George Byron
Cain
George Byron

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Vorwort.

Die folgenden Scenen sind »Mysterium« betitelt, wie man die Schauspiele, welche ähnliche Gegenstände behandelten, früher zu nennen pflegte. Der Verfasser hat den Stoff jedoch keineswegs mit der Freiheit bearbeitet, wie dies bei derartigen Dingen damals beliebt wurde und wie sich Jeder überzeugen kann, der sich für die höchst profanen, in englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache abgefaßten Mysterien interessirt. Der Verfasser war vielmehr bemüht, seinen Charakteren eine ihnen angemessene Sprache zu geben; wo dieselbe aber der Schrift entnommen ist (was übrigens nur sehr selten vorkommt), hat er so wenig geändert, als der Rhythmus nur immer zuließ. Der Leser wird sich erinnern, daß das 1. Buch Mosis nicht sagt, Eva sei vom Teufel versucht worden, sondern von der Schlange, und zwar weil diese »das listigste aller Thiere auf dem Felde« war. Welche Deutung nun auch die Rabbiner und Kirchenväter dieser Erzählung geben mögen, so habe ich die Worte genommen, wie ich sie fand; und ich sage wie Bischof Watson bei einer ähnlichen Gelegenheit, da man die Kirchenvater gegen seine in den Cambridger Schulen eingeführte Reinigung der Glaubenslehre aufrief: »Seht nur in die Schrift!« – Mit dem neuen Testament hat das Thema nichts zu schaffen, weil ja eine Anspielung hierauf nicht gemacht werden könnte, ohne einen Anachronismus zu begehen. Mit den Gedichten, welche ähnliche Gegenstände behandeln, bin ich längst nicht mehr auf dem Laufenden. Seit meinem zwanzigsten Jahre habe ich Milton nicht mehr gelesen; doch las ich ihn vorher so oft, daß dies nichts zu sagen hat. Geßner's Tod Abels habe ich in meinem achten Jahre zu Aberdeen gelesen; seither nicht mehr. Der allgemeine Eindruck meiner Erinnerung ist ein angenehmer; vom Inhalt selbst weiß ich nur noch so viel, daß bei Geßner Cains Weib Mahala, Abels Thirza heißt. Ich habe sie Adah und Zillah genannt, welches die ersten Frauennamen sind, die im 1. Buch Moses vorkommen: Lamechs Frauen heißen dort so, die von Cain und Abel werden nicht bei Namen genannt. Ob durch den Namen ein Charakter der Person ausgedrückt werden sollte, weiß ich nicht, kümmere mich auch nichts darum. Der Leser wolle sich erinnern (was man übrigens nicht gerne hört), daß in den Büchern Moses und überhaupt im alten Testament keine Hinweisung auf ein künftiges Leben vorkommt. Warum dies wol geschah, mag er in Warburtons »Göttlicher Sendung« nachlesen; mag die Sache dort befriedigend erklärt sein oder nicht, so findet sich doch jedenfalls nirgends eine bessere Erklärung hierüber. Ich habe daher angenommen, daß das Jenseits für Cain etwas Neues sei, und bin dabei, wie ich hoffe, nicht in Widerspruch mit der heiligen Schrift gerathen.

Was die Sprache Lucifers anbelangt, so war es mir schwer, ihn wie einen Pfarrer sprechen zu lassen. Ich habe jedoch mein Möglichstes gethan, um denselben innerhalb der Grenzen einer geistreichen Artigkeit zu erhalten. Wenn er es von sich ablehnt, Eva in Gestalt einer Schlange versucht zu haben, so geschieht es nur, weil das 1. Buch Mosis nicht die leiseste Andeutung hierüber macht, sondern die Schlange lediglich als solche auftreten läßt.

 

Anmerkung. Der Leser wird finden, daß der Verfasser in seinem Gedicht zum Theil den Ansichten Cuviers gefolgt ist, wonach die Erde schon vor der Schöpfung des Menschen verschiedene Perioden der Zerstörung durchmachte. Diese Hypothese, welche sich auf die verschiedenen Erdschichten und die in denselben gefundenen Gebeine ungeheurer und unbekannter Thiere gründet, steht nicht im Widerspruch mit der Erzählung des Moses, sondern bestätigt sie eher, indem man in diesen Schichten bis jetzt keine menschlichen Gebeine entdeckt hat, obschon neben solchen von unbekannten auch viele von bekannten Thieren vorkommen. Die Behauptung Lucifers, daß die präadamitische Welt auch von weit intelligenteren Wesen als der Mensch bevölkert gewesen und zugleich eine im Verhältniß zum Mammuth größere körperliche Kraft besessen, ist natürlich nur eine poetische Fiction, um ihm die Durchführung seiner Rolle zu erleichtern.

Ich muß noch hinzufügen, daß es eine Tramelogedia von Alfieri gibt, die Abèle heißt, die ich aber ebenso wenig gelesen habe, als die übrigen Werke dieses Dichters, seine Lebensbeschreibung ausgenommen.

Ravenna, den 20. September 1821.


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