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»Eine Wand'rung durch Wien?« – Schon hör' ich die Frage Aus allen Mündchen und Mäulern ergeh'n, – »Solch Wanderung mach' ich ja alle Tage Und hab' in den Straßen schon Alles geseh'n, Denn Gott sey Dank, man hat auch seine Augen Und läßt sie rollen, so gut man nur kann, Wozu also soll die Beschreibung taugen?« – Meine Damen und Herren, man höre mich an: Um die Augen ist es ein sonderbar Wesen, Und eben auch so um das Sehen und Lesen. Kein Mensch kann schau'n mit des Andern Blicken; Es kann sich also gar leichtlich schicken, Daß jeder – nachdem sein Aug' ist gebaut, – Denselben Gegenstand anders schaut. Wer steht mir dafür, daß, wenn ich dann meine, Dieß Kleid sey grün, das die Dame trägt, Meinem Nachbar es nicht roth erscheine Und er's nur mit diesem Nahmen belegt? 185 Unzählige Beyspiele Ihnen zu sagen, Zu beweisen den Satz, das fiele nicht schwer, Daß die Menschen sich zanken und streiten und schlagen, Kommt nur von verschiedenen Ansichten her. Zwey junge Herrn gehen auf der Gasse, Ein Mädchen trippelt an ihnen vorbey; Der Eine ruft: Ach wie schön ist die Blasse! Der Andre meint, daß sie häßlich sey. – Wenn sich Fräulein A. in dem Spiegel beschauet, Glaubt sie, ein schöneres Näschen gäb's nicht; Doch spricht Fräulein B., daß davor ihr grauet, Die Nase ginge zu sehr ins Gewicht. Les't einmahl zwey verschiedene Blätter, Die urtheilen über Wissen und Kunst, Der Eine erhebt etwas bis zu dem Äther, Der Andere nennt es nur leeren Dunst. – Seht, gute Herren und liebliche Frauen, Wie Alles für meine Axioma spricht, Das Alles kommt vom verschied'nen Beschauen, Denn mit Willen zanken die Herren sich nicht. – Nun seht, so will denn auch ich Euch beschreiben, Wie ich an verschiednen Orten in Wien Die Dinge gesehn und das bunte Treiben, Vielleicht, daß mir manches ganz anders erschien 186 Als Euch – drum wollet geduldig mich hören, Mein' Ansicht soll Euch in Eurer nicht stören. |
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Straße? – Platz? – Wie soll ich dich, Graben aller Gräben nennen? Den die Wiener eigentlich Als ihr höchstes Kleinod kennen. – Nennen kann man in der That Eine Stadt dich in der Stadt. |
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Wir halten bey dem Nahmen uns nicht auf, Er heißt so – damit Punctum; Streusand drauf. Ich fange dorten meine Wanderung an, Wo die Komödienzettel alle kleben; Zur rechten Seite geh' ich hinan, Und werde links mich dann zurück begeben. O Eckhaus zur Krone! Du bist zu beneiden, Bist alt, und die Krone gebühret dir; Die Götter des Abends, die Kinder der Freuden, Die Circenseszettel, sie kleben an dir. Es stehen schüchtern auch Ankündigungen, Von Riesen, Zwergen und Seiltänzerey, Von Büchern und englischer Wichse dabey; Doch weiß man, was heut wird getanzt und gesungen, Wer kümmert sich noch um den übrigen Brey. 187 Da sieht man von dem frühesten Morgen Der Leser genug, bis das Licht entflieht, Man merkt, es ist eine der größten Sorgen, Zu wissen, was mit dem Abend geschieht. Die Wagen verscheuchen sie nicht einmahl, Die oft schon Manchem die Kleider zerrissen; Und auch nicht die Ratten, die an dem Canal Geh'n, laufen und spielen zu ihren Füßen. Zwey sentimentale Fräuleins stehen Und lesen: Das Taschenbuch mühsam herab. Ach – ruft die Eine – das müssen wir sehen, Und wischt schon im voraus die Thränen sich ab. Ein Modeherrlein liest durch die Brillen Daneben den Tancred am Kärnthnerthor; Das »palpiti« sumst er sogleich wider Willen, Das ist was für seinen Verstand und sein Ohr. Da stehen zwey Herren mit gierigen Blicken, Beym Zettel von der Leopoldstadt, Der Eine den Andern sucht wegzudrücken, Weil Raimund heut dort seine Einnahme hat. Vor dem Wiener-Theaterzettel dort stehen Zwey Frau'n, buchstabiren mit großem Geschrey: Der Wolfsbrunn. »Den muß die Frau G'vatterin sehen,« Ruft Eine – »da tanzt meine Kathi dabey.« 188 Doch lassen wir all' die Neugierigen stehen, Wir haben heute noch mehr zu besehen. Hart an eine Kunsthandlung ist zu erblicken, Wo haufenweis man um die Bilder sich drängt, Denn von Lanzedelli's Meisterstücken Hat viele man weise zur Schau hier gehängt. Auch anderes Spielzeug ist hier nicht minder Zu sehen für kleine und große Kinder. Daneben geht ein Gäßchen hinein, Das Schlossergäßchen mit Nahmen, Man glaubte, da müßten nur Schlosser seyn, Sind aber dort Schuster beysammen. Das Gäßchen sieht aus so dunkel und klein, Als ginge man in eine Höhle hinein, Soll auch eine dort seyn zu dieser Zeit, Der nordischen Hexe: Frau Ludlam geweiht. – Mit einmahl bleibt staunend der Wanderer stehn, Es rührt sich in ihm etwas vom Neide; Ein ungeheures Haus wird er seh'n, Ein wahres Siebenmeilenstiefelgebäude. Fünf Stockwerke heben zum Himmel sich kühn, Das trägt wohl einige Münzen, Und wahrlich, mehr Menschen wohnen darin, Als in mancher Stadt in den Provinzen. Ein Fremder, als er das Haus hat beschaut, 189 Fragt' einstens mit staunendem Angesicht: »Ist dieses Haus wirklich denn hier erbaut?« (Vielleicht ist's erlogen, ich selbst hört' es nicht) O, wie mußten die Leute noch gerne lesen Zu jener Zeit, als dieß Haus erstand! Der's baute, ist ein Buchdrucker gewesen; – Jetzt bauen die Buchdrucker meistens auf Sand. Auch glaubte man damahls gedruckten Büchern Noch so, als ob's Evangelium wär; Noch jetzt, will man etwas begläub'gen, versichern, Spricht man: Das käme vom Trattner her. Ein winziges Büchergewölblein ist nur Jetzt dort, wo ein großes einst war; – man kann sehen, Wie in's Kleine sich zog die Literatur. Wir wollen da rasch vorübergehen, Hutmacher, Kürschner und Stahlarbeiter Trifft man, wenn man hinabgeht weiter; Die Letzten besonders machen so fein, So nett und gut ihre stählernen Dinge, Daß Mancher leicht im Glauben kann seyn, Als ob er in London spazieren ginge: Und dreht er sich um und es boxen sich hier 190 Zwey Fiacker eben auf britt'sche Manier, So bestärket dieß noch in der Meinung ihn. Weil wir eben von diesen Fiackern was sagen, So wisset: hier stehen die schönsten Wagen, Doch sind sie die theuersten auch in Wien. Wer also etwa sich fahren will lassen, Geh lieber zunächst in die Breunerstraßen; Sie ist gegenüber, zehn Schritte hin, Dort fährt man gewiß für die Hälfte ihn. Rechts weiter wird man ein Gäßchen sehen, Das ist ganz kurz und führt nach dem Peter, (So nennt sich ein Platz, davon sprechen wir später, Und bleiben für jetzt bey dem Glasgewölb stehen.) Der Handel ward niemahls so glänzend betrieben, Als jetzt in unserm glänzenden Wien: Man wird jetzt wahrlich Meister darin, Den Leuten die Waaren vor's Auge zu schieben. Beschaut dieß Gewölbe, besonders beym Scheine Der Kerzen, wenn man's erleuchtet bey Nacht; Und Ihr werdet glauben, Ihr seyd an der Seine, Wo man sinnreich ist in äußerer Pracht. Ein rother Tempel, mit Gold gezieret, So stellt des Gewölbes Inn'res sich dar; Da schimmert und funkelt es wunderbar Von Gläsern, geschliffen und brillantiret; 191 Und Spiegel von oben bis unten geben Die Strahlen tausendfach wieder zurück, Man erblindet fast auf den ersten Blick, Senkt die Augen und kann sie kaum wieder heben. Dieß ist der schönste Tempel zur Zeit, Der errichtet ward der Gebrechlichkeit. Wer musikalisch ist, findet daneben Beym Paternostergäßchen hinein Eine Musikhandlung, die wird wohl auch eben Die erste der hier bestehenden seyn. Altes und Neues, Großes und Kleines, Gutes und Schlechtes, Erhabnes, Gemeines, Beethovens tiefgedachte Symphonien, Rossini's zuckersüße Melodien. Weber's Freyschütz und Euryanthe, Alinewalzer und God save the king, Stehn hier beysammen, wie Blutsverwandte; – Es ist um den Handel ein wunderlich Ding! Quartetten, Sonaten für zwey und vier Hände, Lieder und Märsche für alle Instrumente, Kurz alle musikalische Gaben Sind in jener Universalhandlung zu haben. Die Matadore der Musik kommen Zusammen in jenem Gewölbe dort, Das Neue wird da in die Mache genommen, 192 Da hört man manch vielbedeutendes Wort. Mit Lächeln kann man es freylich nur sehen, Wenn die Richter beysammen im Kreise stehen, Und mit Eifer für Recht und für wahre Kunst Laut schreyen gegen den fremden Dunst; Und in dem nähmlichen Augenblicke Tritt ein eine Dame, die dran sich nicht kehrt, Die all die neuen beliebtesten Stücke Aus Zelmira und Corradino begehrt. So ist es leider, und so wird's bleiben, So lange nicht Alle, die Musik versteh'n, Zusammen sich rotten und schreyen und schreiben Um dem fremden Götzen zu Leibe zu geh'n. In diesem Gewölbe sind auch zu beziehen Billette zu all' unsern Akademien. Nur eines ist etwas sonderbar: Im Auslagkasten wird man gewahr Gar eine heterogene Sach', Für Pferdeliebhaber 'nen Almanach. Der kommt zu der Musik, man darf es wohl sagen, Wie der Esel kommt zu dem Lautenschlagen. Daneben links zwey Häuser erscheinen, Wer Schönheitssinn hat, muß drüber laut weinen Sie lehnen sich mitten im Graben hinein, Und machen den Ausgang unförmlich und klein. 193 Wenn ich der Herr dieser Häuser wär', Ich gäb' sie spottwohlfeil dem Staate her, Damit er niederreißen sie lasse; Ein Schandfleck sind sie der schönsten Gasse. Wir drehen uns nun auf die andere Seite, Die eigentlich die elegante man nennt; Wo den ganzen Tag eine Menge Leute Steht, geht, spaziert, speculirt und rennt, Viele Wiener sehen im ganzen Leben Keine grüne Wiese und keinen Baum; Ihr ganzes Wünschen, Handeln und Streben Beschränkt sich auf diesen winzigen Raum. Hier schlinget sich ihrer Vergnügungen Kette, Hier hat die Agiotage ihr Feld; Von hier aus beurtheilen sie Cabinete, Und entscheiden über das Schicksal der Welt. Sie suchen ihr Wissen hier, ihre Erfahrung In Tagesgeschichten und Modewaar', Auch sind zu Leibes- und Geistes-Nahrung Hier Bücher und Restaurationen nicht rar. Kurz, so ein echter Wiener von heute, Den brächte bald die Schwermuth in's Grab, Ging er den Graben auf dieser Seite Nicht wenigstens Ein Mahl des Tags auf und ab. 194 |
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Hinauf gingen wir auf der ungalanten Seite, Auf der galanten geh'n wir mit einander hinab, Hier gibt's auch viel Schönes, Ihr lieben Leute, Was ich Euch noch zu beschreiben hab', Wem der Anfang gefiel, mag den Schluß auch lesen, Überschlag' ihn der, dem es langweilig gewesen. |
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An der Ecke, die führet vom Kohlmarkt her, Da verweilen wir nicht, spuden schnell uns weiter; Die Wagen rollen schon neben uns her, Und auszuweichen ist hier etwas schwer, Es schadete nicht, wär' es hier etwas breiter. Drum wollen wir unsere Blicke auch nicht Nach den Schönen, die hier uns begegnen, kehren, Und wenn sie auch lauter Venusse wären; Und auch den Kasten des Schneiders, der dicht Daneben vor's Auge uns schiebt seine Waaren, Wir seh'n ihn nicht an, denn wir halten's für Pflicht, Zu hüthen uns fein vor dem Überfahren. Zwar ist es wahr, selbst bey'm stärksten Gedränge Fährt ein Wiener Fiacker so äußerst geschickt, Daß er, sey die Straße auch noch so enge, Wohl Niemand beschädigt und auch nichts verrückt; Es heißt auch mit größtem Rechte darum: Ein Fiacker kehrt auf einem Zinnteller um. 195 Daneben ist ein Laden voll Kleinigkeiten, »Nürnbergerhandlung« genannt von den Leuten; Man sieht keinen Nürnberger im Laden steh'n, Und die Waare hat auch schwerlich Nürnberg geseh'n. Woher dann der Nahm'? Ich behaupte sogar: 'S ist undeutscher Handel und undeutsche Waar; Das wird durch das Aushängschild proclamirt, Das einen ganz undeutschen Nahmen führt, »Zur silbernen Bethe« ist nähmlich zu seh'n, Sollt' aber: zum silbernen Rosenkranz, steh'n. Nun kommt eine Tuchhandlung, die nicht gefehlt, Indem sie den Schild: »Zu dem Schaf,« sich gewählt. Eine Putzwaarenhandlung folgt jetzt nebenbey; Es sagen die Frau'n, daß sie vortrefflich sey. Man findet dort Alles, was schön und was neu; Um den Preis wollen wir uns gar nicht bekümmern, Die Theurung kann ja den Werth nicht verschlimmern. Wenn wir uns jetzt wieder weiter begeben, Zeigt Weigl's Musikhandlung gleich sich daneben, Die artigsten Karten zum neuen Jahr, Man wird sie hier gleich in der Auslag' gewahr, Gemahlt, geflochten, gepreßt und getrieben, Aus Tafft, aus Papier transparent und zum schieben, Mit passenden Verslein so wunderschön, Daß sie in jeden Almanach könnten steh'n; 196 Wie weit wir's in den Spielereyen gebracht, Das ist, was man sagt, eine helle Pracht. Daß sie hier mit der Musik zusammen kommen, Ist auch ganz im rechten Sinne genommen; Auch wahre Musik wird jetzt wenig geachtet, Und meistentheils nur als Spielwerk betrachtet. Nun kommt ein Schneider gerad' in der Reih, Und auch eine Buchhandlung gleich nebenbey. Buchhändler und Schneider in unser'n Zeiten, Sie haben fast einerley zu bedeuten, Mit Tüchern haben zu thun alle Beyde, Der Eine mit Tüchern von Woll' oder SeideDie modernen Satins-Cloth sind nichts anders als Seidentücher. Der Andere aber, der Händler mit Büchern, Hat zu thun mit Autoren, mit liederlichen Tüchern. Das Schneiden nach Ellen ist bey'm Schneider im Brauch, Und der Buchhändler thut es so ziemlich auch; Was inwendig ist, das weiß er wohl nicht, Verkauft meistens die Waare nur nach dem Gewicht. Der Schneider muß die Mode gut kennen; Der Buchhändler kann auch von ihr sich nicht trennen. Was bey dem Einen gilt ein englischer Capot, Das ist dem Ander'n der Walter Scott. Französische Moden in Kleidern 197 Sind eben das bey den Schneidern, Was französische Romane bey'm Buchhändler sind, Sie dauern nicht lange, vergeh'n wie der Wind. Recht schöne blaue und schwarze Tücher, Und Dictionnäre und Schulbücher, Ein guter Sammt voll Glanz und Stärke, Und Goethe'sche und Schiller'sche Werke, Das sind die solidesten Waaren bey Beyden, Die bleiben und keine Veränderung leiden. Am Eck', von der ober'n Breunerstraße heraus, Zeigt sich ein sehr besuchtes Kaffehhaus, Vor demselben sieht man eine Menge Herren sitzen, Von denen man nicht weiß, worauf sie eigentlich spitzen. Dieses Eck pflegen Jene, die es kennen, Den Anhaltspunct zum Nichtsthun zu nennen. Auch von Innen ist dieß Kaffehhaus immer voll, Weil man dort gutes Getränk bekommen soll. Die blinden Gäste, welche wir im ersten Hefte dieser Schrift So genau beschrieben, man hier in Menge trifft; Besonders im Winter, Abends bey'm Kerzenschimmer, Sind so gedrängt voll alle zwey Zimmer Meistens von Leuten, die gaffen und nichts zehren, Daß sich die Spieler mit Macht müssen wehren, Um nur zum Billard durchzudringen, 198 Und einen Stoß ohne Stoß zu Stande zu bringen. Dieses Kaffehhaus ist eben so mitten in Wien, Daher gescheh'n auch die meisten Bestellungen dahin. Wollen zwey mit einander ins Theater gehen, So heißt's: »Um sechs Uhr werden wir uns bey Taron sehen!« Du Mensch, der das Leben in allen Nuançen genießt, Und der du also auch ein Tabakraucher bist, Bleib' stehen, und sperr' deine Augen auf, Hier hängen Tabaks-Requisiten zum Kauf. Köpfe von jeder Größe und Schnitt, Gute Köpfe und Köpfe ohne Credit: Ulmer, Debrecziner, mit Gemählden verzierte, Lang- und kurzhalsige und extra patentirte, Harte Köpfe und weiche, leichte und schwere – Aber lauter leere. Wie es bey leeren Köpfen meistens der Brauch, So haben eben diese viel Silber auch. Auch Röhre gibt's von allen Sorten hier, So ein Auslagkasten ist eine wahre Zier. Die Perlmutter und der Bernstein daneben, Einen außerordentlichen Glanz von sich geben, Es ist unglaublich, durch welche Pracht Man so eine stinkende Geschichte anziehend macht. Man behauptet, diese Handelsleute seyen zu beneiden, 199 Weil sie im Rohr sitzen und Pfeifen schneiden. Eine Tuch- und eine Current-Handlung sind daneben, Die Letztere hat sich einen ominösen Titel gegeben, Bey dem Herzog von Friedland Ist sie genannt. Der Wallenstein soll vermuthlich auch zu dem Gewölbe hin, So wie zum Theater, sehr viele Leute zieh'n. Recht schöne Sachen stellt die Nürnbergerhandlung aus, Zu den Zigeunern genannt, in demselben Haus. Auch die Galanteriehandlung, zur Reiseuhr genannt, Zeigt Gold- und Silberarbeiten ganz charmant. Ja, ja, es nicht genug, daß man kochen kann, Der Koch hier richtet seine Speisen auch zierlich an. Hollah! da ist schon das dritte Gewölb auf dem Graben, Wo sie Musik zu verkaufen haben. Der Musikhändler gibt es fast mehr Bey uns in Wien als Compositeur. Es ist auch recht, denn was die Inländer schreiben, Das würde ohnedieß auf dem Lager liegen bleiben. Die Ausländer versorgen uns genug, Und das Wäll'sche ist so recht im Zug. Von diesem allein und von Ländlern Leben die meisten von unser'n Musikhändlern. Der hier sein Gewölb hat, ist ein thätiger Mann, 200 Der nicht nur verkaufen, sondern auch selber machen kann. Er weiß der Kunst auch den äußern Glanz zu geben, Den sie in unserer Zeit nothwendig hat eben. Die Titel sind alle so nett und rein, Gar golden gedruckt, sehr glänzend und fein; Und die Buchstaben eben so reich verziert, Wie die Noten, die der Sänger dann noch frisirt. Auch Personen mit berühmten musikalischen Nahmen Sieht man hier im Abbild in einem Rahmen. Ein Satyriker würde vielleicht hier sagen: Dieß sey der einzige Ort, wo sich die Künstler vertragen. Wir gehen nun weiter und sprechen nur im Allgemeinen Von den herrlichen Auslagen, die jetzt erscheinen; Von den Seidenhändlern, die Männer und Frauen Locken durch neue Moden, die hier zu schauen; Die Westen und die Halstücher schon ganz allein Nähmen, wollte man sie beschreiben, zehn Bogen ein; Dann erst die Bänder und die andern Sachen, Da muß man die Augen zu- oder den Beutel aufmachen. Auch von den Galanterie-Händlern will ich schweigen, Die so viel Prächtiges und nett Gearbeitetes zeigen, Daß ich Jedem rathe, schnell vorüber zu geh'n; Denn bleibt er – besonders mit einer Geliebten – hier steh'n, 201 So muß er in den Sack fahren, Denn es gibt hier herrliche Waaren. Besonders in Silber und Gold (Diesen edlen Metallen ist ohnedieß Jedermann hold) Arbeitet man so geschmackvoll jetzt, Daß es gewiß jedes Auge ergetzt. Die Dorotheergasse berühr' ich auch nur obenhin, Da ist ohnedieß ein Beobachter d'rin, Der Alles beobachtet, hört und sieht, Was in der ganzen Welt geschieht; Und ein Wanderer, der überall herum spaziert, Und den Leuten erzählt, was arrivirt, Und ein Sammler, der sammelt schwarz auf weiß. Wir sind also gleich fertig mit unserer Grabenreis', Und wollen nur noch zur Säule in der Mitte schreiten, Und zu den Brunnen an beyden Seiten, Und von diesen ein Bißchen was reden, Ob er's lesen will, steht frey einem Jeden. Die Säule entstand zu Leopold's des Ersten Zeit, Und ist gewidmet der heiligen Dreyfaltigkeit; Auf des Kaisers Befehl wurde sie aufgeführt, Weil öffentlich damahls die Pest hat grassirt. Der geheimen Pest, welche vielleicht noch jetzt Hier herum zu treffen, werden Pranger gesetzt. Die Säule nimmt 66 Fuß in der Höhe ein, 202 Und ist gemacht aus Salzburger Marmorstein. Der fromme Kaiser kniet selber darauf, Und bethet für sein Volk zum Himmel hinauf. Der Bildhauer, wie bekannt, War Strudel genannt. Die Brunnen sind nicht sehr zierlich, das ist wahr, Aber das Wasser, das sie geben, ist rein und klar, Die Statuen sind auch recht hübsch, die darauf steh'n, Doch die Meisten geh'n vorüber, ohne sie anzuseh'n; Was geht sie das an, wer da die Durstigen tränkt, Es wird ja nur Wasser und kein Wein geschänkt. Somit wär' ich mit dem Graben denn fertig; Ich bin allerseits der kritischen Pfeile gewärtig. Du mein Gott, eine Recension ist ja keine Bibel; Und sagen Einige, die es gelesen, das Ding ist nicht übel, So hab' ich für meine Mühe des Lohnes schon überley, Denn – sub rosa – ich hab' keine gehabt dabey. |