise Sehnsucht haucht,
bald ein bedeutend Wort in Gluth getaucht.
Auch liebt sie nicht allein; selbst jene Triebe,
womit sein Herz für Serafinen schlägt,
erfüllen ihn mit namenloser Liebe,
daß stärker ihn auch fremder Reiz bewegt:
das innigste Gefühl durchglühet sein Gemüth,
und schöner ist für ihn die Schönheit aufgeblüht.
Die Flamme, die aus seinem Auge bricht,
sieht Serafine nur mit heiterm Scherz;
kein Argwohn ängstet das beglückte Herz;
des Zweifels Pein, die Sorge kennt sie nicht:
im jugendlichen frohen Muth entweicht
das Leben ihr stets ungetrübt und leicht.
Doch bald umhüllt das fröhliche Gemüth
der Schwermuth Flor, wie auf ein Blumenthal,
das freudig glänzt im Frühlingssonnenstral,
ein Wolkenschatten leise Dämm'rung zieht:
Denn einst, nach eines Festes frohen Stunden,
ist jene Nymphe mit dem Freund verschwunden.
Umsonst durchirrt bei blassem Mondesstral,
dem gern die Lotosblumen sich entfalten,
nach den verschwundnen lieblichen Gestalten,
die Liebende das schattenvolle Thal:
sie ruft, doch kann sie keinen Ton erlauschen,
und nur die dunklen Feigenbäume rauschen.
Kein Morgen bringt, kein Abend ihr ihn wieder,
die Tage fliehn – die Unruh bleibt zurück,
die Sehnsucht wächst mit jedem Augenblick,
oft wünscht sie sich der Vögel leicht Gefieder;
doch, ach! umsonst: sie flattern durch das Thal,
und lassen sie allein mit ihrer Qual.
Armido fühlt in der verschloßnen Brust
sich tief erfreut; zeigt aber Serafinen
nur treues Mitgefühl in Wort' und Mienen,
und theilt jetzt ihren Schmerz, wie sonst die Lust.
Bald, hofft er, wird der leichte Gram verwehn,
so froh, wie vormals, er sie wieder sehn.
Mit neuem Reiz die Freuden zu beleben,
die weichlich hier um Serafinen blühn,
bemüht er sich; in trunknem Schimmer glühn
die Blumenlauben; Tänzerinnen schweben
mit Liebesreiz, und wenn die Lieder schallen,
scheint Kama selbst durch dieses Thal zu wallen.
Doch jede Freude, jede neue Lust,
die Serafinen lockt im Zauberthal,
entzündet stärker nur in ihrer Brust,
nach dem entfernten Freund der Sehnsucht Qual;
ihr Auge glänzt in tiefer Flamm' entglüht,
indeß ihr Geist zu dem Verlornen flieht.
Und länger nicht in Leiden zu verschwinden,
naht sie vertrauungsvoll Armido'n sich:
»Du bist so mächtig,« spricht sie; »rette mich!
Laß mich den Langentbehrten wieder finden!
Wie leicht, daß Kunde von dem theuren Mann
mir einer deiner Diener bringen kann.«
Armido, überrascht von ihrem Flehn,
zürnt dem Vertrauen, das er selbst genährt;
er haßt sie, wünscht vernichtet sie zu sehn;
doch sieht er, wieder zu ihr hin gekehrt,
wie sie mit holden Augen nach ihm blickt,
so fühlt er schnell den harten Sinn zerknickt.
»O!« spricht er, unwillkührlich übermannt
von fremder Rührung, »darum mich zu flehen,
vermagst du? Wagst es, jenes feste Band,
das mich dir eignet, achtlos zu verschmähen?
Was ich auch that, dein Leben zu versüßen,
nur Thränen, Undankbare! seh' ich fließen!«
Mit mildem Ernst erwiedert Serafine:
»Nicht zürnen mußt du mir! Unendlich viel
gab deine Huld mir; mehr als ich verdiene:
doch ist des Herzens Wahrheit leeres Spiel?
Vermagst du jene Neigung aufzuheben,
mit welcher Götter meine Brust beleben?
Ich sollte dich nicht lieben? – welch ein Wahn!
Ich liebe dich, wie ich die Sonne liebe;
die Erde, die mich nährt, und alle Triebe,
die in mir sind, gehören dir ja an.
Laß immer mich dem Freund die Neigung weihn,
mit dieser Liebe sind zwei Herzen dein.
Denn er ist mein! – was auch mit ihm geschehen;
begreif ich gleich es nicht, was er gethan,
wo er auch sei, ich werd' ihn wiedersehen,
und er gehört mir unverändert an! –
Es kann mir nichts den festen Glauben stören,
und auch getrennt muß mir der Freund gehören.«
Armido nimmt sie lächelnd bei der Hand;
doch ihn ergreift ein nie empfundner Schmerz:
»Dich,« spricht er, »Serafine, trügt dein Herz!
Dir gilt dein Wunsch für der Erfüllung Pfand;
verschmähe nicht der Stunde heitres Glück,
einmal entflohn, kehrt sie dir nie zurück!
Vielleicht, wenn du auf ferne Träume bau'st,
die niemals wiederkehren, nicht der Treue,
die dir mein Herz entgegen bringt, vertrau'st,
ergreift dich schmerzlich einst zu späte Reue,
Warum, mein Kind, das nahe Glück verschmähen,
und nach der trügerischen Ferne gehen?
Sei stark, von jenem Irrthum zu genesen!
Dann bist du, mir zur Seite, Königin
im Reiche zarter, überird'scher Wesen:
sie ehren dich, als ihre Herrscherin,
und eilen schnell, mit freudigem Bemühn,
dir alle Wünsche rastlos zu vollziehn.«
Sie schweigt, und statt der weitern Antwort schlingt
um seinen Hals sie freundlich ihre Hand
mit Kindeszärtlichkeit; doch dieses Band,
das Serafinen treu ihm eint, durchdringt
Armido nur mit Schmerz: er muß sie hassen,
und finster sagt er ihr, ihn zu verlassen.
Sie eilt hinweg, im Innersten bewegt;
zum erstenmal hüllt ihrer Seele Licht
ein Zweifel, der mit Unruh sie erregt,
und ihres Herzens Einklang unterbricht.
Wie sehnt sie sich Armido'n zu erfreuen!
Was soll sie thun? wer wird ihr Rath verleihen?
Als nun die Wesen in der Dämmerung,
im Schlummerkelch verstohlen sich berauschen,
und auf den Mond mit Liebeshuldigung,
voll Sehnsucht, still die Lotosblumen lauschen,
den schönen Kelch ihm duftend zu entfalten,
den sie dem Stern des Tages vorenthalten;
Und Serafine in die stille Gegend,
die nun im blassen Mondenlicht ergraut,
vom Lager fern, in sich versunken, schaut:
da hört sie, wie, die Lüfte sanft bewegend,
dem Hain der Harmonie Gesäng' entschweben,
die bald ihr traurendes Gemüth umgeben.
Sie fühlt den Geist, der Töne holdes Leben,
die quellend durch die trunknen Lüfte ziehn,
und, zarten Blumen ähnlich, sie umblühn;
und bald ist sie sich selbst zurück gegeben:
klar liegt das Leben da vor ihrem Blick,
und Wohllaut kehrt in ihre Brust zurück.
Es flatterten, mit röthlichem Gefieder,
Flammingo's
Flamingos, schöne rothe Sumpfvögel in Indien. schimmernd zu dem feuchten Nest;
des Thaues milde Thränen sanken nieder,
und durch die Felder haucht' ein frischer West;
aus Pflanzen quoll ein Heer von süßen Düften,
stieg wallend auf, und taumelte in Lüften.
Da wandelte durch Duft und Abendglanz
der Jüngling, welcher aus Armido's Fluren
so schnell verschwunden war; des Grames Spuren
trägt seine Stirn; des Himmels Rosenkranz
glüht für ihn nicht; wie schön die Blumen ranken,
und dort schwarzäugige Gazellen
Gazelle, ein schön gebautes, leichtes, vierfüßiges Thier, mit schlanken, niedlichen Gliedern, und großen schwarzglänzenden Augen. wanken,
Er sieht es nicht. Um seine Seele grauet
der finstern Schwermuth nebelgleicher Duft;
sein dunkles Aug', von innerm Gram bethauet,
starrt fühllos vor sich hin in leere Luft;
des Daseins Reiz scheint gänzlich ihm verloren,
und Erd' und Himmel gegen ihn verschworen.
Die Bilder, die vor seinem Innern schweben,
erhalten jeden Sinn in Sklaverei;
er fühlt nach außen weiter kein Bestreben,
wohin der Weg ihn führt, ist einerlei:
so hat ihn, der nur Träumen nachgehangen,
ein dichter Wald ganz unvermerkt umfangen.
Der nahe Laut von wilden Thieren schrecket
den Wandernden aus der Gedanken Spiel,
er fühlt zum Kampfe Lust, und bald erwecket
der Muth des Lebens schlummerndes Gefühl;
er späht umher; ob ihm kein Ausgang winkt,
und eilet schneller, weil die Sonne sinkt.
Mit hocherhitzter Stirn, und blut'ger Hand,
zertheilet er die dichtverwachsnen Zweige,
und endlich weicht das kämpfende Gesträuche;
doch ihn umfängt ein schauervolles Land,
ein Klippengrund, wo er kein Wesen hört,
und nur sein Tritt der Echo Schlummer stört.
Er steht und fühlt mit schaurigem Vergnügen,
wie dem Gefühl, das seinen Busen füllt,
aus dieser Wildniß schwermuthsvollen Zügen
ein dunkler Einklang still entgegenquillt;
doch rasch durchfliegt sein Blick die Fern' und Nähe,
ob er ein Leben irgendwo erspähe.
Da zeigt sich seinen sehnsuchtsvollen Blicken
fern eine hohe männliche Gestalt,
die von des einen Felsens starrem Rücken
zu seiner Leitung ihm entgegen wallt;
sie ist, mit sichern schon gewohnten Tritten,
bald über Klippen zu ihm her geschritten.
Und durch der Dämm'rung graue Nebelflocken,
leis' ausgestreut schon über Fels und Land,
erblickt er einen Mann mit Silberlocken;
doch glüht sein Auge noch in milderm Brand,
wie durch Gewölk' im Herbst die Sonne blickt,
und still das Herz mit Ahndungen entzückt.
Der fremde Mann bleibt voll Betrachtung stehen,
blickt wohlgefällig auf den Jüngling hin;
Erinnerung scheint leis' ihn anzuwehen,
manch' fernes Bild bewegt den innern Sinn;
der Jüngling fühlt sich leicht, die Seele helle,
ihn dünkt, geweiht und heilig sey die Stelle.
»Er ist's!« – ruft endlich, wie aus fernen Räumen
zurückgekehrt, der Alte; »o! ihr Bild!
wie könnt' ich's länger zu erkennen säumen,
in diesem dunkeln Auge, heiß und mild,
im edeln Wuchs, der Stirne, hoch und rein –
Was zweifl' ich noch? Kein andrer kann es seyn!
Komm, mein Rodrigo! lass' in deinen Armen
der heiligen Vergangenheit mich weihn;
wie in der Zeit des holden Wahns, mit warmen,
berauschtem Herzen wieder Jüngling seyn!
O, könnte so an dir das Mutterherz sich weiden!
Doch sicher blickt ihr Geist auf uns mit reinen Freuden.
Sie war ein Weib, von jenen zarten Seelen,
die noch der stillen Unschulds-Welt gehören;
die innre Kämpfe rettungslos zerstören,
und die Verhältnisse der Menschen quälen;
die an vermeinte Tugend alles wagen,
und unbewußt das Höchste in sich tragen.
Sieh her! dies Bild, das bis zur Todesstunde
an meinem Halse hängt, – es ist ihr Bild!
Mein war der letzte Hauch aus diesem Munde; –
wie war er sterbend noch so himmlisch mild! –
der mir wie Himmelsthau die Wang' umwehte,
und Trost von dort für mich hernieder flehte!
Doch daß zu ihren, dir entworfnen, Zügen,
der Liebe Täuschung mir die Farben lieh,
das glaube nicht – so lange zu betrügen,
vermögen Leidenschaft und Irrthum nie!
Der Schleier fällt, und mit des Herzens kältern Schlägen,
muß endlich auch der Sinne feinster Rausch sich legen.
Denn wenn uns erst des Alters kühler Oden
die Blüthen der Empfindung abgestreift,
dann ruht die Phantasie am dürren Boden
der Wirklichkeit, wo ihr kein Wahn mehr reift;
nur das allein, was ewig wahr und schön,
bleibt vor dem Geist im Sonnenschimmer stehn.
Du bist erstaunt? – Es blicken fern, aus milder
Vergangenheit, bei der Erinn'rung Schein,
verworren dir der Kindheit Dämmerbilder,
mit leichtem Umriß in's Gemüth herein:
so spiegelt sich im regen Spiel der Welle
der Wolke Bild, bald zitternd und bald helle.
Doch jetzo folge mir. – In diesen Gründen
blüht mir ein stilles, ungestörtes Glück,
und in der Brust, die Wünsche nicht entzünden,
blieb keine Spur von vor'gem Schmerz zurück;
dort, wo im Abendduft die Berge schwinden,
ließ mich der Himmel reinen Frieden finden.«
Als Führer geht er vor dem Jüngling her;
hoch steigt der Pfad hinauf durch das Gemisch
von Klippen und verwildertem Gebüsch.
Doch heitert sich die Wildniß immer mehr;
und als sie sich um einen Felsen beugen,
scheint eine neue Welt empor zu steigen.
Des Abendhimmels heitre Stralen sandten
noch ihren reinsten Rosenglanz darauf;
ein milder Luftstrom frischt die abgespannten,
verhauchten Lebensgeister wieder auf;
die Amralauben athmen süße Düfte,
und Blumensylphen schwärmen durch die Lüfte.
Und aus der Hütte, die mit leichtem Schwanken
und süßem Duft der Blüthen, voller Gluth,
die Arme der Madhavi
Madhavi, eine schlängelnde sich anschmiegende Pflanze, mit glühend rothen Blumen. schön umranken,
tritt eine Frau hervor, mit heiterm Muth.
»Sey, theurer Bruder, herzlich mir gegrüßt!«
sagt sie dem Greis, der ihre Stirne küßt.
Es glühen nicht in frischem Jugendglanz
der Freundlichen die abgehärmten Wangen;
der Gram hat ihrer Schönheit Reiz umfangen;
doch unter dem bescheidnen Blätterkranz,
der anspruchlos die offne Stirn umschattet,
blickt schön das Auge rein und unermattet.
Gutmüthigkeit im stillen Angesicht,
begrüßet sie nun ihren jungen Gast,
heißt herzlich ihn willkommen, und dann bricht
sie frische Früchte vom gebognen Ast,
und Ananas, die golden sich erheben,
und rings die Luft mit Wohlgeruch beleben.
Sie setzen sich auf weichen Rasen nieder,
und aus der Ferne singt, voll Schmerz und Lust,
der dunkle Kokila die süßen Lieder;
sie lösen manches Bild in stiller Brust;
es wogt das Feld der spielenden Gedanken,
wie leicht im Wind die reifen Halme wanken.
»Wohl jedem!« spricht Rodrigo; »der in Frieden,
wie du, der Schöpfer ist von seiner Welt!
Ihm säuseln Geister in des Haines Blüthen,
im Lüftchen, das die grünen Zweige schwellt.
Wie schön ist ihm, was die Natur gewebt;
wie nah der Geist, der ihre Form belebt!
Enthüllt ist ihm das allgemeine Leben,
ihm beut der Pflanzen Kraft, ihr Bau Genuß;
des Thieres Trieb, das stets das Beste muß;
die Welt ist ihm in seine Brust gegeben:
doch wer entzweit mit seinem eignen Wesen,
kann selbst bei der Natur nicht mehr genesen.«
Hier faßt der alte Mann ihn bei der Hand.
»Es löse sich in dieser süßen Stille,«
spricht er, »was ängstigend die Seele band;
streif ab die düstre lebenslose Hülle
der Schwermuth, die um Stirn und Auge graut,
daß früh getrübt dein Blick in's Leben schaut.
Das Herz muß fühlen! Stille seinen Drang,
nur gieb statt Innigkeit nicht Träumen nach;
der Unmuth hemmt des Blutes leichten Gang,
und lähmt des Geistes freien Flügelschlag:
wem noch des Lebens frische Rosen winken,
der darf nicht thatenlos in Gram versinken.
Was dich auch quälen mag; es zu entdecken
bedenk dich nicht: denn wisse, junger Freund!
hier braucht kein Trieb sich furchtsam zu verstecken.
Wir lieben Wahrheit, wie sie auch erscheint;
den Menschen nur, wie er im Innern treibt,
nicht, wie die Außenseite ihn beschreibt.«
Und es erhebt Rodrigo, der im Herzen
noch des Vergangnen denkt, den trüben Blick.
»Mir,« spricht er, »ward ein seltsames Geschick,
und schwerlich lindern sich die tiefen Schmerzen.
Von Himmlischen, von Irdischen verlassen,
muß ich mich selbst, muß ich das Leben hassen.
Begierig griff ich nach der Wolke Saum,
die golden über mir im Äther schwebte,
vom Fall, der mir durch alle Nerven bebte,
zerflatterte mein allzukühner Traum.
Nun bin ich wach, vom Zauber losgebunden;
doch Glück und Hoffnung sind mit ihm verschwunden.«
Darauf erzählt er, wie ihm aus den Tagen
der Kinderzeit, mit ungewissem Schein,
nur noch verworrene Gestalten ragen,
von fernen Ländern, Menschen, Wüstenei'n;
und ihm zuerst das etwas klärer wird,
daß er sich weinend einst im Wald verirrt.
Ihn habe dann ein heil'ger Mann erzogen,
und ihn, in strenger Abgeschiedenheit,
der Andacht und der Frömmigkeit geweiht.
So wären Jahre schnell dahin geflogen;
doch öfters sei sein innerstes Gemüth
von unruhvoller Sehnsucht ihm entglüht.
Und einst, als auf des frommen Mannes Gruft,
er dessen Geist, mit Inbrunst und Gebeten,
um Weisung flehte, sei, wie aus der Luft,
die lieblichste Gestalt zu ihm getreten.
Unsterblich schien sie ihm, und wonnetrunken
sei er in Andacht vor ihr hin gesunken.
Doch bald verschwand des frommen Wahnes Bild
an seiner Brust; die göttlich ihm erschienen,
war eine Ird'sche nur, doch himmlisch mild
in ihrem Reiz: es schien mit Serafinen,
ein nie gekanntes freudenvolles Leben,
wie er es nie sich träumte, ihm gegeben.
»Was Wenigen ein gütiges Geschick
vergönnte,« fuhr er fort, »ward uns verliehn;
es brachte uns ein günst'ger Augenblick
nach jenem wundervollen Haine hin,
den zu dem Wohnplatz hoher Seligkeit
Die Göttin Seraswati sich geweiht.
Was innig je des Herzens Saiten rührt,
des Mitleids süßes Weh, der Liebe Schein,
die Ahndung, die den Geist der Erd' entführt,
dies alles ist ein Ton aus jenem Hain:
und wer nur einmal hat den süßen Ton vernommen,
hegt ewig in der Brust den Wunsch, dahin zukommen.
Doch lange blieb der Nachhall jener Lieder,
die tief zur Seele sprachen, mir nicht treu;
leicht schwand der Tag, hold sank der Abend nieder,
und dennoch blieb mein Herz nicht sehnsuchtsfrei;
bald fühlte ich, selbst in Armido's Thal,
der unbestimmten Wünsche rege Qual.
In diesem Thal, wo tausend Freuden scheinen,
und alle Reize wunderbar sich einen,
wo freundlich die vollendetsten Gestalten,
leicht, wie aus Lieb' und Scherz gebildet, wallten, –
da sah ich schön, wie Amra-Blumen blühn,
die reizendste der Nymphen für mich glühn.
Sieh ein Geschöpf – das lieblichste von allen,
die je das Herz zu sel'gem Wahn entführt,
voll Anmuth stets bemüht dir zu gefallen,
fühl' jugendlich – bliebst du wohl ungerührt?
Gern folgt' ich ihrem Wink; der neuen Freude,
der Neigung folgte ich, und liebte beide.
Doch immer heißer schien die Leidenschaft
für mich, der Nymphe Wesen zu beleben;
es zog mich zu ihr eine fremde Kraft;
oft sah ich sie von stillen Seufzern beben,
die Blicke sich in süßer Gluth berauschen,
bald wiederum schwermüthig nach mir lauschen,
Als könnte sie in meinem Innern lesen,
traf jedes ihrer Worte mein Gefühl:
selbst von der unbestimmten Träume Spiel
schien ich in ihrem Umgang zu genesen.
Was Phantasie, in Dunkel eingehüllt,
mir je geschmeichelt, Alles schien erfüllt.
An einem Abend – jener holden einer,
wo die entflammte Luft den Busen engt,
und mit dem Hauch der Blumen sich ein feiner
geheimer Reiz bis an die Herzen drängt,
und Erd' und Himmel ruht, in zärtlich mildem Schein:
da irrt' ich unruhvoll und einsam durch den Hain.
Und mitten in den lieberfüllten Träumen,
durchdrang ein froher Schreck mir Sinn und Herz;
ich sah sie unter sanft gewölbten Bäumen,
sie winkte mir mit leichter Freude Scherz:
schon war ich allgewaltig hingezogen,
mir unbewußt in ihren Arm geflogen.
Ein Blick von ihr, so innig, wie zu schildern
die Sprache nicht vermag, begrüßte mich;
berauscht von ihrem Hauch, von süßen Bildern,
entzündete mein Geist in Liebe sich.
›Gern,‹ sprach sie, ›seh' ich dich bei mir verweilen;
doch will ich dich mit keiner andern theilen.
Ich bin kein irdisch Mädchen – mehr zu sagen
ist jetzt nicht Zeit. – Das Eine sag' ich dir:
ein kühner Sinn erhebt dich leicht zu mir.
Und willst du ewig jene Fesseln tragen?
Ich seh' es, dich verzehrt der Ungewißheit Pein;
vergiß den Menschen nur, und du wirst göttlich sein!
Ich seh' dein Herz von rascher Sehnsucht schlagen.
Dein Geist verlangt nach überird'scher Lust;
was quälst du dich mit kindischem Entsagen?
Vergiß die Irdische an meiner Brust.
Vergebens strebst du dem Geschick entgegen,
du wandelst doch auf vorgeschriebnen Wegen.
Glaub' mir, es ist ein thörichtes Bemühen,
der eigne Schöpfer seines Glücks zu seyn.
Wohl jedem, den die Himmlischen erziehen,
und den sie früh zu ihrem Dienst sich weihn;
mit lindem Hauch von ihnen fortgezogen,
wiegt er sich lächelnd auf des Schicksals Wogen.‹
So sprach sie; und, mich sicher zu gewinnen,
beschloß die Rede freundlicher ihr Kuß;
ein jedes Wort klang tief durch meine Sinnen:
ich schmachtete nach höherem Genuß,
und schwelgte in dem reizenden Gedanken,
mit ihr zu fliehen aus den ird'schen Schranken.
›Ja!‹ rief ich, ›süßes wunderbares Wesen!
du hast gesiegt, ich bin auf ewig dein!
Durch dich zu einem höhern Sein genesen,
will ich mich gänzlich deinem Dienste weihn!
Und so entsag' ich ihr, entsag' ich Serafinen;
du bist unendlich mehr, als sie mir je erschienen.‹
Sie lächelte, und wie, mit zartem Schwanken,
der glühenden Madhavi Blumen sich
um nahe Stämme liebeathmend ranken,
umflocht sie mit den schönen Armen mich:
und wunderbar fühlt' ich, mit leisem Beben,
mich schnell mit ihr durch stille Lüfte schweben.
Wir schwebten fest umarmt hinab, hinan,
Durch Dämmerung; doch endlich ward es helle,
und ich erkannte die geweihte Stelle:
es führte uns der Lüfte leichte Bahn
nach jenem heil'gen, wundervollen Hain.
›Hier,‹ sprach sie, ›sollst du dich mir ewig weihn.‹
Ein Schauer rann durch meine heiße Brust.
Hier war es ja, wo mir und Serafinen,
in ihrem Glanz und nie getrübter Lust,
die Überird'schen gütig einst erschienen;
und schmeichelnd drang der Wahn in's Herz herein:
mit einemmal nun ihnen gleich zu seyn.
Doch kaum berührten wir die grünen Sprossen,
so schränkten sich die Äste vor uns her;
zur dichtsten Mauer ward das Blättermeer,
und ringsum blieb der Eingang uns verschlossen:
ein kühler Schauer bog die grünen Glieder,
und rieselte von allen Zweigen nieder.
Die Blätter schienen Stimmen zu gewinnen:
›Das Gleiche nur begegnet sich mit Lust;
vermeßne Wünsche spalten jede Brust;‹
so tönt es mir durch die bewegten Sinnen.
Ich sank betäubt und überrascht zu Boden;
Schmerz und Verwirrung hemmten fast den Oden.
Doch sie, die kaum so innig mich zu lieben
geschienen, ach! sie rührt die Weisung nicht!
Sie floh hinweg mit gleichem Angesicht;
den leichten Sinn kann keine Täuschung trüben:
und zu dem luftgewebten Geisterherzen,
drang nicht die kleinste Ahndung meiner Schmerzen.
In Duft schien die Geliebte zu zerrinnen;
ich eilt' ihr nach, bis sie dem Aug' entschwand,
und ich mich endlich, mit verwirrten Sinnen,
nun wieder in der vor'gen Gegend fand;
aus Osten fiel des Tages erster Schein
mit sanftem Glänzen auf Armido's Hain.
Das weckte mich! – Und diesen Ort zu fliehen,
auf ewig ihn, den sonst so theuern Ort! –
das war mein erstes deutliches Bemühen;
und immer weiter zog's mich mächtig fort.
Bald schwand die ganze Gegend meinem Blick;
kein Gräschen rief ihr Bildniß mir zurück.
Seitdem nun wall' ich lang' schon, tief verschlungen
im innern Kampf, gleich wie im Nebelflor;
nur Zweifel drängen durch die Dämmerungen
des Geistes sich mit Bitterkeit hervor.
Mißfällt es höhern Wesen, wenn wir Sehnsucht fühlen?
und ist es ihrer werth, mit unserm Glück zu spielen?
Zwei holde Wesen winkten mir zur Lust;
mit raschem Geist wollt' ich sie beide fassen:
auf ewig nun getheilt ist meine Brust;
ich liebe beide, und muß beide lassen.
Nie wird die Himmlische je wieder mein,
die Irdische nie meine Schuld verzeihn.
Von allen in der Welt allein gelassen,
strebt doch nach Liebe dies entflammte Herz;
nach unbekannten Gütern muß ich fassen,
sie schweben weit hinweg; mir bleibt der Schmerz.
Du lösest mir vielleicht das Räthsel? – Gönne mir
dann Ruhe, wenn du kannst; und sag': was bin ich dir?«
Indeß er spricht, hat über Meer und Land
die Mitternacht genaht, und alles schweigt;
nur eine ferne Melodie entsteigt
der Wildniß. »Uns vereint ein heilig Band!
Dies sei genug!« so spricht der Greis; zeigt drauf dem Gast
die Lagerstätte an, und wünscht ihm süße Rast.
Bald senket, mit dem frischen Balsamduft
der Kräuter, sich auf seine Augenlieder
ein süß erquickend tiefer Schlummer nieder,
bis ihn der Frühgesang der Vögel ruft,
und schon die Frau, vom Morgenlicht erhellt,
ihr kleines Tagwerk muntern Sinns bestellt.
Es schwinden so mit gleichem leisem Tritt
viel Tage, wie im stillen Bach die Welle
der andern folgt; wird früh der Himmel helle,
so wandelt schon umher mit leichtem Schritt
die Frau, streut Kussagras
Das
Kussagras wird in Indien fast bei allen Opfern und religiösen Ceremonien gebraucht., begießt die Bäume,
bricht reife Früchte, pflegt der Pflanzen zarte Keime.
Voll Andacht thut der Alte sein Gebet,
pflegt seine Vögel, füttert die Gazellen,
und badet in geheimnißvollen Quellen;
und wenn die Sonne bald in Westen steht,
durchspäht er nach Verirrten rings das Land,
wozu er sich durch ein Gelübde band.
Unruhig streift Rodrigo stets umher,
bald dünkt das Schreklichste ihm diese Stille;
es treibt ihn fort des innern Lebens Fülle,
in der Begebenheiten wildes Meer.
Der Ruhe Glück wird erst im Sturm ermessen;
der kennt es nicht, wer immer es besessen.
Ein Heer von unvollendeten Gestalten
entzündet seine Seele mit Begier,
in raschem Leben, frei sich zu entfalten.
Ihn dünkt, sein Schicksal rufe ihn von hier;
und bald hat er, was seinen Busen füllt,
vertrauungsvoll vor seinem Freund' enthüllt.
»Wohl!« spricht der stille Greis; »ich sehe gern
den Wunsch nach Thätigkeit sich in dir regen,
und sah ihm mit Gewißheit längst entgegen.
Sei freudig! die Erfüllung ist nicht fern.
Längst suchte ich, was ich für nöthig hielt
für deinen Wunsch, und bald wird er gestillt.
Dort, wo die Ferne sich in Duft verliert,
liegt eine Stadt, da kenn' ich einen Mann
aus vor'ger Zeit, dem ich vertrauen kann.
Wenn fremdes Schicksal dich zuerst berührt,
und deine Augen neue Formen sehen,
lernst besser du dich selbst vielleicht verstehen.
Wenn in der Welt du dich vergessen hast,
dann wirst du dich erkennen und dich lieben;
ist dir die Innigkeit nur treu geblieben,
die durch das Leben, muthvoll ohne Rast,
das Beste sucht, und redlich strebt, aus wilden
verworrnem Stoff ein Ganzes sich zu bilden.
Schon morgen zeig' ich dir dahin den Pfad;
und diese heitre mondbeglänzte Nacht
sei, bis sich das Gestirn des Tages naht,
von uns mit munterm Aug' und Sinn durchwacht.
Wer weiß, ob je vereint die Sonn' uns wieder grüßt,
und nicht der lange Schlaf das Aug' auf ewig schließt.«
Als nun den nachtgeweihten Blumen allen,
beim Stral des Mondes, ihre zarte Brust
vor leiser Sehnsucht aufgeht und vor Lust,
und blasse Lichter durch die Bäume fallen,
sitzt in des Schattens feierlichem Grau
der edle Greis, Rodrigo, und die Frau.
In ihrem Busen wohnt der Trennung Pein,
da trifft ein Himmelston ihr lauschend Ohr;
da wallen Töne aus dem heil'gen Hain:
sie steigen in die milde Luft empor,
und sinken in des Jünglings Busen nieder,
und bringen ihm die alten Träume wieder.
Es dünkt ihn, daß die Blumen und die Zweige,
entzündet sind in süßer Trunkenheit;
und im verklärten Schimmer, weit und breit,
sich alles liebend zu einander neige:
und zarte Geister steigen aus den Kränzen,
und schweben durch die Luft in leichten Tänzen.
Entfesselt von des gröbern Stoffes Band,
scheint alles sich der Freude zu ergeben,
und aus dem süßen, ewig jungen Leben
Vergänglichkeit und Trauer ganz verbannt.
Doch sinnt er kaum den holden Bildern nach,
so fühlt er stärker auch die Sehnsucht wach.
Denn diese Töne, die mit süßer Lust,
mit Ruhe Serafinens Geist erfüllten,
und alle Zweifel ihrer Seele stillten;
ihm bringen sie nur Sehnsucht in die Brust;
und locken stärker ihn hinweg vom milden
Genuß der Ruh: ihn soll das Leben bilden.
»O!« ruft Rodrigo jetzt; »weiht dieser Drang
zum Leben mich? Vielleicht zum Untergang?
Wird je, von süßer Neigung hingerissen,
ein Herz sich wieder an das meine schließen?« –
Da spricht der Alte mit gerührtem Ton:
»Komm an dies treue Herz; du bist mein Sohn!«
Es blickt der Sohn, noch mit gestilltem Sehnen,
froh in der theuern Augen sanftes Licht,
indeß der Vater süßer Rührung Thränen
sich trocknet, und das Schweigen unterbricht.
»Rasch,« sagt er, »schreitet fort der Stunde Gang,
und was ich dir zu sagen hab', ist lang.
Arm waren, die in Spaniens Gefilden
mich einst gezeugt; kein holdes Traumgesicht
schlang um die Wiege sich: ich wuchs in wilden
Umgebungen empor, und alles Licht,
das Kenntniß und Kultur dem Geist verleihn,
blieb fremd mir, doch mit ihm auch falscher Schein.
Erst später traf es, daß mein eigner Sinn
dem Herrn des Orts, der meine Ältern nährte,
vielleicht durch seine Neuheit, Lust gewährte.
Sein Wohlgefallen brachte mir Gewinn;
denn täglich durft' ich nur bei ihm verweilen,
mit seinem Sohn den Unterricht zu theilen.
Mit diesem lebt' ich Jahre lang zusammen.
Er war ein Kind voll Wildheit, und voll Leben,
von Schmeichlern, von Vergnügen stets umgeben,
oft brennend von des Übermuthes Flammen.
Wild war auch ich, doch wieder schmelzend weich;
wir liebten uns, und haßten uns zugleich.
Nach Barzelona zog mich mein Geschick,
ich lebte dort ein einsam frohes Leben;
den Wissenschaften gänzlich hingegeben,
hätt' ich mein stilles unbemerktes Glück
mit keinem, den nur eitler Glanz berauscht,
so sehr er schimmern mogte, je vertauscht.
Die Armuth schien mir ehrenvoll; ich haßte
den knecht'schen Geist, der nur in Zahlen denkt,
der Werth und Glück auf eine Menschenkaste,
auf todtes Gut mit engem Sinn beschränkt.
Klein war die Sphäre, die mich äußerlich umzog,
doch frei mein inn'rer Sinn, der durch das Weltall flog.
Wie schmerzlich fühlt' ich's, daß die lieben Fluren
des schönen Mutterlands ein Fluch noch drückt;
daß dumpfe Knechtschaft die geweihten Spuren
von innerm Leben frevelnd dort erstickt!
Dies Bild nur trübte mir die stillen Tage,
und oft erschöpft' ich mich in banger Klage.
Arm wie ich war, für meine Wahrheit glühend,
voll raschen Sinns in jugendlicher Brust,
fand ich der Menschen Gunst mir wenig blühend,
und nie umstralte mich des Glückes Lust.
Da dacht' ich: mag es doch, daß eine Welt mich haßt!
wenn nur ein einziges verwandtes Herz mich faßt!
Und dieses fand ich. – Nie vergeßne Stunden! –
Der Erdenfreuden heiligste ward mein;
was selten nur ein Sterblicher empfunden:
ganz rein und unentweiht geliebt zu sein!
Nicht Stand, nicht Ruhm und Glanz, kein fremdes Gut,
erwarben mir der schönsten Liebe Glut.
Vereinigt durch das unsichtbare Band,
das, auf geheimen Einklang fest gegründet,
auf ewig die verwandten Seelen bindet,
war uns die Liebe Reichthum, Ehre, Stand:
und weit und breit goß ihren Rosenschimmer
die Jugend aus, und wir verzagten nimmer.
Ihr Vater, der von hoher Abkunft war,
doch tief verarmt, die kummervollen Tage
durch Arbeit fristete, trug, heimlich zwar,
doch innig, das Gefühl der vor'gen Lage
in unzufriedner Brust, und dem verwöhnten Sinn
galt Schimmer für des Lebens einzigen Gewinn.
Wie innig strebte sie, von dem verehrten Alten
das lästige Gefühl der Dürftigkeit,
mit unverdroßner frommer Zärtlichkeit,
so viel als möglich war, entfernt zu halten!
Und so erfuhr auch sie des Zufalls Tücken,
und war nur reich, die Herzen zu beglücken.
Mit Liebe, Jugend und Vertraun im Bund,
wähnt' ich gewiß, es sollte mir gelingen,
mich bald in höhre Kreise aufzuschwingen;
und dann erst sollte unser Bündniß kund
dem Vater werden: um ihn nicht zu quälen,
beschlossen wir, jetzt alles zu verhehlen.
Ein Einsiedler, der sich die steilste Spitze
des Montserate schwermuthsvoll erwählt, –
auch er sah vormals, in des Lebens Hitze,
von schweren Leiden bitter sich gequält, –
ward zum Vertrauten unsrer Zärtlichkeit,
bei einer Wallfahrt, feierlich geweiht.
Gedenk' ich jetzt an jene ferne Zeit,
wo mich, so hoch beglückt am treusten Herzen,
des Mannes grauenvolle Einsamkeit
oft ängstete mit namenlosen Schmerzen,
fühl' ich von jener Macht mich tief gerührt,
die nun mich an ein gleiches Ziel geführt.
Des innern Lebens heil'ges Element,
das unsre Seelen an einander band,
und ewig nur in bessern Seelen brennt,
war diesem Heiligen nicht unbekannt.
Auch er empfand einst treuer Liebe Freuden,
und ihre tiefen, namenlosen Leiden.
Verfolgung quälte ihn und die Geliebte,
sie mußten fliehn; schon war das Ziel der Flucht,
die ferne Freistatt, die sie sich gesucht,
nun bald erreicht. Doch, siehe! plötzlich trübte
der Himmel sich; ein Blitz schoß durch die Stille,
und traf die Holde in der Jugend Fülle.
Sie stirbt; er flieht zur tiefsten Einsamkeit,
zur steilsten Höh'; um seine Hütte ranken
Cypressen sich mit melankol'schem Schwanken,
schwarz, wie der Tiefsinn, dem er sich geweiht;
die Sonne mahlt mit grünlich düstrer Helle,
nur scheidend matt, die nackte Wand der Zelle.
Ihr Schädel ward sein Becher; ganz ergeben,
versöhnt er nun das zürnende Geschick.
Der Trauer und der Andacht nur zu leben,
ist sein Bemühn: bei seinem düstern Blick
drängt sich die Ahndung nie gefühlter Schmerzen
mit Allgewalt auch in die frohsten Herzen.
Und dieser Heilige, der unsre Triebe
verstand, ward unser Freund; es rief sein Mund
des Himmels Segen über unsre Liebe;
und das Geheimniß blieb in unserm Bund.
Den Ältern alle Sorge zu ersparen,
bemühten wir uns streng, es zu bewahren.
Wir lebten nun, mit Liebe und Natur
in friedlichem Verständniß, leicht dahin
wo auf der stillen menschenleeren Flur
nur wilde Rosen bei Cypressen glühn;
beim Heiligen, der liebend uns verbunden,
verlebten wir geweihte, holde Stunden.
Wie ward mir jede Arbeit nun zur Lust!
Wir theilten treulich Fröhlichkeit und Schmerzen,
und inniger verwuchsen unsre Herzen,
und Ein Sinn nur belebte beider Brust!
In tiefer Heimlichkeit wardst du das Pfand
von unserm Glück: ein neues süßes Band.
In unsre Stadt kam damals der Gespiele
von meiner Kindheit, jenes Reichen Sohn,
der mich erzog. Ihm waren im Gewühle
die jungen Jahre bunt dahin geflohn;
wild hatt' er hingelebt; manch' liebend Herz bethört;
viel Bande angeknüpft und wiederum zerstört.
Der Zufall bracht' uns wiederum zusammen.
Ich war ein Bild aus seiner Kindheit Traum,
er maaß an mir den schon durchlaufnen Raum;
auch freuten ihn des fremden Lebens Flammen,
die, Blitzen gleich, aus meinem Innern sprangen,
mit neuer Bilder Glanz ihn zu umfangen.
Ich ehrt' in ihm die kräftige Natur,
den kühnen Sinn und den Zusammenhang
in seinem Innern, und den eignen Gang
ging so ein jedes; er war jünger nur:
was dem Verstand, den Sinnen wohlgefällt,
reizt' ihn, doch ich genoß im Herzen einer Welt.
Er sah Elwinen – und an ihren Reizen
hing bald sein Blick mit trunkner Lüsternheit;
denn ohne nach der Schönheit Sieg zu geizen,
war gleichwohl sie die Schönste weit und breit;
und nie gewohnt, sich Wünsche zu versagen,
bestürmt' er sie mit Zärtlichkeit und Klagen.
Doch ihre Neigung war nicht zu gewinnen.
Gereizt durch den bescheidnen Widerstand,
schien selbst sein Stolz in Liebe zu zerrinnen,
und ernstlich fleht' er nun um ihre Hand.
Den freien Sinn, voll Unruh und Verlangen,
hielt Leidenschaft im stillen Kreis gefangen.
Berauscht von dieses Glückes goldnem Traum,
das weit die kühnsten Wünsche überflog,
und schnell sie wieder in das Leben zog,
begriffen es die trunknen Ältern kaum;
und sie betrachteten mit Ehrfurcht nun Elwinen
als eine Heilige, zu ihren Glück erschienen.
O, lös'te sich das Bild von jenen Stunden
von meiner Seele endlich doch einmal!
Mit Lieb' und Pflichten, die ihr Herz verwunden,
rang sie den innern Streit mit bittrer Qual!
Ein leichtes war es mir den sichern Pfad zu zeigen,
ich schwieg aus falschem Stolz, und Frevel war mein Schweigen.
Ach, gäben doch die Menschen nicht das Eine,
das Einzige nicht hin für leeren Wahn!
Des Herzens Neigung, frei von jedem Scheine,
gehöre sie der Wahrheit ewig an!
Die ächte Tugend duldet keinen Zwang,
und hier führt jeder Sieg zum Untergang.
Sie ward sein Weib! – Wohl seh' ich es, ich quäle
mit diesem Wort im tiefsten Herzen dich;
doch tadle nicht die zart gestimmte Seele,
auch mir verhüllte einst ihr Wesen sich.
Jetzt ist nun alles klar, und himmlisch rein
steht neu ihr Bild vor mir – und sie ist mein!
Was that sie denn? – Mit ihrem weichen Herzen
rang sie für Pflicht sich selbst vom Liebsten los,
aus frommen Irrthum, und erlag den Schmerzen;
denn dieses Opfer war für sie zu groß.
Ein schuldlos Leben heiter zu genießen,
schuf sie Natur; – schwer ließ ihr Loos sie büßen.
Es kann das Weib, in dessen Brust die Sitte
und das Gefühl in reinen Tönen spricht,
durch's Leben gehn, mit leichtem sicherm Tritte;
nur wahr zu seyn, ist ihre einz'ge Pflicht.
Gut von Natur, voll Phantasie und Liebe
darf sie nur sich verstehn und ihre Triebe,
Sie wandeln ewig frei in sichern Schranken,
sind stets in holder Mischung Gott und Kind;
sie flechten sich, wie schöne Blumenranken,
leicht durch des Lebens dunkles Labyrinth,
und brauchen nicht durch Irrthum zu genesen;
treu der Natur, sind sie die freisten Wesen.
Doch öfters – ach! und dreimal weh der Armen,
die in dem Streit mit weicher Seel' erliegt! –
geschieht es, daß ihr Schicksal, ohn' Erbarmen,
in Widerspruch die Zartgeschaffnen schmiegt,
wo selbst die schönsten Triebe sichrer sie zerstören.
Ach! warum mußte
sie zu dieser Zahl gehören!
Daß in Elwinens Brust noch Liebe glühte,
verrieth mir nun kein heimlich Wort, kein Blick.
Gewelkt auf immer war des Lebens Blüthe;
ein banger Nachhall war mein ganzes Glück;
nur dann, wenn Unmuth mir die Brust durchwühlte,
gestand sie mir, daß sie mein Leiden fühlte.
Mehr that sie nicht. Nur sanfte fromme Lehren,
von keinem Seufzer, keinem Thränenblick,
die leicht geheime, tiefe Hoffnung nähren,
begleitet, sollten mir mein Mißgeschick
ertragen helfen. Ach! was konnte Trost mir geben?
ich konnte nicht mit ihr, und ohne sie nicht leben!
Doch war mir's, wenn ich so an ihrer Seite,
im stillen Traum, des Himmels Ahndung trank,
als wenn ein Engel mich zum Schüler weihte;
ein süßes, heiliges Vergessen sank
auf meinen Schmerz; wie bald, daß uns der Himmel einte,
war's denn der Thränen werth, die ich der Erde weinte?
Doch manchem, der sich gern dem Tode weihte,
dehnt oft sich lang der kurze Weg zum Grab.
Der Jugend Blüthe fiel vergebens ab,
und sehen mußt' ich, wie an ihrer Seite
ihm Leidenschaften wild die Brust durchstürmten,
und Wolken sich um ihre Tage thürmten. –
Voll Eifersucht, gequält von schwarzen Bildern,
empörte sich sein stolzes Selbstgefühl;
fast sah ich ihn bis zum Tyrann verwildern,
und außer seinem Wunsch war alles Spiel;
Anbetung heischte er, und glüh'nde Huldigung,
und stille Liebe schien ihm schon Beleidigung.
Und wilder stets, in ängstlicher Verwirrung –
zog sich das Mißverhältniß um uns her.
Wie ward durch eine einz'ge bange Irrung,
das sonst so leichte Leben uns so schwer!
Verborgen wuchsen täglich meine Schmerzen,
und Argwohn wüthete in seinem Herzen.
Ein jeder, stolz, des Andern Werth zu fühlen,
wir haßten uns deshalb nur desto mehr;
oft suchte sich die inn're Gluth zu kühlen,
und brach hervor, trotz aller Gegenwehr.
Sie nur besänftigte die zürnenden Gedanken,
und hielt mit einem Blick uns beide noch in Schranken.
Doch lang' ertrug sie's nicht. Neu angefacht
von Leiden, die ihr Herz mit Qualen füllten,
lebendig ihr die vor'ge Zeit erhielten,
war nun der alte Muth in ihr erwacht.
Gelassen wagte sie, ihr voriges Vergehn,
und, was sie jetzt noch fühlt, dem Gatten zu gestehn,
Mit herbem Staunen hört er fremd sie an,
und spricht zu ihr mit kalter Bitterkeit:
›So war ich nur das Spiel von frommen Wahn,
und Tugend gabst du mir statt Zärtlichkeit?
Der alten Neigung bist du treu geblieben,
und für ein Opfer galt dir's, mich zu lieben?
Dies war es, was dein schönes Auge trübte?
was ich für Regung jugendlicher Scham
und Vorbedeutung scheuer Liebe nahm?
Nun hass' ich dich, die ich so innig liebte!
Mich hintergingest du; ich glühte wahr für dich
und deine Tugend war Verbrechen gegen mich.‹
Tief traf sie jeder Vorwurf innerlich;
dem herben Gram erlag die zarte Hülle;
es brach das Herz noch in der Jugend Fülle,
und weihte fromm dem stillen Engel sich. –
Sie schied – und ließ mich auf der Welt allein,
allein mit dir, und unnennbarer Pein.
Dumpf war mein Schmerz; es starb mein vor'ges Leben
unwiederbringlich, ganz mit ihr dahin;
es regte sich in mir kein weitres Streben,
starr stand die äußre Welt vor meinem Sinn.
Ich suchte keinen Trost: wer Alles fand,
und es verlor, den lockt kein neues Band.
Doch länger in dem vielgeliebten Land,
wo jene Zeit, voll Liebe und voll Licht,
nun, wie versteinert, ewig vor mir stand,
noch zu verweilen: das vermocht' ich nicht.
Mit dumpfem Geist zog ich von Ort zu Ort,
mit dir und meinem Trübsinn, planlos fort.
Ich lebte fort im Früh- und Abendroth,
mein Leben war ein immerwährend Sterben;
leicht wußt' ich Unterhalt mir zu erwerben,
das Nöthigste war meine kleinste Noth.
Oft ging mir's gut; doch nicht der fernste Schein
von Freude schlich in meine Brust sich ein.
Noch einmal kehrt' ich zu der Heimath mich,
der stillen Kindheit friedlichen Gefilden:
verändert hatte hier auch alles sich;
ich irrte unter traurigen Gebilden;
die Ältern waren todt; kein Frohsinn winkte mir;
nur eine Traurige verweilte einsam hier.
Die Schwester, die ich redlich stets geliebt,
betrogen war sie durch des Mannes Liebe,
der mir das Herz bis in den Tod betrübt.
Ihn hatte sie geliebt mit treuem Triebe;
stets ihn zu lieben, war ihr einzig Glück:
doch er verschwand, und kehrte nie zurück.
Komm! sprach ich; du Verlaßne, komm mit mir!
Dich soll der Hohn der Fremden nicht beschämen;
an einer weichen Brust sollst du dich grämen;
den Trost, den ich entbehre, geb' ich dir.
Beruhigung gab ihr des Bruders Wort,
und willig zog an meiner Hand sie fort.
Ich suchte drauf und fand Gelegenheit
mit einem Schiff nach Indien zu gehen,
um jenes Land, das in der Knabenzeit
mir schon gewinkt, in Wirklichkeit zu sehen.
Auf ewig schied ich von Europa's Strand,
und sah mich bald in diesem schönen Land.
Auf diesem milden, segensvollen Boden,
entfaltete der Menschheit Blüthe sich
mit vollem Trieb, als von des Geistes Oden
kein Schöpferhauch Europa's Flur durchstrich.
Wie anders war es jetzt! Ich sah, wie nichts besteht,
und doch, ein hoher Sinn durch alle Zeiten geht.
Ach! als mich hier die reine Luft umfing
zum erstenmal mit ihren weichen Armen,
und nun ein Schwarm von unbestimmten warmen
Gebilden sich an meine Seele hing:
da war's, als fände ich das Ende meiner Qual,
als zeugte die Natur mich hier zum zweitenmal.
Doch bald erschien die alte Bitterkeit;
denn sie, der ich im süßen Herzens-Tausch
mich ewig einst zu Freud' und Leid geweiht,
sie theilte nicht der Seele frohen Rausch!
Wo weilte sie? Ach, ganz allein und kalt,
schlief in der Gruft die liebliche Gestalt.
Dann quält' ich mich mit böser Lästerung,
und stürmte gegen mich und mein Geschick.
Warum, so rief ich mit verstörtem Blick,
flieht ewig mich allein Beruhigung?
Wenn ich zu steten Schmerzen auserkohren,
warum bin ich, Unseliger, geboren?
Einst, als ich an des Ganges weitem Strand,
wo abgeschieden dunkle Haine grünen,
mich in der Wildniß ganz verirrt, da fand
ich einen alten heiligen Braminen;
wohlwollend nahm er mich zum Schüler auf,
und hier begann ein neuer Lebenslauf.
Er weihte mich in seinen Glauben ein,
und pflegte meinen Gram mit weicher Hand,
bis, mit des innern Zwistes steter Pein,
die Rinde auch von meinem Herzen schwand,
und ich, beruhigt nun, auf neuem Pfad,
tief umgeändert in das Leben trat.
Wie gerne folgt' ich seiner Rede nach.
und wurde nie ihm zuzuhören satt,
wenn er mit mir von jenen Wundern sprach,
wie Urania einst auf einem Lotosblatt,
den dunkeln Abgrund sehnsuchtsvoll umschwebt,
und dann mit seinem Hauch den Raum belebt.
Und wie von seinem Liebeshauch entbunden,
zugleich Geliebt' und Mutter, die Natur
vom Chaos sich als Göttin losgewunden,
und treulich folgend ihres Lichtes Spur,
die Wesen alle fröhlich sich gestaltet,
und hohe Ordnung überall gewaltet.
Und immer weiter trat das Leben vor,
indem mit hellerm Blick ich um mich sah;
zurückgerollet, schwand der Selbstsucht Flor,
und heiter lag das Ganze vor mir da;
in Unermeßlichkeit ich still verging,
bis ich mich fand, ein Glied im großen Ring.
Doch wenn er mir, mit kindlich frommen Sinn,
erzählte von den geistigen Gestalten,
die sichtbar oft durch Berg' und Thäler wallten:
da rann ein süßer Schauer durch mich hin.
Im Zwang der Wunder fühlt das Herz sich freier,
und Glaube machte mir das Dasein theuer.
O, Glaube! Funke, der im Herzen glühet,
von unserm Dasein treues Unterpfand!
Beglückt, wen du entzündest! Schöner blühet
ihm Erd' und Himmel; es entweicht das Band
des grobem Stoffs; mit überird'scher Lust
wohnt die Unendlichkeit in seiner Brust!
Am innigsten von allen doch umfing
die Lehre: daß die abgeschiednen Seelen
mit neuen Körpern freundlich sich vermählen,
mein Herz. Wenn ich an diesen Bildern hing,
da fühlt' ich auch im Innern mich gesunden,
und ihnen dank' ich meine schönsten Stunden.
Vielleicht, wenn jener Vogel mich umschwebt,
der oft mit Tönen rings den Hain beseelt,
harmonisch seufzet und sich liebend quält,
daß die geliebte Seele ihn belebt?
Oft dünkt es mich, als glimm' ein zart Entzücken,
wenn er mich sieht, in seinen stillen Blicken.
Dann wird er mir so heilig und so lieb;
ich pflege sein mit zärtlichem Bemühen,
und feierlich erwacht der alte Trieb;
ich seufze dann, und meine Thränen glühen:
Wohl dir, du Seele, die einst schwer gelebt,
und die nun leicht in hohen Lüften schwebt!«
Hier hält er ein, und stille Rührung senkt
das bleiche Angesicht zum Busen nieder,
indeß sein Sinn der vor'gen Zeit gedenkt;
doch bald erhebt der trübe Blick sich wieder,
und sieht erfreut in dem geliebten Sohn,
der Theuern Bild, die aus der Welt emflohn.
Er blickt ihn lang' mit feuchten Augen an;
dann sagt er ihm: »Mit kindischem Verlangen
hast du, als Kind schon, Geistern angehangen,
und einst im Hain, von der gewohnten Bahn,
wo du oft wandeltest, warst du verschwunden,
und niemals hat sich eine Spur gefunden.
Nach diesem letzten schmerzlichen Verlust,«
fügt' er hinzu, »der niemals sich verblichen,
war aus der wunden, neu bewegten Brust,
zum Leben gänzlich aller Muth entwichen:
ich strebte nun, mit redlichem Bemühn,
den Sinn vom Irdischen ganz abzuziehn.
Nun war der einzige Zusammenhang,
worin ich noch mit diesem Leben stand,
daß ich am Abend täglich einen Gang,
Verirrte aufzusuchen, that; ich band
durch ein Gelübde mich, war treu, es zu erfüllen,
und sieh! so mußte dies zuletzt mein Sehnen stillen!«
Vom Himmel war der Mond mit stiller Gluth
herabgefallen, und die Sterne blinken
noch einmal freundlicher, mit neuem Muth,
indeß die Lilien in Gram versinken,
und, wie die Freundinn um den fernen Lieben,
um seine Trennung zärtlich sich betrüben.
Es merkt der Pfau des nahen Tages Helle,
streift ab den Schlaf, springt von der Hütte nieder,
und schnell erhebt sich munter die Gazelle,
bäumt sich empor, und streckt die zarten Glieder,
und aus den Büschen singt, zum letztenmal,
sein klagend Lied der Vogel durch das Thal.
»Zieh' hin, Geliebter!« spricht voll Innigkeit
der Vater; »diese Nacht soll uns noch trennen;
eh' über uns der Sonne Stralen brennen,
entferne dich dein muntrer Schritt schon weit.
Das helle Licht gewährt Beruhigung,
und neues Sein beginnt in Dämmerung.
Wie von der Erde sonnbeglänztem Raum
die dunkeln Schatten schnell sich abwärts ziehn,
so wird auch einst so manches Irrthums Traum,
der jetzt dich noch so dicht verhüllt, entfliehn;
vielleicht daß dir, bist glücklich du erwacht,
ein schöner Tag dann hold entgegen lacht.
Kühn rauscht der Sehnsucht Flug; mit offnen Armen,
stehn wir am Lebensmorgen hoffend da;
das Fernste, Höchste scheint uns freundlich nah;
doch unsers Glaubens spotten, ohn' Erbarmen,
der Erde Mächte, die uns nieder ziehn:
wir können ihnen niemals ganz entfliehn.
Vertrau dem Menschen nicht; doch wenn ein Herz
voll Innigkeit freiwillig dir sich giebt,
dann traue sonder Arg, scheu keinen Schmerz:
ganz elend ist der nie, der innig liebt.
Es ruht im Schmerz verborgne Seligkeit;
er ist's allein, der uns zum Himmel weiht.«
Von Wohl und Weh im Innersten bewegt,
neigt auf die theure Hand der Sohn sich nieder.
»Erst dann, wenn dieses Herz sich sanfter regt,
dann,« spricht er, »sehe mich dein Auge wieder.
Ich schwör' es, bei dem Hain der Harmonie:
du siehst mich deiner würdig, oder nie.«
Nun eilt er fort, und mit der Sonne Schein,
fällt auch ein Stral von Freude, wie von oben,
in seine sanft bewegte Brust herein;
der trübe Vorhang dünkt ihm weggeschoben,
und lockend fliegt, auf seiner neuen Bahn,
ein goldner Traum weissagend ihm voran.
»O, Liebe!« ruft er, und die Stirn umflügelt
mit Rosenschwingen die Erinnerung.
»O du, die jeden Gram des Lebens zügelt,
und Seelen aus des Trübsinns Dämmerung
in heitern Glanz erhebt, dir, Holde! weihe
voll Ahndung ich den frohen Geist auf's neue!«
Mit nachtbedeckten Fittigen umhüllt
ein tiefer Unmuth ganz Armido's Herz;
ihn peiniget der Geister ew'ger Scherz,
der seiner Seele Unruh nimmer stillet:
verhaßt ist ihm des Zauberthales Pracht,
ein leerer Widerschein der eignen Macht,
»Nehmt,« ruft er, »eure Gunst, ihr dunklen Mächte,
die ihr gelassen mein Verderben schaut,
nehmt sie zurück! Mich hüllen tiefe Nächte;
vergebens hab' ich eurer Kunst vertraut.
Was kann sie thun? sie beut nur leeres Glück,
und unbekümmert herrscht das eiserne Geschick.
Das Leben, das, mit brennender Begier
nach stetem Glück, ich rastlos durchgeeilt,
erscheint, wenn jetzt mein Blick darauf verweilt,
gleich einem Kampf der Elemente mir;
verworren liegt es da; was ich einst reizend fand,
ich streckte, winkt' es mir, jetzt nicht darnach die Hand.
Als Knabe stets geschmeichelt, war Vergnügen
mein einzig Ziel; mein Wunsch mir nur Gesetz.
Als Jüngling spielt' ich mit der Liebe Netz,
mich konnte niemals Frauengunst betrügen;
denn bald bemerkt' ich, wie sie's auch verschönten,
daß sie nur Eitelkeit und Herrschsucht fröhnten.
Nur Einmal fühlt' ich tiefe Innigkeit,
verändert war die Welt mir, und mein Herz
entzündete ein wundervoller Schmerz.
Wie heilig schien sie, der ich mich geweiht! –
Da mußten Freund und Gattin sich verschwören,
auf ewig meine Liebe zu zerstören!
O, dacht' ich, lebt' ich doch vorher in Freuden,
eh' ich sie, die so arg mich täuschte, sah!
Kein Mensch sei meinem Herzen wieder nah;
Vertrauen soll auf ewig von mir scheiden!
Dem todten Stoffe gleich will ich die Menschen achten,
Und sie mit stolzem Sinn nur zu beherrschen trachten,
So schwor ich nun erbittert mir im wilden
gerechten Zorn, auf mich allein zu bauen,
den Menschen niemals wieder zu vertrauen.
Und muß ich jetzt in Indiens Gefilden,
wohin der Zufall mich gebracht, empfinden,
wie täglich meines Willens Kräfte schwinden!
Hier, wo ich, mich von Menschen loszusagen,
ein kühnes Bündniß mit Dämonen schloß,
ward ich gewaltig, angebetet, groß.
Doch bald ließ Größe mich nur tiefer klagen;
fremd ward mir mein Geschlecht, fremd blieben mir die Geister,
ihr Herrscher war ich zwar, doch nicht des Unmuths Meister.
Da fand ich Sie, als Kind – ihr holdes Wesen
zog unerklärlich fest mich zu ihr hin;
bei ihrem Anblick schien der harte Sinn
in fremde Rührung ganz sich aufzulösen.
Doch bald verlacht' ich, spottend, dies Gefühl,
dem Geisterbündniß treu, als leeres Spiel.
Oft kehrt nun, siegend, dies Gefühl zurück.
Wo ist mein Stolz, der Muth, der mich belebte,
und kühn die Menschen zu vergessen strebte? –
Wie ewig fern ist mir des Lebens Glück!
Nur Qual giebt mir der holden Augen Schein;
und doch ist ohne sie das Leben Pein!«
So hüllt Armido sich in düstern Traum;
die Hoffnung scheint sich ganz von ihm zu kehren;
ihm dünkt die Welt ein leerer dunkler Raum,
worin kein Wunsch ihn hält und kein Begehren:
und sein Gemüth kann nicht empor sich schwingen,
weil Lieb' und Glauben darin untergingen.
Zuweilen wallen durch Armido's Thal
des Haines Töne, schlagen an sein Herz,
und rühren es mit leisem, fremdem Schmerz.
Da ruft er: »Flieht! ihr lockt zu neuer Qual!
Mein Herz verschloß sich allen weichen Trieben,
ward nie geliebt, und darf nun nimmer lieben!«
Und tiefer läßt des Klima's Sonnenbrand
den Pfeil des Schmerzes seine Brust zerwühlen.
Einst steht er einsam an des Flusses Rand;
ihn lockt die Fluth, sich in ihr abzukühlen:
er senkt sich in die feuchten Wellen nieder,
und nie erhebt sein Haupt sich lebend wieder.
Vermissend bald des Freundes Gegenwart,
dem sie nie nahet, ohne daß ihr Herz
gepreßt sich fühlt, zugleich von Freud' und Schmerz,
sucht ihn die Jungfrau, ahndet nicht, was hart
ihr droht; ihr Geist, voll ungetrübten Lichts,
liebt stets die Gegenwart, und fürchtet nichts.
Doch wo sie späht, in leichter Dunkelheit
der Lauben, in der Halle Wunderlicht,
bis an des Flusses ernste Einsamkeit,
vergebens ist es! – Er erscheint ihr nicht!
Erschüttert bleibt sie stehn, und kehrt betrübt zurück;
da zeigt ein neues Bild sich dem erstaunten Blick.
Denn kalt umfängt sie rings ein fremdes Land.
Verschwunden ist der Hain, die Säulengänge,
der Halle Bau, das lustige Gedränge;
und alles, was sich schmeichelnd um sie wand,
ist jetzt entflohn! – Ihr bleibt kein fremdes Gut;
nur in dem Herzen weilet Lieb' und Muth.
Sie eilet fort, auf unbekannten Pfaden,
und immer weiter wächst der Raum um sie;
und als im Meer die grünen Rosse
grünen Rosse. Der Wagen des Tages ist, nach der indischen Mythe, mit sieben grünen Pferden bespannt. baden,
dem fernen Wald die Abendmelodie
des Vögelchors enttönt, lenkt sie auf breiter
gebahnter Straße ihre Schritte weiter.
Und immer lauter regt sich das Gewerbe
geschäft'ger Menschen allenthalben hier;
zum erstenmal zeigt sich das ew'ge Erbe
des Erdgebornen, Müh' und Arbeit, ihr:
sie sieht erstaunt ein unbekanntes Streben;
wer wird ihr den gewünschten Aufschluß geben?
Das Neue, das ihr forschend Auge schaut,
zerstreut den Sinn, den Unruh tief bewegt;
doch wie, nach langem Wandeln, sich nun laut
in ihr die Forderung des Durstes regt,
so sucht sie, um ihr Leben zu erfrischen,
nach einem Quell, in nah gelegnen Büschen.
Bald ist ihr Wunsch erreicht; mit Kraft gestärkt,
lockt sie der Quell in grüne Dunkelheiten,
die ihn umwölben, und sich unvermerkt
in schön geformter Ordnung rings verbreiten. –
Sie eilt, sich in die Dämmerung zu tauchen,
und Blumenduft und Kühlung einzuhauchen.
Sie wehrt sich's nicht, von Früchten zu genießen,
die wohlgepflegt an schönen Bäumen hangen;
und wo die Wellen in ein Becken fließen,
sieht sie ein stattliches Gebäude prangen:
ermüdet strebt sie noch dahin zu kommen,
und wird dort bald gastfreundlich aufgenommen.
Ein Indier verlebt die schönen Tage
mit Sohn und Tochter hier in Einigkeit.
Geschäft' und Feste theilen ihre Zeit;
ihr Leben flieht vorüber ohne Klage:
und was das Glück und die Natur verleih't,
genießen sie in froher Sicherheit.
Um Serafinen lebt nun eine Welt,
die, von der Neuheit Zauber ihr verschönt,
den muntern Geist in steter Spannung hält.
An Wunder hatte sich ihr Sinn gewöhnt,
alltäglich waren Wunder sonst für sie,
nun scheint ihr das Alltägliche Magie.
Nie sah sie dort den rechnenden Verstand;
auf einen Wink stand alles fertig da,
und ihrem Sinn entfiel ein neues Band,
wie sie zuerst hier etwas werden sah;
ja oft erschien ihr, in der Neuheit Schein,
das Werden wunderbarer, als das Sein.
Doch sie, die überall jetzt Wunder sieht,
ist wiederum ein Wunder für die Andern.
»In welcher Zone ist sie aufgeblüht?
Will eine Himmlische die Welt durchwandern?
Von höhern Geistern scheint sie abgesandt;
und doch so freundlich, uns so nah' verwandt!
Welch ferner Boden, welcher Tag des Lichts
ließ dieses Körpers reinen Glanz entstehen?
das Morgenroth des lieblichen Gesichts?
Wer hat so seltne Schönheit je gesehen?«
So fragten alle sich; doch dabei blieben
sie stehn: »wie es auch sei; man muß sie lieben.«
Bald ist sie ihnen keine Fremde mehr,
ihr unbefangner unschuldsvoller Sinn
zieht mächtig alle Herzen zu ihr hin.
Sie kümmern um das Ferne sich nicht sehr,
und Vater, Sohn und Tochter sind beflissen,
mit Sorgfalt ihr das Leben zu versüßen.
Doch von den neuen Bildern, die mit Lust
und Staunen ihr Gemüth jetzt an sich ziehen,
fühlt Serafine bald in ihrer Brust
ein nie gekanntes, süßes Glück erblühen;
ein Mädchen, jugendlich wie sie, theilt hier
zum erstenmal des Lebens Lust mit ihr.
Der Jugendträume reizende Verwirrung,
die Phantasie von leisem Schein erweckt,
des Unbesonn'nen schuldlos süße Irrung,
der heitre Scherz, der gern sich selber neckt,
die Unbedeutenheit in ihren Spielen,
wer, als ein junges Herz, kann dieses fühlen?
Zum erstenmal fühlt, an Palmirens Hand,
sie jetzt nun doppelt all' die holden Freuden,
die mit der Jugend goldnen Träumen scheiden.
Sie fühlten sich beim ersten Blick bekannt,
und ihr Vertrauen kann kein Zweifel trüben;
so wie sie sind, so müssen sie sich lieben.
Wie heiter flieht, in reizender Umblühung,
den beiden jeder goldne Tag vorbei;
wie mannichfaltig ist sein Einerlei
für ihren Sinn! Die leichteste Beziehung
weckt in der zarten, schnell bewegten Brust,
mit munterm Spiel der Freude reinste Lust.
Bald theilen sie, mit zärtlichem Bemühn,
des frohen Tags gesellige Geschäfte;
den Bäum' und Blumen, die gleich ihnen blühn,
leiht ihre Wartung täglich neue Kräfte;
sie sammeln Gras zu heiligen Gebräuchen,
und Blütenstaub von duftigen Gesträuchen.
Bald, wenn in's Meer die grünen Rosse fallen,
hört man aus ihren reingestimmten Kehlen
Gesänge, die mit Liebe rings beseelen,
zu einer Vina sanftem Ton erschallen.
Und schaut der Mond auf die Geliebten nieder,
labt oft ein kühles Bad die zarten Glieder.
Auch wird in manchen hold verträumten Stunden,
den innern Wohlklang freundlich auszudrücken,
ein liebliches Geflechte schön gewunden;
mit Blüthen muß sich Arm und Busen schmücken,
und in den Locken schwebt, zum Strauß verbunden,
die Wasserlilie mit leisem Nicken:
Und überwallt die Stirn mit falbem Glanze,
wie sich der Mond im Wasserspiegel schaut;
auch wird den Blättern der geliebten Pflanze
ein lieber Name seufzend oft vertraut:
denn immer ist noch Serafinens Brust
der ersten schönen Liebe sich bewußt.
So langsam, aber freudenvoll, ergießt
der Tage Strom hinab sich tropfenweis',
wie über ebnen Grund im stillen Gleis
die klare Fluth nur zögernd weiter fließt,
in süßer Leerheit, die nichts mehr begehrt,
nichts eigentlich besitzt, und nichts entbehrt.
Auch pflegte bei dem heitern Mädchenpaar,
wenn sie im Abendschein sich Kränze winden,
ein Dritter oft sich freundlich einzufinden,
der ihrem Frohsinn stets willkommen war.
Der edle Nadir, Bruder von Palmiren,
sucht ihren Aufenthalt gern nachzuspüren.
Von indischem, weichfühlendem Gemüth,
mit Augen, wie der Nelke dunkles Braun,
die arglos in des Andern Seele schaun;
im Schooß des milden Himmels aufgeblüht,
mit tiefem Muth und immer heiterm Sinn,
lebt dieser Jüngling leicht das Leben hin.
Ihm dünkt der Fremden Unbegreiflichkeit,
gleich auf den ersten Anblick, sehr verständlich;
nur ihre Lieblichkeit scheint ihm unendlich,
und alles andre ist ihm Kleinigkeit:
ob Geister oder Menschen sie erzieh'n,
an Schönheit ist ein Wunder sie für ihn.
Auch Serafine sieht, mit stiller Lust,
den neuen Freund so sanfte Reize zieren;
und Wohlgefallen füllt die zarte Brust.
Wie, sollte sie den Bruder von Palmiren
nicht liebenswürdig, wie er ist, auch nennen?
sein holdes Wesen freudig anerkennen?
Gern läßt sie arglos in die süße Nacht
der dunkeln Augen ihre Blicke tauchen;
doch dann erblühet oft, mit neuer Macht,
der frühen Liebe schimmernd Bild; es hauchen
die Lippen Seufzer, die der West entführt,
nach dem, der innig ihr Gemüth gerührt.
Bald ist sie wieder froh; aus heitrer Ferne
blickt Hoffnung sie mit süßen Augen an;
ein holdes Traumbild fliegt ihr leicht voran,
und allenthalben glühn der Liebe Sterne:
Es lebt in ihrer Brust ein froher Muth,
und freudig wallt das jugendliche Blut.
Doch als, nach wenig trüben Regentagen,
des Amra Knospe schwillt, vom Lenz erhitzt,
und schadenfroh der Gott der süßen Plagen
die Pfeile sich mit frischen Blumen spitzt,
und Nymphen, wenn die Abendvögel schwirren,
die laue Nacht im leichten Tanz durchirren;
Und alle nun die schöne Zeit genießen:
da scheint ein Strom von zärtlichem Begehren
sich aus des Jünglings Augen zu ergießen;
der Holden Nähe kann er nicht entbehren:
auch Serafine selbst, an seinen Reiz gewöhnt,
scheint jetzt durch Heiterkeit und Liebe neu verschönt.
Einst naht' er schüchtern sich zu ihr, und spricht:
»Dir weiht' ich längst des Herzens süße Triebe,
du reizendste der Jungfraun! – Mit dem Licht
aus deinen Augen, hat der Gott der Liebe
den Pfeil in meine Brust gesenkt, der leicht beschwingt,
ein blumiges Geschoß, doch tief im Busen dringt.
Komm! theile was der Himmel mir verliehn;
genieß mit mir des Lebens heitre Gaben,
die allen Werth für mich verloren haben,
wenn sie mir nicht an deiner Seite blühn.
Sieh um dich her, bis an den grünen Strand
des Meeres reicht mein eigenthümlich Land.
Ganz nach Gefallen kannst du alles nützen,
was mir das Glück an schönen Gaben bot;
vergönn' mir nur, dich, Liebliche, zu schützen
vor jedem Unfall, der der Schönheit droht,
und wenn der Jugend Reize dir entschweben,
wird frisch ihr Glanz in meiner Seele leben.«
So sanften Bitten zürnt kein fühlend Herz.
Die Jungfrau sieht ihn an mit holdem Blick,
giebt, wunderbar bewegt von Lust und Schmerz,
der Wahrheit treu, die Antwort ihm zurück:
»Wohl freut es mich, wenn ich in meiner Nähe,
dich so voll Lieb' und Anmuth vor mir sehe!
Doch ehe noch, in seinem luft'gen Nest,
der Papagei die zarten Jungen füttert,
des Amra Frucht am Baume glühend zittert,
der reifen Sesampflanze
Aus der Frucht der Sesam-Pflanze wird Öl gepreßt. Öl man preßt,
sei zwischen uns kein fester Bund gemacht.
kein heil'ges Opfer von uns dargebracht.«
Einst wandelt Nadir an des Meeres Strand,
in traulichen Gesprächen mit Palmiren;
da streift ein Sturmwind über Wog' und Land,
ein Ungewitter schnell herbei zu führen:
und fern hin, auf des Meeres dunklen Höhen,
läßt sich ein Schiff in schnellem Fluge sehen.
Und näher wird, in einem Augenblick,
vom wilden Sturm das luft'ge Haus getrieben.
Die Schiffenden, die alle Kräfte üben,
sind bald erschöpft, und folgen dem Geschick.
An schroffen Klippen muß das Schiff zerschellen,
und alle Mannschaft ist ein Raub der Wellen.
Wild braus't empor die tief empörte Fluth,
und kämpfend sieht man, durch beschäumte Wellen,
Gescheiterte, mit der Verzweiflung Muth,
dem Element sich noch entgegen stellen;
schon schwimmen Mast und Segel in den Wogen,
die kaum noch frei und leicht die Luft durchflogen.
Vom Ufer sehen sie in sichrer Ruh,
die im Kontrast mit jenem wilden Leben
verhaßt ist, dem Verderben schaudernd zu.
Doch, Nadir, fühlt sich kaum von Mitleid beben,
so springt er hülfreich mit gelaßnem Muth,
nach Kräften beizustehen, in die Fluth.
Und es gelingt ihm, Einen von den Vielen,
die ängstlich sich empor zum Lichte ringen,
eh' noch die Wogen weit hinweg ihn spühlen,
an's sichre Ufer glücklich hin zu bringen;
die Andern alle zieht das feuchte Grab,
spät oder früher, rettungslos hinab.
Kaum fühlet dieser sich auf festem Grund,
und athmet frei, so wirft er sich zur Erde,
und drückt gerührt, mit freudiger Geberde,
ihr Küsse auf mit heißentglühtem Mund;
springt dann empor und breitet voll Verlangen
die Arme aus, den Himmel zu umfangen.
Rodrigo ist's, der, seit dem Augenblick,
da, nach des theuern Vaters Willen, er
dem Mann sich dargestellt, dem sein Geschick
der Vater anvertraut in Land und Meer,
stets im Gewühl der Menschen viel erfahren,
und der jetzt wiederkehrt nach manchen Jahren.
Des Fremden Anstand, Rede, Ton und Blick
gefällt dem edlen Nadir, und er führt
in eine nahe Wohnung ihn, gerührt
von seiner Freude, seinem Mißgeschick,
sorgt er mit milder Pflege hier für ihn,
fragt nicht erst lang: wo kömmt er her? wohin?
Hier läßt er ihn; doch kehrt nach wenig Tagen
er, um den neuen Gast besorgt, zurück,
und als er da, verhüllt vor jedem Blick,
durch Büsche geht, die ihn belaubt umragen,
vernimmt er, wie, beglänzt vom Morgenlicht,
ihm nah, der Fremde laut und innig spricht:
»O, hohe Bläue! heil'ge ferne Weite!«
so ruft er aus, indem er rings das Land
voll Rührung schaut, des Meeres stolze Breite,
des reinen Himmels festliches Gewand:
»sei innig mir gegrüßt! Was spricht, wie du,
der bangen Seele tiefen Frieden zu?
Die heil'gen Bäume rauschen mir verständlich,
es reden mir der Ferne lichte Räume,
und wiederkehren alle schöne Träume.
In jenen Schatten fühlt' ich mich unendlich;
wie theuer ist mir jene Einsamkeit,
wo ich oft willig mich dem Schmerz geweiht!
Nicht müde ward ich, dunkel mich zu quälen,
und suchte Aufschluß in der Menschen Schwarm;
doch ach! sie wußten's nicht, die armen Seelen,
denn alle hegten selbst geheimen Harm,
Es schafft sich jeder selbst den Schmerz, die Lust,
und keiner schaut je in des andern Brust.
Nun seh' ich froh, voll Ahndung und Verlangen,
der Liebe süße Zeit mir schmeichelnd nahn;
der Hoffnung Sterne sind mir aufgegangen,
und freundlich will das Leben mich umfahn.
Dort sah ich eine Welt in nie enthüllter Wahrheit;
hier löset alles sich in Leben, Lieb' und Klarheit.
Wo sie auch sei, noch lebt das Angedenken,
in ihrem Geist, von jenem heil'gen Hain;
es wird zu mir die vor'gen Triebe lenken,
und Serafinens Huld ist wieder mein!
Dann will ich ganz mich heil'ger Freude weihn,
und endlich wird Rodrigo glücklich sein!«
Ein sonderbar Gemisch von Bitterkeit,
und ungewohnten Regungen empöret
des edlen Nadirs Busen, bis der Streit
sich leget, und die Ruhe wiederkehret,
wie eine klare Flut, die fremd Gewässer schwellt,
in das gewohnte Bett bald ruhig wieder fällt.
Wohl ist Rodrigo ihm bekannt; denn oft
hat Serafine in vertrauten Stunden,
den Namen ihm genannt; wie unverhofft
hat nun der Lang'verlorne sich gefunden!
Noch zweifelt er, und sucht ihn auf; doch klar
wird hier ihm, was zuvor noch schwankend war.
Und Nadir eilet, mit bewegten Sinnen,
sie aufzusuchen in den kleinen Kreis;
er giebt sich gänzlich ihrem Ausspruch Preis;
viel fürchtet er, hofft wenig zu gewinnen.
Doch aller Schmerz, den je das Herz empfand,
schmerzt minder doch von der geliebten Hand.
Was sie entscheidet, wird ihm heilig sein,
und, was sich mag in ihm dagegen regen,
ihr Wunsch, ihr Wille lindert jede Pein.
»Er ist gefunden!« ruft er ihr entgegen.
»Rodrigo athmet gleiche Luft mit dir,
glüht stets für dich, und ist nicht weit von hier.«
Mit Staunen hört ihn Serafine an,
in tiefer Gluth entbrennen ihre Wangen;
es schlägt ihr Herz von Lust und Schmerz umfangen.
Wie treu war Nadir stets ihr zugethan!
Wie edel ist er! – Doch mit reiner Lust
erfüllt Rodrigo's Nähe ihre Brust.
»Entscheide nun, die freie Wahl ist dein!
Doch wisse,« spricht ihr Freund mit sanftem Ton:
»bist du nicht glücklich, kann auch ich's nicht seyn;
und Wahrheit ist der Treue schönster Lohn.«
Sie blickt ihm hold in's redliche Gesicht,
und sagt ihm frei, was ihre Seele spricht.
»Ihm nur gehör' ich! – Dir ein Opfer bringen,
o Nadir! hieße deinen Werth entweihn.
Es würde mich die erste Gluth bezwingen,
Und deine Ruhe dann das Opfer sein.
Durch eine Lüge, sei sie noch so schön,
wird nie ein Mensch des Andern Glück erhöhn.«
So spricht die Jungfrau zu dem Freund und schweiget;
ein reines Feuer glüht in ihren Blicken,
indeß ihr Haupt an seine Brust sich neiget.
Mit Schmerz und Lust muß er sie an sich drücken;
sie küßt ihn sanft mit lächelndem Gesicht,
und ihn umstrahlt der Freude heitres Licht.
Er eilt hinweg; doch klopft mit schnellen Schlägen
sein treues Herz, als er zurücke kehrt,
an seiner Hand Rodrigo, und entgegen
ihm Serafine eilt; die Freude mehrt
der Holden Reiz. – Ach! seinen Schmerz zu schildern,
wer könnte das? ihr Glück nur kann ihn mildern.
Der Liebe Himmel sinkt in's offne Herz,
mit allen seinen schönen Sternen nieder;
ihr kehrt die Zeit, wo in der Liebe Scherz
des Lebens ernster Sinn sich birget, wieder.
Und Serafine wird, von holdem Reiz beseelt,
durch eines Priesters Hand Rodrigo nun vermählt.
Bald ist er nun in ihrer Freunde Kreise
kein Fremder mehr; was er im fernen Land
mit Fleiß erlernt und sinnendem Verstand,
manch' schöne Kunst, übt er geschickter Weise.
Zu zeigen: er sei werth, daß sie ihn liebt,
dies ist's, was ihm stets neuen Eifer giebt.
In einer schönen Nacht sitzt einst allein
in dunkler Laube er; am Himmel ziehn
die blassen Wolken, die im Mondenschein
mit wunderbar gebrochnen Farben glühn,
die Blumen küssen ihn mit ihrem Duft,
und zärtlich spielt um ihn die laue Luft.
Schnell dringt ein stärkres Weh'n durch Thal und Wald.
die Blätter regen sich mit lautem Säuseln,
des Grases Spitzen rührt ein spielend Kräuseln,
und leise naht die reizendste Gestalt,
die einst Rorlrigo fühllos fliehen sehn;
die Nymphe sieht er nahe bei sich stehn,
Sie neigt sich ihm mit Liebeshuld entgegen.
»Wie?« spricht sie; »und so ruhig kannst du seyn?
so ruhig wandeln auf gebahnten Wegen?
Dich lockt nicht mehr des Glückes goldner Schein?
Das Wunderbare scheint dir nun nicht mehr Gewinn,
und in der Alltagsbahn des Lebens ruht dein Sinn?
Ich liebe dich! Denn würd' es sonst mich kümmern,
was du beginnst? Ich ließ dich einst allein.
Doch fasse Muth, und werde wieder mein,
so wird dir schleunig neues Leben schimmern.
Nicht immer sind die Himmlischen dir taub;
ja, ihre Huld zwingt oft ein kühner Raub.«
Rodrigo schweigt; nicht zürnen kann er ihr;
es schwimmt in Zauberlicht ihm Mond und Sterne.
und Erd' und Meer; die trügerische Ferne
lockt mit Gewalt die schlummernde Begier;
in Schleier hüllt sich ihm sein nahes Glück,
nur ferne Nebelsonnen sieht sein Blick.
Und als ihn so der Zauber fast berückt,
von tiefer Unruh seine Sinnen brennen,
und sich in Sehnsucht sein Gemüth verstrickt
da hört' von fern' er seinen Namen nennen;
im holden Laut erkennt er Serafinens Ton,
und schon ist auch von ihm des Wahnes Trug geflohn.
Rasch windet er sich aus der Nymphe Arm,
und ruft: »o, leere Truggestalt, entfleuch!
verschwinde in des Abgrunds finstres Reich!
Du neidest mir mein Leben sonder Harm;
Dämonen
Dämonen. Die Indier glauben ein Geschlecht von bösen Geistern, welche sich einst gegen Brama empörten, aus dem Himmel in den Abgrund der Finsterniß verstoßen sind, und unter mancherlei Gestalten, ihr Spiel mit den Menschen treiben. haben dich mir zugesandt;
mit guten Geistern warst du nie verwandt.«
In Nebel sieht er die Gestalt zerrinnen,
und eilt dahin, wo Serafine harrt. –
Wie heiter fühlt er nun in allen Sinnen
das süße Glück der schönsten Gegenwart!
Doch wähnt er oft zum Vater sich gezogen,
als kam sein Ruf ihm durch die Luft geflogen.
»Jetzt,« ruft er, »wo in heil'ger Liebe Schein,
mein ganzes Wesen milder Wohllaut ist,
wird ihm mein Anblick reine Freude seyn.«
Und alles Glück, das hold ihn hier umschließt,
verläßt er nun, ihn treibt sein reger Sinn
zum Vater in die ferne Wildniß hin.
Ein weiter Raum trennt von den schönen Fluren
wo liebend die geliebte Gattinn lebt,
Rodrigo nun; er folgt der Gegend Spuren,
die ihm noch frisch vor seiner Seele schwebt
und sieht den Pfad, der steil sich aufwärts windet,
wo halb im Duft der Berge Gipfel schwindet.
Er steigt hinauf, und fühlt mit leisem Beben,
um diesen theuern wohlbekannten Ort
die Schatten voriger Gefühle schweben,
und eilt voll banger Sehnsucht weiter fort.
Bald ist das Ziel erreicht, und vom Gesträuch umweht,
zeigt sich die Hütte, als betroffen still er steht.
Denn da, wo einstens in der Dämmerung
der heil'gen Nacht, die rings sich still ergossen,
die Thränen zärtlicher Begeisterung,
beim Abschied von dem Vater, hingeflossen,
da streckt sich, überwallt vom zarten Grün,
ein Grabeshügel an dem Boden hin.
Und über ihn mit weiten Ästen weht
ein hoher Baum, aus dessen Rinde spricht
des Abgeschiednen Geist ihm zu; hier steht:
»Gedenke meiner, Sohn, doch traure nicht!«
Ein Kranz von Blumen, die mit Sinn verbunden,
ist um die Schrift mit frischem Glanz gewunden.
Zur öden, kleinen Wohnung geht er nun,
Wo sichtbar ihm, in den bekannten Spuren,
noch fromme Bilder vor'ger Zeiten ruhn:
er denkt, wie nun in freieren Naturen
der Ferne weilt, den Vieles hier gequält,
und fühlt von milder Hoffnung sich beseelt.
Als nun die Sonn' im fernen Ost entglüht,
will er zum letztenmal zum Grabe wallen;
da hört er leis' ein wehmuthsvolles Lied
aus jenen Bäumen ihm entgegen schallen;
ein Vogel ist es, der, vom Licht ereilt,
noch singend auf des Grabes Hügel weilt.
Der Vogel wendet sich mit stillen Blicken
noch einmal nach dem Kommenden, und schweigt,
bis, wie des Morgens Strahlen weiter rücken,
das Köpfchen müde sich zur Erde neigt;
er regt den dunkeln Fittig noch, und schon
ist er dem Leben, leisen Flugs, entflohn.
Und wie Rodrigo sinnend dem Gemische
von dunklen, ahndungsvollen Bildern lauscht,
vernimmt er eines Menschen Schritt; da rauscht
es näher bald durch nachbarliche Büsche,
und vor ihm steht die Schwester, die, dem Schmerz geweiht,
dem Grabe jeden Tag hier frische Blumen streut.
Froh überrascht, schaut sie ihm in's Gesicht;
die Trauer selbst beglänzt ihr Wiedersehen
mit einem neuen, sanft gebrochnen Licht.
Verändert sieht sie nun ihn vor sich stehen,
von seinem Kummer scheint er ihr genesen,
und sie hofft Trost in seinem Blick zu lesen.
Wie tief fühlt sie das Glück, wenn das Vertrauen
der Seele wankt, das letzte Gut der Welt
vor unserm Sinn in Nichtigkeit zerfällt,
in ein bekanntes, theures Aug' zu schauen,
und eh' die Schmerzen ganz die Brust zerwühlen,
sich wieder mit der Welt verwandt zu fühlen.
Des theuern Bruders glückliche Momente
der frühen Jugendzeit, und jede That
des ernstern Lebens, wie am leichten Ende
der Prüfung, für den Sohn er scheidend bat,
das alles, mit der Liebe Hauch beseelt,
wird von der Schwester treulich ihm erzählt.
Auch kommt ihr eignes Loos, jetzt, wo der Flor
von dem Vergangnen weicht und aufgeschlossen
das Herz sich fühlt, in hellerm Licht ihr vor;
der kurzen Blüthenzeit, die sie genossen,
der Zeit, wo ihr der Liebe Glück gelacht,
wird gegen ihn zum erstenmal gedacht.
Sie denkt zurück der heimathlichen Welt,
wo einst Armido's Liebe sie erfreute,
und ewig sie die treue Seel' ihm weihte.
»Durch Geist und Glück hoch über mich gestellt,«
so fährt sie fort, »ward es ihm leicht mich zu verlassen:
mir war er Alles, ach! und nie konnt' ich ihn hassen!
Doch ward seitdem mir keine Freude mehr,
in Sorg' und Trauer schwand mein junges Leben;
mein ganzes Herz hatt' ich ihm hingegeben,
und harrte lange seiner Wiederkehr;
doch ging ein Jahr um's andre still vorbei:
nur Schmerz und Treue blieben immer neu.
Bis einst mein Bruder unverhofft erschien,
und mich Verlaßne fand, an meiner Seite
ein Kind, das bald mein trauernd Herz erfreute,
bald stärker mich verzweifeln ließ; auch ihn
verwundete des Unglücks Pfeil das Herz,
und so ward ihm ein Sinn für meinen Schmerz.
Ich gab mich gänzlich seiner Leitung hin,
und folgt' ihm nach, wohin sein Wunsch ihn rief;
von ihm geschont, getröstet, ward mein Sinn
beruhigter; manch' Schreckensbild entschlief
in meiner Brust; im Schooß der Einsamkeit
fühlt' ich von herbem Kummer mich befreit.
Der einzig wahren Kirche blieb ich treu,
zu Heiligen war ganz mein Herz gewandt;
gern ließ der Bruder meinen Glauben frei,
obgleich sein Geist für andre Lehr' entbrannt.
Verschieden loderten in uns der Andacht Kerzen;
doch fromm und redlich waren beide Herzen.
Einst war – o, Tag des Jammers und der Noth,
den meine Sinne stets mir treu bewahren! –
ich ganz allein, auf einem kleinen Boot,
mit meinem Kind den Fluß hinab gefahren,
als sich ein Sturm, der Land und Wogen rührte,
erhob, und weit den Strom mich abwärts führte.
Zwar glückte es mir endlich noch, ans Land,
mit vieler Müh', den leichten Kahn zu lenken;
doch unwirthbar und öde war der Strand,
nichts Lebendes erschien, mir Trost zu schenken;
von Furcht gequält, ob sich ein Retter finde,
irrt' ich umher mit dem geliebten Kinde.
Da zeigte endlich sich, durch dichte Zweige,
ein Mann, der sinnend ging; und schon entbrannte
mein Herz in Hoffnung, als ich – o, ich schweige
von dem Gefühl! – Armido'n schnell erkannte.
Ich sank dahin, es schwand mir Luft und Licht;
doch er ging ernst vorüber, sah mich nicht.
Mein Kind zu retten – diese einz'ge Pflicht,
rief in das Leben wieder mich zurück;
mich selbst zu zeigen, wagt' ich furchtsam nicht;
doch bebend und mit ungewissem Blick,
schrieb auf ein Lotosblatt ich: o, erbarme
Armido dich! und wand dies um des Kindes Arme.
Noch außer mir, und meiner ganz vergessen,
vertraut' ich sorglos mich im kleinen Kahn
auf's neue nun den fremden Wogen an.
Doch wer vermag mein Staunen zu ermessen,
als bald, nachdem ein kleiner Raum verschwand,
der Heimath nahe ich mich wieder fand!
Oft sucht' ich nun an jenen Strand zu kommen,
zu welchem einst, in wilden Sturmes Flug,
der leichtgelenkte Kahn mit mir geschwommen,
wo Alles war, wofür mein Busen schlug!
Doch ganz verschwunden blieb er meinem Blick,
und Serafine kehrte nie zurück.«
Rodrigo fühlt im innersten Gemüth
des theuern Namens Ton, und schnell herbei
naht die Erklärung, daß, für die er glüht,
die Tochter seiner ältern Freundinn sei;
und doppelt fühlen, durch dies neue Band,
die schon Verbundnen beide sich verwandt.
»O, wundervolle Allmacht, die uns führet!«
ruft Serafinens Mutter, ganz versenkt
in fromme Lust – »die Menschenschicksal lenkt,
und auch der Geister leises Thun regieret,
wie läßt du jetzt, in diesen fernen Gründen,
die lang' Getrennten wunderbar sich finden!«
Und mächtig zieht sie inniges Verlangen,
in Serafinens holde Nähe hin;
die Vielgeliebte freudig zu umfangen,
sehnt sich der Mutter, sich des Gatten Sinn;
sie wünschen sich des Sturmes leichten Flügel,
schnell hinzufliehen über Thal und Hügel.
Bald ist das Ziel erreicht, und in der Ferne
sehn sie die Flur, wo Serafine lebt;
da bleichen schnell der Hoffnung goldne Sterne
vor ihren Blicken, und ihr Herz erbebt.
Aus dem Gebirge hat, so hören sie's erschallen,
schnell eine wilde Schaar die Gegend überfallen.
Von den Bewohnern, die sich keinen Streit
versahen, und nur auf der Flucht sich wehrten,
sind viel getödtet, weggeführt, zerstreut.
Beflügelt nahen sie sich den verheerten
Gefilden; ach! nur wenig blieb verschont,
Entsetzen haus't, wo Ruhe sonst gewohnt.
Nach Serafinen suchen sie vergebens;
auch ihrer Freunde keiner ist zu finden;
trotz ihres eifrig ruhelosen Strebens,
droht auch die kleinste Hoffnung zu verschwinden. –
Von einer Flamme, die er nie gekannt,
fühlt sich Rodrigo innerlich entbrannt.
Es ruft ihm mächtig eine laute Stimme:
»Was säumest du? zum mind'sten räche Sie!«
Er zaudert nicht, und folgt dem edlen Grimme;
und es gelingt ihm, doch nicht ohne Müh',
das träge Volk mit Leben zu befeuern,
in ihm den Durst nach Rache zu erneuern.
Zwar lernt' er mühsam nie des Krieges Kunst,
doch ihn beseelt ein inn'rer Heldenmuth;
auch gab ihm hohe Körperkraft die Gunst
der Götter, haucht ihm in die Seele Glut,
und wo der Träge mühevoll begreift,
ist zur Vollendung schnell der Held gereift.
Von Rach' entflammt und thatenvollem Drang,
stellt sich Rodrigo in der Krieger Haufen;
freiwillig will sein Leben er verkaufen,
und in der Skaverei drückt ihn kein Zwang.
Sie fallen in's Gebirg'; der Kämpfer Bahn
stralt bald Rodrigo, wie ein Stern, voran.
Auch wird nun Vieles, was in fremdem Land
er einst mit aufmerksamen Blick gesehen,
hier zu der Feinde schnellerm Untergehen,
auf seinen Rath geschicklich angewandt;
je mehr auf ihn der Andern Blicke schauen,
je mehr gewinnt er Achtung und Vertrauen,
Und immer weiter trägt auf seinen Schwingen
das Glück empor ihn; wo er kaum gedienet,
da herrscht er bald. Ein heitrer Lorber grünet
um seine Stirn, und goldne Beute bringen
ihm die bezwungnen Feinde; sein Geschick
führt aus dem Kampf ihn stets mit Ruhm zurück.
Der armen Mutter, ach! auf's neu betrübt,
von fehlgeschlagner Hoffnung herbem Schmerz,
erhellt ein Stral von Trost das bange Herz,
das nun in ihm all' die Verlornen liebt,
wenn sie ihn sieht, vom steten Glück gekrönt,
des Bruders Bild mit höherm Glanz verschönt.
Er aber wähnt in muthentflammter Brust,
sich jetzt für Thaten ganz allein geboren.
Die Gattin scheint auf ewig ihm verloren,
mit ihr verschwand des vor'gen Lebens Lust.
Zwar winkt ihm neues Glück; doch fühlt' er's inniglich:
Viel gab ihm das Geschick, der Frieden nur entwich!
So schimmert lang' ihm äußrer Güter Glanz,
als einst bei eines Festes bunter Pracht,
ihn ungewöhnlich aufmerksam der Tanz
von einer schönen Tänzerin gemacht.
Er fühlt, wie Lust und Schreck die Seele theilet,
so oft ihr dunkles Aug' auf ihm verweilet.
Wie reizend sich die reichlichen Geflechte
des braunen Haares um die Scheitel ziehen!
Und Steine funkeln durch die süßen Nächte
der Locken, die wie Stern' am Himmel glühen!
Nie, scheint es ihm, hat so, wie hier sich zeigt,
Natur und Kunst ihr schönstes Ziel erreicht.
Der feine Hals, der bald sich stolz erhebet,
bald anmuthsvoll sich wieder seitwärts neiget,
wird schön von weichem Blüthenschmuck
Blüthenschmuck. Die indischen Tänzerinnen schmücken sich oft mit einem Halsband von schönen, außerordentlich wohlriechenden Blumen, welches das Auge eben so sehr bezaubert, als den Geruch. belebet,
aus dem ein Heer von süßen Düften steiget;
die vollen Arme, deren Reiz besiegt,
sind selbst in zarte Ketten eingeschmiegt.
Ein seidnes, glänzendes Gewand umwallt,
in schöne Falten künstlerisch gelegt,
den reinen Bau der reizenden Gestalt,
bis, wo der Knöchel leicht im Tanz sich regt,
geschmückt mit edlen Steinen, fein und leicht,
der zarte Fuß nun wieder frei sich zeigt.
Doch mehr als alles strahlt das Angesicht,
das blühender als ihre Blumen blühet;
und heller, als die edlen Steine, glühet
der holden Augen wunderbares Licht:
aus ihnen spricht bedeutungsvoller Sinn,
und zieht die Herzen mächtig zu ihr hin.
In heiliger Begeisterung beginnt
sie nun des Tanzes zauberisches Leben,
das immer mehr an schönem Sinn gewinnt;
in ihre mimische Bewegung weben
sich Reize, wie sie keiner je ersann,
die Alle fühlen, niemand nennen kann.
Des Mädchens Schmerz, das den geliebten Mann,
für den sie innig, ganz allein geboren
zu seyn, sich fühlt, nach kurzem Glück verloren,
und nirgends, nirgends wieder finden kann;
ihr Glück, und ihrer Seele tiefes Leiden,
sucht ihre Kunst verständlich anzudeuten.
Bald stellt sie jenes Jubels Wonne dar,
wenn am Altar ein liebevolles Paar
den Göttern dankerfüllte Opfer weihet,
und Dürftige mit Gaben mild erfreuet;
bald schwebt sie, wie im Lenz, auf leichten Schwingen,
zu Kama's Ruhm die Nymphen Reihen schlingen.
Durch die Versammlung bebt ein süßer Schauer,
der die Verwunderten sich selbst entführt;
von hoher Fröhlichkeit, von heil'ger Trauer,
fühlt der Unheiligste selbst sich gerührt,
und wird zum erstenmal in seiner Brust
sich einer edleren Natur bewußt.
Sie fühlen sich mit Himmlischen verwandt,
das Irdische läßt ihre Seelen freier,
und jedes Herz scheint in der Rührung Feier
von Andacht und von Liebe still entbrannt.
So mächtig wirkt die heilige Gewalt
der Kunst, durch diese reizende Gestalt.
Doch keinen der Begeisterten durchdrang,
was namenlos Rodrigo's Busen füllt;
aus jeder sprechenden Bewegung quillt
dem Tiefentzückten himmlischer Gesang;
ihm dünkt, er hört des Haines Töne wieder,
die langentbehrten steigen liebend nieder.
Und wiederum durchfliegt das heil'ge Feuer,
der reinsten Liebe jugendlich sein Herz;
noch einmal fühlt es den geliebten Schmerz;
noch einmal zieht den süßen Wunderschleier,
die neugeborne glüh'nde Phantasie,
rings um die Welt mit lieblicher Magie.
Er fühlt es –
Sie ist ihm zurückgegeben.
Wer trüge wohl, gleich ihr, der Göttinn Bild,
im seelenvollen Auge, kühn und mild,
an Stirn und Wuchs, der Züge holdem Leben?
Zwar umgeändert in Geberd' und Miene,
doch innig fühlt er – es ist Serafine.
Das Reich der Göttinn würdig zu verbreiten,
hat sie die Kunst erwählt, den ird'schen Sinn
zu höherm Leben ahnungsvoll zu leiten.
Es giebt sich selbst der Rohe gern ihr hin,
und mit der sanften Regung, die sie lehrt,
wird für das Himmlische sein Herz genährt.
Indeß er so sich selbst Erklärung giebt,
und schon sein Herz in Hoffnung sich berauscht,
erbebend schon der nahen Wonne lauscht,
fühlt er durch ihr Entweichen sich betrübt.
Geendet ist der Tanz, und kaum gefunden,
ist im Gewühl sie seinem Blick verschwunden.
Er forscht nach ihr, doch ohne sie zu finden;
denn keinem ist ihr Aufenthalt bekannt.
»Wir alle sehen sie, gleich dir, verschwinden;
doch hält sie jeden von sich weg gebannt,
und wunderbar entweicht sie im Gedränge.«
Dies sagt, auf seine Fragen, ihm die Menge.
»Schon mehrmals hat sie unsern Geist und Sinn
bezaubert, ganz mit wunderbarer Rührung.
Zwar bietet sie dem Auge nur Gewinn,
und bleibt erhaben jeglicher Verführung;
doch müssen wir sie drum nur mehr verehren.
Wer möchte so viel Reiz den Zutritt wehren?
Von ihrer Anmuth, ihrem Stolz bezwungen,
wagt keiner ihr Geheimniß auszuspähn;
doch fühlt sich jeder glücklich, sie zu sehn.
Vielleicht ist sie von Himmlischen entsprungen?
ist eine Zauberinn? Wir wissen's nicht;
allein der Himmel strahlt von ihrem Angesicht.«
Dies hört er, und mit jedem Augenblick
fühlt er die Sehnsucht stärker sich durchdringen;
sie breitet, wie ein Vogel, schon die Schwingen,
und suchet schwebend das entfloh'ne Glück;
ihr Fittig reißt gewaltig ihn dahin;
denn ohne Sie scheint nur der Tod Gewinn.
Er muß, und sollte er die Welt durchwandern,
die Einzige, die Gattinn wiedersehn!
Im Pilgerkleid, von einem Ort zum andern,
sucht ihren Aufenthalt er zu erspähn,
und, freier nachzuforschen, scheint bald, künstlich, alt,
und ganz verändert nun, ihm Antlitz und Gestalt.
Einst, als bereits des Tages muntrer Schein
verblichen ist, und aus der Sterne Augen
die Blumen, die der stillen Nacht sich weihn,
mit Liebesdurst die heil'gen Strahlen saugen,
und, von der Erde weg, zur hohen Luft
ihr Geist entsteigt, in zarter Sehnsucht Duft;
Da sucht Rodrigo, von dem langen Gang
ermüdet, eine Heimath zu ersehen;
undeutlich sieht er ein Gebäude stehen,
und näher lockt ihn lieblicher Gesang,
der, wie er bald vernimmt, dem Haus' entsteigt,
das ländlich, unter Bäumen, nun sich zeigt.
Er steht, und lauschet einen Augenblick
der Töne, die in seine Seele dringen,
und drinnen hört er eine Stimme singen:
»Wo weilest du, Geliebter? Holdes Glück,
du zögerst lang! Das Leben, ach! entschwebt.
O, komm zurück, die treue Gattinn lebt!«
Rodrigo bebt, es schlägt in seiner Brust
ihm laut das Herz; er kennt den süßen Ton.
»Sie ist's, sie ist's! Die Leiden sind entflohn!
O, komm an meinen Busen, Lebenslust!«
So ruft er aus, und eilet, voll Verlangen,
die Vielgeliebte freudig zu umfangen.
Doch unersättlich fühlt sein reges Herz,
worin der Ruhe goldne Frucht nie reift,
was es empfindet, Freude oder Schmerz;
und wie ein Geiz'ger Schätz' auf Schätze häuft,
so hält Rodrigo jetzt sich schnell zurück,
und sinnt, wie er vermehre noch sein Glück.
Drauf geht er hin; es wird ihm aufgethan.
Ein Diener fragt: was sein Begehren sei?
Bald nahet die Gebieterinn herbei,
und bietet freundlich ihm Bewirthung an.
Sie steht vor ihm – wie einst in jenem Wald, –
in einfach schöner Tracht, die reizendste Gestalt.
Das Zauberlächeln anspruchloser Güte,
verkläret mild der schönen Augen Licht,
gefällig nickt in's liebliche Gesicht,
vom dunklen Haar der Strauß von Lotosblüthe,
und anmuthsvoll um Leib und Schultern schwebt
ein Kleid, aus weichen Fasern schön gewebt.
Den fremden Pilger nimmt sie liebreich auf,
und übet gern des Gastrechts fromme Pflicht;
daß es an keiner Pflege ihm gebricht,
besorgt sie selbst, entfernet sich darauf.
Die Diener thuen gern, was sie gebeut,
und bald sieht sich der Gast mit Kost und Bad erfreut.
Doch sehnlich harr't der heitern Früh' entgegen
Rodrigo, bringt die Stunden schlaflos zu;
es rauben sel'ge Träume ihm die Ruh;
er fühlt es tief, der Erde schönster Segen
ist ihm genaht; doch seine Seligkeit
trübt stets die Unruh, der er sich geweiht.
Der andre Tag schenkt ihm die Gegenwart
der holden Freundinn, und sie fühlt – verschlungen
in traulichen Gesprächen – sich durchdrungen
vom Zutraun gegen ihn; was still und zart
im Herzen ruht, giebt sie mit frommen Sinn,
ihm, ihres Lebens schönes Räthsel, hin.
Mit Treue schildert sie ihr ganzes Leben,
und Liebe wehet oft, mit leisem Schwung,
um ihre Farben, die sich sanft verweben,
die zarten Düfte der Begeisterung.
Auch jenes Augenblicks, wo eine wilde Macht
in ihren Wohnort drang, wird jetzt von ihr gedacht.
»Die Freunde sah ich fern von mir verstreut,«
so fährt sie fort; »viel köstliches Gestein
war mir von ihnen anvertraut; allein
sie kehrten nie zurück! Im wilden Streit
ließ ihr Verhängniß bangen Tod sie finden,
und mir nur sollte nicht das Leben schwinden.
Ich irrte lang' in tiefer Traurigkeit,
durch öde Gegenden; die bange Brust
war ganz erfüllt mit Schrecken und Verlust.
Fern war mir, ach! der theure Gatte. Weit
von ihm getrennt, die Freunde mir entrissen,
sah jeder Tag nur neue Thränen fließen.
Doch endlich ward's in meiner Seele hell,
ich fühlte wieder Muth, ein Himmelsstral
belebte mich mit hoher Hoffnung; schnell
entwich des tiefverhüllten Herzens Qual.
›Warum erhielt der Himmel dich allein,
als dich der Göttinn heil'gem Dienst zu weihn?‹
Dies dachte ich, und würdig zu verbreiten
die Bilder, die in meinem Innern lebten,
ward mir Beruf, des Haines Seligkeiten,
die mich mit milder Klarheit neu umschwebten;
und traurig war ich nur, so wenige zu finden,
die jener Töne schönen Sinn verstünden.
Da strebte ich durch Kunst nun das Gefühl
für Harmonie in Andern zu entfalten,
und der Bewegung leichtverstandnes Spiel
zu höherm Ausdruck sinnend zu gestalten,
und in des Tanzes heitre Sprache webte
ich treu, was innig mir im Herzen lebte.
Nicht ohne Wirkung blieb mein eifrig Streben,
und wohl gelang es mir, so manches Herz
dem engen Kreis der Selbstsucht zu entheben,
zum Mitgefühl für Andrer Lust und Schmerz.
Es konnten nun, auf frommer Rührung Schwingen,
des Haines Töne leichter es durchdringen.«
So Serafine; in Rodrigo's Sinn
tönt jedes ihrer Worte freudig wieder,
und der Verstellung Hülle streift er nieder,
giebt ganz sein Herz der schönen Wahrheit hin.
»O Harmonie, o Liebe!« ruft, voll hoher Lust,
die Glückliche, und sinkt an ihres Gatten Brust.
Doch schnell umschließet sie der reinste Duft;
ihr ist, als öffne sich ein lichter Raum.
Von holder Melodie erklingt die Luft;
sie stirbt dahin, in wundersüßem Traum;
was Harmonie gebot, hat sie gethan,
ihr reiner Geist gehört der Göttinn an.
Von Andacht fühlt Rodrigo sich entglüht.
»Ihr,« ruft er aus, »ward, was sie einst begehrt:
sie stirbt ganz deiner, heil'ge Göttinn, werth!
Ein tiefer Schmerz entzündet mein Gemüth!
Was sie dir weihte, war ihr reines Herz;
mich heiligt dir das Leben und der Schmerz!«