Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Jetzt geh' voran;
Es drängt mich fort: mit dir zu gehen,
Heißt bleiben: mit dir hier zu bleiben,
Heißt gegen meinen Willen geh'n, denn du
Bist mir die ganze Welt, mein Himmel und mein Leben.

Milton.

 

Ithuels Nachricht mußte Raouls Ansicht über ihre gegenwärtige Lage wesentlich anders gestalten. Ein rüstiger Fußgänger konnte von dem Strande am Fuß von Scaricatojo, wo die Mannschaft der Felucke gelandet hatte, in einer Stunde nach der Marina Grande von Salerno gelangen. Dort waren zu jeder Zeit Nachen zu finden, und in zwei weiteren Stunden konnte ein Bote zu Wasser selbst während der Windstille die Schiffe vor Capri erreichen. Die erste dieser wichtigen Stunden war nun schon seit geraumer Zeit verstrichen, und er durfte nicht daran zweifeln, daß kräftige Arme bereits damit beschäftigt waren, die wenigen Meilen, welche die Insel Capri von den Küsten von Salerno trennen, in einem Boote zurücklegen. Es herrschte zwar Windstille und die Schiffe selbst konnten unmöglich gegen ihn ausziehen; aber zwei Fregatten und eine schwere Kriegsschaluppe vermochten in ihren Booten eine solche Streitmacht gegen ihn zu senden, daß in seiner jetzigen Lage jeder Widerstand nahezu hoffnungslos wurde.

Raoul hielt in seinem Frühstück inne und warf vom Hackbord ängstliche Blicke rings um sich her. Seine herzhaften Genossen, unbekannt mit all' den Gefahren, von denen sie umringt waren, verzehrten ihr Morgenmahl mit der charakteristischen Gleichgültigkeit von Seemännern, welche diese Eigenschaft auch in den dringendsten Nothfällen zu bewähren gewohnt sind. Sogar Ithuel, der doch sonst gegen die englische Macht so sehr auf seiner Hut war, und für den Fall, daß er der Proserpina abermals in die Hände gerathen sollte, so viel zu fürchten hatte, kaute seine Nahrung mit dem ganzen Wohlbehagen eines Mannes, der den Morgen über tüchtig an der Arbeit gewesen ist. Keiner von Allen schien eine Ahnung von ihrer kritischen Lage zu haben, und Raoul kam es vor, als ob die ganze Verantwortlichkeit nun auf seinen eigenen Schultern laste. Zum Glück war er nicht der Mann, der vor seinen jetzigen Pflichten zurückbebte, und er benützte den einzigen freien Augenblick, den dieser Tag voraussichtlich darbot, um über seine Hilfsmittel nachzudenken und seine Plane zur Reife zu bringen.

Der Lugger führte noch immer seine Bewaffnung, aber es war zweifelhaft, ob er flott werden könnte, ohne sie zu entfernen, und war dieß nöthig, so entstand die Frage, was man damit anfangen sollte, um sie im Falle eines Angriffs benützen zu können. Zwei, sogar auch vier von den leichten Kanonen konnten wohl auf das Verdeck der Felucke geschafft werden, und dieß sollte auch unverzüglich geschehen, wobei der gehörige Vorrath von Kugeln und Patronen nicht vergessen werden durfte. Zwanzig Mann, auf dieses leichte Fahrzeug geworfen, welches Ithuel als einen sehr lenksamen Segler schilderte, konnten sich als äußerst nützlich bewähren. Dann war auch auf einem von den Inselchen eine Ruine zu gewahren, welche wahrscheinlich von einem alten Tempel herrührte: sie war zwar unbedeutend und kaum auf kurze Strecke sichtbar, nach näherer Untersuchung fand sich aber, daß sie mit Hilfe einiger der zertrümmerten Steine, welche sich geschickt benützen ließen, recht gut zur Deckung einer Abtheilung verwendet werden konnte, welche, geschützt gegen leichte Geschoße, wie die Boote sie wahrscheinlich mit sich führten – einen kräftigen Widerstand zu leisten vermochte. Raoul stieg in die Jolle und ruderte selbst nach diesem Punkte, um alle Möglichkeiten mit Verstand und Sorgfalt zu untersuchen. Erst dann fand er seinen Plan zu seiner eigenen Zufriedenheit genugsam gereift.

Die gewöhnliche Zeit des Frühstücks war vorüber und die Matrosen wurden wieder ›aufgeboten‹; jeder Offizier empfing die nöthigen Befehle für die besondere Dienstverrichtung, welche seiner speziellen Beaufsichtigung anvertraut wurde. Da Ithuel die Felucke erobert hatte, so fand Raoul für billig, ihm das Kommando seiner Prise zu übergeben. Er wurde angewiesen, die zu seiner Vertheidigung nöthige Ausrüstung nebst Munition an Bord zu nehmen, die Kanonen so gut er konnte, zu placiren, und alle Vorkehrungen zum Kampfe zu treffen, während ein weiterer Haufe von den verschiedenen Artikeln des Luggers diejenigen in dem Kielraume der Felucke aufhäufte, deren Rettung wünschenswerth erschien.

Eine andere Abtheilung, unter dem Kommando des ersten Lieutenants, schaffte die übrigen leichten Karronaden, blos aus Zwölfpfündern bestehend, mit dem nöthigen Pulvervorrathe bei den Ruinen an's Land, und begann, sie daselbst in Batterie aufzustellen. Auch ein kleiner Vorrath von Lebensmitteln und Wasser wurde nach dem Inselchen übergeführt.

Während diese Vorkehrungen getroffen wurden, schickte sich Raoul an, mit Hilfe seines Segelmeisters den Lugger aus den Klippen herauszuheben. Dieses Geschäft – für jetzt das wichtigste von allen – stellte unser Held unter seine persönliche Aufsicht, denn es erforderte Geschicklichkeit, Beurtheilungskraft und Vorsicht. Die physischen Kräfte der Mannschaft wurden noch aufgespart, um erst bei dem eigentlichen Versuche verwendet zu werden.

Endlich war Alles bereit und der Augenblick nahe, wo diese schwere und wichtige Aufgabe gelöst werden sollte. Der Lugger saß jetzt schon volle vier Stunden zwischen den Klippen und die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Raoul rechnete, daß die Engländer zu Capri sein Unglück unterdessen erfahren haben mußten: so blieb also für die viele Arbeit nur noch wenige Zeit übrig. Alle Matrosen wurden an die Hebebäume beordert und das Geschäft des Auswuchtens nahm seinen Anfang.

Gleich beim ersten Anspannen des Kabeltau's konnte sich Raoul überzeugen, daß der Anker halten würde. Zum Glück hatte eine der Ankerschaufeln einen Felsen gepackt, was man natürlich blos aus dem Resultate abnehmen konnte; so lange also das Eisen zusammenhielt, war auch keine Gefahr zu befürchten, daß ihr Anker – dieses wesentliche Hilfsmittel – weichen würde. Der letzte Theil des Ausladens wurde nun so rasch als möglich beendigt; dann ging's an das große Geschäft mit den Hebebäumen.

Aber jeder Versuch blieb fruchtlos: Zoll für Zoll wurde an dem Kabeltau herangezogen, bis der Hanf der Stränge sogar seine feinsten Fasern anzuspannen schien, und der Rumpf blieb so bewegungslos wie die Felsen, auf welchen er ruhte. Sogar die Schiffs-Jungen wurden an die Hebebäume gestellt: doch die vereinten Anstrengungen aller Matrosen, mit Einschluß der Offiziere, vermochten keine Aenderung hervorzubringen.

Einen Augenblick lang hielt Raoul sogar für's Beste, das Wrack anzuzünden, die Felucke zu besteigen und noch zeitig genug gegen Süden zu steuern, um dem erwarteten Besuche der Engländer auszuweichen. Er berief endlich seine Offiziere zusammen und legte ihnen diesen seinen Plan vor: doch wurde der Vorschlag von ihm selbst zu schwach unterstützt und fand zu wenig Anklang in der Brust seiner Zuhörer, um von diesen gebilligt zu werden. Der Gedanke, ihr schönes, tadelloses Schiffchen zu verlassen, war zu peinlich, während dagegen immer noch ein schwacher Hoffnungsschimmer auf dessen Erhaltung übrig blieb.

Raoul hatte seine Stunden mit der Genauigkeit eines klugen Generals abgemessen. Es war jetzt beinahe um die Zeit, da die englischen Boote erscheinen mußten, und er fing bereits an zu hoffen, daß die Neapolitaner den starken Mißgriff begangen und ihre Botschaft an die Flotte zu Neapel, statt an die zu Capri stationirten Schiffe geschickt hätten. Sollte dieß wirklich der Fall sein, so hatte er noch den ganzen Tag vor sich, und konnte sich unter dem Schutze der Nacht auf- und davon machen. Auf jeden Fall durfte der Lugger nicht verlassen werden, ohne daß man einen Feind vor Augen hatte, und die Leute wurden abermals zu einem neuen Versuche an die Hebebäume gerufen. Da man an hundert verschiedenen Punkten Wasser einnehmen konnte und die Entfernung bis Corsika so gering war, so hatte man während der vorangegangenen Pause auch das letzte Wasserfaß geöffnet und vollends ausgepumpt.

Unser Held sah wohl, daß dieß ihre letzte Anstrengung sein würde. Der Kielraum des Irrwisches war im buchstäblichen Sinne leer, und alle Reservespieren und dergleichen schwammen zwischen den Felsen umher. Konnte man das Schiff jetzt nicht herauswuchten, so besaß er keine Mittel mehr, um es von der Klippe loszumachen. Der Anker ruhte sicher; das Kabeltau, aufs Aeußerste angespannt, hielt fest, und ihn selber ausgenommen, stand die gesammte Mannschaft an den Hebebäumen. Das Anschwellen der See hatte den ganzen Morgen über mehr und mehr nachgelassen, und von dieser Seite war also nur wenig Hilfe zu erwarten. Doch auch dieses Wenige wollte man nicht verabsäumen, denn ohne solche Unterstützung schien das Werk unausführbar.

»Haltet euch bereit, ihr Leute,« rief Raoul, auf dem Hackbord auf- und abschreitend, »und zieht auf's Kommando. Wir wollen eine hohe Woge abwarten, dann spannt mir aber jede Nerve, bis es endlich geht. Pas encore, mes enfants – pas encore! Paßt auf! – da drüben kommt ein Bursche, der uns heben wird – jetzt angezogen – stärker angezogen – zieht mit Leib und Seele! – zieht Alle zusammen!«

Die Leute gehorchten. Zuerst kam ein schwächerer Ruck, dann wurde die Anstrengung vermehrt, und eben als die Woge unter dem Kiele des Luggers hinrollte, boten sie, dem Befehle gehorchend, die äußerste Kraft auf – und der Kiel rührte sich zum ersten Mal.

Dieß gab neuen Muth, obgleich der Ruck nicht über sechs Zoll betragen mochte; es war jedenfalls eine entschiedene Bewegung und ganz in der wahren Richtung. Der endliche Erfolg spornte die Leute zu einer verstärkten Anstrengung. Es war vorauszusehen, daß ihre Muskeln beim nächsten Zuge eine zehnfache Stärke entwickeln würden.

Dieß Alles wurde von Raoul nicht übersehen, und er beschloß, die Begeisterung nicht ungenützt schwinden zu lassen.

» Encore mes enfants!« sprach er. »Stellt euch bereit! Habt Acht – jetzt ist's Zeit! Zieht, und reißt die Planken von dem Kiele des Luggers los – zieht, ihr Leute, zieht!«

Dießmal war die Anstrengung ganz so, wie man sie brauchte. Kaum war die Woge hereingerollt, als die Leute mit aller Macht zu ziehen anfingen: bald fühlte man ein leichtes Steigen – eine abermalige Anstrengung folgte – der Irrwisch verließ sein Bett, rollte in das tiefe Wasser, indem er aus Mangel an Ballast beinahe bis zu den Hängmattentüchern eintauchte – und lag bald gerade über seinem Anker.

Jetzt endlich war es gelungen! glänzend gelungen – und zwar in einem Augenblicke, wo die Muthigsten zu verzweifeln begonnen hatten. Die Leute umarmten einander und äußerten ihr Entzücken durch hundert Beweise ausschweifender Freudenbezeigung. Raoul traten die Thränen in die Augen, ohne daß er sie vor den Andern verbergen konnte, da Offiziere und Mannschaft sich zu ihm hindrängten, um ihm ihre Glückwünsche auszudrücken.

Der Freudenrausch hatte zwei bis drei Minuten gedauert – da kam Ithuel, kalt und berechnend wie immer, durch die Menge daher geschritten, stellte sich neben seinen Kommandanten und deutete mit bezeichnender Geberde gegen das Vorgebirge Campanella. – Dort sah man die erwarteten Boote herankommen. Sie waren so eben um das Kap herumgerudert und hielten die Richtung gerade gegen die Klippen!

Ithuels Geberde war zu bezeichnend, als daß sie Jemand hätte entgehen können, und jedes Auge folgte ihrer Richtung. Der Anblick war der Art, daß er nicht leicht mißverstanden werden konnte, wohl aber bei sämmtlichen Zuschauern dem Strome der Empfindung eine durchaus veränderte Richtung geben mußte. Jetzt war kein Zweifel mehr darüber, wie die Nachricht ihres Unglücks zu den Engländern nach Capri gelangt war, und welche Wirkung sie hervorgebracht hatte.

In der That war der Herr der eroberten Felucke, sobald er am Fuße des Scaricatojo gelandet hatte, in der einzigen Absicht, sein verlornes Schiff wieder zu gewinnen, die Höhen dieses Felsens, so schnell seine Beine ihn zu tragen vermochten – hinangestiegen, und die schmalen Pfade längs dem Rande der Hügel bis nach der Bucht von Sorrento hingerannt; dort hatte er sich in ein Boot geworfen, dasselbe mit vier kräftigen sorrentinischen Matrosen bemannt – in Europa kennt man keine rüstigeren und keckeren Seeleute – hatte sich an Bord der Terpsichore begeben und Sir Frederick Dashwood seinen Fall vorgetragen, da er nicht wußte, wer eigentlich der Befehlshaber der drei vereinigten Schiffe war.

Der junge Baronet zeichnete sich zwar weder durch große Klugheit noch durch besondere Erfahrung in seinem Stande aus, besaß aber eine ausnehmende Vorliebe, sich Ruhm zu erwerben. Es leuchtete ihm augenblicklich ein, daß die gegenwärtige Veranlassung ganz dazu gemacht war, um sich Lorbeeren zu erkämpfen. Er war dem Range nach der Zweite, und dachte sich in Folge dieses Anspruches, der Oberbefehlshaber könne offenbar nichts Anderes thun, als ihn mit dem Kommando der Expedition beauftragen, welche Cuffe, wie er richtig voraussah, gegen die Franzosen abschicken würde.

Aber gerade hier ergab sich eine Schwierigkeit. Sobald Sir Frederick dem älteren Kapitäne den Inhalt der empfangenen Botschaft hinterbrachte und ihm den Wunsch ausdrückte, bei dieser Gelegenheit verwendet zu werden, trat Winchester mit seinen Ansprüchen dazwischen und erhob die Sache zur Streitfrage. Cuffe hatte augenblicklich jedem der drei Schiffe den Befehl ertheilt, zwei Boote – im Ganzen also sechs – zu bemannen und zu bewaffnen, und auch die nöthigen Details waren nicht vergessen worden: aber bis er entschieden hatte, wer das Kommando erhalten sollte, ging ziemlich viel kostbare Zeit verloren.

Dieß war die Ursache der Verzögerung, und sie hatte in Raoul bereits gewisse Hoffnungen erweckt, welche die Thatsachen hinterdrein wieder zerstörten. Endlich hatte Sir Frederick den Sieg davon getragen, da sein Rang ihm einen entschiedenen Vortheil verlieh, und die Bootsdivision kam nunmehr unter seinen Befehlen herangezogen.

Raoul sah, daß er noch mehr als eine Stunde übrig hatte. Mit der Felucke allein und noch dazu in einer Windstille gegen so viele Feinde in Kampf zu treten, war vorweg unausführbar. Das kleine, niedere Ding mochte vielleicht einige der Angreifer hinstrecken, mußte aber ohne Gnade gleich beim ersten Zusammenstoße verloren gehen. Den Lugger wieder mit Ballast und der übrigen Ausrüstung zu versehen, so daß er zu gehörigem Widerstande tauglich gewesen wäre – dazu hatte man keine Zeit; auch bot er, ausgenommen bei rascher Bewegung, nicht die Vortheile zur Vertheidigung wie die Ruinen auf dem Felseninselchen. So wurde also beschlossen, die beiden Schiffe, so gut als die Umstände erlaubten, zu verwenden, die Hauptvertheidigung aber hinter dem soliden Schutze der steinernen Mauern zu suchen.

Zu diesem Ende erhielt Ithuel den Auftrag, die Felucke an einem geeigneten Orte zu verankern; der erste Lieutenant wurde befehligt, möglichst viele Artikel an Bord des Irrwisches zu schaffen, so daß man jeden zufälligen Vortheil benützen konnte, während Raoul selbst mit dreißig seiner besten Leute die Kanonen auf den Felsen zum Kampfe aufzustellen begann.

Eine einzige halbe Stunde bewirkte eine wesentliche Veränderung im Stande der Dinge. Ithuel hatte die Felucke glücklich zwischen den Inselchen vor Anker gebracht, wo ihr die Boote nicht leicht nahe kommen, ihre eigenen Karronaden dagegen vom höchsten Nutzen werden konnten. Auf den Lugger war wieder ein großer Theil des Ballasts und auch Einiges von seinen Vorräthen geschafft worden, so daß er für den Fall, daß plötzlich eine Brise umspringen sollte, gehörig steif beim Wind erhalten werden konnte. Raoul hatte auch die beiden inneren Kanonen der Felucke an seinen Bord bringen lassen, um die Vertheidigungsanstalten durch ein Flankenfeuer zu verstärken.

Die große Schwierigkeit, die sich bei der Leitung einer vor Anker liegenden Streitmacht ergibt, besteht darin, daß sich der Feind seinen Angriffspunkt wählen, die verschiedenen Schiffe in eine Linie bringen und so ihr Feuer gegenseitig unwirksam machen kann. Um diesen Nachtheil so viel wie möglich zu vermeiden, stellte Raoul seine beiden schwimmenden Batterien nicht in eine Linie: doch war es nicht möglich, sie so zu placiren, daß sie nicht auf einem Punkte mehr als auf einem andern dem Angriffe des Feindes ausgesetzt gewesen wäre. Nichtsdestoweniger wurde die Aufstellung so genommen, daß Schiffe und Ruinen sich gegenseitig auf ihren schwächsten Punkten gegen den Anfall der Engländer unterstützten.

Sobald seine eigenen Kanonen verwendet und die beiden Schiffe verankert waren, besuchte Raoul den Lugger und die Felucke, um die daselbst getroffenen Vorkehrungen zu prüfen und ein ermunterndes Wort an die Mannschaft zu richten.

Er fand das Meiste nach seinem Sinn: wo dieß nicht der Fall war, befahl er entsprechende Veränderungen. Seine Unterredung mit dem Lieutenant dauerte nur kurz, denn dieser Offizier besaß gerade in jener besonderen Art der Kriegsführung viele Erfahrung, so daß er sich vollkommen auf ihn verlassen konnte. Bei Ithuel dagegen war er schon gesprächiger, nicht weil er dem Bürger aus dem Granitstaate mißtraute, sondern weil er ihn als einen Mann von ungewöhnlichem Erfindungsgeiste kannte und seine eigenen Plane durch dessen Vorschläge vervollständigen konnte.

» Bien, Etouelle,« sprach er, nachdem er die Besichtigung beendigt hatte, »Vieles wird, von dem Gebrauche abhängen, den du von diesen beiden Kanonen machst.«

»Das weiß ich so gut, wie Ihr selbst, Kapitän Rule,« antwortete der Andere, während er eben von seiner Tabackrolle wenigstens zwei Zoll abbiß; »und was noch mehr ist – ich weiß auch, daß ich mit dem Strick um den Hals fechte. Die trotzigen Teufel werden all' Das, was unterdessen passirt ist, nicht leicht vergessen, und obgleich es ganz gegen das Gesetz ist, so werden sie doch ihre Plane gegen uns Beide ausführen, wenn wir nicht die unsrigen gegen sie durchsetzen. Meiner Meinung nach wird das Letztere nicht nur die angenehmere, sondern auch die gerechtere Partie sein.«

» Bon! – sieh darauf, Etouelle, daß du deine Schüsse nicht vergeudest.«

»Ich! – ei, Kapitän Rule, ich bin schon von Natur sparsam. Das wäre ja verschwenderisch, und Verschwendung gilt bei mir als Sünde. Die einzige Stelle, wo ich meinen Schuß anzubringen entschlossen bin, ist gegen das Gesicht und die Augen der Engländer. Ich meinestheils möchte beinahe, daß Nelson selber auf einem von den Booten wäre – ich wünsche dem Manne gewiß nichts Böses, aber dennoch wünsche ich, daß er gerade jetzt auf einem dieser Boote wäre.«

»Und ich, Etouelle, ich wünsche es nicht. Entre nous – es steht schon ohnedem schlimm genug, und es soll mir sehr lieb sein, wenn Nelson am Bord des Foudroyant und ferne von uns bleibt. Voilà – der Feind hält einen Kriegsrath: bald werden wir ihn zu hören bekommen. Adieu, mon ami! – Vergiß nicht unsere beiden Republiken

Raoul schüttelte Ithuel die Hand und stieg wieder in sein Boot. Die Strecke bis zu der Ruine war nur unbedeutend, doch mußte man, um bis zu ihr zu gelangen, einen kleinen Umweg machen. Während er dahin ruderte, sah der junge Seemann in der Richtung von Scaricatojo ein Boot herankommen, das sich unbemerkt bereits so weit genähert hatte, daß er anfänglich ganz betroffen wurde. Ein zweiter Blick überzeugte ihn aber, daß von dieser Seite kein Grund zur Besorgniß vorhanden war. Sein Auge ließ sich nicht so leicht täuschen: in dem Boote befand sich Ghita mit ihrem Oheim – Letzterer ruderte, während das Mädchen im Hintertheile saß und, das Haupt bis auf die Kniee herabbeugend, in Thränen zu zerfließen schien.

Raoul war allein in seiner leichten Jolle, welche er mit einer Hand regierte; er war sogleich bemüht, diesen unerwarteten und unter solchen Umständen unwillkommenen Gästen in möglichst großer Entfernung vor den Klippen zu begegnen. Im nächsten Augenblicke lagen die beiden Boote neben einander.

»Was hat dieß zu bedeuten, Ghita?« rief der junge Mann; »siehst du denn nicht die Engländer dort drüben, die sich in diesem Augenblicke zum Angriffe gegen uns rüsten? In wenigen Minuten beginnt ein heißer Kampf – und du, was thust du hier?«

»Ich sehe jetzt Alles, Raoul,« lautete die Antwort; »beim Abstoßen vom Lande aber bemerkten wir nichts und wollten nicht wieder umkehren, nachdem wir einmal in die Bai hereingekommen waren. Ich war in St. Agata die Erste, welche das Unglück, das dich befallen hatte, entdeckte; seit jenem Augenblicke hörte ich nicht auf, meinen Oheim so lange zu bitten, bis er nachgab und mit mir hierher kam.«

»Aus welchem Grunde, Ghita?« fragte Raoul mit strahlenden Blicken: »willst du endlich nachgeben – und meine Gattin werden? In meinem Unglücke wenigstens erinnerst du dich, daß du ein Weib bist!«

»Das nicht gerade, theurer Raoul; aber ich kann dich in dieser Noth nicht so ganz verlassen. Gegen unsere Verbindung erhebt sich, fürcht' ich, noch immer dasselbe Hinderniß, das von jeher bestand, doch ist dieß kein Grund, um dir für jetzt nicht beizustehen. Wir haben hier auf den Höhen viele Freunde, die sich wohl dazu verstehen werden, dich vor deinen Feinden zu verbergen, und ich bin gekommen, um dich und den Amerikaner an's Land zu führen, bis wir eine Gelegenheit finden, dich nach deinem Frankreich zurückzubringen.«

»Wie, Ghita! in einem Augenblicke, wie dieser, sollte ich diese Tapfern verlassen! – Nein – nicht einmal um den Besitz deiner Hand, theuerstes Mädchen, könnte ich mich einer so niedrigen Handlung schuldig machen.«

»Ihre Lage ist nicht die deinige. Ein Todesurtheil schwebt über dir, Raoul; solltest du abermals den Engländern in die Hände fallen, so wirst du gewiß keine Gnade bei ihnen finden.«

» Assez; jetzt ist nicht der Augenblick zum Disputiren. Die Engländer fangen schon an, sich zu rühren, und du hast kaum noch Zeit, um vor dem Beginne des Feuers in sichere Entfernung zu gelangen. Der Himmel segne dich, Ghita! Dieser neue Beweis deiner liebenden Sorge knüpft mein Herz nur noch fester an das deine: jetzt aber müssen wir scheiden. Signor Giuntotardi, rudert mehr gegen Amalfi. Ich sehe, die Engländer wollen uns von der Landseite angreifen – rudert also mehr gegen Amalfi.«

»Du bemühest dich umsonst, Raoul,« gab Ghita ruhig, aber fest zur Antwort. »Wir sind keines unbedeutenden Zweckes halber hierhergekommen; weigerst du dich, mit uns zu gehen, so wollen wir wenigstens bei dir bleiben. Unser Gebet, das du so sehr verachtest, wird sich vielleicht doch nicht ganz nutzlos erweisen.«

»Ghita, das kann nimmermehr geschehen. Wir sind ohne Deckung – beinahe ohne Vertheidigungsanstalten – unser Schiff ist nicht im Stande, dich aufzunehmen, und das heutige Gefecht ist etwas ganz Anderes, als jenes bei Elba. Du wirst gewiß in einem solchen Augenblicke meine Seele nicht mit der Sorge um dich belasten wollen.«

»Wir wollen bleiben, Raoul. Vielleicht kommt ein Augenblick, wo du froh bist, das Gebet gläubiger Christen in deiner Nähe zu haben. Gott führt uns hierher, um dich entweder fortzunehmen oder bei dir zu bleiben, und mitten im Kriegslärm für dein ewiges Seelenheil Sorge zu tragen.«

Raoul betrachtete die schöne Schwärmerin mit so inniger Liebe und Bewunderung, wie selbst ihre gläubige Einfalt sie nie zuvor in ihm erregt hatte. Ihre sanften Augen strahlten von heiligem Feuer, ihre Wangen glühten, und des Himmels Glanz schien auf ihrem Antlitz zu leuchten.

Der junge Mann fühlte, wie die Zeit drängte; er sah keine Hoffnung vor sich, seine Geliebte in ihrem Entschluß zu erschüttern und sie noch zeitig aus dem Bereich der herannahenden Boote zu bringen; unter diesen Umständen mochten die Beiden allerdings in einer Ecke der Ruinen besser geborgen sein, als wenn sie an's Land zu entkommen versucht hätten. Dann kam auch noch der nie erlöschende, geheime Wunsch, Ghita in seiner Nähe zu behalten, seiner hastigen Ueberlegung zu Hilfe, und er beschloß, das Mädchen mit ihrem Oheim auf dasselbe Inselchen zu führen, welches er in eigener Person vertheidigen wollte.

Unter seinen Leuten begannen schon einige Zeichen der Ungeduld laut zu werden, bis Raoul sich endlich zu dem Kurse entschloß, den er nunmehr zu befolgen hatte. Als er aber Ghita an's Land führte, da erwachte jener ritterliche Charakter der Huldigung gegen die Frauen, welcher die Südfranzosen vor Allen auszeichnet, und ihre beiden früheren Bekannten wurden mit lautem Freudenrufe empfangen. Handlungen der Selbstaufopferung gewinnen bei solcher Veranlassung den Schein des Heroismus, und er wird jederzeit den Beifall eines Volkes erregen, das für den Ruhm so tief empfänglich ist.

Immerhin war für die nöthigen Vorbereitungen nur noch wenige Zeit übrig. Zum Glück hatte der Schiffs-Arzt auf dieser Insel, als dem wahrscheinlichen Schauplatze des hitzigsten Kampfes, seinen Posten eingenommen, und sich bereits eine Aushöhlung des Felsens hinter einem Theile der Ruine zur Aufnahme der Verwundeten auserlesen, wo man einer ziemlichen Sicherheit zu genießen erwarten durfte.

Raoul erkannte sogleich die Vortheile dieses Plätzchens; ohne sich einen Augenblick zu bedenken, führte er Ghita und ihren Oheim nach diesem Orte. Er umarmte das Mädchen voll Zärtlichkeit – eine Freiheit, welche Ghita in einem solchen Augenblicke nicht zurückweisen konnte, und riß sich dann los, um den Pflichten seiner Stellung nachzukommen, welche nunmehr im höchsten Grade dringend geworden waren.

Sir Frederick Dashwood hatte in der That alle seine Vorbereitungen vollendet und rückte bereits bis auf Kartätschenschußweite zum Sturme heran. In der offenbaren Absicht, die Franzosen an einem Versuche zur Flucht nach dem Lande hin zu verhindern, hatte er sich eben diese Seite zum Angriffe erwählt – eine Anordnung, welche Raoul höchst erwünscht kam, da er, die Wahrscheinlichkeit dieses Falles voraussehend, seine eigenen Vertheidigungsanstalten in gleichem Sinne entworfen hatte.

Von Booten konnte man acht bemerken; doch waren nur sieben in Linie aufgezogen und im Anrücken gegen die Insel. Sechs davon waren stark bemannt und bewaffnet, und offenbar zum Kampf ausgerüstet. Unter ihnen führten drei leichte Bootskanonen am Schnabel, während auf den drei andern die Mannschaft nur mit gewöhnlichen Schießwaffen versehen waren. Das siebente Boot war das Gig der Terpsichore mit seiner gewöhnlichen Bemannung, das von dem kommandirenden Offiziere selbst als eine Art von cheval de bataille im engeren Sinne des Worts gebraucht wurde, d. h. mit anderen Worten: Sir Frederick Dashwood ruderte darin in der Schlachtlinie auf und nieder, um seine Befehle zu ertheilen und den Leuten Muth einzusprechen. Das achte Boot, das sich luvwärts und außer dem Bereiche der Kugeln hielt, war ein nach Capri gehörendes Küstenfahrzeug, auf welchem Andrea Barrofaldi und Vito Viti ausdrücklich zu dem Zwecke herbeigekommen waren, um die Gefangennehmung oder Vernichtung ihres alten Feindes mit anzusehen.

Sobald Raoul in dem Golfe vor Neapel gefangen war, hielten diese beiden Reisegefährten ihre Mission für beendigt, und glaubten jetzt mit Ehren nach Porto Ferrajo zurückkehren – mit Würde und Selbstgefälligkeit unter den Beamten dieser Insel umherwandeln zu können. Die neuliche Flucht aber und die Art, wie sie selbst dabei betheiligt waren, hatte den Stand der Dinge vollkommen umgestaltet. Eine neue Bürde der Verantwortlichkeit lastete auf ihren Schultern; neuer Schimpf war ihnen widerfahren und forderte Rache, denn dieser abermalige Schein von Lächerlichkeit drohte sogar die ersten Beweise ihrer Einfalt und Verstandesschwäche noch in Schatten zu stellen. Wäre Griffin mit seinen Kameraden nicht gleichfalls in die Sache verwickelt gewesen, so hätte den Vicestatthalter und den Podesta wahrscheinlich noch schärferer Tadel getroffen; so aber begegneten sie auf dem Schiffe allenthalben nur spöttischen Blicken und offenen wie versteckten Anspielungen, was die beiden ehrbaren Beamten bestimmte, sich bei der ersten Gelegenheit zur Verfolgung ihrer eigenen Zwecke nach der terra firma zurückzuziehen. Um indessen der Schmähsucht zu entgehen und von dem Ruhme, der jetzt zu gewinnen war, auch noch ihren Antheil einzuernten, hatten sie ein Boot gemiethet, und begleiteten nunmehr die Expedition als neugierige Zuschauer. Es lag übrigens keineswegs in ihrer Absicht, sich bei dem Kampfe selbst zu betheiligen, denn wenn sie nur den Verlauf der Ereignisse mit ansahen – so behauptete wenigstens Vito Viti mit großem Eifer, als sein Freund auf das Gegentheil anspielte – so war dieß gerade so viel, als sie nöthig hatten, um den Glauben an ihren Muth in den Augen jedes Elbanesers aufrecht zu erhalten.

» Cospetto!« rief er in der Hitze des Streites, »Eure Behauptungen, Signor Andrea, würden sich eher für einen gedankenlosen Knaben, als für einen verständigen Vicestatthalter geziemen. Wenn wir, wie Ihr zu wünschen scheint, Gewehre und Säbel in unser Boot einnehmen, so könnte uns der Teufel ja gar noch versuchen, dieselben zu gebrauchen, und was verstehen wir Beide von solchen Dingen? Für eine Magistratsperson ist eine Feder eine weit passendere Waffe, als ein scharfschneidiger Degen oder ein garstig riechendes Stück von einem Schießgewehre. Ich muß mich nur wundern, daß Euer natürlicher Verstand Euch nicht hierüber belehrt. Es ist im höchsten Grade unpassend, wenn ein Mann seine Pflichten nicht erkennt, und um Alles in der Welt möge mich der Himmel vor einem solchen Irrthume bewahren! Eine falsche Stellung ist ja förmlich verächtlich.«

»Du bist schon wieder hitzig, Freund Vito, und zwar ohne alle Veranlassung: ich meines Theils bin der Ansicht, daß man für jeden Nothfall, der Einen treffen kann, gerüstet sein sollte. Die Geschichte bietet Beispiele in Fülle, wo sich Männer vom Civilstande, Gelehrte, ja selbst Geistliche bei passenden Gelegenheiten durch Waffenthaten ausgezeichnet haben, und ich muß gestehen, ich fühle eine philosophische Neugierde, die Empfindung zu erproben, mit welcher der Mensch nach dem Leben Anderer trachtet und sein eigenes aussetzt.«

»Das ist gerade Eure verhexte Schwäche, Signor Andrea, – die Noth bringt mich schon so weit, daß ich den Respekt, welchen der Podest« dem Vicestatthalter schuldet, aus den Augen verliere, indem ich mich gedrungen fühle, Euch dieses zu sagen. Die Philosophie macht Euren Verstand noch ganz und gar zu Schanden; schon die Hälfte dessen, was Ihr davon besitzet, würde Euch zu dem gescheidtesten Unterthanen stempeln, dessen sich unser Großherzog zu rühmen vermag. Was die Geschichte betrifft, so glaube ich kein Wort von all' Dem, was sie lehrt – besonders seit die nördlichen Nationen sie zu verfassen angefangen haben. Italien besaß einst Geschichtbücher: wo sind sie aber jetzt hingekommen? Ich meines Theils habe noch niemals gehört, daß sich Einer mit dem Fechten abgegeben hätte, ohne daß er förmlich zum Waffenhandwerk erzogen, oder vielleicht ein armer Teufel gewesen wäre, der allen Grund hatte, sein Dasein überhaupt zu verwünschen.«

»Ich kann dir verschiedene Gelehrte namentlich aufzählen, ehrlicher Vito, deren kriegerische Ehre einzig und allein von dem Ruhme verdunkelt wurde, den sie durch ihre friedlicheren Arbeiten einernteten. – Zu geschweigen der Waffenthaten verschiedener kriegerischer Päpste, Cardinäle und Bischöfe, so haben wir da z. B. unseren Michael Angelo Buonarotti. Aber dieser Gegenstand läßt sich auch noch besprechen, nachdem die Schlacht vorüber ist. Du flehst, die Engländer verlassen bereits ihre Schiffe, und wir werden am Ende gar in den Nachtrab der Kämpfenden zurückversetzt.«

»Um so besser, Corpo di Bacco! wer hat wohl jemals von einer Armee gehört, die ihr Gehirn gleich anderen menschlichen Wesen vorn im Kopfe geführt hätte? Nein, nein, Signor Andrea, ich habe mich mit einem Rosenkranz versehen, den ich, so lange das Feuern dauert, als guter Katholik mit meinen Ave's und Paternosters zu beten gedenke; seid Ihr selbst so gar heftig darauf erpicht, an dieser Schlacht Antheil zu nehmen – nun so recitirt einmal mit lauter Stimme eine von den Reden Eurer alten Consuln und Generale, wie Ihr sie in den alten Büchern verzeichnet findet.«

Vito Viti trug dießmal auch wirklich den Sieg davon. Der Vicestatthalter sah sich genöthigt, die Waffen zurückzulassen, ohne daß er den Ausschlag des Gefechtes wesentlich dadurch geändert hätte, da die gemietheten Bootsleute, zudem, daß sie sich ihren Aufwand an Zeit und Mühe dreifach theurer als gewöhnlich bezahlen ließen – um keinen Preis der Welt näher als auf eine halbe Meile gegen die Franzosen hinrudern wollten.

Trotz dieser Entfernung erkannte Raoul gleichwohl die beiden Elbaneser, als er den Feind mit seinem Glase recognoscirte. Er lachte laut bei dieser Entdeckung, trotz der Fülle von ernsthaften Betrachtungen, welche sich in diesem Augenblicke seinem Geiste aufdrängten.

Doch war jetzt keine Zeit, um sich der Fröhlichkeit hinzugeben, und die Miene unseres Helden gewann fast augenblicklich wieder ihren sorgenvollen Ausdruck. Jetzt, da er über die Art des Angriffes der Engländer im Reinen war, hatte er allen seinen Untergebenen neue Befehle zu ertheilen. Die Hauptsache bestand, wie gesagt, darin, die verschiedenen Geschütze so in den Kampf zu bringen, daß sie sich gegenseitig unterstützten; um dieß zu bewirken, war es nothwendig, die Breitseite des Luggers etwas schiefer gegen die Felucke zu stellen, und als dieß geschehen war, erklärte Raoul seine Anordnungen für beendigt.

Dann folgte jene Pause, welche nach getroffener Vorbereitung dem Kampfe gewöhnlich vorhergeht. Auf einem Schiffe herrscht während dieser Zeit fast immer das tiefste, feierlichste Schweigen. Bei dem engen Raume und den geräuschvollen Manövern eines Seegefechtes ist diese Stille in solchen Augenblicken zur Erhaltung der Ordnung, des Zusammenhanges und eines verständigen Gehorsams so durchaus nothwendig, daß die Disciplin als eine ihrer ersten Pflichten die aufstellt, den Leuten das dringende Bedürfniß des Schweigens einzuprägen. So kommt es, daß man Tausende von Streitern kampfbereit an ihren Batterien stehen sieht, ohne daß ein Laut von ihnen vernommen würde, der stark genug wäre, das leiseste Plätschern der Wogen zu übertönen. Die Franzosen waren zwar jetzt nicht zu einem Seekampfe im engern Sinne aufgestellt, behielten aber gleichwohl auch bei dieser Veranlassung eben jene gewohnte Mannszucht bei, welche sie sich in dem besonderen Dienstzweige, dem sie angehörten, zu eigen gemacht hatten.


 << zurück weiter >>