Marcus Tullius Cicero
Vom Schicksal
Marcus Tullius Cicero

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19. Wie nun, sagt er, Der, welcher dem Cylinder einen Stoß gegeben hat, ihm den Anfang der Bewegung gegeben hat, die Fähigkeit fortzurollen [Wälzbarkeit] aber nicht, so 1013 wird zwar der dem Sinne sich darbietende Gegenstand seine Gestalt der Seele eindrücken und gleichsam einprägen, allein die Beistimmung wird in unserer Gewalt seyn, und sie wird, wie (vorhin) vom Cylinder gesagt wurde, nachdem sie den Anstoß von aussen erhalten, im übrigen sich durch eigene Kraft und Natur bewegen. Ereignete sich eine Wirkung ohne vorangehende Ursache, so wäre es falsch, daß Alles dem Schicksal zu Folge geschehe; wenn es aber wahrscheinlich ist, daß Allem, was geschieht, eine Ursache vorausgehe, was läßt sich für ein Grund anführen, warum man nicht zugestehen müßte, daß Alles dem Schicksal zu Folge geschehe? Nur übersehe man die Unterscheidung und die Verschiedenheit der Ursachen nicht. Da Dieß nun vom Chrysippus so erklärt ist, (so sage ich:) wenn Diejenigen, welche nicht zugeben, daß die Beistimmungen dem Schicksal zu Folge geschehen, dennoch zugestehen, daß sie nicht ohne einen vorausgegangenen sinnlichen Eindruck erfolgen, so ist Dieß beides nicht einerlei. Allein wenn sie zugeben, daß sinnliche Eindrücke vorausgehen, und dennoch die Beistimmungen nicht dem Schicksal zu Folge geschehen, weil jene nächste und unmittelbare Ursache die Beistimmung nicht errege, so möchten sie sich wohl in einem Kreise herum drehen. Denn wenn Chrysippus zugibt, daß die nächste und unmittelbare Ursache der Beistimmung in dem sinnlichen Eindrucke liege, so wird er darum noch nicht zugeben, daß diese Ursache der Beistimmung eine nothwendige [nöthigende] sey, so daß, wenn Alles dem Schicksal zu Folge geschieht, Alles in Folge vorangehender und nothwendiger [nöthigender] Ursachen geschehe; und ebenso werden Jene, welche mit ihm nicht übereinstimmen, während sie eingestehen, daß 1014 Beistimmungen nicht geschehen, ohne daß sinnliche Eindrücke vorausgehen, behaupten, wenn Alles dem Schicksal zu Folge auf die Weise geschehe, daß Nichts geschehe, ausser in Folge einer vorangegangenen Ursache, so müsse man gestehen, daß Alles dem Schicksal zu Folge [durch das Schicksal] geschehe. Und daraus läßt sich denn leicht begreifen, daß die Einen wie die Andern, weil sie bei Entwicklung und Darstellung ihrer Ansicht, auf dasselbe Ereigniß kommen, nur im Ausdrucke, nicht in der Sache selbst [Grundansicht] von einander abweichen; zumal, da der Unterschied Statt findet, daß sich bei einigen Dingen mit Wahrheit sagen läßt, es stehe, wenn diese Ursachen voraus gegangen seyen, nicht in unserer Gewalt, daß Das nicht geschehe, dessen Ursachen sie gewesen sind; bei andern aber es, ungeachtet vorangegangener Ursachen, dennoch in unserer Gewalt stehe, daß Jenes sich anders ereigne, und diesen Unterschied beide Theile gelten lassen, nur daß die Einen behaupten, bei welchen Dingen die Ursachen so voraus gegangen seyen, daß es nicht in unserer Gewalt stehe, daß jene sich anders ereignen, diese geschehen durch das Schicksal; bei denen aber, welche in unserer Gewalt seyen, sey das Schicksal nicht im Spiel.

(Lücke.)Davisius füllt die Lücke so aus: »die Andern aber, das Schicksal walte bei den Ereignissen gar nicht, es mögen diese oder jene Ursachen voraus gegangen seyn.«


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