Karel Capek
Das Jahr des Gärtners
Karel Capek

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Von der Gärtnerkunst

Solange ich nur ein fernstehender und zerstreuter Zuschauer fertiger Gärten war, hielt ich die Gärtner für Geschöpfe von besonders poetischem und feinem Geiste, die den Blumenduft züchten und dem Vogelsang lauschen. Jetzt, wo ich mir die Sache mehr aus der Nähe ansehe, finde ich, daß der richtige Gärtner nicht ein Mensch ist, der Blumen züchtet, sondern ein Mann, der den Boden pflegt. Er ist ein Wesen, das in der Erde herumwühlt und den Anblick dessen, was über ihr ist, uns gaffenden Nichtsnutzen überläßt. Er lebt, in die Erde versunken. Baut sein Denkmal im Komposthaufen. Käme er in den Paradiesgarten, würde er berauscht herumschnuppern und sagen: »Mein Lieber, das ist ein Humus!« Ich glaube, er vergäße, vom Obste des Baumes der guten und schlechten Erkenntnis zu essen; eher würde er zusehen, wie er dem Herrn einen Schubkarren Paradieserde entführen könnte. Oder er würde bemerken, daß rund um den Baum der Erkenntnis eine ordentliche, schüsselförmige Baumscheibe fehle; gleich begänne er dort zu graben, ohne zu wissen, was über seinem Kopfe hängt. »Adam, wo bist du?« riefe der Herr. »Gleich«, würde der Gärtner über die Schulter hinweg antworten, »ich habe jetzt keine Zeit.« Und würde weiter an seiner Baumscheibe arbeiten.

Wäre der Mensch – Gärtner vom Anbeginn der Welt, durch natürliche Auslese entstanden, hätte er sich wahrscheinlich zu einem wirbellosen Geschöpf entwickelt. Wozu hat der Gärtner überhaupt einen Rücken? Wie es scheint nur dazu, um sich von Zeit zu Zeit aufzurichten und zu seufzen: »Mein Rücken schmerzt!« Was die Beine anbelangt, so lassen sie sich auf verschiedene Weise zusammenlegen; man kann hocken, knien oder sie auf irgendeine Weise unter sich zusammenzwängen; die Finger bilden gute Pflöckchen, um kleine Gruben zu graben, die Fäuste zerbröckeln die Klumpen oder lockern den Boden auf, während der Kopf zum Einhängen der Pfeife dient. Nur das Genick gibt nicht nach, so sehr sich der Gärtner auch bemüht, es ordentlich zu biegen. Der Regenwurm im Garten hat auch kein Rückgrat. Nach obenhin ist der Gärtner gewöhnlich durch das Hinterteil abgeschlossen; Beine und Hände hält er gespreizt und den Kopf, ähnlich einer werdenden Stute, irgendwo zwischen den Knien. Er gehört nicht zu jenen, die »ihre Gestalt, und sei es auch nur um eine Spanne, wachsen sehen möchten«, im Gegenteil, er halbiert seine Gestalt, hockt sich nieder und verkürzt sie auf alle mögliche Weise. So, wie ihr ihn zu sehen bekommt, ist er selten höher als ein Meter.

Die Pflege des Bodens hängt einerseits von den verschiedenen Arten des Umgrabens, Umhackens, Umschollerns, Eingrabens, Auflockerns, Einebnens, Glattmachens und Kräuselns ab, andererseits von den Zusätzen. Kein Pudding kann komplizierter sein als die Zubereitung der Gartenerde; soweit ich es verfolgen konnte, mengt man Dünger, Mist, Guano, Lauberde, Rasenerde, Ackererde, Sand, Stroh, Kalk, Kainit, Thomasmehl, Kindermehl, Salpeter, Hornmasse, Phosphate, Abfälle, Kuhfladen, Asche, Torf, Kompost, Wasser, Bier, den Inhalt ausgeklopfter Pfeifen, abgebrannte Zündhölzer, tote Katzen und noch viele andere Substanzen bei. Dies alles wird ständig gemischt, eingegraben und zugesalzt. Wie gesagt, der Gärtner ist nicht ein Mensch, der an der Rose riecht, sondern der von der Vorstellung verfolgt wird, »daß der Boden noch ein wenig Kalk benötige«, oder daß er schwer sei (wie Blei, sagt der Gärtner) und »mehr Sand verlange«. Die Gärtnerei wird zu einer Art Wissenschaft. Heutzutage dürfte das Mädchen nicht nur so singen: »Unter unsern Fenstern, da wächst ein Rosenstrauch.« Sie sollte lieber singen, daß man unter unseren Fenstern Salpeter und Buchenasche, sorgfältig gemischt mit feinem Häcksel, streuen möge. Die Rosenblüte ist sozusagen nur für die Dilettanten da; die Freude des Gärtners wurzelt tiefer, im Schoße der Erde. Nach dem Tode wird der Gärtner nicht zu einem Schmetterling, der vom Blumenduft berauscht ist, sondern zu einem Regenwurm, der von allen dunklen, stickstoffhaltigen und würzigen Ergötzlichkeiten der Erde kostet.

Jetzt im Frühjahr lockt es die Gärtner, wie man sagt, unwiderstehlich in den Garten; kaum haben sie den Suppenlöffel hingelegt, sind sie auch schon bei ihren kleinen Beeten, das Hinterteil zum wundervollen Himmel emporreckend. Hier zerrreiben sie zwischen den Fingern einen warmen Klumpen, dort stecken sie ein verwittertes, kostbares Stückchen vorjährigen Mistes näher zu den Wurzeln, da reißen sie Unkraut heraus, und hier klauben sie ein Steinchen auf; jetzt lockern sie die Erde um die Erdbeeren herum auf, und nach einer Weile beugen sie sich, die Nase am Boden, vor einigen Salatsetzlingen und kitzeln verliebt das zarte Wurzelbüschel. In dieser Lage genießen sie den Frühling, während über ihren Lenden die Sonne ihren berühmten Kreislauf vollführt, die Wolken ziehen und sich die himmlische Vogelwelt paart. Schon öffnen sich die Kirschenknospen, die jungen Blätter entfalten ihre liebliche Zartheit, und die Amseln lärmen wie verrückt; da richtet sich der echte Gärtner auf, macht das Kreuz hohl und sagt schwermütig: »Im Herbst werde ich es ordentlich düngen und ein bißchen Sand dazugeben.«

Aber einen Augenblick gibt es, wo sich der Gärtner aufrichtet und zu seiner vollen Größe emporreckt: das ist das Stündchen am Nachmittag, in dem er seinem Garten das Sakrament des Bespritzens erteilt. Dann steht er, aufrecht und gleichsam erhaben, da und leitet den Wasserstrom aus dem Maule des Hydranten; das Wasser rauscht im silbrigen, tönenden Strahle, der lockeren Erde entströmt der duftende Atem der Feuchtigkeit, jedes Blättchen ist gleichsam üppig grün und glänzt in schmackhafter Freude, daß man es am liebsten aufessen möchte. »Also jetzt hat er genug«, flüstert der Gärtner selig; damit meint er nicht den mit Knospen besäten Kirschbaum noch den purpurfarbenen Johannisbeerstrauch: er meint den braunen Gartenboden.

Und wenn dann die Sonne untergeht, sagt der Gärtner auf dem Gipfelpunkt der Zufriedenheit: »Heute habe ich mich was geplagt!«


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