Joseph Conrad
Weihe
Joseph Conrad

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I

»Schiffe!« sagte lebhaft ein älterer Seemann in sauberem Landgangszeug. »Schiffe –« und sein scharfer Blick wandte sich von meinem Gesicht ab und lief die lange Reihe prächtiger Galionsfiguren entlang, die Ende der siebziger Jahre gewöhnlich dicht nebeneinander in einer Linie über das schmierige Pflaster des Kais am New South Dock hinausragten – »Schiffe sind schon gut, aber die Leute darauf...«

Mindestens fünfzig große Segelschiffe lagen dort mit dem Vorsteven zum Kai alle in einer Reihe vertäut. Ihre Rümpfe aus Holz oder Eisen zeigten klassisch schöne Linien, die Schnelligkeit verrieten und in ihrer Form die höchste Vollendung modernen Schiffbaus verkörperten. Sie lagen dort, als hätte man sie für eine Ausstellung zusammengeholt, nicht etwa für eine große Industrieausstellung, sondern für eine Schau großer Kunstwerke. Ihre Außenbordsfarben waren grau, schwarz oder dunkelgrün mit einer schmalen gelben Zierleiste, die ihren Sprung hervorhob. Andere hatten eine Reihe aufgemalter Kanonenpforten, die ihre robusten Flanken kriegerisch verzierten, Flanken von Lastträgern, die keinen anderen Triumph kannten, als mit ihrer Last schnell zu sein, keinen anderen Ruhm, als lange zu dienen, und keinen Sieg – nur den endlosen stillen Kampf mit der See. Hochbordig, mit gewichtiger Würde lagen die großen, leeren Schiffsrümpfe mit ihren reingefegten Laderäumen längsseits der hölzernen Landungsbrücken, eher unbeweglichen Gebäuden gleichend als Wesen, die im Wasser leben. Sie waren soeben aus dem Trockendock gekommen und glänzten vor frischer Farbe. Andere, schon halb beladen, waren auf dem besten Wege, ihr seemäßiges Aussehen, nämlich das eines bis zur Ladelinie weggeladenen Schiffes, wiederzugewinnen; sie sahen zugänglicher aus. Ihre weniger steil ansteigende Gangway schien die umherstreifenden Seeleute, die eine Stellung suchten, geradezu einzuladen, an Bord zu kommen und beim Ersten Offizier, dem Hüter der Schiffsordnung, »um Chance« nachzufragen. Zwei oder drei seeklare Schiffe zerrten tief weggeladen an ihren waagerecht zeigenden Vorleinen, als fürchteten sie, unter den sie überragenden Geschwistern unbemerkt zu bleiben. Man konnte ihre aufgeklarten Decks und angelegten Luken sehen, wie sie dort bereit lagen, mit dem Heck voraus aus der unruhigen Reihe zu scheren, um sich in ihrer ganzen Anmut und Schönheit zu zeigen, die erst der richtige Seetrimm einem Schiff verleiht. Und über eine gute Viertelmeile hin, vom Schleusentor bis in die entfernteste Ecke, wo früher die alte Hulk ›President‹ (damals Ausbildungsschiff der Naval Reserve) sicher vertäut lag und ihre Fregattenseite an der Kaimauer rieb, über all diesen teils schon seeklaren, teils noch unbeladenen Schiffsrümpfen spannten an die hundertfünfzig hohe Masten das Gewebe ihrer Takelage wie ein ungeheures Netz aus, in dessen engen Maschen die schweren Rahen sich schwarz vom Himmel abhoben und wie darin verfangen und verstrickt erschienen.

Es war ein großartiger Anblick. Selbst das bescheidenste Fahrzeug rührt durch sein zuverlässiges Dasein an des Seemanns Herz, und hier bot sich die Schiffsaristokratie den Blicken dar. Es war eine stattliche Versammlung der Schönsten und Schnellsten, von denen jedes das geschnitzte Sinnbild seines Namens am Bug führte. Wie in einer Galerie von Gipsfiguren sah man dort Frauengestalten mit zackigen Kronen; Frauen mit wallenden Gewändern, mit goldenen Stirnbändern im Haar oder blauen Schärpen um die Hüften, die wohlgerundeten Arme ausgestreckt, als wollten sie den Weg weisen; behelmte oder barhäuptige Männerköpfe; und in voller Größe, von Kopf bis Fuß ganz in Weiß, die Gestalten von Kriegern, Königen, Staatsmännern, von Lords und Prinzessinnen; hier und da eine dunkelfarbige, bunt herausgeputzte Figur eines turbantragenden Sultans oder Helden aus dem Orient; und sie alle neigten sich unter der Schräge mächtiger Bugspriete vor, als warteten sie in ihrer gebeugten Haltung ungeduldig darauf, eine weitere elftausend Seemeilen lange Reise zu beginnen. So sahen die herrlichen Galionsfiguren der herrlichsten Schiffe aus, die es je auf See gab. Aber warum der Versuch, in Worten einen Eindruck wiederzugeben, dessen Echtheit keinen Kritiker und keinen Richter finden kann, da solch eine Ausstellung der Schiffbaukunst und der Schnitzkunst von Galionsfiguren, wie sie damals das ganze Jahr über in der Freilichtgalerie des New South Dock zu sehen war, keines Menschen Auge jemals wieder erblicken wird – warum, wenn nicht aus Liebe zu dem Leben, das diese Bildnisse in ihrer schweifenden Unbewegtheit mit uns teilten? Alles was es in dieser bleichen Schar von Königinnen und Prinzessinnen, von Königen und Kriegern, von allegorischen Frauengestalten, Heroinen und Staatsmännern und heidnischen Göttern an bekrönten, behelmten oder barhäuptigen Gestalten gab, ist für immer von der See verschwunden, nachdem sie bis zuletzt über den stürzenden Schaum der Bugwelle ihre schönen, kräftigen Arme ausgestreckt, bis zuletzt ihre Speere, Schwerter, Schilde und Dreizacke in derselben unermüdlichen, vorwärtsstrebenden Haltung vor sich her getragen hatten. Und nichts ist von ihnen geblieben als der Klang ihrer Namen, der vielleicht noch in der Erinnerung einiger Männer haftet, Namen, die schon längst von der ersten Seite der bedeutenden Londoner Tageszeitungen verschwunden sind, verschwunden von den großen Anschlagzetteln in den Bahnhöfen und an den Türen der Schiffsagenturen, verschwunden auch aus dem Gedächtnis der Seeleute, Hafenmeister, Lotsen und Schlepperleute, verschwunden aus dem Anruf rauher Stimmen und aus den flatternden Flaggensignalen, wie sie zwischen Schiffen gewechselt werden, die sich begegnen und allein weiterziehen in die Unendlichkeit der offenen See.

Der ehrbare ältliche Seemann wandte seinen Blick von dem Gewirr der Masten und Rahen ab und sah mich kurz an, um sich unseres gemeinsamen Berufs und unseres gemeinsamen Glaubens an die geheimnisvolle See zu vergewissern. Wir waren uns zufällig begegnet und ins Gespräch gekommen, als ich in seiner Nähe stehen blieb, weil meine Aufmerksamkeit von derselben Besonderheit in der Takelage eines augenscheinlich neuen Schiffes gefesselt wurde, die auch er sich gerade ansah. Es war ein neues Schiff, es mußte sich seinen Ruf erst noch in den Gesprächen der Seeleute erwerben, die ihr Leben mit ihm zu teilen hatten. Der Name des Schiffes war schon in ihrem Munde. Ich hatte ihn von zwei dicken, rotnackigen Kerlen halbseemännischen Schlages in der Nähe der Fenchurch Street nennen gehört, dort, wo in jenen Tagen die Männer in der alltäglichen Menge meist Troyer und Düffeljacken trugen und sich den Anschein gaben, besser mit den Hochwasserzeiten Bescheid zu wissen als mit den Abfahrtszeiten der Züge. Ich hatte diesen neuen Schiffsnamen auf der ersten Seite meiner Morgenzeitung gelesen, und jedesmal, wenn der Zug längsseits einer der kaiartigen, trübseligen, hölzernen Bahnsteige zum Stehen kam, starrte ich die ungewohnte blaue Buchstabenfolge auf weißem Grund an, die dort auf den Anschlagstafeln prangte. Zweifellos hatte das Schiff nach rechtem Brauch seinen Namen an dem Tage bekommen, an dem es von Stapel lief, aber »einen Namen« hatte es damit noch lange nicht. Unerprobt und noch unkundig der Wege auf See, war es in die Gesellschaft dieser berühmten Schiffe gesteckt worden, um für seine Jungfernreise beladen zu werden. Außer dem guten Ruf seiner Bauwerft, von wo es kopfüber in seine Welt des Wassers gelassen worden war, gab es nichts, was seine Zuverlässigkeit und den Wert seines Charakters verbürgt hätte. Es machte auf mich einen bescheidenen, zaghaften Eindruck, wie es so still dalag und seine Seite scheu an die Kaimauer schmiegte, an der es, eingeschüchtert von der Gesellschaft seiner erprobten und erfahrenen Geschwister, die schon vertraut waren mit allen Gewalttätigkeiten der See und der anspruchsvollen Liebe der Menschen, mit ganz neuen Leinen festgemacht war. Diese Schiffe hatten schon mehr lange Reisen hinter sich, in denen sie sich ihren Namen gemacht hatten, als dieses Wochen behutsam umhegten Lebens hinter sich gebracht hatte, wie es einem neuen Schiff zuteil wird, das umsorgt wird, als wäre es eine junge Braut. Selbst die alten mürrischen Hafenmeister sahen es mit wohlwollenden Augen an. In seiner Scheu hätte es an der Schwelle eines arbeitsreichen und Ungewissen Lebens, wo so viel von einem Schiff erwartet wird, nicht besser ermutigt und getröstet werden können, hätte es nur zu hören und zu verstehen vermocht, in welchem Ton tiefer Überzeugung mein ältlicher, ehrbarer Seemann den ersten Teil seines Ausspruchs wiederholte: »Schiffe sind gut...«

Seine Höflichkeit hielt ihn davon ab, den anderen, bitteren Teil zu wiederholen. Ihm war der Gedanke gekommen, daß es vielleicht taktlos sei, auf ihm zu beharren. Er hatte in mir einen Schiffsoffizier erkannt, der sich sehr wahrscheinlich, wie er selbst, nach einer Stellung umsah und insofern ein Kamerad, aber dennoch ein Mann war, der zum dünner bevölkerten Achterende eines Schiffes gehört, wo ein großer Teil seines Rufes als »gutes Schiff«, wie der Seemann sagt, gemacht oder verdorben wird.

»Können Sie das ausnahmslos von allen Schiffen sagen?« fragte ich, denn ich hatte Zeit und Muße; wenn ich auch offenbar Schiffsoffizier war, so war ich doch in Wirklichkeit nicht in den Docks, um mich »nach einer Stellung umzusehen« – eine Beschäftigung, die einen ebenso fesselt wie Glücksspiele und dem freien Gedankenaustausch ebenso unzuträglich ist, wie sie jede freundliche Stimmung untergräbt, die man für gelegentliche Unterhaltungen mit seinen Mitmenschen braucht.

»Man kommt mit ihnen immer klar«, meinte der ehrbare Seemann entschieden.

Er war ebenfalls nicht abgeneigt, sich zu unterhalten. Wenn er hierher nach den Docks gekommen war, um sich ein Schiff zu suchen, so schien er sich um seine Chancen doch keine Sorgen zu machen. Er besaß die heitere Ruhe eines Mannes, dessen achtenswerter Charakter sich schon in seiner äußeren Erscheinung auf bescheidene und überzeugende Weise vorteilhaft ausdrückte. Kein Erster Offizier, der Leute braucht, hätte ihn ablehnen können. Und wirklich erfuhr ich kurz darauf, daß ihn der Erste der ›Hyperion‹ als Quartermeister »aufgeschrieben« und vorgemerkt hatte.

»Wir mustern Freitag an und laufen am nächsten Tag mit der Morgentide aus«, bemerkte er in unbekümmertem, bedächtigem Ton, der in starkem Gegensatz zu seiner offenkundigen Bereitwilligkeit stand, dazubleiben und mit einem völlig Fremden stundenlang zu plaudern.

»›Hyperion‹«, sagte ich, »ich kann mich nicht erinnern, das Schiff irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Was für einen Ruf hat es denn?«

Aus seiner abschweifenden Antwort ging hervor, daß es weder in dieser noch in jener Hinsicht einen besonderen Ruf hatte. Es war kein sehr schnelles Schiff, wenn es sich auch, wie er meinte, nicht von jedem Dummkopf gut steuern ließ. Vor einigen Jahren hatte er es in Kalkutta gesehen, und er erinnerte sich, daß ihm jemand erzählt hatte, auf der Fahrt den Fluß hinauf seien dem Schiff beide Ankerklüsen weggerissen. Aber das konnte Schuld des Lotsen gewesen sein. Gerade jetzt hatte er beim Klönen mit den Kadetten an Bord gehört, daß es auf dieser Ausreise in den Downs beim Ankern plötzlich ausgeschoren und ins Treiben geraten sei, wobei es dann Anker und Kette verlor. Aber das war vielleicht dadurch passiert, daß man die Stromverhältnisse beim Zuankergehen nicht sorgfältig genug beachtet hatte. Immerhin sah es doch so aus, als hätte das Schiff sehr schweres Ankergeschirr, nicht wahr? Auf jeden Fall schien es, was das Manövrieren anbelangt, ein schweres Schiff zu sein. Im übrigen hatte er erfahren, daß diese Reise ein neuer Kapitän und ein neuer Erster Offizier an Bord gekommen waren, und so konnte man nicht wissen, wie sich das Schiff nun machen würde.

In solchen Gesprächen, wie sie an Land von Seeleuten geführt werden, bildet sich allmählich der Ruf eines Schiffes, wird sein Ruhm begründet und die Geschichte seiner Vorzüge und seiner Fehler bewahrt. Diese vertraulichen Unterhaltungen bieten immer wieder einen Anreiz, die charakteristischen Eigenarten eines Schiffes zu kritisieren, seine Leistungen groß herauszustellen und seine Mängel zu beschönigen, gegen die es in unserer unvollkommenen Welt kein Mittel gibt und worüber die Männer, die der rohen Gewalt der See mit Hilfe dieser Schiffe ihr hartes Brot abringen, sich nicht lange aufhalten sollten. Aus all diesen Gesprächen entsteht der »Name« eines Schiffes, den eine Besatzung der anderen ohne Bitterkeit und ohne Groll, jedoch mit Nachsicht aus dem Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit weitergibt, diesem Gefühl enger Verbundenheit, das Mann und Schiff im Guten wie im Bösen zusammenschweißt.

Dieses Gefühl erklärt den Stolz des Mannes auf sein Schiff. »Schiffe sind gut«, wie mein ältlicher, ehrbarer Quartermeister sehr überzeugt und ein wenig ironisch sagte; aber sie sind nicht genau das, wozu Menschenhand sie gemacht hat. Sie haben ihr eigenes Wesen, sie können durch die Anforderungen, die ihre Eigenart an unser Können und ihre Unzulänglichkeit an unsere Zähigkeit und Ausdauer stellen, sehr viel zu unserer Selbstachtung beitragen. Welche von diesen beiden Forderungen für den Seemann schmeichelhafter ist, kann man schwer sagen; die Tatsache besteht jedoch, daß ich während der mehr als zwanzig Jahre, in denen ich solchen Gesprächen zwischen Seeleuten an Land und an Bord zugehört habe, niemals ein Zeichen wirklicher feindlicher Gesinnung entdecken konnte. Dabei will ich nicht in Abrede stellen, daß auf See manchmal ein recht gottloser Ton in den Schimpfreden zu hören war, die ein durchnäßter, frierender und erschöpfter Seemann gegen sein Schiff richtete und die er in seiner Verbitterung am liebsten auf alle Schiffe, die je von Stapel liefen, ausgedehnt hätte – ja, auf die ganze unverwüstliche, anspruchsvolle Brut, die auf hoher See schwimmt. Ich habe ihn sogar auf das unstete Element selbst fluchen hören, dessen Zauber die gesammelte Erfahrung von Jahrhunderten überdauerte und auch ihn gefangennahm wie die Generationen seiner Vorfahren.

Denn die See war dem Menschen niemals freundlich gesinnt, was auch immer von der Liebe gesagt wird, die gewisse Gemüter (an Land) vorgeben, für sie zu empfinden, und trotz aller Verherrlichungen, deren Gegenstand sie in Poesie und Prosa ist. Bestenfalls hat sie einmal mit der menschlichen Ruhelosigkeit gemeinsame Sache gemacht und die Rolle eines gefährlichen Anstifters ehrgeiziger weltweiter Pläne gespielt. Noch nie war die See, so wie die gütige Erde, irgendeiner Menschenrasse treu geblieben. Weder Tapferkeit noch mühselige Arbeit und Selbstaufopferung haben irgendein Merkmal auf ihr hinterlassen, nie hat sie eine Herrschaft als endgültig anerkannt und sich der Sache ihrer Gebieter angenommen wie jene Länder, wo siegreiche Völker Wurzel schlagen, ihre Wiegen schaukeln und ihren Toten Grabmäler setzen. Gleich ob es der einzelne ist oder ein ganzes Volk – wer sein Vertrauen auf die Freundschaft der See setzt und die eigene Stärke und Geschicklichkeit darüber vernachlässigt, der ist ein Narr! Das Meer kennt kein Mitleid, keine Treue, kein Gebot, kein Erinnern – als wäre es zu groß, zu allmächtig für gewöhnliche Tugenden. Seine Unbeständigkeit kann nur durch unverzagte Entschlossenheit und rastlose, kampfbereite, argwöhnische Wachsamkeit menschlichen Zielen gefügig gemacht werden, eine Haltung, die vielleicht schon immer mehr von Haß als von Liebe diktiert war. Odi et amo, so mag das Bekenntnis derer lauten, die wissentlich oder blind ihr Leben dem Zauber der See ausgeliefert haben. All die stürmischen Leidenschaften der Jugendzeit des Menschengeschlechtes, ihre Kriegslüsternheit und Ruhmsucht, ihre Abenteuerlust und ihre Neigung zu gefahrvollen Unternehmungen sind mit dem großen Reiz des Unbekannten und den weiten Träumen von Herrschaft und Macht wie Trugbilder dahingegangen, ohne auch nur eine Spur auf dem geheimnisvollen Antlitz der See zu hinterlassen. Unergründlich und herzlos hat die See all denen, die um ihre fragwürdige Gunst warben, nichts von sich selbst gegeben. Keine Geduld und keine noch so große Mühe vermag sie so wie die Erde zu bezwingen. Trotz der verführerischen Macht ihres Zaubers, der so viele schon in einen gewaltsamen Tod gelockt hat, ist ihre Unermeßlichkeit nie so geliebt worden wie die Berge und Ebenen, ja, selbst die Wüste geliebt wurden. In der Tat glaube ich, daß die Liebe zur See, zu der sich einige Menschen und ganze Völker so bereitwillig bekennen, daß diese Liebe ungeachtet aller Beteuerungen und Lobpreisungen gewisser Schriftsteller, die für kaum etwas anderes in der Welt Sinn haben als den Rhythmus ihrer Verse und den Tonfall ihrer Sätze, ein Gefühl ist, das sehr vom Stolz und nicht wenig von einer gewissen Notwendigkeit beeinflußt ist, aber in dem die Liebe zu den Schiffen – diesen unermüdlichen Dienern unserer Hoffnungen und unserer Selbstachtung – der beste und lauterste Teil ist. Denn unter den Hunderten, die das Meer geschmäht haben, angefangen bei Shakespeare mit dem Vers:

»Grausamer noch als Hunger und als Angst
Und als die See –«

bis hinab zum letzten unbekannten Seemann alten Stils, der nicht viel Worte macht und noch viel weniger denkt, wäre wohl kaum ein Seemann zu finden gewesen, glaube ich, der jemals den guten oder schlechten Namen eines Schiffes in einem Atemzug mit einer Verwünschung genannt hätte. Wenn sein Fluchen, hervorgerufen vom harten Leben auf See, jemals so weit ging, daß er sein Schiff mit einbezog, dann geschah dies nur obenhin und ganz leicht, so wie man wohl ohne sündige Gedanken auf zärtliche Weise eine Frau anrühren mag.


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