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2. Kapitel

Am nächsten Morgen, als Felicia die Treppe herunterkam, hörte sie der Tante und Bridgets Stimme aus der Küche schallen. »Aha«, dachte sie, »Tantchen tritt ihr Regiment an und sieht der guten Alten auf die Finger, und zwar etwas scharf, wie mir nach dem lebhaften Sprechen scheinen will.« Ein belustigtes Lächeln auf den Lippen trat sie in die Küche. Bridget war beschäftigt, Teig in einer kleinen Holzmulde zu kneten, Fräulein Bertram stand neben ihr, und beide redeten lebhaft durcheinander, während einige jüngere Negerinnen untätig dastanden und grinsend zuhörten.

Alle fuhren herum, als Felicias helle Stimme erklang: »Guten Morgen, Tantchen! Guten Morgen Bridget, Sara, Kitty.«

»Ein Glück, daß du kommst, Kind,« rief Fräulein Bertram sichtlich erleichtert, »ich kann das Kauderwelsch dieser Weiber nicht verstehen, ich begreife nur, daß Bridget Brot backen will; wer steht mir aber dafür, daß das schwarze Geschöpf sich vorher gewaschen hat? Sehen kann man ja leider nicht, ob ihre Hände rein sind oder nicht. Diese Hautfarbe ist eine entsetzliche Einrichtung hier zu Lande.«

Felicia hätte über der Tante Stoßseufzer am liebsten gelacht, da sie aber ihre Erregung sah, bezwang sie sich, küßte sie, trat zu Bridget und begann in deren Sprache zu ihr zu sprechen. Bridgets blanke Augen leuchteten, auch Sara und Kitty traten herzu, und alle rissen die roten wulstigen Lippen so weit wie möglich auseinander.

»Miß Fairy reden noch unsere Sprache,« rief Bridget, »wie wohl das Bridgets altem Herzen tut. Miß Fairy so gut und schön geworden.«

Das junge Mädchen unterhielt sich noch eine Weile mit der Alten, dann wandte sie sich wieder der Tante zu, legte den Arm um sie und sagte: »Komm ins Wohnzimmer, Tantchen, Bridget bringt das Brot ohne uns fertig.«

»Wird das Brot nicht sehr wenig, Fee? wie soll das für eine Woche ausreichen?«

»Das soll nur für heute reichen, Tantchen, morgen gibt es frisches.«

»Ich bitte dich, Kind, wie unpraktisch,« sagte Fräulein Bertram tadelnd.

»was ist unpraktisch, Luise?« fragte des Farmers Stimme. Er trat durch die offene Haustür und begrüßte fröhlich seine Schwester und Tochter.

Fräulein Bertram teilte ihm ihre Beobachtungen mit, er schüttelte jedoch den Kopf und sagte: »Das geht hier nicht anders, Luise, bei unserer trockenen Luft würde das Brot steinhart werden; wir sind darauf angewiesen, täglich zu backen, wenn wir genießbares Brot essen wollen. Ja, ja, mein altes Mädchen, du wirst hier noch manches lernen müssen,« setzte er lachend hinzu, als sie den Kopf schüttelte.

»Tantchen, für das Frühstück darf ich sorgen, ja?« bat Felicia. Sie nickte nur, und das junge Mädchen eilte singend ins Eßzimmer, um hier geschäftig zu walten, voller Freude stellte sie ihre neue Kaffeemaschine, die Mutter ihr noch daheim geschenkt hatte, auf und deckte, während das Wasser allmählich zu kochen begann, den Tisch.

Fräulein Bertram hatte sich im Wohnzimmer ans Fenster vor ihre Nähmaschine gesetzt, das einzige, was sie aus der alten Heimat mit in die neue gebracht hatte. Stumm betrachtete sie die alte Maschine, die ihr die beste Freundin gewesen war, fast wollte es sie wie leises Heimweh beschleichen. In Hamburg würde sie nun ihren kleinen Haushalt in Ordnung bringen und dann nähen. Freilich, Tag für Tag an der Maschine zu sitzen, war kein Vergnügen, sie hatte es indessen schon seit vielen Jahren nicht anders gekannt, und es hatte auch sein Gutes, von keinem Menschen abhängig und sein eigener Herr zu sein. Sie hatte doch wohl nicht recht daran getan, noch in ihren alten Tagen nach Amerika zu übersiedeln, ein alter Baum verträgt das Verpflanzen schlecht. Aber das Kind, sie hing ja mit allen Fasern ihres Herzens an Felicia! Sie hätte indessen den Abschied, wie so manches im Leben, überwunden und ruhig drüben bleiben sollen, was sollte sie hier? Felicia würde allein fertig werden, die fand sich hier schneller zurecht als sie. Das fünfte Rad am Wagen war sie in ihrem Leben noch nicht gewesen, dazu eignete sie sich nicht. Unwillkürlich, mit gefurchter Stirn, öffnete sie ihre Maschine.

»Was –ich glaube gar, du willst in aller Frühe schon nähen?« rief der Farmer und trat zu ihr, »Unsinn, Luise, das laß nur bleiben. Komm, laß uns einen Gang durch den Garten machen, inzwischen wird Fairy wohl mit dem Frühstück fertig werden.«

Schweigend folgte Fräulein Bertram dem Bruder ins Freie und sah mit kritischen Blicken umher. Eigentlich gefiel ihr nichts in diesen schrecklichen Savannen, sie begriff nicht, daß Felicia sich einst krank nach dieser Heimat, die ihr wie eine grauenvolle Wildnis vorkam, gesehnt hatte. In den Garten mußte eine ganz andere Ordnung kommen, das stand fest; wie sahen diese Gemüsebeete aus, das eine gerade, das andere schief, und dann das Unkraut, man sah, daß das Auge der Herrin fehlte, was in aller Welt taten nur diese vielen wollköpfigen Neger?

»Ist der Boden gut?« fragte sie.

»Ausgezeichnet, es ist der beste Weizenboden, den du dir denken kannst. Siehst du dort, das sind die Weizenfelder. Die Ernte ist bereits vorüber, die Leute haben schon angefangen, den Boden wieder umzupflügen. Noch heute soll die erste Fuhre Getreide nach St. Louis abgehen.«

»Baust du auch Roggen?«

»Ja, aber nur für unseren eigenen Bedarf, Weizen gedeiht hier besser. Kartoffeln baue ich aber sehr viel, sieh da hinüber, die Leute sind schon beim Aufnehmen beschäftigt, ich will gleich einige Zentner mit nach St. Louis schicken.«

»Du machst wohl ziemlich viel aus deiner Wirtschaft?«

»Eigentlich erst in den letzten Jahren. Du weißt, daß ich sehr klein anfangen mußte, als ich heiratete; freilich hatten wir Glück und konnten die Wirtschaft vergrößern; als meine Frau jedoch starb, war mir alles gleichgültig, und ich ließ die Dinge gehen, wie sie wollten, zum Leben hatte ich ja genug. Ich raffte mich erst wieder auf, als ich Fairy zu euch gebracht hatte; ihre Erziehung tastete ja größere Summen, die erspart werden mußten. Seitdem habe ich wieder mit aller Energie gearbeitet und meine Wirtschaft bedeutend vergrößert. Die Erzeugnisse des Bodens und hauptsächlich der Pferdehandel haben doch so viel eingebracht, daß ich nicht allein gut für das Kind sorgen, sondern auch an ihre Zukunft denken konnte. Meine Ersparnisse sind freilich erst gering, wenn Gott mich indessen gesund erhält, so hoffe ich so für sie sorgen zu können, daß sie niemals Mangel zu leiden braucht. Die Arbeit für das Kind hat mich wieder frisch und gesund gemacht, obgleich ich mich oft entsetzlich einsam gefühlt habe. Das ist nun, Gottlob, überstanden, mit Gottes Hilfe wollen wir drei nun ein recht frohes, glückliches Leben miteinander führen, nicht wahr, mein altes Mädchen?«

Mit strahlendem Lächeln streckte er seiner Schwester die Hand hin, und sie entgegnete bewegt: »Den besten Willen habe ich, wenn ich mich aber nicht so schnell einlebe, so mußt du das meiner Schwerfälligkeit zu gute halten, Karl, Mühe will ich mir geben.«

Der Farmer lachte heiter. »Es wird schon werden, Luise, mir ist nicht bange drum, die Verhältnisse sind ja so einfach, und wir sind ja da, dir zu helfen. Sieh, da kommt unser Kind, endlich! hoffentlich ist dein Appetit ebenso groß wie der meine.«

Fräulein Bertrams Antlitz leuchtete in ebenso heller Freude auf, als das ihres Bruders, als sie ihrem Liebling entgegensah.

Fröhlich kam Felicia herangehüpft. »Ist es nicht wonnig bei uns, Tantchen?« rief sie, »kannst du nun begreifen, daß ich mich nicht in Hamburg zurechtfinden konnte? Ach, was geht wohl über diesen Blick weit ins Grüne! Väterchen, wie glücklich bin ich!« Zärtlich umarmte und küßte sie den Vater und sah ihm lächelnd in die Augen, »wie gefällt es dir, daß ich Väterchen sage? hörst du es gern, alter Pa?«

»Tu mir einen Gefallen, Fee, und laß dein ›Pa‹ aus dem Spiele,« sagte Tante Luise sehr energisch, »ich habe es stets grenzenlos albern und unpassend gefunden. Vater ist ein sehr schönes Wort, das beides ausdrückt: Liebe und Ehrfurcht.«

Vater und Tochter sahen sich an und lächelten.

»So müssen wir den Pa wohl zu den Kindheitserinnerungen legen«« sagte Felicia scherzend, »sei aber nicht böse, Tantchen, wenn ich es zuweilen vergessen sollte. Nun kommt aber, bitte, zum Frühstück, es ist alles bereit.«

Bald saßen sie um den zierlich gedeckten Kaffeetisch, auf den Felicia in Ermangelung von Blumen eine Schale mit Obst gestellt hatte. Tante Luisens scharfen Augen entging es jedoch nicht, daß die Tischwäsche weder blendend weiß noch ganz ohne Schäden war, sie sagte jedoch nichts, es war ja nur natürlich. Sie mußte aber zugeben, daß Bridgets Brot vorzüglich war, ebenso die goldgelbe Butter, die Eier und der selbstbereitete Käse. Dennoch mußte sie sich gewaltsam überwinden, um sich satt zu essen, die schwarzen Hände, welche die Speisen zubereitet hatten, flößten ihr ein unüberwindliches Grauen ein.

»Nachher will ich Blumen säen, im Garten und auch in Töpfe,« sagte Felicia, »Mutter hat mir verschiedene Samen mitgegeben, es ist ja schrecklich, daß man hier nicht eine Blume hat.«

»Ist das nicht zu spät, Kind?« fragte Tante Luise.

»O nein, du sollst mal sahen, wie schnell wir einen herrlichen Blumenflor haben werden. Ich freue mich darauf.«

»Ja, für das Schöne und Angenehme müßt ihr sorgen,« sagte Herr Bertram, »ich habe bisher nur an das Nützliche gedacht.«

»Von Herzen gern übernehmen wir das, nicht wahr, Tantchen?«« rief Felicia lebhaft. »Weißt du, alter Pa, was die Verschönerung anbelangt, so habe ich allerlei Wünsche.«

»So? Jetzt schon? Na, laß hören, glaube aber nicht, Kleine, daß ich sie dir sofort erfüllen werde. So meinte ich meine Aufforderung, genau genommen, nicht. Du magst gern Verschönerungen treffen, spekuliere aber nicht auf meine Börse, Kind.«

Felicia beugte sich vor und sah den Vater schelmisch in die Augen. »Aber Pa, du wirst mir doch nicht gleich heute einen Wunsch abschlagen,« sagte sie.

»Nun, laß hören, kleine Schmeichelkatze, nach der langen Vorrede bin ich zwar etwas mißtrauisch.«

»Keine Ursache, Väterchen, ich möchte für unser Wohnzimmer recht hübsche weiße Gardinen haben, die alten haben wirklich ausgedient, Pa, ich glaube, sie sitzen, so lange ich denken kann. Und dann, glaubst du nicht, alter Pa, daß unser Zimmer sehr viel hübscher und wohnlicher aussähe, wenn es hell und freundlich tapeziert wäre?«

»Nun höre aber auf,« rief der Farmer, stand auf und schob den Stuhl beiseite, denn er war mit dem Frühstück fertig, »das Kind ist anspruchsvoll da drüben bei euch geworden, Luise,« setzte er hinzu und verließ das Zimmer.

Felicia sah bestürzt zur Tante hin, dann eilte sie dem Vater nach, umschlang ihn und fragte schmeichelnd: »Lieber einziger alter Pa, du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich anspruchsvoll geworden bin? Ich will lieber weder Gardinen noch Tapeten haben, von so alten garstigen Dingen hängt das Glück nicht ab.«

Lächelnd blickte der Farmer in die ängstlich auf ihn gerichteten Augen und sagte: »Es brauchen ja nicht gerade garstige zu sein, was, Fairy? Ich denke, wir suchen uns gelegentlich recht hübsche aus.«

»Vaterchen!« Fee küßte den Vater so stürmisch, daß er sich lachend aus ihren Armen befreite und rief: »Laß mich nur am Leben, Kleine, und glaube ja nicht, daß der Einkauf heute oder morgen vor sich geht, durch die Reise ist meine Kasse augenblicklich vollständig geleert. Sieh, Kind, ich hätte dir dein bescheidenes Heim von Herzen gern zu deinem Empfange etwas verschönert, erstens verstehe ich das aber schlecht und zweitens mußte ich es aus Rücksicht auf die Kosten unterlassen.«

»Lieber, einziger Pa,« Felicia legte den Arm fest um seinen Nacken und sah ihm ernst und liebevoll in die Augen, »du glaubst doch nicht, daß mein Glück von solchen äußeren Dingen abhängt?«

»Nein, Liebling, Gott sei Dank, das weiß ich.« Er streichelte ihr zartes Antlitz und küßte sie zärtlich. »Nun laß mich aber gehen, Kind, ich muß sehen, daß die Weizenfuhre endlich abgeht, und du, Fairy, hilf Tante Luise sich etwas einrichten, ich glaube, es kommt ihr hier alles sehr amerikanisch vor.« Sie lachten beide. Fee begleitete den Vater bis zur Haustür, nickte ihm fröhlich zu und eilte dann ins Zimmer zurück, wo Tante Luise beschäftigt war, den Tisch abzuräumen.

»Mühe dich doch nicht damit ab, Tantchen,« rief das junge Mädchen ihr zu, »das kann Kitty tun. Was wollen wir nun anfangen, Tante Luise? Soll ich den Blumensamen holen?«

»Das hat bis zum Abend Zeit, Kind, fürs erste möchte ich den Schlüssel zur Speisekammer haben und diese Reste fortschließen.«

»Ich will ihn mir von Bridget geben lassen, Tante.«

»Dann laß uns beraten, was wir kochen wollen, viele Vorräte werden schwerlich da sein.«

»O doch, wenn zur Stadt gefahren wird, läßt Bridget alles mitbringen, was ausgegangen ist.«

»Auch Fleisch? Wo bewahrt ihr das denn auf?«

»Im Keller, du glaubst nicht, wie gut sich dort alles hält.«

»Es wäre mir lieb, Kind, wenn du mich mit allen Räumlichkeiten bekannt machtest, erst laß uns aber die Vorräte verschließen.«

Stumm lieferte Bridget den Schlüssel zur Speisekammer ab, um den Felicia die Alte, die den Hausstand zwölf Jahre treu geführt hatte, nur schweren Herzens bat. Trotz ihrer kritischen Blicke fand Fräulein Bertram alles sauber und ordentlich, die alte Negerin schien doch ganz brauchbar zu sein. Der Keller, kühl, luftig und trocken, schien sich allerdings gut zum Aufbewahren von Vorräten zu eignen, und zu ihrer Freude fand Fräulein Bertram eine prächtige Kalbskeule.

»Das Kochen werde ich übernehmen,« sagte sie befriedigt, »es wird deinem Vater besser schmecken, wenn die Speisen auf deutsche Weise zubereitet werden.«

»Was soll Bridget dann aber tun, Tante?« fragte Felicia etwas kleinlaut.

»O, es wird sich schon Arbeit für sie finden, der Garten sieht sehr verwildert aus.«

»Gartenarbeit würde Bridget nie tun, Tante,« rief Felicia schnell.

»Weshalb nicht?« lautete die scharfe Frage, »ist sie etwa zu vornehm dazu?«

Das war so ganz die Tante früherer Zeiten, daß das junge Mädchen unwillkürlich erschrak, gleichzeitig verdroß es sie aber, ihre geliebte Alte verkannt zu sehen.

»Nein,« entgegnete sie eifrig, »davon weiß Bridget nichts, es liegt in dem Charakter der Neger, daß sie stets nur die Arbeit verrichten, die sie kennen und die ihnen geläufig ist. Eine Negerin, welche kocht, wird nie die Stuben reinmachen, diejenige, welcher diese Arbeit obliegt, wird nie waschen, usw.«

»Da ist es allerdings kein Wunder, daß ihr eine solche Unmenge Leute beschäftigt,« entgegnete Fräulein Bertram kurz, »für den Geldbeutel ist das freilich kein Vorteil.«

Felicia ward dunkelrot und hatte eine schnelle Entgegnung auf den Lippen, rechtzeitig jedoch fiel ihr ein, daß sie sich ja fest vorgenommen hatte, sanftmütig und geduldig gegen Tante Luisens Eigentümlichkeiten zu sein, so schwieg sie. Freilich war das auch keine Freundlichkeit, wie sie recht gut fühlte, sie konnte sich aber zu keiner liebenswürdigen Entgegnung verstehen, es fiel ihr auch gar nichts ein, nicht das geringste. Trotzköpfchen zeigte sich wieder einmal, das bewiesen die dicht zusammengezogenen Brauen.

»Ich will nun meine Sachen auspacken und einräumen,« erklärte Fräulein Bertram, »frage Bridget, wann gegessen wird und sage ihr, daß ich die Zubereitung des Mittagessens für alle Zeiten übernehmen will.«

Zögernd begab sich Felicia in die Küche und brachte ihren Auftrag etwas zaghaft an. Zu ihrer Erleichterung nickte Bridget und sagte traurig: »Bridget haben es gewußt, Miß Fairy, als Master schrieb, daß neue Herrin kommen würden. Alte Bridget muß tun, was Master will und muß neue Herrin gehorchen, aber Bridget nicht lieben neue Herrin, nur lieben Miß Fairy und Miß Fairy eigentlich hier Herrin sein.«

»Das darfst du nicht sagen, Bridget,« rief Fairy eifrig, »ich bin doch noch zu jung, und Tante Luise kommt es zu, hier Herrin zu sein.«

Froh, daß die Alte keine Szene machte, ging sie in ihr Stübchen, um fertig auszupacken und ihre Sachen einzuräumen. Die Mutter und die Geschwister hatten ihr allerlei hübsche Kleinigkeiten, Stickereien und andere Handarbeiten, auch verschiedene Bilder geschenkt, damit schmückte sie nun ihr kleines Reich und freute sich, wie hübsch und wohnlich es sich bald ausnahm.

Da hörte sie den Vater ihren Namen rufen. Eilig lief sie hinunter und rief ihm schon von der Treppe aus zu: »O Pa, du glaubst nicht, wie entzückend es bei mir geworden ist, du mußt dir mein Zimmer gleich einmal ansehen.«

»Später, Rind, frage jetzt Bridget, was sie alles für den Haushalt braucht und schreibe es auf. Tom fährt in fünf Minuten ab.« Er trat wieder ins Freie, und Felicia eilte in die Rüche.

»Wo ist Bridget, Sara?« fragte sie die Frau, die Geschirr abwusch.

»Bridget sein in ihrem Haus,« lautete die Antwort.

Das junge Mädchen ging nun über den Hof, auf dem einige Negerkinder spielten, in das langgestreckte niedrige Gebäude, in dem die verschiedenen Negerfamilien ihre Wohnungen hatten. Bridget hatte ihren Mann schon vor Jahren verloren und wohnte mit ihrem Sohne und dessen Familie zusammen. Eine heiße, dumpfe Luft schlug dem jungen Mädchen entgegen, unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, die Ausdünstung dieser Menschen war wirklich schrecklich, dann ging sie schnell ans Fenster und stieß es auf.

»Ihr müßt mehr Luft machen,« sagte sie zu der jungen Frau, die aus einem grellroten Stück Kattun ein Kleidungsstück für einen ihrer Sprößlinge anfertigte. »Bridget,« wandte sie sich dann an die Alte, die schweigend dasaß und vor sich hinstarrte, »sage mir, was Tom aus der Stadt mitbringen soll, es fehlt doch gewiß manches in der Wirtschaft. Bridget, so sprich doch,« fügte sie ungeduldig hinzu, als die Alte den Kopf nur hin- und herwiegte und nicht antwortete.

»Alte Bridget das nicht wissen, Miß Fairy neue Herrin fragen, neue Herrin das Miß Fairy sagen,« entgegnete sie endlich klagend.

Das junge Mädchen erschrak, sie kannte den Eigensinn der Neger und wußte, wie schwer er zu brechen war. »Aber Bridget,« sagte sie überredend, »Tante Luise kann doch nicht wissen, was fehlt, das mußt du doch sagen.«

»Alte Bridget aus der Küche gewiesen, alte Bridget nichts wissen, gar nichts,« fuhr die Alte in ihrem klagenden Tone fort.

Was war hier zu machen? Mit großer Geduld und Langmut wäre vielleicht etwas bei der gekränkten Köchin anzufangen gewesen, beides besaß Felicia keineswegs, auch durfte sie keine Zeit verlieren, ärgerlich wandte sie sich, lief aus dem Zimmer und ins Vorderhaus. Mochte Tante Luise Rat schaffen, schließlich war es nun ihre Sache, da sie Bridget abgesetzt hatte.

Das alte Fräulein sah etwas erstaunt auf, als das junge Mädchen stürmisch bei ihr eintrat. Mit Hilfe ihrer mitgebrachten Sachen hatte sie ihr Zimmer eingerichtet und freute sich, wie nett und wohnlich es aussah. Sie hatte sich den Plan für ihr hiesiges Leben soeben entworfen und die beste Absicht, sich schnell einzuleben und sich, wenn irgend möglich, glücklich zu fühlen, da rief Felicia sie rauh in die Gegenwart zurück.

»Willst du mir nicht sagen, Tante, was Tom aus der Stadt mitbringen soll?« fragte sie.

»Ich brauche nichts,« entgegnete Fräulein Bertram erstaunt.

»Ich weiß, aber für die Wirtschaft wird vielleicht manches gebraucht, ich verstehe das nicht,« setzte Fee etwas gereizt hinzu.

»Ja, aber Kind, wie soll ich das wissen?« fragte Tante Luise verwundert, »da mußt du Bridget fragen.«

»Ach Tante, die sitzt in ihrer Stube und wackelt mit dem Kopfe. Aus der ist nichts herauszubringen als Klagelieder, daß sie abgesetzt ist.«

»Das wird ja immer besser,« rief Fräulein Bertram, und eine helle Röte flog ihr über das Antlitz, denn sie besaß gleichfalls die Familieneigenschaften, Trotz und Heftigkeit. »Sei so gut, Felicia, und mache ihr klar, daß sie einfach zu gehorchen hat, leider verstehe ich ihr Kauderwelsch nicht, sonst würde ich es tun.«

»Ich will es noch einmal versuchen, glaube aber kaum, daß ich etwas ausrichten werde,« versprach Felicia seufzend.

»So muß man sie zwingen,« entgegnete Fräulein Bertram hart, und ihre stahlblauen Augen blickten genau so strenge wie vor fünf Jahren, als sie die kleine Fee zwingen wollte, sich ihr zu fügen.

»Ich glaube kaum, daß dir das gelingen würde, du weißt nicht, wie eigensinnig die Neger sind, und schließlich ist Bridget ja auch in ihrem Rechte.« Erschrocken biß Fee sich auf die Lippen, als ihr die schnellen Worte zur Verteidigung ihrer geliebten Alten entschlüpft waren, unruhig sah sie Tante Luise an.

Alle Farbe war aus des alten Fräuleins Wangen gewichen, ihr Antlitz trug wieder ganz den kalten, unbeweglichen Ausdruck früherer Jahre, als sie sagte: »Setze Bridget wieder in ihre Rechte ein, ich verzichte ein für allemal darauf, Herrin in diesem Hause zu sein.«

»Tante Luise,« stammelte Fee ganz entsetzt, »so habe ich es ja gar nicht gemeint, ich – ich –«

»Bemühe dich nicht, Kind, ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe. Daß ich meinen Entschluß bis Mittag nicht ändern werde, weißt du, willst du also das Mittagessen rechtzeitig auf dem Tische haben, so sorge dafür, daß Bridget wieder auf ihren Posten kommt.«

Felicia wußte im nächsten Augenblick nicht, wie sie aus dem Zimmer gekommen war, hatte die Tante sie hinausgeschoben oder war sie freiwillig gegangen. Sie kam erst wieder zur Besinnung, als der Vater ungeduldig durchs Haus rief: »Fairy, wo bleibst du denn? Tom fährt sofort ab.«

Das junge Mädchen stürmte die Treppe hinunter. »Ach Pa,« rief sie ganz unglücklich, »ich kann ja nicht erfahren, was gebraucht wird,« und hastig erzählte sie, was geschehen war.

Der Farmer fuhr sich ungeduldig durch das dunkle Haar, durch das sich schon viele Silberfäden zogen, und sagte ärgerlich: »Das ist ja eine schöne Geschichte, die Bemerkung hättest du dir auch schenken können, Kind.«

»Ja, Pa, hätte ich nur geschwiegen, du weißt ja aber, daß meine Zunge von jeher mit mir durchgegangen ist.«

»Ja, Kind, sie ist das gefährlichste Glied unseres Körpers. Was fangen wir aber nur an? Meine schwarze Gesellschaft reite ich mit einem Donnerwetter zusammen, wenn sie nicht will wie ich, was soll ich aber mit euch beginnen?«

Fairy lachte trotz ihres Kummers. »Du kannst es ja bei uns auch mal versuchen, Pa, ich glaube aber, Tante Luise würde mit dem nächsten Dampfer nach Hamburg zurückkehren. Ach wenn doch Mutter hier wäre, sie weiß immer Rat.«

»Nun, Liebling, sieh nicht so bekümmert aus, es wird sich schon alles wieder zurechtziehen,« tröstete der Vater und streichelte das blühende Antlitz seines Kindes, »vor allen Dingen verschaffe mir das Verzeichnis von Bridget, das ist augenblicklich die Hauptsache.«

Felicia begab sich noch einmal in das Hinterhaus und fand Bridget noch in derselben Stellung wie vorhin. »Komm schnell in die Küche, Bridget,« rief sie ihr zu, »Tante überläßt dir das Kochen heute und alle Tage, sie will nichts damit zu tun haben. Nun sage mir schnell, was gebraucht wird, Pa wartet.«

Wenn Felicia geglaubt hatte, die Alte damit zu versöhnen, so irrte sie, Bridget sah sie starr an und entgegnete langsam und würdevoll: »Alte Bridget sein kein kleines Kind, das man sagt einen Augenblick: geh, und anderen Augenblick: komm, wie kann Bridget wissen, ob nicht neue Missus gleich wieder sagen: geh?«

Felicias Geduld war zu Ende, ärgerlich rief sie: »Du bist eine Närrin, Bridget, das fällt Miß Bertram gar nicht ein. Sei so gut, und verfüge dich schleunigst in die Küche.«

Doch die Alte rührte sich nicht, sie schüttelte das graue Haupt, das mit einem grellroten Tuche geschmückt war und sagte: »wenn neue Missus das alte Bridget selbst sagen, dann alte Bridget gehen, sonst nicht.«

Felicia wollte heftig auffahren, bezwang sich aber, da sie einsah, daß sie auf diese Weise mit dem alten Querkopf nicht weiter kam, so schlug sie einen anderen Weg ein, der ihr als Kind stets zur Erreichung ihres Willens verholfen hatte. Schnell trat sie an die Negerin heran, legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte schmeichelnd: »Komm, Bridget, sei lieb, Miß Bertram hat in ihrem Zimmer zu tun, sie läßt dir durch mich sagen, daß du wieder in die Küche gehen sollst. Komm, magst du gar nicht mehr tun, was deine kleine Fairy dir sagt?«

Ein zärtliches Lächeln flog über das alte schwarze Antlitz, sie legte die Hand beteuernd auf die Brust und sagte: »Alte Bridget alles tun, was Miß Fairy sagen, alte Bridget Miß Fairy lieben, wie ihr eigenes Kind.«

»Nun, so komm, meine gute Alte,« rief das junge Mädchen heiter und zog die Negerin von ihrem Sitze empor.

»Miß Fairy auch ganz sicher sein, daß neue Missus alte Bridget nicht wieder aus der Küche jagen? Alte Bridget zwölf Jahre –« die Rührung übermannte sie, laut heulend schlug sie die bunte Schürze vor ihr Gesicht.

»Bridget, Tom fährt fort,« rief Felicia in Verzweiflung, »sage mir schnell, was du brauchst, du kannst nachher weinen, wenn es sein muß, besser ist es aber, du lachst, das sehe ich viel lieber. Komm schnell.« Einen Arm um sie legend, zog sie die noch immer widerstrebende Alte mit sich über den Hof in die Küche. »So,« gebot sie und setzte sich an den Küchentisch, ihr Stück Papier vor sich, »jetzt sage also, was du brauchst.«

Ohne sich zu besinnen zählte die Alte alles auf, Felicia schrieb eilig und lief dann mit dem Zettel davon, ohne sich weiter um Bridget zu kümmern, vor dem Hause traf sie den Vater.

»Na, endlich fertig? Ich dachte, ich müßte noch dazwischen fahren und der Alten den Kopf zurechtsetzen.«

»Nicht mehr nötig, Pa, der Sieg wäre glücklich erfochten, nun kommt Tante Luise. Das wird schwieriger sein, ich bekomme ordentlich Herzklopfen, wenn ich an sie denke. Du, Pa, ist es nicht seltsam, daß sich in Victoria Cottage nur harte Köpfe befinden?«

Der Farmer lachte. »Sehr seltsam, Kleine, wenn da nicht jeder etwas nachgibt, so wird das gerade kein allzu gemütliches Leben werden. Ich denke aber, du hast das Nachgeben drüben im Rosenhause gelernt?«

»Das habe ich auch, Pa, es war aber unter Mutters Leitung kinderleicht, hier –« sie seufzte, und Herr Bertram fuhr fort: »ist es schwer, die guten Lehren auszuführen, wenn man mit lauter Starrköpfen zu tun hat, wie, Fairy? Und dein alter Pa kann dir nicht einmal helfen oder dir ein leuchtendes Vorbild sein, denn –« »O du, mein Bestes auf der Welt, wie kannst du so von dir reden?« unterbrach sie ihn stürmisch und küßte ihn.

Er blickte lachend in ihre tränenschimmernden Augen und sagte: »Ich glaube wirklich, es ist keine Aussicht vorhanden, daß Tom heute noch zur Stadt kommt.« Nun lachte auch Fairy und gab den Vater frei.

»Geh, Kind, mach deinen Frieden mit Tante Luise,« rief er im Davonschreiten, »ich hoffe, daß alles wieder in Ordnung ist, wenn ich zu Tisch komme.« Sie nickte und ging langsam ins Haus zurück.

Frieden mit Tante Luise! Ja, wenn das nur nicht so schwer gewesen wäre! Sie hatte es sich so kinderleicht gedacht, Mutters gute Lehren hier auszuführen, und nun stellten sich ihr gleich am ersten Morgen solche Schwierigkeiten entgegen! Sie seufzte tief, wie sollte das noch werden, wenn es so anfing! Tante Luisens starrer Charakter würde gewiß immer wieder durchbrechen, sie würde sich sicher auch oft durch des Vaters etwas derbe Art gekränkt fühlen, dazu die Neger, die eigensinnig und abergläubisch wie Kinder waren – wie sollte sich das alles im täglichen Leben gestalten? Da würde sie oftmals Friedensengel spielen müssen. Sie lachte hell auf bei dem Gedanken, sie, der Trotzkopf – ein hübscher Friedensengel! Zaghaft öffnete sie, als sie auf ihr Klopfen keine Antwort bekam, die Tür zu Tante Luisens Zimmer und trat über die Schwelle.

Da saß das alte Fräulein untätig am Fenster, den Kopf in die Hand gestützt und blickte gedankenvoll ins Weite. Der alte vergrämte, verbitterte Ausdruck, den Felicia wohl kannte, lag wieder auf ihren Zügen. Sie wandte den Kopf auch nicht zur Seite, als Felicia einen Arm um sie legte und schüchtern bat: »Sei mir nicht böse, Tante Luise, ich meinte wirklich nichts Schlimmes.«

»Ich weiß, Kind,« entgegnete sie ruhig, »es wäre aber besser gewesen, ich wäre daheim geblieben. Das ist eine bittere Erkenntnis, die nun zu spät kommt.«

»Tante –«

»Still, Kind, ein alter Baum verträgt das Verpflanzen schlecht, das hätte ich rechtzeitig bedenken sollen, nun muß ich meine Voreiligkeit büßen. Was soll ich hier, wo sich mir nicht ein Arbeitsfeld bietet? Wem kann ich etwas nützen? Keinem Menschen.«

»Doch, mir, Tante Luise,« rief Felicia stürmisch und umschlang sie, »ich kann dich gar nicht entbehren.«

»Du bist ein gutes Kind, Fee, du hast aber deinen Vater und brauchst mich nicht. Ja, daß du hier ohne mich glücklicher wärest, daran zweifle ich nicht mehr.«

»O Tante, wie kannst du mir so weh tun?« rief Felicia leise, und Tränen schimmerten in ihren braunen Augen.

Das alte Fräulein strich leicht über das dunkle Haar der Nichte und sagte mit wehmütigem Lächeln: »Du hast dir dies alte Wrack nun einmal mitgenommen, Fee –«

»Und da ist es meine Aufgabe, es glücklich zu machen,« unterbrach das junge Mädchen sie lebhaft. »Das will ich auch, Tante Luise, der liebe Gott wird mir helfen. Jetzt muß ich, glaube ich, zuerst dafür sorgen, daß du Beschäftigung findest, nicht wahr, Tantchen, danach sehnst du dich?«

»Aufrichtig gestanden, ja, Kind, ich bin dies tatenlose Leben nicht gewohnt. Was soll ich hier aber anfangen, wo jeder Platz ausgefüllt ist, und ich fürchten muß, einen anderen zu verdrängen?« »Du mußt das nicht so ernst nehmen, Tante, im ganzen sind die Neger träge und freuen sich, wenn ihnen eine Arbeit abgenommen wird. Bridget ist eine rühmliche Ausnahme, Gottlob, was hätte sonst aus Vater und mir werden sollen? Sie ist gut und ehrlich und uns treu ergeben, die alte Seele. Es wird sich schon etwas anderes für dich finden, Tantchen.« Sie dachte nach und rief dann: »Wie wäre es mit dem Leinenschranke? Als ich heute morgen ein Tischtuch herausnahm, fand ich alles in größter Unordnung. Ich will schnell fragen, wer ihn unter seiner Aufsicht hat, denn für alles kann die alte Bridget ja nicht aufkommen, Tante. Aber da fällt mir etwas ein, was ich ganz vergessen hatte.« Sie lief hinaus und kam bald mit einer geöffneten, aber noch nicht ausgepackten Kiste zurück, hastig entnahm sie ihr Tücher und Schürzen in allen Farben und Größen, bunt gekleidete Puppen, Bälle und Kreisel. Die ganze Herrlichkeit packte sie in die große Schürze, die sie vorhatte, und eilte dann, ein Liedchen trällernd, die Treppe hinunter in die Küche.

»Bridget, Sara, seht, was ich euch aus Deutschland mitgebracht habe, hier, Sara, dies Tuch ist für dich, und für dich, meine alte, gute Bridget, ist dies schöne rote und dazu die Schürze.« Ohne die Freudenbezeugungen abzuwarten ging sie auf den Hof, wo sie einige Frauen mit ihren Kindern traf. Fröhlich teilte sie aus, und lachend sah sie sich im Kreise um, als sich schließlich das ganze männliche und weibliche Personal, das gerade zu Hause war, um sie versammelt hatte. Die schwarzen Gesichter strahlten vor Freude, Ausrufe des kindlichsten Entzückens wurden laut, alle drängten sich heran, Miß Fairys Kleid zu küssen, was sie indessen wehrte und ihnen freundlich die Hände schüttelte. Sie war selbst so glücklich über die Freude, die sie mit ihren kleinen Gaben bereitete, daß sie darüber ganz Tante Luise vergaß. Als es ihr wieder einfiel, fragte sie, wer die Wäsche zu verwalten habe. Eine junge Negerin, Mutter mehrerer Kinder, meldete sich.

»Du, Beth? Gut, meine Tante, Miß Bertram, wird in Zukunft den Wäscheschrank übernehmen, für dich wird sich andere Arbeit finden,« erklärte das junge Mädchen.

Beth schien durchaus nicht gekränkt, grinsend entgegnete sie: »Beth immer viel zu tun mit Waschen und Plätten, Miß Fairy, Beth auch gar nicht sehr geschickt mit der Nadel sein.«

»Schön, dann ist ja alles in Ordnung,« entgegnete Felicia erfreut und ging zu der Tante zurück.

»Ich glaube, Tantchen, ich habe ein weites Feld für deine Tätigkeit gefunden,« rief sie heiter, »Beth sieht die eigene Unvollkommenheit ein und tritt ihr Amt mit Freuden an dich ab.«

»So will ich gleich einmal nachsehen, Kind,« entgegnete das alte Fräulein und erhob sich schnell, »ich kann mir denken, daß sich die Wäsche in schrecklichem Zustande befindet, woher sollen diese schwarzen Geschöpfe es verstehen, vernünftig zu stopfen und zu flicken.«

»Richte doch eine Handarbeitsstunde für sie ein, Tante,« rief Felicia schnell.

Tante Luise sah die Nichte unwillig an. »Was für ein Einfall! Ich werde mich mit dieser Rasse sicher nicht mehr abgeben, als die Verhältnisse es unbedingt fordern, das kannst du glauben. Gib mir jetzt den Schlüssel zum Leinenschranke.«

Felicia begleitete das alte Fräulein in das Eßzimmer, händigte ihr die Schlüssel ein und holte dann ihren Blumensamen. Im Garten sah es durchaus nicht aus, wie es sollte, Fee runzelte die Stirn, als sie an daheim dachte, wie sauber und schnurgerade waren dort alle Beete und wie sahen sie hier aus! Schon wollte sie aus dem Garten eilen, den Missetäter, der ihn so in Unkraut verkommen ließ, zur Rede zu stellen, da bemerkte sie eine Gestalt, die zusammengekauert unter den tief herniederhängenden Zweigen eines Maulbeerbaumes saß und schlief. Helle Zornesröte stieg ihr ins Antlitz, kein Wunder, daß der Garten so verwildert war, wenn derjenige, der ihn in Ordnung halten sollte, seine Arbeitszeit zum Schlafen benutzte.

Hastig schritt sie näher, faßte ihn bei der Schulter und schüttelte ihn. Der so unsanft Geweckte riß die Augen auf und starrte seine junge Herrin erschrocken an.

»Ist das eine Art, wenn du arbeiten sollst?« herrschte sie ihn unwillig an, »der Garten sieht ja aus wie eine Wildnis! Schämst du dich nicht? Bist du zum Schlafen in den Garten geschickt?«

»Miß Fairy nicht böse sein, Jim immer so müde,« entschuldigte sich der junge Bursche, »Jim« – ein trockener Husten unterbrach ihn, er drückte die Hand gegen die Brust und stöhnte leise.

Felicia beachtete das nicht, sie kannte die Trägheit der Neger und glaubte streng sein zu müssen. »Ich werde in Zukunft aufpassen, daß du fleißig bist,« entgegnete sie, »jetzt komm und mache mir ein Beet zurecht, ich will Blumen säen.«

Mit schlotternden Gliedern schlich Jim hinter seiner jungen Herrin her, stellte nach ihrer Anweisung ein Beet her und trug dann Wasser. Felicia beachtete es nicht, daß sein Atem dabei keuchte und er seine Last verschiedentlich niedersetzte, um sich mit der Hand über das eingefallene Antlitz zu fahren und einige Male zu husten. Sie war ganz bei der Sache und freute sich schon auf die Blumen, die ihr gewiß bald wachsen und blühen würden. Im Rosenhause war sie ja unter Blumen aufgewachsen und hatte stets eine glückliche Hand gehabt, was sie gepflanzt hatte, war stets gediehen.

Als sie fertig war, sah sie sich nach Blumentöpfen um, doch Jim erklärte, noch niemals welche in Victoria Cottage gesehen zu haben.

»So muß Tom mir welche mitbringen, wenn er wieder zur Stadt fährt, dumm, daß ich heute morgen nicht daran gedacht habe,« sagte Felicia.

Nun mußte Jim sie von Beet zu Beet begleiten, sie wollte eine Übersicht über alles Gemüse gewinnen, dabei tadelte sie ihn scharf, als sie alles von Unkraut überwuchert fand. Er mußte sofort anfangen zu jäten, sie wanderte indessen durch die unsauberen Wege, während Barry neben ihr herschritt und sie mit klugen Augen ansah, auch, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, von Zeit zu Zeit seine kalte Schnauze in ihre Hand steckte. Sie beachtete ihren Liebling jedoch nicht, so tief war sie in Gedanken versunken. Der Garten würde ihre vornehmste Sorge sein müssen, das sah sie ein, Tante Luise hatte ihr erklärt, daß sie von solchen Dingen nicht das geringste verstände, und der Vater, das wußte sie noch von früher, hatte den Garten immer als Nebensache betrachtet. Und doch könnte man, wenn er vergrößert würde, vielleicht Nutzen daraus ziehen; man könnte Gemüse zur Stadt schicken, wie Mutter es daheim auch tat, dann konnte er zu einer Einnahmequelle werden. Sie atmete tief auf, freudig leuchteten die dunklen Augen, als sie bei ihrer Lieblingsidee angelangt war: eine Kirche in den Savannen zu bauen, damit die Kolonisten in der Niederung nicht stundenlang nach St. Louis zu fahren brauchten. Dazu gehörte aber viel Geld, der Vater konnte ihr keins geben, so mußte sie etwas zu erwerben suchen. Das würde nicht leicht sein und sicher Jahre angestrengter Arbeit vergehen, ehe der Wunsch sich erfüllen ließ, aber, was man ernstlich wollte, konnte man auch. Die schlanke Mädchengestalt richtete sich höher auf, aus den braunen Augen leuchtete ein fester Wille, ein freudiges Lächeln umspielte den kleinen Mund. Da schlug Berry an, aufsehend gewahrte sie den Vater, der vom Felde heimkehrte. Eilig lief sie mit Barry aus dem Garten, ihm entgegen und rief schon von weitem: »O Pa, ich habe herrliche Pläne, ganz wundervolle! Du mußt mir nur sagen, welche Gemüsearten hier am besten gedeihen, und dann mußt du mir mehr Arbeitskräfte geben.«

»Ei, Töchterchen, willst du die ganzen Savannen in einen Garten verwandeln?« fragte der Farmer belustigt, doch Felicia ging nicht auf seinen Ton ein, sondern fragte ernst: »Nicht wahr, Vater, der Boden ist hier sehr gut?«

»Freilich, unsere Savannen sind sehr fruchtbar und meilenweit von der schönsten Dammerde bedeckt. Unter ihr – sie ist stellenweise sogar dreiviertel Meter tief – ist eine Mischung von Sand, Ton und Kalk. Ist dir diese Erklärung gründlich genug, oder soll ich noch etwas näher darauf eingehen?«

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»Danke, sie genügt mir,« entgegnete sie lachend, »aber, Pa, mit einem großen Obst- und Gemüsebau kann ich wohl erst im Frühling beginnen?«

Herr Bertram lachte. »Ich erlebe es noch, daß du das Haus auf den Kopf stellst, Kleine; aber, Kind, ist alles mit Tante Luise wieder in Ordnung?«

»Ja, sie hat sich in den Wäscheschrank vertieft. Du, Pa, im Garten sieht es aber schrecklich aus, Jim ist ein zu träger Bursche, denke dir, ich fand ihn schlafend unter dem Maulbeerbaum.«

»Armer Junge! Es geht riesig bergab mit ihm, er hat die Schwindsucht.«

Ganz blaß vor Schreck sah Felicia den Vater an. »Die Schwindsucht?« wiederholte sie, »das ist ja schrecklich! Und ich bin so hart gegen ihn gewesen, Pa«. Tränen stürzten ihr aus den Augen.

»Na, na, Kleine, beruhige dich,« tröstete der Vater sie, »träge ist die ganze Gesellschaft, bist du mal mit einem Verweis an den Unrechten geraten, so ist das Unglück so groß nicht.«

»Doch,« stieß sie schluchzend hervor, »ich dachte an meine Kirche und wie viel Gutes ich tun will und – und dabei konnte ich hart gegen einen armen Kranken sein.«

»Nimm's nicht so schwer, Fee, ich habe dem Burschen ja die leichteste Arbeit zugewiesen, und wie leicht er sie sich gemacht hat, siehst du ja.«

Sie nickte, trocknete die Tränen und ging zu Jim hinüber, der noch am Boden hackte und jätete, »höre nun auf, Jim,« sagte sie sanft, »es ist gleich Mittagszeit. Du bist gewiß müde, nicht wahr?«

Ein trauriges Lächeln flog über das schwarze Gesicht. »Jim immer müde, Miß Fairy,« entgegnete er.

»So geh und wenn du gegessen hast, lege dich nieder und schlafe solange du magst. Ich habe ja nicht gewußt, daß du krank bist, Jim, sonst hätte ich dich nicht so angestrengt. Du sollst nun gar nicht mehr arbeiten, armer Jim, sondern soviel schlafen, wie du magst.«

»O, Miß Fairy so gut sein, wie Engel im Himmel,« rief der arme Bursche und wollte ihr Kleid an seine Lippen drücken, sie wich jedoch heiß errötend zurück und sagte. »Nein, Jim, ich bin gar nicht gut, geh' jetzt aber ins Haus.« Sie nickte ihm zu und begab sich schnell in die Küche, um Bridget, die allein von dem herrschaftlichen Essen erhielt, zu beauftragen, dem Knaben jeden Mittag Essen ins Hinterhaus zu schicken.

Als sie dann ins Wohnzimmer trat, blieb sie überrascht auf der Schwelle stehen: da rasselte die Nähmaschine wie in den eiligsten Zeiten in Hamburg. Tante Luise sah flüchtig auf.

»Kind,« sagte sie, »in eurem Leinenschranke sieht es aus wie in Sodom und Gomorrha, ein Glück, daß mal ein sachverständiger Mensch darüber kommt. Da habe ich auf Wochen hinaus Arbeit.«

»Das ist ja ein wahres Glück, Tantchen.«

»Ein Glück?« fragte Tante Luise entrüstet, »aber Kind, wie kannst du eine solche Verwüstung ein Glück nennen?«

Das junge Mädchen lachte und sagte erklärend: »Ich meine ja nur, weil du dadurch Arbeit findest, Tantchen. Willst du, bitte, zu Tisch kommen? es ist alles bereit, und unser Braten sieht wirklich einladend aus.«

Mißtrauisch setzte sich das alte Fräulein zu Tisch, sie erstaunte aber nicht wenig, wie appetitlich der Braten sowohl wie das Gemüse und die Kartoffeln aussahen.

»Nun, Luise, wie schmeckt es dir?« fragte der Farmer, »ist unsere Alte nicht wirklich eine Perle unter den Köchinnen?

»Es ist wirklich alles schmackhaft und gut zubereitet,« mußte Fräulein Bertram zugeben, sie konnte aber doch nicht ein leises Grauen bei dem Gedanken an die schwarze Köchin überwinden. Ja, hätte sich die schwarze Bridget plötzlich in eine weiße verwandelt, sie hätte mit dem besten Appetit den Speisen zugesprochen.

»Vater,« sagte Felicia, »gibst du mir über den Garten völlig freie Hand?«

»Gewiß, Kind, ich konnte nie viel Zeit für ihn erübrigen, verstehst du denn wirklich etwas von Gartenarbeit, Kleine?«

»Ja, Pa, ich habe das alles gründlich bei Mutter gelernt. Aber, Väterchen, du mußt mir dann auch die nötigen Arbeitskräfte geben, denn mit dem kranken Jim kann ich nichts anfangen.«

»Ja, da hast du recht, der Garten bietet ein Gegenstück zum Wäscheschrank,« setzte Tante Luise hinzu, »du hast ja Leute genug, Karl, ich begreife gar nicht, was du mit allen anfängst, um sie zu beschäftigen.«

»Zwanzig Menschen, die halbwüchsigen Burschen und Mädchen mitgerechnet, das nennst du viel? Beste Luise, wenn ich nicht einige der Weiber bei der Feldarbeit mit anstellte, so wüßte ich überhaupt nicht, wie ich fertig werden sollte. Ich habe nur neun Männer und einige halbwüchsige Burschen, die freilich tüchtig helfen müssen. Nun bedenke, daß Tom, der Kutscher, als Arbeitskraft vollständig verlorengeht, ebenso die beiden, die Tag und Nacht in der Koppel sind, dann bleiben nur noch sechs für die Feldarbeit, nun, ist das zuviel?«

»Nein, gewiß nicht, es machte mir gestern den Eindruck, als ob es viel mehr wären.«

»Ja, da war die ganze Gesellschaft einmal beisammen, da wurde dir gewiß etwas schwarz vor Augen,« entgegnete der Farmer lachend und fuhr fort: »es ist mir überhaupt erst allmählich und mit großer Mühe gelungen, die Leute zur Feldarbeit zu bewegen und anzulernen. Sie hatten, ehe sie zu mir kamen, auf einer Plantage gearbeitet, zu der ausgedehnte Ahornwälder gehörten, diese Arbeit verstanden sie aus dem Grunde, von einer andern wußten sie nichts. Nun habe ich ja nur einen kleinen Ahornwald, in dem die Zuckergewinnung nur kurze Zeit in Anspruch nimmt, da war es notwendig, sie zu anderer Arbeit zu bewegen. Das war fast ein größeres Kunststück, als sie anzulernen.«

»Eigensinnige Gesellschaft,« warf Tante Luise hin.

»Nein, Luise, sage das nicht,« verteidigte Herr Bertram seine Neger eifrig, »es ist nicht Eigensinn, sondern eine Eigentümlichkeit der Rasse, die so stark ist, das sie kaum zu bekämpfen ist.«

»Vater, was soll ich denn mit meinem Garten anfangen?« fragte Felicia kläglich.

»Ja, Fairy, da weiß ich wirklich keinen Rat, aber warte, du kannst dir Tobsy, einen von Toms Jungen, anlernen. Er ist zwölf Jahre und ein ganz gelehriger Schlingel. Bisher hat er das Essen nach dem Felde und in die Koppel getragen, es wird aber Zeit, daß er eine reelle Beschäftigung erhält, seinen Posten kann ein jüngerer Bube einnehmen.«

»Was ist aus Toby geworden, Pa, der mich immer auf meinen Ritten begleitet hat?«

»Er ist mit Samuel in der Koppel und reitet die jungen Pferde ein. Du mußt aber wieder einen Groom haben, Kind, wen nehmen wir denn da?«

»Das wird sich finden, Pa, gib mir nur erst Tobsy für den Garten und vielleicht noch ein junges Mädchen dazu.«

»Da mußt du dich an Bridget wenden, das ist deren Sache.«

Nach dem Mittagessen ging Felicia sofort zu der Alten, die ihr ihre Enkelin Bessy empfahl. »Miß Fairy lieber jetzt nicht im Garten arbeiten,« sagte sie besorgt, »es sein heiß in Sonne, Miß Fairy nicht mehr gewohnt.«

»Ja, das ist wahr, meine gute Alte, ich will lieber Briefe schreiben,« entgegnete Fee, eilte in ihr Stübchen und war bald so in ihren Brief an die geliebte Mutter vertieft, daß sie alles andere darüber vergaß. Sie überhörte sogar die kräftigen Schritte auf der Treppe und blickte sehr erstaunt auf, als sich nach kurzem Klopfen die Tür öffnete und der Vater eintrat.

»Nun, Kind, ich muß mir doch dein kleines Reich ansehen,« rief er, »sieh, es sieht ja ganz nett bei dir aus.«

»Nicht wahr, Pa, ist es nicht entzückend bei mir?«

Der Farmer lächelte und ließ die Blicke umherschweifen, eigentlich gehörte eine starke Phantasie dazu, dies einfache Gemach »entzückend« zu finden, ein Glück, daß sein Töchterchen sie besaß. Felicia hatte sich den einfachen, roh gezimmerten Tisch, der gewöhnlich zwischen zwei ebensolchen Stühlen an der einen Wand, dem Bette gegenüber stand, ans Fenster getragen, wo sie nun mit ihrer Schreiberei saß. Zwischen die beiden Stühle hatte sie ihre Kommode gestellt und diese mit einer hübsch gestickten Decke und allerlei niedlichen Kleinigkeiten geschmückt. Das beste aber waren die Bilder von Mutter und den Geschwistern – wie sie Frau Dr. Wallburgs Kinder stets nannte – und eine Zeichnung vom Rosenhause, die eine Freundin ihr zum Abschied geschenkt hatte. Diese Bilder und noch verschiedene andere zierten die weißen kahlen Wände und trugen am meisten dazu bei, das Stübchen freundlich und wohnlich zu gestalten.

»Mußt du deinen Brief erst fertig haben oder kannst du mit mir herunterkommen?« fragte der Farmer, nachdem er eine Weile mit seiner Tochter geplaudert hatte.

»Ich stehe dir immer zur Verfügung, Vaterchen,« entgegnete sie warm, hing sich an seinen Arm und begleitete ihn die Treppe hinunter. »Pa, was war das?« fragte sie aufhorchend, »klang das nicht wie ein Wiehern?«

»Weiß nicht, Kind, mußt nachsehen,« entgegnete der Vater lächelnd.

Ahnungsvoll lief sie zur Haustür und stieß einen Ruf des Entzückens aus, als sie hinaustrat und sich einem sehr schönen Pferde von tiefem, glänzendem Schwarz gegenüber befand. Sie übersah dabei gänzlich den jungen Neger, dessen Antlitz förmlich vor Entzücken strahlte.

»Nun, gefällt dir die Stute?« fragte der Vater.

»O Pa, sie ist ja eine Schönheit ersten Ranges,« rief das junge Mädchen ganz aufgeregt, »sieh doch nur die zierlichen, schlanken Glieder und den feinen Kopf.«

»Nun, so kannst du die Beauty von heute an für dein Eigentum ansehen, sie –« der Farmer kam nicht weiter, Felicias Arme umschlangen ihn, und ihre frischen Lippen preßten sich auf die seinen.

»O Pa, lieber, alter Pa, wie danke ich dir! Soll sie mir wirklich gehören, die süße, entzückende Beauty? Ach, wie freue ich mich.«

Da ward oben ein Fenster geöffnet, und Fräulein Bertram blickte heraus, »was ist los?« fragte sie.

»Tante, sieh doch, dies schöne Pferd hat Pa mir geschenkt! Ist es nicht wundervoll?«

Das alte Fräulein sah durchaus nicht erfreut aus. »Laß das Mädchen nur nicht allein reiten, Karl,« sagte sie, »du weißt wahrscheinlich gar nicht, was sie alles in Demmin aufgeführt hat, sonst hättest du ihr hier nicht gleich ein Pferd geschenkt, wir werden es erleben, daß das Kind Arme und Beine bricht.«

»Was – ein Kind der Prärie?« rief der Farmer lachend, »was meinst du, Fairy? Hast du das Reiten in Deutschland verlernt?«

»Soll ich es einmal versuchen, Pa?« fragte Felicia mit mutig blitzenden Augen und führte Beauty an die Stufen, die zur Veranda hinaufführten.

»Um Himmelswillen, Fee, ich glaube gar, du bist imstande und steigst auf das ungesattelte Vieh,« rief Tante Luise entsetzt, »Karl, ich bitte dich, leide solchen Unfug nicht.«

Vater und Tochter sahen sich lächelnd an, es wäre nicht das erstemal gewesen, daß beide auf ungesattelten Pferden in die Wiesen sprengten.

»Beruhige dich, Tante, ich will es ja gar nicht,« rief Felicia hinauf, »aber nicht wahr, Pa, nachher reiten wir ein Stück zusammen?«

»Versteht sich, nach dem Kaffee, Toby mag die Beauty solange umherführen.«

»Toby? Ist dieser junge Mensch mein kleiner Groom von damals?« rief Fee erstaunt und reichte dem lebhaft nickenden Burschen die Hand.

Nach einigen freundlichen Worten lief sie ins Haus, ihrer Beauty etwas Zucker zu holen, dann bereitete sie schnell Kaffee.

»Fürchtest du dich auch, wenn du eine Stunde allein bleibst, Luise?« fragte der Farmer seine Schwester, als er mit Fee zum Ritt vor die Haustür trat.

»Nicht doch,« wehrte sie ab, »meinetwegen könnt ihr gern länger bleiben, ich habe meine Arbeit und langweile mich nicht.«

Sie begleitete Bruder und Nichte ins Freie und sah den beiden schlanken Gestalten nach, als sie in kurzem Galopp über die Wiesen sprengten. Barry sprang mit lustigem Gebell nebenher, während Snipp, der Hofhund, verzweifelt an seiner Kette zerrte und seine Hütte mit wütendem Gebell umsprang.


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