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Der goldene Regen

Der heilige Wettermacher Petrus stand oben am Wetterhaus, das gerade an der Grenze des Himmelreichs liegt, wo die blauen Engelswiesen aufhören und der rote Wald des bösen Reiches anfängt.

Er schaute herunter auf die Erde, ob es gut sei. daß er wieder einmal regnen lasse. – Na, etwas Regen könnte nicht schaden, dachte er. Aber die Leute auf dem Lande waren gerade bei der Ernte, und da wollte er sie nicht erschrecken. Die Stadtleute aber waren sehr böse über den Staub, der ihnen die schönen Kleider verdarb, und schauten recht sehnsüchtig zum blauen, heißen Himmel hinauf.

»Ach was,« sagte Petrus, »die können warten.« Und da er etwas müde war, setzte er sich auf eine Bank unter einen goldenen Baum. Auf der blauen Himmelswiese spielten die Engelskinder und sangen schöne fröhliche Lieder; die hörte Petrus so gerne, und er lächelte sanft und schlief ein.

Da kam gerade auf der andern Seite der böse Teufel vorüber. Der guckte über den goldenen Zaun und sah den heiligen Petrus eingeschlafen auf der Bank sitzen.

»Na, warte,« sagte er, »dir will ich mal einen Streich spielen, bin dir noch einen schuldig dafür, daß du mir neulich ein paar Seelen, die fast schon in mein Reich gehörten, noch im letzten Augenblick durch deine Engel abspenstig gemacht hast.« Und damit stieg er mit seinen langen schwarzen Bocksbeinen über den goldenen Zaun. Vorsichtig sah er sich um, denn wenn er erwischt worden wäre, hätte er zur Strafe drei Tage im Himmel bleiben und die Güte und den Frieden, der da herrschte, mit ansehen müssen, und das war ihm fürchterlich.

So schlich er ganz leise zur Bank, wo der alte Petrus im Traum mit dem Kopfe nickte, und hielt ihm seine schwarze zottige Hand an die Nase. Aber Petrus rührte sich nicht.

»Na, wenn du meinen Höllengeruch nicht riechst, vor dem sogar meine Teufel davonrennen, dann bin ich sicher, dann schläfst du fest genug für eine lange Weile.« Er lachte vergnügt und sah sich um, was er nun Tolles anrichten könnte, um die Menschen auf der Erde recht in Wut zu bringen, daß sie in ihrem Zorn was recht Böses täten, das sie zuletzt in seine rote Hölle brächte, um dort ihm, statt dem lieben Gott im Himmel, zu dienen.

Da bemerkte er, daß Petrus das Wetterhaus offen gelassen hatte, und flugs ging er hinein und sah auf die Erde hinunter. Und weil ihm vorerst nichts Besseres einfiel, fing er an, die silberne Regenpumpe zu schwingen, und freute sich, wie es dann in Strömen hinunterregnete und die Leute auf dem Lande erst böse Augen machten und dann böse, zornige Worte sagten. In der Stadt aber freuten sie sich. – »Ja, Ja,« sagte der Schwarze, »auch ich kann es euch nicht allen recht machen, meine Lieben.« – Es machte ihm großen Spaß, die zappelnden Leute auf dem Felde eines kleinen Dorfes zu beobachten, wie sie ratlos hin und her rannten und nicht wußten, was sie zuerst anfassen sollten, um ihre Ernte einzubringen. Immer toller schwang er den Pumpenstiel, und immer lauter schimpften die Leute unten. Da rief ein Bauersmann: »Immer grad, wenn's am wenigsten paßt, müssen s' da oben die Schleusen aufmachen.« – »Ja, der Petrus wird alt und schwach, man merkt's,« sagte ein andrer. – Da rief ein Dritter: »Wenn's noch Gold wäre, was da runterkommt – aber das dumme Wasser, das einem nur alles verdirbt –«

Da kam dem Bösen ein guter Gedanke, das heißt, ihm schien er gut, aber er konnte nur Böses denken. »Ha – das ist ein Wort –, Gold wollt ihr, daß es regnet – na, die Freude will ich euch machen.« – Und er tauchte seine goldenen Hörner in das reine Himmelswasser, und plötzlich regnete es wirklich Gold auf die Erde. Erst waren es kleine Funken, und allmählich wurden es große Stücke, wie Eier groß.

Die Leute unten waren vor den Regenströmen in eine Feldscheune geflüchtet und standen nun herum und sahen grimmig hinaus auf ihre schöne Ernte, die ihnen da vor der Nase zuschanden wurde. – Da sahen sie es plötzlich im Regen wie Gold aufblitzen und dann immer größere Stücke herunterfallen. Sie rieben sich die Augen und dachten, sie sähen nicht recht. Keiner traute sich zuerst zu sagen, was er sah, er dachte, man würde ihn auslachen. Sie wurden immer aufgeregter und reckten ihre Hälse nach dem Himmel.

»Was glotzt du denn so?« fragte einer seinen Nachbar. – »Du, siehst du was?« sagte endlich einer. – »Was siehst denn du?« fragte mißtrauisch der andre. – »Na, ich sehe was.« – »Ich auch.«

»Meinst vielleicht, daß es Gold wär' – machst grad so ein schlaues Gesicht!« – »Na, deins sieht schon eine ganze Weile noch dümmer aus als sonst.«

»Ha, das sind ja Goldstücke!« rief da ein Kind. Und da schrien sie alle auf: »Gold, Gold! Es regnet Gold!«

»Herrgott, dann ist ja die ganze Ernte hin!« schrie eine Frau. – »So dumm,« brummte ein Bauer, »die mag hin sein, wenn dafür das Feld voll Gold liegt.« – »Aber vielleicht schmilzt es nachher,« sagte das Kind. – Da sahen sich alle erschrocken an und wußten in der Verwirrung nicht, was sie tun sollten.

»Körbe her!« rief der kluge Mart. Und da riefen es ihm alle nach: »Körbe her, Körbe her!« – Und die Leute stürzten in die Häuser nach Körben. Es war eine furchtbare Aufregung, denn die Stücke Gold, die noch immer von oben fielen, trafen sie überall hin, und mit Wunden an Kopf und Händen wühlten sie dann in dem Golde und luden Körbe, Säcke und Kasten voll und was sie sonst irgend im Hause erwischen konnten, in das man das Gold hineinstecken konnte.

Sie rafften mit zitternden Händen zusammen, was sie nur greifen konnten, und stießen die andern Hände fort, die ihnen in den Weg kamen, und schlugen aufeinander los in bitterböser Angst, daß der andre mehr von dem gleißenden Gold erwischen könnte als sie selbst. Schließlich hatten sie alle blutende Wunden und böse Herzen, als es endlich aufhörte zu regnen. Und sie arbeiteten weiter, heiß und aufgeregt, bis sie gar keinen Raum mehr hatten, wo sie das übrige unterbringen konnten. Und sie sahen mit gierigen Blicken nach dem, was sie nicht mehr mitnehmen konnten in ihre Häuser. Und alle Türen, die bisher auch über Nacht unverschlossen geblieben waren, weil sich keiner vor dem andern fürchtete, wurden diese Nacht verriegelt und verrammelt, weil keiner mehr dem andern traute. Ans Essen und Trinken dachte niemand, sie schlichen sich todmüde und ganz dumm vor lauter Glück und schweren Gedanken, was sie nun mit all den Schätzen machen sollten, in ihre Betten und schliefen einen schweren Schlaf mit angstvollen Träumen.

Der schwarze König aber stand oben und hielt sich die Seiten vor Lachen und rieb sich die Hände vor Freude auf die Ernte, die er da halten würde, wenn der Same des Bösen aufgehen würde, der durch den plötzlichen, ohne Arbeit und Mühe ihnen zufallenden Reichtum in die Herzen der Menschen gefallen war.

Da hörte er das laute Gähnen des erwachenden Petrus und schlich sich leise aus dem Wetterhäuschen und sprang über den Zaun zurück in sein eignes, dunkles Reich, das nur durch ein rotes Feuer Tag und Nacht erleuchtet war.

Unten aber sah es böse aus am andern Tage. Es war ein Zanken und Schelten im ganzen Dorf, und böse Worte fielen hinüber und herüber, denn keiner wollte nun mehr an die Arbeit, weil jeder nun seine Kammer voll Gold hatte und niemandem mehr zu dienen brauchte.

Aber keiner wußte eigentlich so recht, was er mit seinem Golde anfangen sollte.

Da sagte der kluge Mart zu seinem Weibe: »Laß den großen Wagen anspannen und pack' das Gold darauf, wir wollen in die Stadt fahren und dort lustig und guter Dinge leben, was tun wir jetzt noch hier in dem elenden Nest! Aber such' auch alle alten Lumpen und Säcke heraus, die du irgend finden kannst, und decke das Gold damit zu, daß man es nicht sieht, sonst geht es uns schlecht, man würde uns totschlagen auf der ersten Wegmeile.«

Die Frau ging hinaus, und bald darauf hörte man ein großes Geschrei. Und als Mart hinausging, hörte er, daß der Knecht die Hausfrau mit bösen Worten anschrie, er brauche nun nicht mehr ihren Knecht zu spielen, nun habe er ebensoviel Gold wie sie, sie solle nur selbst tun, was sie bisher von andern habe tun lassen, ihre paar lumpigen Taler Lohn brauche er nicht mehr. Da kraute sich der kluge Mart den Kopf und sagte: »Komm, Lina, das nutzt nun weiter nicht, wir müssen schon selbst an die Arbeit gehen.« Und als sie mit vieler Mühe den Wagen vollgepackt hatten, setzten sie sich oben drauf und fuhren ab. Als das die andern sahen, wußten sie plötzlich auch, was das klügste sei, und nun holte alles, was Wagen und Pferde hatte, diese herbei, und es war ein langer Zug, der langsam und feierlich, weil so schwer geladen war, wie ein Leichenzug aus dem Dorfe fuhr.

Unterwegs aber bekamen sie einen fürchterlichen Streit, weil jeder dem andern voranfahren wollte und Knechte und Mägde sich jetzt ebensoviel dünkten wie der Bürgermeister und Lehrer, und es ihnen nun Freude machte, sich an ihren früheren Brotherrn zu rächen für manches Scheltwort und knappen Hungerlohn, den sie sich hatten gefallen lassen müssen. Und so fielen die jungen starken Leute über die alten und schwächeren her, und es gab einen schrecklichen Kampf mit Blut und Totschlag, so daß endlich nur noch ihrer wenige die Stadt erreichten, wo sie, die dummen Bauern, von den schlauen Stadtleuten bald um ihre Habe gebracht wurden, so daß sie bald wieder so arm waren wie vorher und in der Fremde elendiglich umkamen, denn in die Heimat zurückzukehren, schämten sie sich.

So waren in dem Dorfe nur die ganz Armen, die keine Wagen und Pferde hatten, zurückgeblieben, und diese machten sich's nun bequem in den verlassenen Höfen und Wohnungen; sie hatten zu viel Gold, um es in einem Korbe fortzutragen; und auch nur den kleinsten Teil davon zurückzulassen, dazu konnten sie sich beileibe nicht entschließen. So saßen sie nun angstvoll bei ihrem Golde und beobachteten es, und hatten jetzt noch weniger Freude an ihrem Leben als früher, denn niemand wollte für den andern etwas tun, und sie mußten sich dürftig und halb hungrig durch ihre Tage schlagen.

Als nun die Vorräte an Lebensmitteln zu Ende gingen, brach ein großer Streit unter ihnen aus, denn keiner traute sich, seinen Haufen Gold zu verlassen, um in der fernen Stadt das Nötige einzukaufen. Und schließlich wurden sie vor Hunger und Ärger so zornig, daß sie ganz vergaßen, wie gern sie noch gelebt hätten, um sich an all den guten Dingen zu erfreuen, die sie sich mit ihrem Reichtum anschaffen wollten, und wütend übereinander herfielen und jeder den andern zwingen wollte, die nötigen Botendienste in der Stadt zu tun, damit sie nicht vor Hunger sterben müßten. Und so schlugen sie in ihrer Wut mit Äxten und Heugabeln aufeinander los, blind und taub vor Ärger und Verdruß darüber, daß sie so neben ihrem Golde sitzen mußten und vor Hunger und Langerweile umkommen sollten. Und sie hieben und stachen so lange und so tapfer aufeinander los, bis nur noch ein Einziger von ihnen übrigblieb. Das war der Beste unter ihnen, er hatte sich in seine Scheune versteckt, als das mörderische Raufen losging, da wollte er nicht mittun, aber sein Gold verlassen – nein, das konnte auch er nicht.

So saß denn der arme reiche Peter bei dem vielen, vielen Gold, denn nun gehörte ja alles ihm ganz allein. Und neben ihm lag sein letztes Brot, und zu seinen Füßen wedelte sein treuer Hund traurig mit dem kurzen Schwanze.

»Bill,« sagte Peter, »wir zwei ganz allein im Dorf, ganz allein, und reich sind wir, furchtbar reich, aber zu essen haben wir weiter nichts, als noch dieses eine Brot, das will ich mit dir teilen, und dann werden wir sterben. Ach, wir sind beide noch so jung, und es ist hart, zu sterben!« Und Peter weinte aus Mitleid mit sich selbst. Aber sein Gold verlassen, das ging nicht. Sein Glanz hatte seinen Verstand ganz dumm gemacht.

Da stand von ungefähr der heilige Petrus wieder einmal am Wasserhaus. »Ja, ja,« sagte er, »ich muß wohl wieder einmal regnen lassen auf jener Seite, hab' sie, meiner Treu, ganz vergessen seit jenem Tag, da ich drüber eingeschlafen bin. 's wird schön trocken sein, und die Leute werden wieder tüchtig auf den alten Petrus schimpfen.« Und so guckte er hinunter, gerade mitten in das verödete Dorf hinein. – »Na, was ist denn das?« sagte er. »Ja, was ist denn das? Wie schaut's denn da aus? Himmel! Es sind ja erst acht Tage, so schnell können doch die Menschen an der Dürre nicht gestorben sein. Nein, nein, was hab' ich denn da angericht'!« Da hörte er ein sonderbares böses Lachen neben sich, und als er sich umsah, stand der Schwarze am Gitter und sah ihn höhnisch an.

»Ja, ja, Nachbar, so geht es, wenn man sein Amt nicht besser hütet, wenn man einschläft und 's Wetterhaus weit aufstehen läßt – nun sind wir für eine Weile quitt, die von da unten sind nun alle in meinem Reich, hast mir genug in deines weggeholt.« –

Der gute Petrus war ganz steif und reglos vor Schrecken und konnte keine Antwort finden auf diese Worte des Bösen. Er setzte seine große Hornbrille auf die Nase und schaute nun etwas genauer hin auf die Stelle, wo die vielen toten Menschen lagen; und da erblickte er das Gold, das noch auf dem Felde liegen geblieben war, und da verstand er plötzlich, wie sein Feind es angestellt hatte, die Menschen zu verderben.

»Ach,« seufzte er, »immer und immer ist es das Gold, auf das die armen Menschlein hereinfallen! Aber ich kann's mir nicht verzeihen, daß ich schuld daran bin.« Und er war so traurig, daß er sich erst ein wenig setzen und ausruhen mußte, denn er war schon sehr alt, und vieles Denken und Sorgen wurde ihm schwer. Nach einer Weile tiefen Sinnens sprang er auf, denn ihm war ein guter Gedanke gekommen: »Vielleicht sind doch noch einige Leute in dem traurigen Dorf, an denen muß ich gutmachen, was ich verschuldet habe.«

Und als er recht genau durch seine Brille hinunterspähte, erblickte er den armen Peter in seiner Scheune und sonst niemand mehr. »Ach, nur einer, nur einer!« seufzte Petrus. »Aber das ist ja der Peter, eins meiner Patenkinder – Gottlob, dem kann ich eine große Wohltat tun in seiner Not.«

Und er schaute nach der blauen Wiese hin, wo die Engelsjungfrauen eben die weißen Schneefedern wuschen und sie in große graue Säcke packten, um sie im Winter wieder über die schlafende Erde ausschütten zu können, daß sie schön warm zugedeckt sei in der großen Kälte. – »Serafine,« rief Petrus, »Serafine, komm doch einmal her, meine Liebe!«

Die also gerufene Engelsjungfrau kam schnell herbei und fragte mit sanfter Stimme: »Was wollt ihr von mir, lieber Petrus?«

»Sieh,« sagte dieser, »sieh einmal da hinunter, was mir der Schwarze von nebenan angerichtet hat. Bin neulich so ein bißchen eingenickt und habe das Wetterhaus oben aufgelassen; gleich muß der da die Gelegenheit erspähen und uns so viele arme Menschen abspenstig machen.«

»Was hat er denn wieder angestellt?« fragte Serafine und spähte neugierig über den Rand des Himmels hinunter.

»Gold hat er regnen lassen statt Wasser, und das Gold verdirbt die Menschen, Streit und Hader, böse Worte und Totschlag bringt es unter sie; sieh, vom ganzen blühenden Dorf sitzt da nur noch einer, hütet noch seine Schätze und traut sich nicht fort davon, sondern verhungert lieber dabei. Dem muß ich helfen.«

»Aber wie?« fragte Serafine.

»Er ist mein Patenkind, und dem darf ich eine besondere Gunst erweisen. Ich darf ihm eine Engelsjungfrau schicken für ein Jahr; willst du zu ihm gehen, Serafinchen?«

»Ein ganzes Jahr fort von hier, wo es so wunderschön ist? Das ist schwer, aber ich weiß, ich weiß, wir müssen alle einmal hinunter, um einem besonders unglücklichen Menschen zu helfen in seiner Not« – sie spähte wieder aufmerksam hinunter – »Und es ist kein böser Mensch, er sieht sanft und gut aus.«

»Na, die Menschen haben alle ihre Fehler, die euch Engel erschrecken, aber er ist einer der besten. Also du willst, das ist schön von dir! So denn für ein Jahr. Mache ihn glücklich und gut in der Zeit, und wenn sie herum ist, dann lasse ihm etwas Schönes zurück, daran er sein Lebtag eine Freude hat. Und du weißt doch, du brauchst nur deine Arme zu mir aufzuheben, dann geschieht, was du gerade willst.«

Und so geschah es, daß plötzlich Serafine neben dem Peter stand, als er nach einem kurzen, unruhigen Schlummer seine Augen öffnete. Verwundert schaute er sie lange an. Endlich fragte er schüchtern: »Wer bist du? Woher kommst du, und was willst du hier an diesem traurigen Ort?«

»Frag' nicht so viel, lieber Peter, aber glaube mir, daß ich gekommen bin, dir Gutes zu tun.«

»Aber sieh,« sagte Peter, »ich habe nichts für dich im Hause als diesen Haufen Gold, aber von dem allein wirst du auch nicht leben können, wie?«

Serafine lächelte. »Nein, davon allein kann ich nicht leben. Aber nimm davon, so viel du tragen kannst, und gehe in die Stadt, und hole so viel Gutes und Schönes dafür, als du bekommen kannst.«

»Ach,« sagte Peter, »kann ich dich denn allein lassen mit dem vielen Golde, wirst du es auch gut hüten, daß niemand darüberkommt?«

»Kein Mensch soll es dir nehmen,« sagte Serafine.

»Nun, dann will ich gehen und werde so schnell als möglich zurück sein. Hier dies Brot ist alles, was noch an Speise da ist; wird es dir auch genug sein?«

»O ja, reichlich ist es, mein lieber Peter.«

»Du wirst auch dem Bill davon geben?«

»Ja, ja, sicher, du hast ein gutes Herz, Lieber; geh jetzt und komme so schnell du kannst zurück.«

Sobald Peter ihren Augen entschwunden war, hob Serafine die Arme gen Himmel, und im Nu war alles Gold, das ringsum angehäuft war, verschwunden.

Als nun der Peter, mit guten Dingen beladen, heimkehrte, traute er seinen Augen nicht, als er nirgend mehr eine Spur seines Goldes sah. Ein großer Zorn stieg in ihm auf, und er wollte mit bösen Worten und Schlägen, wie es seine grobe Bauernart war, auf Serafine losgehen. Aber diese sah ihn so sanft und furchtlos an, daß ihm Arm und Zunge lahm wurden und er nur ganz schüchtern fragen konnte: »Aber du wolltest es doch hüten, daß kein Mensch drüberkäme.«

»Es ist kein Mensch drübergekommen, Lieber. Ich habe nur zum Himmel gebetet, daß mit dem Gold das geschehen möge, was zu deinem Besten wäre, und da war es plötzlich verschwunden. Aber tröste dich, ich werde dir etwas geben, das köstlicher ist als alles Gold der Welt und dich glücklicher machen wird als diese irdischen Schätze.« – Ihre Augen leuchteten seltsam, als sie so sprach, und ein so starker Glanz von Schönheit strahlte von ihr aus, daß Peter fühlte, sie könne ihre Worte wahr machen.

»Und was ist es, das du mir geben willst?« fragte er mit neugieriger Seele.

»Liebe und Frieden,« sagte Serafine und nahm seine Hand in die ihre. Da wurde es so still und glücklich in Peters Herzen, und er sagte: »Bleibe bei mir!«

»Das will ich,« antwortete Serafine, »wenn du mich dir helfen lassen willst, Gutes zu tun.«

Und nun begann ein neues Leben im Dorfe. Die beiden gingen zusammen in die benachbarten Orte und holten arme Leute herbei, gaben ihnen die verlassenen Häuser und Felder, und dann arbeiteten sie alle zusammen fleißig und unverdrossen. Und wenn einer unter ihnen Unfrieden anfangen oder sonst etwas Häßliches tun wollte, brauchte Serafine ihn nur mit ihren strahlenden Augen anzusehen, da vergaß er alles Böse und tat, wie sie ihn hieß. Und alle Leute sagten zueinander: »Das muß ein Engel vom Himmel sein!«

Und so ging ein Jahr dahin. Im Dorfe blühte alles wieder, und die Felder standen üppig reif für die Ernte. Die Leute waren fromm und gut und zufrieden ringsumher. Peter aber war glücklich; denn Serafine hatte sein Haus mit dem Sonnenschein des Friedens reich gemacht.

»Möchtest du nun noch einmal, daß es Gold regnete?« sagte eines Tags Serafine zum Peter.

»O nein, nein, um Gottes willen nicht. Das war die schrecklichste Zeit meines Lebens. Du hattest recht, du hast mir viel Besseres gegeben als Gold, ich danke dir mit meinem ganzen Herzen.«

Da freute sich Serafine, daß sie ihre Aufgabe auf Erden so gut gelöst hatte, denn es war nun die Zeit nahe, da sie wieder zu ihrer blauen Himmelswiese und zu allen andern Schönheiten des Himmels zurückkehren durfte. Aber obgleich sie sich sehr nach dem allem zurücksehnte, war ihr Herz doch traurig, denn sie wußte, daß der arme Peter sehr unglücklich sein würde, wenn sie von ihm ging, und auch sie hatte ihn sehr liebgewonnen, da sie sein gutes Herz immer besser erkannt hatte.

Sie dachte viel darüber nach, was das wohl sein könne, das sie ihm nach des heiligen Petrus Geheiß zurücklassen sollte, um ihm für das ganze Leben eine Freude zu machen. Und plötzlich kam ihr ein glücklicher Gedanke.

Als nun die letzte Nacht herangekommen war, die sie noch auf Erden zubringen durfte, erhob sich Serafine leise aus ihrem Bette, um den Peter nicht zu stören, der nebenan schlief. Sie trat ans Fenster und schaute sehnsüchtig zum Himmel hinauf, an dem die goldenen Sterne funkelten, und dann sah sie traurig nach dem schlafenden Peter hin. Ihr Herz war voll Mitleid für ihn und voll von dem Wunsche, ihm zum Troste für ihr Fortgehen eine große Freude zu bereiten.

Sie öffnete das Fenster, hob die Arme zum Himmel und dachte an etwas so Wunderschönes, wie es sich nur ein Engel Gottes ausdenken kann. Und da löste sich ein glänzender Stern vom Himmel los und schwebte langsam zur Erde hernieder, und als er ganz nahe kam, war es ein kleines süßes Engelskind mit goldenen Locken und ebenso strahlenden Augen, wie Serafine sie hatte. Und sie nahm das rosige Kindlein in ihre Arme, küßte es zärtlich, und dann trug sie es zu Peters Bett und legte es an seine Seite. Und nachdem sie ihn sanft und leise auf die Augen geküßt hatte, breitete sie die Arme aus und flog zurück zu ihrer geliebten Himmelsheimat.

Der heilige Petrus öffnete ihr das Tor und freute sich, sie wiederzusehen; er streichelte ihr die Hände und sagte: »Ich danke dir, Serafine, daß du meine Schuld gutgemacht hast bei diesen Menschen.«

Der Peter unten aber war sehr erstaunt, als er aufwachte und das süße, liebe Kleine neben sich fand. Voll Freude rief er nach Serafine, um es ihr zu zeigen – aber sie war nicht mehr zu finden, und da wußte er, daß die Leute recht hatten, und daß sie ein Engel des Himmels gewesen war.

Das Kindchen nannte er mit ihrem Namen, und es wuchs heran und machte ihm das Leben schön. Peter wurde sehr alt; aber so alt er auch wurde, niemals konnte er den Regen draußen niederrauschen hören, ohne ängstlich zu sagen: »Es wird doch um Gottes willen nicht wieder Gold regnen?«

Die jungen Leute, die das hörten, lachten ihn aus, aber er erzählte ihnen immer von neuem, was er vor langen Jahren einmal erlebt hatte. Doch sie lachten immer wieder und glaubten es ihm nicht.

Er aber wußte es besser – und ihr auch.

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