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Ein Diner bei einem Geistlichen in Bath. – Grimaldis Sohn tritt zum ersten Male auf. – Mr. Hughes segnet das Zeitliche. – Grimaldi spielt an einunddemselben Abende auf drei Theatern und zum Lohne für seine Mühe wird ihm seine Gage einbehalten. – Er erkrankt schwer. – Abermalige Reise nach Bath. – Davidge, »Billy Coombes« und der Koffer. – Besagten Billys Neigung zu Jux und Alfanz.
Zwei Tage nach seiner Ankunft in Bath spielte er vor einem ausverkauften Hause und erntete den lebhaftesten Beifall. In Bristol war er nicht minder glücklich. Dort war das Haus sogar so besetzt, daß buchstäblich kein Apfel zur Erde fallen konnte. In Bath spielte er an fünf, in Bristol an zwei Abenden der Woche. In diesen Wochen machte er eine Einnahme von über dreihundert Pfund. Das Wetter war aber miserabel, und da er, wenn das Theater in Bristol aus war, noch an demselben Abend nach Bath zurückkehren mußte, litt er stark unter Erkältungen und war von Herzen froh, als die fünf Gastwochen vorüber waren.
Während seines Aufenthaltes in Bath widerfuhr ihm von einer Seite, von der man es am allerwenigsten erwartet hätte, eine recht garstige Unhöflichkeit.
Grimaldi sowohl als der Bassist Higman, der damals in großem Rufe stand und später das Original zum Gabriel in Walter Scotts »Guy Mannering« abgab, bekamen eine Einladung zum Mittagessen von seiten eines geistlichen Herrn.
Beide nahmen die Einladung an und fanden bei ihrer Ankunft eine ziemlich zahlreiche Herrengesellschaft dort versammelt.
Sobald das Tafeltuch abgenommen worden, forderte der Wirt, mehr im befehlenden als bittenden Tone, den Bassisten auf, ein paar Nummern von seiner Kunst zum besten zu geben. Obwohl nun Higman kaum den letzten Bissen hinunter hatte, kam er dem Ansinnen doch nach, weil er nicht den Schein wecken wollte, als wenn er sich sträube, sein Scherflein zur Unterhaltung der Gesellschaft beizutragen.
Die Gesellschaft zollte dem Künstler den verdienten Beifall, und unmittelbar darauf wendete der Wirt sich mit der nämlichen Aufforderung und in dem nämlichen Tone an Grimaldi, der aber um einige Frist ersuchte, da es ihm mit dem besten Willen nicht möglich sei, so kurz nach dem Essen zu singen.
»Wie, Mr. Grimaldi«, rief der Geistliche heftig, »Sie weigern sich, etwas zu singen! Aber – zu welchem Zwecke habe ich Sie denn eingeladen?«
»Dann wäre es mir freilich lieber gewesen, Sir«, antwortete Grimaldi, »Sie hätten mir das gleich bei der Einladung gesagt! Sie hätten mir dann die Unannehmlichkeit erspart, Ihnen meinen Besuch zu machen und mich, wie ich mich jetzt leider gezwungen sehe, Ihnen wieder höchst unzeremoniös zu empfehlen.«
Mit diesen Worten entfernte er sich. Daß ein Clown, der nur im Theater eine Rolle spielte, einem gelehrten geistlichen Herrn, der in der Gesellschaft eine der ersten Stellen einnahm, eine solche Anstandslektion geben mußte, verschwand natürlich nicht, ohne Aufsehen zu machen, von der Tagesordnung.
Zum Weihnachtsfeste dieses Jahres wurde in Covent-Garden die Pantomime gegeben: »Harlekin und der rote Zwerg oder: Der diamantene Fels« – und machte einen sehr großen Erfolg. Am Ostermontage 1813 wurde zum ersten Male Farleys Melodrama: »Aladdin oder die Wunderlampe« gegeben, entlehnt dem berühmten Märchen »Tausendundeine Nacht«. Grimaldi spielte darin die Rolle des stummen Sklaven Kasrak, die eine seiner beliebtesten werden sollte.
Diese Saison war wieder sehr gewinnreich für Grimaldi, der auch ein Ballett arrangierte: »Jux und Quacksalberei«, das allabendlich wiederholt werden mußte.
In Covent-Garden wurde das Theater im September wieder eröffnet, und Grimaldi war diesmal vor wie nach Weihnacht beschäftigt, da sich »Aladdin« ununterbrochen als ein sehr zugkräftiges Stück erwies. Von Weihnachten an wurde »Harlekin und die Schwäne oder: Das Bad der Schönheit« gegeben, von Ostern ab »Sadak und Kalasrade«, worin Grimaldi den Hassan spielte.
Da er sich jetzt nicht mehr mit dem Sammeln von Fliegen befaßte, sich auch keine Tauben mehr hielt, auch seine Landwohnung in Finchley aufgegeben hatte, widmete er all seine Muße seinem Sohne, den er teils in dem Institute, das er selbst besucht hatte, teils durch Privatlehrer unterrichten ließ, da er sich nicht in den Gedanken, sich von ihm zu trennen und ihn in eines der größeren Pensionate zu geben, hineinfinden konnte.
Mit rühmenswertem Eifer nahm er sich der Aufgabe, seinen Sohn für's Leben zu bilden, jetzt selbst an.
Obwohl der Knabe erst in seinem zwölften Jahre stand, hatte er doch schon recht anerkennenswerte Fortschritte in allen Unterrichtsfächern gemacht und schrieb das Französische schon recht geläufig. Von früh an hatte er große Vorliebe für die Musik gezeigt und auf der Violine unter Anleitung eines der besten Lehrer im Lande schon eine gewisse Meisterschaft errungen. Er tanzte auch vortrefflich, und da er sowohl Neigung als auch Anlage zum Theater hatte, beschloß Grimaldi, ihm dieselbe Laufbahn, wie er sie mit soviel Ruhm zurückgelegt, ergreifen zu lassen, und bildete ihn für Melodrama und Pantomime vor, von der Hoffnung erfüllt, in seinen alten Tagen, wenn die schöne Zeit seines Ruhmes und seiner Erwerbsfähigkeit vorüber sein würde, in den Triumphen des Sohnes wieder aufzuleben, daß im Sohne sein ganzes Leben noch einmal an ihm vorüberziehen würde, wenn er ihn erfolgreich auftreten sähe in den Rollen, die ihn schon zu einem Lieblinge des Volkes und ihm nicht bloß den Verlust eines nicht unbeträchtlichen Vermögens wett gemacht, sondern zu einer unabhängigen und geachteten Stellung in der Gesellschaft verholfen hatten.
Dergleichen Gedanken waren erklärlich, begreiflich und natürlich, und der liebevolle Vater erfreute sich an ihnen viele Jahre lang.
Aber im höheren Rate des Schicksals war es anders beschlossen. Der Sohn sollte früher als der Vater das Zeitliche segnen, doch obgleich ihm diese Vereitelung seiner teuersten Hoffnung in den späteren Lebenstagen herben Kummer verursachte, bemühte er sich doch, sie mit Standhaftigkeit und Ergebung zu tragen.
Am 26. April begann seine Arbeit in Sadlers-Wells-Theater wieder, und zwar spielte er in dem Drama »Der Sklave als Seeräuber«, das mit vielem Beifall über die Bühne ging, die Rolle des Sklaven. Sein erstes Benefiz trug ihm 215, sein zweites 265 Pfund ein. Es war das letzte, das er in Sadlers-Wells-Theater hatte.
Ganz besonders glänzend wurde das erste Auftreten seines Sohnes als Freitag im »Robinson Crusoe«. Den Robinson spielte Grimaldi selbst, der somit den Sohn in demselben Stücke einführte, in welchem sein Vater ihn vor dreißig Jahren eingeführt hatte. Sechs Wochen lang übte er ihn für dem Debüt fortwährend und unermüdlich ein, doch mehr, weil er sich selbst mit dem fürsorglichen Eifer dafür interessierte, als weil es nötig gewesen wäre, denn der Sohn faßte nicht nur sehr schnell den Unterricht des Vaters, sondern ging sogar einigermaßen darüber hinaus.
Sein Auftreten wurde bis zu den letzten Tagen vor dem bestimmten Abende geheim gehalten, und als es endlich angekündigt worden, war der Zudrang unermeßlich. Das Benefiz wurde, wie schon gesagt, eins der besten Grimaldis. Vater und Sohn ernteten enthusiastischen Beifall, und auch in allen Journalen und Zeitungen wurden ihnen die begeistertsten Lobsprüche zuteil. Grimaldi erklärte wiederholt, daß er noch niemals einen besseren Freitag auf der Bühne gesehen habe. Man wird sagen, daß hierbei eine Portion väterlicher Eigenliebe mitsprechen dürfte; aber Grimaldi hat noch lange nachher, und auch, als sein Sohn schon tot war, Lob und Tadel also gleich machtlos waren, ihm zu schaden oder zu nützen, die gleiche Meinung von den Fähigkeiten seines Sohnes aufrecht erhalten und seiner Überzeugung, daß er es ihm innerhalb weniger Jahre gleich getan, wenn ihn nicht in seinen besten Leistungen gar übertroffen hätte, bei jeder sich dazu bietenden Gelegenheit festgehalten.
Am 20. Dezember des nämlichen Jahres 1814 erlitt er einen schweren Verlust durch den Tod seines aufrichtigen und stets getreuen Freundes, des Vaters seiner ersten Frau, Mr. Hughes.
Als ein abermaliges Beispiel dafür, wie manche geheime Seelenpein ein Schauspieler zu erdulden hat, mag hier bemerkt werden, daß er sich, als der Freund gestorben war, tagtäglich genötigt sah, mehrere Stunden den Proben der tollsten Szenen in Pantomimen, in denen er auftrat, beizuwohnen, sogar am Begräbnistage, an welchem er zwischen dem Theater und dem Kirchhofe hin und her rennen mußte, um die durch das Begräbnis unterbrochene Probe zu beenden und sich für den Abend in die Fähigkeit zu setzen, dem Theaterpublikum durch seine Komik schallendes Gelächter zu entlocken.
Die neue Pantomime, für die obige Worte zutreffen, gründete sich auf die Historie vom vielmal hintereinander gewählten Londoner Lordmayor Whittington und seiner Katze. Sie wurde an vielen Abenden hintereinander gegeben. Bei ihrer ersten Aufführung war Grimaldi fast außerstande, seine Rolle durchzuspielen; es gelang ihm jedoch, und zuletzt spielte er wieder mit seinem gewöhnlichen Feuer, aber freilich zum großen Nachteil für seine Gesundheit.
In Sadlers-Wells wurde in dieser Saison die Harlekinade »Der sprechende Vogel« inszeniert, worin Grimaldi zuerst den Vogel, dann den Clown gab. Während der Zeit ihrer Aufführung spielte er an demselben Abend auf drei verschiedenen Theatern drei sehr schwere, und darunter zwei Clown-Rollen.
Er war mit einem gewissen Hayward gut bekannt, der mit einer sehr braven Schauspielerin vom Surrey-Theater verheiratet war und ihn darum anging, an ihrem Benefiz-Abende mitzuwirken. Grimaldi suchte von dem Direktor des Sadlers-Wells-Theaters die hierzu erforderliche Erlaubnis nach, bekam sie auch, konnte aber Mr. Harris nicht darum angehen, da derselbe gerade verreist war. Indessen meinte Grimaldi, daß dies wenig zu sagen haben werde, da im Covent-Garden-Theater gerade kein Stück, worin er eine Rolle hatte, auf dem Repertoir stand.
Nun wurde aber unglücklicherweise für das Benefiz der Mrs. Hayward das Stück »La Peyrouse« angesetzt, worin er beschäftigt war. Er eilte nach dem über der Themse gelegenen Surrey hinüber und entschuldigte sich mit der Unmöglichkeit, sein Versprechen erfüllen zu können. Man mochte aber nichts davon hören und sagte ihm, es würde sich wohl alles noch einrichten lassen. Man werde das Stück, worin er eine Rolle übernommen, zuerst geben, er könnte dann in Sadlers-Wells und zuletzt in Covent-Garden spielen, und damit er nicht zu spät käme, sollte ein Wagen mit den besten Pferden, die nur anzuschaffen wären, für ihn bereit stehen.
Er ging darauf ein, da es ihm leid tat, seinem Freunde und dessen Frau solchen Strich durch die Rechnung zu machen, spielte mit Bologna auf dem Surrey-Theater in der Pantomime, warf sich nach dem letzten Aktschluß augenblicklich in die vierspännige Postchaise und karriolte nach Sadlers-Wells, in Bolognas Gesellschaft, den es interessierte, sogleich zu erfahren, wie die Sache ablaufen würde.
Sie langten im Sadlers-Wells-Theater an gerade in dem Augenblicke, als die Ouvertüre begonnen wurde. Grimaldi schminkte sich in größter Hast, warf sich in das Kostüm des sprechenden Vogels und war eben fertig, als sein Stichwort fiel. Bei den letzten Szenen stieg eine nicht geringe Beängstigung in ihm auf; er blickte fortwährend nach der Schauspielerloge hinauf, um zu sehen, ob Bologna noch da wäre, der zu Covent-Garden die Rolle des Laperouse spielte und eine halbe Stunde vor ihm auftreten mußte.
Bologna wartete in seiner Loge das Ende der Aufführung ab und fuhr mit Grimaldi in dem gleichen Geschwindigkeitstempo, wie sie nach Sadlers-Wells gefahren waren, nach Covent-Garden, und schon hatten sie sich beide kostümiert, als die letzten Takte der Ouvertüre erklangen.
Grimaldi hatte sich beim Umkleiden erholt, spielte wie sonst und litt zu Ende des Stücks keine größere Ermüdung wie sonst. Die einzige Erfrischung, die er während des ganzen Abends zu sich nahm, bestand in einem Glase Warmbier und einem Zwieback.
Auf sein Spiel an drei verschiedenen Orten an einunddemselben Abend tat er sich nicht wenig zugute, denn obwohl er achtundzwanzig Abende hintereinander in zwei Theatern als Clown aufgetreten war, hatte er doch nie am gleichen Abend auf drei Bühnen gespielt, und wie weit voneinander entfernt in räumlicher Hinsicht war das Surray- vom Sadlers-Wells-Theater?
Am nächsten Tage bekam er eine Probe von der Gesinnung, die Fawcett beständig gegen ihn hegte, und hätte sich nicht Harris so wohlwollend gegen ihn bewiesen, so hätte Fawcett ihm sicher bei allerhand Gelegenheit viel Schaden zugefügt.
Als er nämlich seine wöchentliche Gage von zehn Pfund bei der Kasse abheben wollte, wurde ihm der höfliche, aber strikte Bescheid, Mr. Fawcett habe seine Gage gesperrt. Grimaldi begab sich daraufhin sofort zu Fawcett und erkundigte sich nach der Ursache solcher Maßregel. Fawcett erklärte ihm kühl, der einzige Grund, der die Direktion bestimmt habe, ihm die Gage zu sperren, sei sein Auftreten im Surrey-Theater, ohne die Erlaubnis der Covent-Gardener Direktion hierzu einzuholen. »Ohne uns ein Wort davon vergönnt, ohne unsere Genehmigung dazu eingeholt zu haben«, so lauteten die Worte, die Mr. Fawcett brauchte.
Grimaldi begnügte sich, um darzutun, wie gleichgültig ihm die Sache an sich sei, damit, daß er die hierauf passende Antwort aus dem Schauspieler-Prolog im »Hamlet«:
»Für uns und unsre Vorstellung
Mit tiefergebner Huldigung
Erbitten wir Genehmigung«
vor sich hin trällerte.
An der Schauspielhaustür traf er Harris, der eben von einer Reise heimgekehrt war und sich mit kordialem Händedruck auf das freundlichste nach seinem Befinden erkundigte.
Grimaldi antwortete: »Mir geht's so gut, wie es einem gehen kann, dem man die Gage gesperrt hat.«
»Was haben Sie sich zu schulden kommen lassen, Joe?« fragte Harris.
»Ich habe drüben im Surrey-Theater mitgespielt auf Haywards Bitten, seiner Frau ein gutes Benefiz schaffen zu helfen.«
»Ach, ich merke, Sie unterließen es, die Direktion um Zustimmung zu bitten?«
»Es war niemand von der Direktion anwesend, der meiner Meinung nach sich zu dieser Angelegenheit zustimmend oder ablehnend hätte äußern können. Mit Mr. Fawcett hatte ich nichts zu schaffen, und Sie waren verreist. Da Fawcett in keinerlei Beziehung zu meinem Rollenfache steht, meinte ich, nur mit Mr. Farley sprechen zu sollen. Mit ihm habe ich über die Sache gesprochen, und er sagte mir, ich solle nur ruhig in Surrey spielen, da ich hier doch nicht vermißt werden dürfte.«
»Nun, so gehen Sie zu Brandon«, erwiderte Harris nach kurzem Besinnen, »und sagen Sie ihm, daß ich ihn ersuchen ließe, Ihnen Ihr Geld zu geben. Noch eins, lieber Grimaldi: ich habe mit Diamond verabredet, daß Sie es im Oktober wieder bei ihm versuchen sollen, unter den gleichen Bedingungen wie vorigesmal. Ich werde schon dafür sorgen, daß Sie hier abkommen können, und auch nicht, wie jetzt, in Strafe genommen werden.«
Grimaldi drückte ihm seinen aufrichtigen Dank aus, ging zum andern Male an die Kasse, bekam seine Gage und begab sich heim.
Am 15. des nächstfolgenden Monats hatte Grimaldi sein erstes diesjähriges Benefiz in Sadlers-Wells. Er trat als Don Juan, sein Sohn als Scaramuz auf. Der Jüngling gab seine Rolle ganz vorzüglich, und fand so großen Beifall, daß Grimaldis Hoffnungen auf ihn sich noch erheblich verstärkten, ja er meinte, der Sohn werde den Namen Grimaldi noch berühmter machen, als er schon durch ihn geworden sei. Die Einnahme des Abends bezifferte sich auf 230 Pfund.
Drei Monate darauf, am 9. Oktober, sollte sein zweites Benefiz stattfinden; aber zwei Tage vorher, an einem Sonnabend, verfiel er plötzlich in eine schwere Krankheit, die ihren Anfang damit nahm, daß ihm das Atemholen überaus erschwert wurde. Es wurde ihm gleich eine Ader geschlagen, was ihm auch Erleichterung schuf; kurze Zeit nachher trat aber ein Rückfall ein, und es vergingen vier Wochen, bevor er wieder einen Fuß aus dem Hause setzen konnte.
In seiner körperlichen Verfassung hatte sich zweifellos eine wesentliche Veränderung vollzogen, denn bis dahin war er nicht einen einzigen Tag krank gewesen, und von jetzt ab war er keinen Tag mehr recht gesund.
Er mußte für sein Benefiz einen Ersatzmann stellen. Die Einnahme war ganze fünfzig Pfund geringer, aber die Freude, daß sich sein Sohn als Scaramuz abermals Ehren eingelegt, blieb ihm wenigstens.
Nach vier Wochen ging es ihm wieder besser. Er entschloß sich, dem mit Diamond geschlossenen Abkommen gemäß, nach Bath zu reisen, und spielte dort, wie auch in Bristol, bis Mitte Dezember. Aus diesem Gastspiele löste er annähernd 300 Pfund.
Um diese Zeit herum schloß er Bekanntschaft mit Davidge, dem Pächter des Surrey-Theaters, der in Bath und Bristol den Harlekin gab und noch ein schmächtiges Herrchen war, von dem sich kaum jemand gedacht hätte, daß er einmal zum »dicksten Manne Englands« werden würde.
Grimaldi spielte natürlich den Clown. Den Pantalon, der ein sehr mittelmäßiger Künstler war, nannten sie gewöhnlich »Billy Combes«. Warum? wußte eigentlich niemand recht. Aber sein richtiger Name war es nicht. Vielleicht, weil er einmal betrunken auf der Bühne erschienen war; das hatte man ihm arg verübelt, und Davidge nahm verschiedentlich Gelegenheit, Billy Combes zu drohen, daß ihm das noch nicht geschenkt sein solle.
Eines Abends, während die beiden Freunde durch ihr Spiel große Heiterkeit erweckten, wies er nach einem Koffer hin, der in der Pantomime gebraucht wurde, und flüsterte Grimaldi zu, es hinge ein Schloß mit einem Schlüssel dran, und Billy müsse sich darin verstecken; ein so feiner Spaß, ihn einzusperren, fände sich so bald nicht wieder.
Gesagt, getan. Das Publikum ergötzte sich königlich. Es waren nur noch zwei Auftritte zu spielen, und Davidge sollte sie beginnen.
Als er auf die Bühne ging, fragte ihn Grimaldi, ob er den Pantalon wieder aus dem Koffer hinaus gelassen habe.
»Nein«, lautete die Antwort, »aber es soll sogleich geschehen, wenn ich wieder abtrete.«
Er tanzte mit diesen Worten auf die Bühne, Grimaldi folgte ihm, und die gewöhnlichere Katzbalgerei nahm ihren Anfang. Nach fünf Minuten war die Pantomime beendet, Grimaldi hatte seine Krankheit noch nicht überwunden, er fühlte sich noch gar sehr abgespannt und verfügte sich sogleich in sein Gasthaus, um sich zu Bett zu begeben.
Am folgenden Morgen war wieder Probe. Grimaldi hatte sich einige neue Szenen ausgesonnen, um in die Pantomime etwas mehr Abwechselung zu bringen. Indessen hatte die Probe nicht den gewöhnlichen guten Fortgang, da der Pantalon ausblieb. Grimaldi fragte Davidge, sobald er ihn sah, wo dieser bleibe?
»Billy scheint den Spaß krumm genommen zu haben«, setzte er hinzu, »und heute früh nicht kommen zu wollen? Falls er auch heute abend wegbleiben sollte, kann's eine schöne Bescherung setzen,«
»Was meinen Sie damit?« fragte Davidge erschrocken.
»Nun, er ist doch nicht da, wir haben zu ihm nach Hause geschickt, dort ist er aber auch nicht.«
»Schockschwerenot!« rief da Davidge, »ich habe doch nicht etwa vergessen, ihn aus dem Koffer zu erlösen?«
Alles lief und erkundigte sich, und schließlich wurde, nach langem Suchen, der Koffer in einem Keller unter der Bühne gefunden. Wie er dorthin gekommen, darüber verlautete nicht das geringste. Niemand war imstande, darüber etwas zu erfahren. Der arme Pantalon befand sich in einem höchst traurigen Zustande, war jedoch glücklicherweise noch am Leben, da der Koffer ein paar Risse und Spalten aufwies, durch die Luft genug kam, um das Ersticken zu verhindern.
Billy Coombes kam bald wieder zu sich. Seine Haft im Koffer hatte auch keine schlimmen Folgen für ihn hinterlassen. Er erzählte, daß er so laut wie möglich gerufen, auch lange Zeit geklopft habe, was aber infolge des fortwährenden Lärmens hinter der Szene überhört worden sein müsse.
Nun kam es auch an den Tag, wie der Koffer den Weg in den Keller hinunter gefunden hatte: er war einfach beim Abräumen in eine Versenkung hinunter gelassen worden. Ganz unverständlich war und blieb es aber, daß auch hierbei der Lärm des armen Pantalon, mochte er noch so durch die Bretter abgedämpft worden sein, ungehört hatte verhallen können.
Pantalon selbst hatte sich damit getröstet, daß man ihn am andern Morgen vermissen und dann wohl befreien werde, und war in dieser Zuversicht schließlich eingenickt und hatte geschlafen, bis man sich seiner endlich wirklich erinnerte.
Billy Coombes oder wie er sonst heißen mochte, verursachte einmal durch eine schlagfertige Antwort auf der Bühne ein schallendes Gelächter. Es wurde Romeo und Julie gegeben, und er spielte den Simson. Die Theatergarderobe war sehr dürftig, und er bekam infolgedessen einen ebenso buntscheckigen wie zur Rolle überhaupt gar nicht passenden Anzug, besonders der Rock war ihm zu groß, so daß ihm die Ärmelaufschläge weit über die Hände hinunterhingen.
Billy war sehr ärgerlich darüber, aber das Publikum begrüßte ihn mit lautem Gelächter.
In der ersten Szene muß Simson den Daumen gegen Abraham, den Diener der nebenbuhlerischen Familie, beißen, worauf der nachstehende Dialog folgt:
Abraham: Beißt Ihr den Daumen gegen uns, Sir?«
Simson (beiseite): Ist das Recht auf unserer Seite, wenn ich Ja sage?
Simson: Nein, Sir. Ich beiße meinen Daumen nicht gegen Euch, Sir. Aber ich beiße meinen Daumen, Sir.
Billy Coombes unterließ es, den Daumen zu beißen, überhaupt; der Schauspieler, der den Abraham gab, hielt es für das beste, anzunehmen, daß es geschehen sei, drehte sich zornig um und rief:
»So! Ihr beißt also den Daumen nicht wider uns, Sir?«
»Nein, Sir«, antwortete Billy Coombes mit lauter und vernehmlicher Stimme, »ich täte es mit Vergnügen, Sir, wenn mich mein Herr nicht in einen so verwünschten Rock gesteckt hätte« – er hielt die langen Ärmel in die Höhe – »daß ich platterdings nicht an meine Fäuste kommen kann.«
Die Zuschauer wollten sich vor Lachen ausschütten, und das Spiel war auf ein paar Minuten unterbrochen. Billy machte endlich von seinen komischen Versuchen, die Hände zu zeigen, ein Ende, gab das Stichwort, und der Dialog wurde fortgesetzt.
Als Grimaldi nach London zurückgekehrt war, nahmen die Proben der Pantomime: »Harlekin und die Sylphe des Eichbaums, oder der blinde Bettler von Bethnal Green« in Covent-Garden ihren Anfang. Sie wurde zu der gewöhnlichen Zeit und mit sehr großem Erfolge in Szene gesetzt, und im April 1816 folgte sie auf Pococks Melodrama: »Robinson Crusoe, oder der verwegene Buccanier« – in welchem Stücke Grimaldi den Freitag und Faley den Crusoe spielte.
Es war die glücklichste Bühnenbearbeitung der berühmten Erzählung Defoes, wurde an vielen Abenden und wird auch jetzt noch hin und wieder aufgeführt.