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Sobald ich meine Geistesgegenwart, die mich beim ersten überwältigenden Eindruck der eben gehörten Nachricht ganz und gar verlassen, wiedergewonnen hatte, schlug ich Mr. Dick vor, mit mir zu dem Wachszieher zu gehen, wegen des durch Mr. Peggottys Abreise freigewordnen Bettes.
Der Laden des Wachsziehers befand sich auf dem Hungerfordmarkt. Der Platz sah damals noch ganz anders aus als jetzt, und vor dem Tor war ein niedriger Säulengang aus Holz angebracht, der Mr. Dick außerordentlich gefiel. Das Haus glich einem der bekannten altmodischen Wettergläser mit den zwei drehbaren Figuren.
Ich glaube, der Glorienschein, in diesem stolzen Bauwerk wohnen zu dürfen, hätte Mr. Dick für vielerlei Ungemach entschädigt, aber da eigentlich mit Ausnahme der sonderbaren Gerüche, die dem Laden entströmten, und des vielleicht ein wenig beschränkten Raumes keines zu ertragen war, versetzte ihn die neue Wohnung in umso größeres Entzücken. Mrs. Crupp hatte ihm zwar verächtlich versichert, daß dort nicht Platz genug wäre, um eine Katze zu schaukeln, aber Mr. Dick bemerkte sehr richtig zu mir, indem er sich aufs Bettende niedersetzte: »Du weißt, Trotwood, ich will gar keine Katze schaukeln. Ich schaukle nie Katzen. Was geht das also mich an?«
Ich versuchte zu erfahren, ob er etwas über die plötzlichen einschneidenden Veränderungen in den Verhältnissen meiner Tante wüßte. Wie vorauszusehen, hatte er keine Ahnung. Er konnte mir nichts sagen, als daß meine Tante vorgestern zu ihm geäußert hatte:
»Jetzt wollen wir einmal sehen, Dick, ob Sie wirklich der Philosoph sind, für den ich Sie halte.« Darauf habe er erwidert: ja, er hoffe es, und dann habe sie gesagt: »Ich bin zugrunde gerichtet«, und er habe darauf geantwortet: »Ach wirklich!« und sei zu seiner Freude sehr gelobt worden. Dann wären sie zu mir gereist und hätten ein paar Flaschen Porter und belegte Brote unterwegs genossen.
Mr. Dick war so ruhig und heiter, wie er mir das mit erstaunt aufgerißnen Augen und einem verwunderten Lächeln erzählte, daß ich mich leider verleiten ließ, ihm zu erklären, daß Zugrundegerichtetsein Not, Mangel und Hunger bedeute. Bald aber sah ich mich bitter bestraft für meine übereilten Worte, denn er wurde ganz blaß, und Tränen liefen ihm über die Wangen, und er warf mir einen Blick so unsäglichen Kummers zu, daß ein härteres Herz als das meinige weich geworden wäre. Ihn wieder aufzuheitern, kostete mir viel mehr Mühe, als ich vorhin gehabt, ihn in Kümmernis zu versetzen, und ich erkannte bald, was ich gleich hätte wissen können, daß er bloß zuversichtlich gewesen war, weil er in die »weiseste und wunderbarste aller Frauen« und auf die unerschöpflichen Hilfsquellen meines Geistes ein schrankenloses Vertrauen setzte. Die letztern hielt er, glaube ich, jedem nicht absolut tödlichen Übel für mindestens gewachsen.
»Was können wir nur tun, Trotwood?« fragte er. »Wir haben die Denkschrift –«
»Ja, allerdings. Gewiß. Aber alles, was wir vorderhand tun können, Mr. Dick, ist, daß wir unsern Kummer meiner Tante nicht merken lassen und ein freundliches Gesicht machen.«
Er stimmte dem auf das eifrigste bei und flehte mich an, ihn, wenn ich ihn nur einen Zollbreit von dem rechten Wege abweichen sehen sollte, durch eine jener überlegenen Methoden, die mir immer zu Gebote stünden, wieder zur Besinnung zu bringen. Aber leider muß ich sagen, daß der Schrecken, den meine unvorsichtige Mitteilung ihm eingejagt, zu stark für ihn war, als daß er ihn hätte verbergen können. Den ganzen Abend schweiften seine Blicke immer wieder zu meiner Tante hin, voll des Ausdrucks allertiefster Besorgnis, als ob er fürchte, sie jede Sekunde vor seinen Augen rapid abmagern zu sehen. Er war sich dessen wohl bewußt und nahm sich nach Kräften zusammen, aber daß er sich ganz steif hielt und nur mit den Augen rollte wie eine Maschinerie, machte die Sache nicht besser.
Ich bemerkte, wie er während des Abendessens das Brot, das zufällig klein war, betrachtete, als ob es unser letzter Rettungsanker sei. Und als die Tante ihn zum Essen nötigte, ertappte ich ihn, wie er heimlich Stücke von seinem Käse in die Tasche steckte, – ganz sicher nur, um uns mit dem Aufgehobenen wieder lebendig zu machen, wenn wir auf dem Pfade des Hungertodes entsprechend weit vorgeschritten sein würden.
Meine Tante hingegen war sehr gefaßt und darin uns allen ein Vorbild – zum mindesten mir. Sie benahm sich außerordentlich freundlich gegen Barkis, außer, wenn ich sie mit dem Namen Peggotty rief, und tat, als ob sie ganz zu Hause sei, obgleich ich recht wohl wußte, daß sie sich in London nie heimisch fühlen konnte.
Sie sollte in meinem Bett schlafen, und ich wollte mich in das Wohnzimmer legen, um sie zu bewachen. Sie legte großes Gewicht darauf, dem Flusse möglichst nah zu sein im Falle einer Feuersbrunst. Und ich glaube wirklich, sie fühlte sich durch meine Anordnung einigermaßen beruhigt.
»Lieber Trot«, sagte sie, als ich Vorbereitungen traf, ihren gewöhnlichen Schlaftrunk zu mischen. »Nein.«
»Keinen Wein, Trot, Ale!«
»Aber es ist Wein hier, Tante, und du hast ihn dir immer aus Wein bereiten lassen.«
»Heb ihn für Krankheitsfälle auf. Wir dürfen nicht verschwenderisch damit umgehen, Trot. Ale genügt. Eine halbe Pinte!«
Ich dachte, Mr. Dick würde in Ohnmacht fallen. Aber meine Tante beharrte auf ihrem Willen, und ich holte das Ale selbst. Da es schon spät wurde, benützten Peggotty und Mr. Dick die Gelegenheit, zusammen nach Hause zu gehen. Ich schied an der Ecke der nächsten Straße von dem Ärmsten. Er trug niedergeschlagen seinen großen Drachen auf dem Rücken, ein wahres Beispiel menschlicher Trübsal.
Als ich zurückkehrte, ging meine Tante im Zimmer auf und ab und kräuselte die Besatzstreifen ihrer Nachtmütze mit den Fingern. Ich wärmte das Ale und bereitete den Toast nach den gewohnten unfehlbaren Rezepten. Als der Schlaftrunk fertig war, hatte sie bereits die Nachtmütze aufgesetzt und ihren Oberrock auf die Knie zurückgeschlagen.
»Lieber Trot«, sagte sie, nachdem sie einen Löffel voll gekostet hatte, »es ist bedeutend besser als Wein, lange nicht so schwer.«
Ich muß wohl eine etwas zweifelhafte Miene gemacht haben, denn sie fügte hinzu: »Still, still, Kind! Wenn uns nichts Schlimmeres widerfährt, als daß wir Ale trinken müssen, sind wir gut dran.«
»Ich ja, Tante.«
»Wieso nur du?«
»Weil wir ganz verschieden sind.«
»Dummes Zeug und Unsinn, Trot.«
Sie fuhr mit gelassener Heiterkeit fort, das warme Ale auszulöffeln und ihre Röstschnitten zu verzehren.
»Trot, im allgemeinen sind mir fremde Gesichter gleichgültig, aber fast möchte ich sagen, daß mir deine Barkis sehr gut gefällt.«
»Das zu hören ist mir lieber als hundert Pfund.«
»Es ist doch eine ganz seltsame Welt«, bemerkte sie und rieb sich die Nase. »Wie diese Frau jemals mit diesem Namen hineingeraten konnte, ist mir unerklärlich. Es wäre doch viel leichter gewesen, als eine Jackson oder dergleichen auf die Welt zu kommen, sollte man meinen.«
»Vielleicht ist das auch ihre Ansicht; gewiß trägt sie keine Schuld daran.«
»Allerdings nicht«, murrte meine Tante widerstrebend, »aber schlimm ist es doch. Na! Wenigstens heißt sie jetzt Barkis. Wenigstens ein Trost. Barkis hat dich ungemein gern, Trot.«
»Es gibt nichts, was sie meinetwegen nicht täte«, sagte ich.
»Ja, das glaube ich auch. Was hat mich das arme Geschöpf gebeten und angefleht, etwas von ihrem Gelde anzunehmen, – ›weil sie zuviel hat.‹ Das arme Schaf.« Dabei rannen meiner Tante Tränen der Rührung in das warme Ale.
»Sie ist das lächerlichste Geschöpf, das je geboren wurde«, fuhr sie fort. »Vom ersten Augenblick an, als ich sie bei deiner Mutter, dem armen, guten Kinde, sah, erschien sie mir schon als die allerlächerlichste Person auf der Welt. Aber die Barkis hat ihre guten Seiten.«
Sie stellte sich, als ob sie lachte, trocknete sich aber heimlich die Tränen. Dann beschäftigte sie sich wieder mit ihren Röstschnitten. »Ach du meine Güte«, seufzte sie dabei, »ich weiß alles, Trot. Barkis und ich hatten eine lange Unterredung, als du mit Dick fort warst. Ich weiß alles. Ich weiß nur nicht, wo diese unglückseligen Mädchen immer hinauswollen. Sie müssen sich mit aller Gewalt den Schädel einrennen an – an Kaminsimsen –« dieser Gedanke fiel ihr wahrscheinlich ein, weil sie gerade das meinige betrachtete.
»Arme Emly!« sagte ich.
»Ach, sprich mir nicht von arm. Sie hätte sichs vorher überlegen müssen, ehe sie so viel Unheil anrichtete. Gib mir einen Kuß, Trot. Es tut mir leid, daß du so frühzeitig so traurige Erfahrungen machen mußtest.«
Als ich mich zu ihr hinüberbeugte, stellte sie ihr Glas auf mein Knie, um mich auf dem Stuhl festzuhalten, und sagte:
»Ach Trot, Trot! du bildest dir also ein, du wärest verliebt. Wie?«
»Einbilden!« rief ich aus mit brennrotem Gesicht. »Ich bete sie aus ganzer Seele an.«
»Dora. Hm, hm«, entgegnete meine Tante. »Du wirst natürlich behaupten, das kleine Ding sei bezaubernd.«
»Liebe Tante, kein Mensch kann sich vorstellen, wie sie wirklich ist.«
»Kein Gänschen?«
»Ein Gänschen, Tante!«
Ich glaube wirklich, ich hatte mich auch nicht einen Augenblick je gefragt, ob Dora das sei oder nicht. Ich wies den Gedanken natürlich zurück, aber seine Neuheit machte einigen Eindruck auf mich.
»Nicht leichtsinnig?« fragte meine Tante.
»Leichtsinnig, Tante!«
»Schon gut, schon gut, ich frage ja nur. Ich will sie nicht herabsetzen. Armes Liebespärchen! Und ihr glaubt also, ihr wäret füreinander geschaffen und wollt ein Leben miteinander führen wie zwei kleine Zuckerpuppen, nicht wahr, Trot?«
Sie sprach so freundlich zu mir und mit so sanfter, halb scherzender, halb bekümmerter Miene, daß ich ganz gerührt war.
»Ich weiß wohl, Tante, wir sind jung und unerfahren und schwatzen viel kindisches Zeug. Aber wir lieben uns wahrhaftig, das weiß ich gewiß. Wenn ich denken könnte, daß Dora je einen andern lieben würde, so weiß ich nicht, was ich tun müßte, – ich glaube, ich würde wahnsinnig.«
»Ach Trot«, sagte meine Tante und schüttelte ernst lächelnd den Kopf, »blind, blind, blind.«
»Jemand, den ich kenne, Trot«, fuhr sie nach einer Pause fort, »hat einen fügsamen Charakter und eine Tiefe des Gemütes, die mich an das arme Kind erinnert. Nach echtem, aufrichtigem Ernst muß sich dieser Jemand umsehen, damit es ihn stütze und vervollkommne, Trot! Nach wirklicher ernster Gemütstiefe!«
»Wenn du nur Dora kenntest«, rief ich aus.
»O Trot«, sagte meine Tante wieder, »blind, blind!« Und ohne zu wissen, warum und wieso, empfand ich ein dunkles Gefühl eines Mangels an etwas, das wie eine Wolke mein Gemüt verdunkelte.
»Ich will nicht etwa zwei junge Geschöpfe auseinanderbringen oder unglücklich machen, und wenn es auch eine Knaben- und Mädchenliebe ist und aus solchen Liebschaften sehr oft – ich sage nicht immer – nichts wird, so wollen wir doch ernsthaft davon sprechen und hoffen, daß alles einen glücklichen Ausgang nimmt. Wir haben ja Zeit genug zu warten.«
Das klang für einen leidenschaftlich Verliebten nicht sehr tröstlich, aber immerhin freute es mich, daß mich meine Tante ins Vertrauen gezogen hatte, und ich bedachte, wie erschöpft sie sein mußte. So bedankte ich mich denn bei ihr innigst für den Beweis ihrer Liebe und für alles andre Gute, was sie an mir getan, und nach einem zärtlichen Gutenacht ging sie in mein Schlafzimmer.
Wie unglücklich fühlte ich mich, als ich mich niederlegte. Immer und immer wieder mußte ich daran denken, daß Mr. Spenlow in mir nur den armen Menschen sehen würde; daß ich nicht mehr derselbe sei wie damals, als ich mich mit Dora verlobte, und als anständiger Mensch verpflichtet wäre ihr zu sagen, wie sich mit einem Schlag meine Lage verändert habe und sie ihres Wortes entbinden müßte. Dazu kamen noch die Sorgen, wovon ich während meiner Lehrzeit, wo ich noch nichts verdiente, leben sollte. Ich mußte doch etwas für meine Tante tun und konnte nichts entdecken. Ich malte mir aus, ich würde schließlich so herunterkommen, daß ich kein Geld mehr hätte und einen schäbigen Rock tragen müßte, Dora keine kleinen Geschenke mehr bringen und keine feurigen Eisenschimmel mehr würde reiten können. Sosehr ich in all dem meine Selbstsucht erkannte, so liebte ich doch Dora zu sehr, um nicht daran denken zu müssen. Ich wußte, daß es unrecht war, nicht immerwährend meine Tante vor Augen zu haben, aber meine Selbstsucht war so unzertrennlich von Dora, daß ich auf keine andern Gedanken kommen konnte. Wie entsetzlich unglücklich ich mich in jener Nacht fühlte!
Im Halbschlaf träumte ich von Armut in allen möglichen Gestalten. Ich ging zerlumpt einher, verkaufte Dora Zündhölzer, sechs Schachteln für einen halben Penny, saß in der Kanzlei im Nachthemd, und Mr. Spenlow machte mir Vorwürfe, daß ich in so luftiger Kleidung vor den Klienten erscheine; dann las ich wieder gierig die Brösel auf, die der alte Tiffey von seinem Frühstückszwieback, den er regelmäßig Schlag ein Uhr verzehrte, fallen ließ, und machte den hoffnungslosen Versuch, einen Eheschein für Dora und mich zu bekommen, hatte aber dafür nichts anzubieten als einen von Uriah Heeps Handschuhen, den die ganze Richterversammlung der Commons einstimmig zurückwies; und immer wälzte ich mich, mir meines eignen Zimmers mehr oder weniger bewußt, wie ein abgetakeltes Schiff in einem Meer von Bettlaken herum.
Meine Tante konnte auch nicht schlafen, und ich hörte sie mehrere Male im Zimmer auf und ab gehen. Zwei- oder dreimal kam sie in einem langen Flanelltuch, in dem sie sieben Fuß hoch aussah, wie ein Geist in mein Zimmer und trat an mein Sofa. Das erste Mal sprang ich erschrocken auf und vernahm, daß sie aus einem eigentümlich hellen Schein am Himmel schloß, die Westminster-Abtei stehe in Flammen, und wissen wollte, ob bei Umspringen des Windes Gefahr sei, daß das Feuer die Buckingham-Straße ergriffe. Die beiden andern Male blieb ich still liegen, und da setzte sie sich auf einen Stuhl in meiner Nähe, murmelte leise vor sich hin: Armer Junge! und ich fühlte mich zwanzigmal unglücklicher noch durch das Bewußtsein, wie uneigennützig sie und wie selbstsüchtig ich dachte.
Ich konnte kaum glauben, daß eine Nacht, die mir so lang erschien, irgend jemand auf der Welt kürzer vorkommen könnte. Diese Betrachtung gaukelte mir eine Gesellschaft vor, wo die Leute sich die Zeit mit Tanz vertrieben, bis alles ein Traum wurde und ich die Musik unaufhörlich eine Melodie spielen hörte und Dora unablässig tanzen sah, ohne daß sie mich im mindesten beachtete. Der Mann, der die ganze Nacht hindurch die Harfe gespielt hatte, wollte dann sein Instrument vergeblich in eine gewöhnliche Nachtmütze einwickeln, als ich aufwachte, oder besser gesagt, als ich aufhörte zu versuchen einzuschlafen, und endlich die Sonne durch die Fenster scheinen sah.
Damals befand sich am Ende einer der Nebenstraßen, die in den Strand ausmünden, ein römisches Bad, wo ich oft hinzugehen pflegte, um eine kalte Dusche zu nehmen. Ich zog mich so still wie möglich an, überließ Peggotty die Sorge für meine Tante und stürzte mich kopfüber ins Wasser, um sodann einen Spaziergang nach Hamptstead zu machen. Ich hoffte, daß diese Erfrischung mir einen klaren Kopf verschaffen würde, und es schien auch der Fall gewesen zu sein, denn ich faßte sogleich den Entschluß, einen Versuch zu machen, ob nicht mein Lehrkontrakt aufgehoben und das Einschreibegeld wieder zurückbezahlt werden könnte. Ich ließ mir in einem Gasthaus auf der Heide ein Frühstück geben und ging auf den taubenetzten Wegen, umgeben von dem angenehmen Duft der Sommerblumen, die in den Gärten wuchsen oder in die Stadt getragen wurden, in die Kanzlei, um meinen Plan auszuführen.
Ich kam so früh, daß ich noch eine halbe Stunde vor dem Bureau auf und ab gehen mußte, ehe der alte Tiffey, der immer der erste war, mit den Schlüsseln erschien. Dann setzte ich mich in einen dunkeln Winkel, betrachtete das Sonnenlicht an den Schornsteinen gegenüber und dachte an Dora, bis Mr. Spenlow, gelockt und gekräuselt wie immer, hereintrat.
»Wie gehts, Copperfield?« sagte er. »Ein feiner Morgen.«
»Ein schöner Morgen, Sir. Könnte ich ein paar Worte mit Ihnen sprechen, ehe Sie aufs Gericht gehen?«
»Selbstverständlich«, sagte er. »Kommen Sie in mein Zimmer.«
Ich folgte ihm in sein Bureau, wo er seinen Talar anzog und sich in einem kleinen Spiegel an der Innenseite einer Schranktür betrachtete.
»Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, Sir«, begann ich, »daß ich recht unangenehme Nachrichten von meiner Tante erhalten habe.«
»O Gott! Doch hoffentlich kein Schlaganfall?«
»Es hat mit Gesundheit nichts zu tun, Sir. Sie hat große Verluste erlitten. Es bleibt ihr nur mehr sehr wenig übrig.«
»Sie überraschen mich, Copperfield!« rief Mr. Spenlow.
Ich schüttelte den Kopf. »Ihre Verhältnisse haben sich derart verändert, daß ich Sie fragen möchte, ob es nicht möglich wäre, natürlich mit Aufopferung eines Teils meiner Einschreibegebühr«, – das setzte ich aus freien Stücken hinzu, veranlaßt durch den Ausdruck seines Gesichts – »meinen Kontrakt rückgängig zu machen.«
Niemand kann sich eine Vorstellung machen, was dieser Vorschlag für mich bedeutete. Es war so gut wie eine Bitte, auf Gnadenwege zur Verbannung von Dora verurteilt zu werden.
»Ihren Lehrkontrakt rückgängig zu machen, Copperfield? rückgängig zu machen?«
Ich setzte mit leidlicher Fassung auseinander, daß ich wirklich nicht wüßte, woher ich meine Subsistenzmittel hernehmen sollte, wenn ich sie nicht selbst verdiente.
»Betreffs der Zukunft«, sagte ich, »hege ich keine Besorgnis –« und ich legte darauf großen Nachdruck, wie, um auf eine Möglichkeit, später einmal doch noch sein Schwiegersohn werden zu können, hinzudeuten –, aber für jetzt sei ich auf meine eignen Einkünfte angewiesen.
»Es tut mir außerordentlich leid, Copperfield, das zu hören«, sagte Mr. Spenlow. »Ganz außerordentlich leid. Es ist nicht üblich, aus solchem Anlaß Lehrkontrakte rückgängig zu machen. Es ist in keiner Hinsicht geschäftsmäßig. Es ist kein empfehlenswerter Präzedenzfall. Durchaus nicht. Andererseits –«
»Sie sind sehr gütig, Sir«, murmelte ich in der Annahme, daß er eine Ausnahme machen wolle.
»O, ich bitte sehr«, wehrte Mr. Spenlow ab. »Andererseits, wollte ich sagen, wenn es mir vergönnt wäre, freie Hand zu haben, – wenn ich nicht einen Associé hätte, – Mr. Jorkins –«
Meine Hoffnungen waren mit einem Schlage vernichtet, aber ich machte noch einen Versuch.
»Meinen Sie nicht vielleicht, Sir«, sagte ich, »wenn ich mit Mr. Jorkins spräche –«
Mr. Spenlow schüttelte entmutigend den Kopf. »Gott verhüte, Copperfield, daß ich jemand Unrecht tun sollte, am allerwenigsten Mr. Jorkins. Aber ich kenne meinen Associé, Copperfield! Mr. Jorkins ist nicht der Mann, der auf einen Vorschlag so eigentümlicher Art eingehen würde. Mr. Jorkins läßt sich nur sehr schwer von dem gewohnten Wege abbringen. Sie wissen doch, wie er ist.«
Ich wußte gar nichts von ihm, als daß er ursprünglich allein im Geschäft gewesen war und jetzt in einem kahlen Hause nicht weit vom Montagu Square wohnte, sehr spät kam und sehr früh wegging, eine Treppe höher ein kleines finsteres Bureau innehatte, wo nie Geschäfte abgewickelt wurden, auf einem Pult eine alte Papiermappe lag, ohne jeden Tintenfleck und, wie die Sage ging, zwanzig Jahre alt.
»Würden Sie etwas dagegen haben, wenn ich mit ihm davon spräche, Sir?«
»Durchaus nicht, aber ich kenne Mr. Jorkins einigermaßen. Ich wollte, es wäre anders, und ich würde mich glücklich schätzen, Ihren Wünschen entsprechen zu dürfen. Ich habe nicht das mindeste dagegen, daß Sie mit Mr. Jorkins darüber sprechen, Copperfield, – wenn Sie es der Mühe wert halten.«
Entschlossen, von dieser Erlaubnis Gebrauch zu machen, die Mr. Spenlow mir mit einem warmen Händedruck gab, setzte ich mich wieder hin, dachte an Dora und beobachtete, wie sich die Sonnenstrahlen von den Rauchfängen auf die Mauer des gegenüberliegenden Hauses stahlen, bis Mr. Jorkins kam. Dann stieg ich in sein Zimmer hinauf und überraschte ihn offenbar sehr durch mein Erscheinen.
»Nur herein, Mr. Copperfield«, sagte er. »Nur herein.«
Ich trat ein und setzte mich und brachte mein Anliegen mit denselben Worten vor wie soeben Mr. Spenlow. Mr. Jorkins war keineswegs der schreckliche Mensch, den man hätte erwarten sollen, sondern ein dicker Herr von sechzig Jahren und einem sanften Gesicht. Er verbrauchte so viel Schnupftabak, daß in den Commons die Sage ging, er lebe fast nur von diesem Reizmittel, da für einen andern Nahrungsstoff in seinem System kein Platz mehr sei.
»Sie haben wahrscheinlich darüber schon mit Mr. Spenlow gesprochen«, sagte Mr. Jorkins, als er mir sehr unruhig bis zu Ende zugehört hatte.
Ich bejahte und sagte ihm, Mr. Spenlow habe seinen Namen genannt.
»Er sagte, ich würde Einwendungen erheben?«
Ich mußte zugeben, daß Mr. Spenlow dies für wahrscheinlich gehalten hatte.
»Es tut mir leid, Ihrem Wunsche nicht willfahren zu können, Mr. Copperfield«, sagte Mr. Jorkins nervös. »Tatsache ist – aber ich habe auf der Bank zu tun, und Sie werden gewiß die Güte haben mich zu entschuldigen.«
Damit stand er in größter Eile auf und wollte das Zimmer verlassen, als ich mir noch einmal ein Herz faßte und sagte, daß sich also leider wohl die Sache nicht würde arrangieren lassen.
»Nein.« Mr. Jorkins blieb in der Türe stehen, um den Kopf zu schütteln. »Nein, ich erhebe Einwand dagegen«, sagte er rasch und ging hinaus. »Sie müssen bedenken, Mr. Copperfield«, setzte er hinzu und sah wieder zur Türe herein, »wenn Mr. Spenlow Einwendungen erhebt –«
»Persönlich macht er keine Einwendungen«, warf ich ein.
»Ja, ja, persönlich!« wiederholte Mr. Jorkins ungeduldig. »Ich versichere Ihnen, Mr. Copperfield, es sind eben Einwendungen da, die Sache ist hoffnungslos. Was sie wünschen, kann nicht geschehen. Ich – ich habe wahrhaftig auf der Bank zu tun.« Damit floh er geradezu und zeigte sich, soviel ich weiß, drei Tage lang nicht wieder in den Commons.
Da ich nichts unversucht lassen wollte, wartete ich, bis Mr. Spenlow wieder zurückkam, und erzählte ihm, was geschehen war, wobei ich ihm zu verstehen gab, daß ich nicht ohne Hoffnung sei, ihm werde es gelingen, das steinerne Herz Mr. Jorkins' zu erweichen, wenn er es nur versuchen wollte.
»Copperfield«, entgegnete Mr. Spenlow mit einem gewinnenden Lächeln, »Sie kennen meinen Associé, Mr. Jorkins, noch nicht so lange wie ich. Nichts liegt mir ferner, als Mr. Jorkins irgendwelche Unaufrichtigkeiten zuzutrauen, aber er hat eine eigentümliche Art, seinen Einwendungen Ausdruck zu verleihen, wodurch sich die Leute oft täuschen lassen. Nein, Copperfield, Mr. Jorkins läßt sich nicht umstimmen, darauf können Sie sich verlassen.«
Ich wußte gar nicht mehr, wen von beiden, Mr. Spenlow oder Mr. Jorkins, ich eigentlich für den Einwand erhebenden Firmateilhaber halten sollte, aber das eine war mir klar, daß von einer Rückzahlung der tausend Pfund nicht die Rede sein konnte. In großer Niedergeschlagenheit verließ ich die Kanzlei, immer in Gedanken mit Dora beschäftigt, und ging nach Hause.
Ich stellte mir im Geiste bereits das Allerschlimmste vor und malte mir alles im schwärzesten Lichte aus, als ein Fiaker mich einholte, neben mir hielt und mich dadurch aufblicken machte. Eine schöne Hand streckte sich mir aus dem Fenster entgegen und das Gesicht, in das ich nie ohne eine Empfindung von Beruhigung und Glück geblickt, von dem Augenblick an, wo es sich zum ersten Mal auf der eichenen alten Treppe mit dem großen breiten Geländer zurückwandte und ich seine sanfte Schönheit mit einem Kirchenfenster verglichen hatte, lächelte mir zu.
»Agnes!« rief ich entzückt, »liebe Agnes, welche Freude, gerade dich von allen Menschen auf der Welt zu sehen.«
»Wirklich?« sagte sie herzlich.
»Ich möchte so gerne mit dir sprechen. Wie wird mir das Herz so leicht, wenn ich dich nur ansehe. Wenn ich einen Zauberstab besäße, niemand anders als dich würde ich mir herbeigewünscht haben.«
»So?« – Agnes lächelte.
»Nun, vielleicht zuerst Dora«, gab ich errötend zu.
»Gewiß, zuerst Dora. Hoffentlich!« sagte Agnes lachend.
»Dann aber sofort dich! Wohin fährst du?«
Sie stand im Begriffe in meine Wohnung zu fahren, um meine Tante zu besuchen. Da das Wetter sehr schön war, schickten wir den Wagen fort, sie nahm meinen Arm, und wir gingen zusammen weiter. Sie kam mir vor wie die verkörperte Hoffnung. Wie ganz anders fühlte ich mich jetzt, wo sie neben mir ging.
Meine Tante hatte Agnes eins ihrer wunderlichen kurzen Billeten geschrieben – nicht länger als eine Banknote –, auf die sich ihre briefstellerischen Leistungen gewöhnlich beschränkten. Sie hatte darin gesagt, daß sie in Unglück geraten sei und Dover verlassen habe, sich aber sonst wohl befinde, so daß sich ihre Freunde keine Sorge um sie zu machen brauchten.
Agnes war nach London gekommen, um sie zu besuchen, da sie schon seit mehreren Jahren auf sehr gutem Fuße mit ihr stand. Die gegenseitige Zuneigung der beiden datierte von jener Zeit her, als ich in Mr. Wickfields Haus zog.
Agnes sagte, sie sei nicht allein. Ihr Papa hätte sie begleitet und – Uriah Heep.
»Also sind sie jetzt Associés?« fragte ich. »Verwünscht sei dieser Heep!«
»Ja, sie haben verschiedene Geschäfte hier abzuwickeln, und ich benützte die Gelegenheit, um ebenfalls mitzukommen. Du mußt nicht glauben, daß mein Besuch bei deiner Tante ganz allein aus Freundschaft entspringt, Trotwood, aber um es dir nur zu gestehen, ich fürchte mich, Papa mit Uriah allein reisen zu lassen.«
»Übt er immer noch denselben Einfluß auf Mr. Wickfield aus?«
Agnes nickte. »Daheim ist alles so verändert, daß du das alte liebe Haus kaum mehr wiedererkennen würdest. Sie wohnen jetzt bei uns.«
»Sie?« fragte ich.
»Mr. Heep und seine Mutter. Er schläft in deinem alten Zimmer«, sagte Agnes und sah mir ruhig in die Augen.
»Ich wollte, ich könnte seine Träume beeinflussen«, seufzte ich. »Dann würde er nicht mehr lang dort schlafen.«
»Ich habe noch mein kleines Zimmerchen, wo ich früher meine Aufgaben machte. Wie doch die Zeit vergeht! Erinnerst du dich? Das kleine getäfelte Zimmer neben dem Salon.«
»Ob ich mich noch erinnere, Agnes? Wo ich dich zum ersten Mal sah, wie du mit dem hübschen, kleinen Schlüsselkörbchen am Arm zur Türe heraustratest.«
»Ja, ja«, sagte Agnes lächelnd. »Es freut mich, daß du noch mit Liebe daran zurückdenkst. Wir waren damals sehr glücklich.«
»Ja, das waren wir, Agnes.«
»Es ist jetzt noch mein Zimmer, aber ich kann Mrs. Heep nicht immer allein lassen und muß ihr manchmal Gesellschaft leisten, wenn ich lieber allein sein möchte. Aber sonst kann ich mich über sie nicht beklagen. Wenn sie mich manchmal durch ihre ewigen Lobsprüche auf ihren Sohn langweilt, so ist das bei einer Mutter natürlich. Er handelt als guter Sohn an ihr.«
Ich blickte Agnes forschend an, konnte aber in ihren Zügen nicht entdecken, ob sie etwas von Uriahs Plänen erraten hatte. Ihre sanften, ernsten Augen sahen mich mit ihrer gewohnten schönen Offenheit an, und in ihrem Antlitz war keine Veränderung zu bemerken.
»Das Hauptübel ihrer Anwesenheit im Hause ist, daß ich nicht mehr so beständig in Papas Nähe sein und ihn bewachen kann, wenn ich mich damit nicht zu kühn ausdrücke. Spinnt Uriah Heep einen verräterischen Plan gegen ihn, so hoffe ich, daß Wahrheit und schlichte Liebe am Ende stärker sein werden. Ich hoffe, daß sie imstande sind, alles Übel und Unglück in der Welt am Ende zu überwinden.«
Ein gewisses freudiges Lächeln, das ich nie auf einem andern Gesicht gesehen, verschwand in ihren Mienen, während ich noch darüber nachdenken mußte, wie schön es sei und wie oft ich es gesehen, und sie fragte mich mit rasch verändertem Ausdruck – wir bogen gerade in die Buckingham-Straße ein –, ob ich wüßte, wie es mit dem Vermögensverlust meiner Tante zugegangen sei. Auf meine verneinende Antwort wurde sie nachdenklich, und es kam mir vor, als ob ihr Arm in dem meinen zitterte.
Wir fanden meine Tante allein und in einiger Aufregung. Eine Meinungsverschiedenheit hatte sich zwischen ihr und Mrs. Crupp über eine theoretische Frage (ob es sich für das schönere Geschlecht schicke, in möblierten Mietszimmern zu wohnen) abgespielt, und meine Tante, gegen die »Krämpf« der Mrs. Crupp gänzlich unempfindlich, hatte den Streit damit kurz abgeschnitten, daß sie dieser Dame rundheraus sagte, sie röche nach Schnaps und möchte so gut sein, lieber hinauszugehen. Beide Äußerungen betrachtete Mrs. Crupp als strafbare Beleidigungen und hatte die Absicht ausgesprochen, das »Gricht« anzurufen.
Meine Tante hatte jedoch Zeit und Muße gehabt sich zu beruhigen, denn Peggotty war mit Mr. Dick ausgegangen, um ihm die berittene Leibwache zu zeigen, – und freute sich sehr, Agnes zu sehen. Sie schien auf den erlittenen Schicksalsschlag fast stolz zu sein und empfing uns in bester Laune. Als Agnes ihren Hut ablegte und sich neben meine Tante setzte, konnte ich nicht umhin mir zu denken, daß hier so recht ihr natürlicher Platz sei. Wie fest vertraute ihr meine Tante trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit, und wie stark war Agnes in ihrer schlichten Liebe und Wahrhaftigkeit.
Wir sprachen von dem Vermögensverlust, und ich erzählte, wie mein Versuch heute morgen ausgefallen.
»Das war unüberlegt, Trot«, sagte meine Tante, »wenn auch gut gemeint. Du bist ein hochherziger Junge, – ich muß jetzt wohl schon sagen, junger Mann, und ich bin stolz auf dich. Soweit wäre alles gut. Aber jetzt, Trot und Agnes, wollen wir dem Fall Betsey Trotwood ins Gesicht sehen und uns klarwerden, wie alles steht.«
Ich bemerkte, daß Agnes blaß wurde und meine Tante sehr aufmerksam beobachtete. Meine Tante streichelte ihre Katze und sah Agnes ebenfalls sehr aufmerksam an.
»Betsey Trotwood also, die immer ihre Geldangelegenheiten selbst abwickelte – ich meine nicht deine Schwester, lieber Trot, sondern mich selbst –, besaß einiges Vermögen. Es kommt nicht darauf an, wieviel, aber es war genug, um zu leben. Eigentlich noch mehr; sie hatte etwas gespart und dazugelegt. Betsey deponierte ihr Vermögen für einige Zeit in der Bank und legte es dann auf den Rat ihres Anwalts in Hypotheken an. Das warf recht anständige Zinsen ab, bis Betsey ausbezahlt wurde. Jetzt hatte sich also Betsey nach einer neuen Gelegenheit, ihr Geld anzulegen, umzusehen. Sie glaubte, sie sei klüger als ihr Anwalt, der jetzt kein so guter Geschäftsmann mehr zu sein schien wie früher – ich meine deinen Vater, Agnes –, und sie setzte sich in den Kopf, das Geld auf eigne Faust zu verwalten. Sie trieb sozusagen ihre Schafe auf einen auswärtigen Markt, und zwar in einen schlechten. Zuerst verlor sie in Minenwerten und dann beim Suchen nach Schätzen im Meer und anderm Unsinn, verlor dann wieder bei Minenwerten und zum Schluß den letzten Rest in Bankpapieren. Ich weiß nicht, wieviel die Bankaktien eine Zeitlang wert waren, sie notierten sogar einmal hundert Prozent über pari. Aber die Bank stand am andern Ende der Erde und muß wohl in den Weltraum hinabgerutscht sein. Jedenfalls ging sie in Trümmer, und niemals mehr wird ein Sixpence herausschauen. Und damit ist die Geschichte aus. Je weniger man darüber spricht, desto besser.«
Meine Tante schloß ihren philosophischen Bericht mit einem triumphierenden Blick auf Agnes, deren Farbe allmählich wieder zurückkehrte.
»Ist das die ganze Geschichte, liebe Miss Trotwood?« fragte Agnes.
»Ich denke, es ist genug, mein Kind. Wenn noch mehr Geld zuzusetzen gewesen wäre, würde sie gewiß noch nicht aus sein. Es wäre Betsey schon gelungen, auch den Rest noch dem übrigen nachzuwerfen und ein zweites Kapitel daraus zu machen. Aber das Geld ist alle, und die Geschichte ist aus.«
Agnes hatte zuerst mit angehaltnem Atem zugehört, sie wurde immer noch abwechselnd blaß und rot, atmete aber freier auf. Ich glaubte zu wissen, warum. Sie fürchtete, ihr armer Vater wäre in irgendeiner Weise an dem Geschehenen schuld.
Meine Tante faßte sie bei der Hand und lachte.
»Die Geschichte ist aus, und wenn sie nicht gestorben ist, so lebt sie heute noch glücklich und in Freuden. Vielleicht kann ich das auch noch einmal von Betsey sagen. Du, Agnes, bist ein gescheites Kind und auch du, Trot, wenigstens in manchen Dingen, in allen kann man das noch nicht behaupten«; bei diesen Worten schüttelte meine Tante mit der ihr eigentümlichen Energie den Kopf. »Was ist also zu tun? Vorerst haben wir das Häuschen, das jährlich so ungefähr siebzig Pfund einbringt. Ich glaube, wir können es dafür lassen. Das ist alles«, sagte meine Tante, die die Eigentümlichkeit hatte, wie edle Pferde mit einem Ruck mitten im schärfsten Tempo innezuhalten.
»Dann«, fuhr sie nach einer Pause fort, »haben wir Dick. Er bekommt hundert Pfund jährlich, aber das muß natürlich für ihn allein ausgegeben werden. Ich würde ihn lieber fortschicken, obgleich ich weiß, daß ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der ihn gehörig würdigt, als daß ich ihn bei mir behielte und das Geld anders als für ihn verwendete. Wie können wir also, Trot und ich, am besten mit unsern Mitteln auskommen. Was meinst du, Agnes?«
»Ich meine, Tante«, fiel ich ein, »daß ich irgend etwas anfangen muß.«
»Soldat werden, meinst du wohl?« rief meine Tante ganz erschrocken, »oder zur See gehen? Ich will nichts hören. Du sollst ein Proktor werden.«
Ich wollte gerade eine neue Auseinandersetzung beginnen, als Agnes fragte, ob meine Zimmer für lange Zeit gemietet seien.
»Du triffst den rechten Punkt, meine Liebe«, sagte meine Tante. »Für die nächsten sechs Monate wenigstens sind sie nicht loszuwerden. Wir müßten sie denn anderweitig anbringen können, und daran glaube ich nicht. Der letzte Mieter starb hier. Fünf Menschen von sechsen würden natürlich an dieser Frau in Nankingkleidern mit dem flanellnen Unterrock zugrunde gehen. Ich besitze noch eine kleine Summe in bar und glaube, es ist das beste, die noch übrigen sechs Monate hierzubleiben und für Dick ganz in der Nähe ein Schlafzimmer zu suchen.«
Ich hielt es für meine Pflicht, meine Tante auf die Unannehmlichkeit eines beständigen Guerillakrieges mit Mrs. Crupp aufmerksam zu machen, aber sie beseitigte den Einwand summarisch durch die Erklärung, daß sie bei dem ersten Ausbruch von Feindseligkeiten Mrs. Crupp für den ganzen Rest ihrer Lebenszeit in höchstes Erstaunen setzen wollte.
»Ich habe mir gedacht, Trotwood«, sagte Agnes schüchtern, »daß, wenn du Zeit hättest –«
»Ich habe sehr viel Zeit, Agnes. Ich bin immer von vier oder fünf Uhr an frei und habe auch in den Morgenstunden Zeit. So und so«, sagte ich und errötete bei dem Gedanken, wie viele, viele Stunden ich in den Straßen der Stadt und auf der Landstraße nach Norwood vertrödelt hatte, »bleibt mir vollauf Zeit übrig.«
»Ich glaube, die Beschäftigung eines Sekretärs würde dir vielleicht nicht schwerfallen«, sagte Agnes, beugte sich zu mir und sprach mit leiser Stimme so lieb und voll Hoffnungsfreudigkeit, daß es mir heute noch in den Ohren klingt.
»Dr. Strong hat nämlich jetzt wirklich seine Stelle niedergelegt«, fuhr sie fort, »ist nach London gezogen und hat Papa nach einem Sekretär gefragt. Meinst du nicht, er würde lieber als jeden andern seinen ehemaligen Lieblingsschüler um sich haben?«
»Liebe Agnes«, rief ich aus, »was wäre ich ohne dich! Du bist stets mein guter Engel. Ich habe es doch immer gesagt. Du bist es immer und immer wieder.«
Agnes erwiderte mit fröhlichem Lachen, daß vorläufig ein guter Engel – sie spielte auf Dora an – ausreiche, und erzählte mir, daß der Doktor gewöhnlich die frühen Morgenstunden und den Abend zu arbeiten pflegte und meine freie Zeit ihm daher vortrefflich passen würde. Die Aussicht, mir mein Brot selbst zu verdienen, war mir kaum angenehmer als die Hoffnung, bei meinem alten Lehrer angestellt zu sein; kurz, ich schrieb sofort, dem Rate Agnes' folgend, einen Brief an ihn, worin ich meinen Wunsch vortrug und meinen Besuch für den nächsten Morgen um zehn Uhr ankündigte. Ich adressierte den Brief nach Highgate – denn in jener für mich so denkwürdigen Gegend wohnte er – und trug ihn augenblicklich selbst auf die Post.
Wo auch Agnes hinkam, immer verriet sogleich irgendein angenehmes Zeichen ihre Gegenwart und geräuschlose Tätigkeit. Als ich zurückkam, hatten die Vogelbauer meiner Tante einen Platz am Fenster gefunden, genau so, wie sie in dem Landhaus in Dover gehangen; mein Lehnstuhl, allerdings nicht so bequem wie der dortige, stand an der entsprechenden Stelle am offenen Fenster, und selbst der runde, grüne Schirm, den meine Tante mitgebracht, war auf das Fensterbrett festgeschraubt. Ich würde im Augenblick erraten haben, wer das alles gemacht und meine lange vernachlässigten Bücher in der aus der Schulzeit gewohnten Ordnung aufgestellt hatte, selbst wenn ich von Agnes' Anwesenheit nichts gewußt hätte.
Meine Tante war sehr gnädig hinsichtlich des Anblicks der Themse (der Fluß sah im Sonnenschein ganz hübsch aus, wenn auch nicht so schön wie das Meer vor dem Landhause), aber mit dem Londoner Rauch konnte sie sich nicht abfinden, der, wie sie sich ausdrückte, alles mit Pfeffer bestreue.
Wegen dieses Pfeffers wurde eine vollständige Umwälzung, bei der Peggotty eine hervorragende Rolle spielte, in jedem Winkel meines Zimmers veranstaltet, und ich sah zu und dachte, wie geräuschvoll selbst Peggotty zu hantieren schien, verglichen mit Agnes, – da klopfte es an die Tür.
»Ich glaube«, sagte Agnes und wurde blaß, »es ist Papa. Er versprach mir herzukommen.«
Ich öffnete die Tür, und nicht nur Mr. Wickfield, sondern auch Uriah Heep traten herein. Ich hatte Mr. Wickfield längere Zeit nicht gesehen. Nach Agnes' Erzählungen hatte ich mich wohl darauf gefaßt gemacht, ihn sehr verändert zu finden, aber sein Aussehen erschütterte mich geradezu.
Er sah viele Jahre älter aus, sein Gesicht zeigte eine ungesunde Röte, aber er war immer noch mit derselben peinlichen Sorgfalt gekleidet; seine Augen waren entzündet und blutunterlaufen, und seine Hand zitterte – ich wußte warum und hatte es schon vor Jahren kommen sehen. Aber nicht sein verändertes Aussehen – von seiner vornehmen Haltung hatte er nicht das geringste eingebüßt – fiel mir so sehr auf, sondern der Umstand, daß er bei allen noch vorhandenen Zeichen einer angebornen Überlegenheit sich dieser kriecherischen Verkörperung von Gemeinheit – Uriah Heep – unterordnete. Die unnatürliche Stellung dieser beiden Charaktere zueinander, so daß Uriah jetzt der Gebieter und Mr. Wickfield der Abhängige war, machte mir einen peinlicheren und entwürdigenderen Eindruck, als wenn ich einen Affen hätte einem Menschen befehlen sehen.
Mr. Wickfield schien sich alles dessen nur zu sehr bewußt zu sein. Als er hereinkam, blieb er stehen, das Haupt gebeugt, als ob er es fühlte. Das dauerte aber nur einen Augenblick lang, denn Agnes sagte mit sanfter Stimme zu ihm:
»Papa, hier sind Miss Trotwood – und Trotwood, den du so lange nicht gesehen hast!« Und dann trat er näher, gab meiner Tante mit gezwungener Miene die Hand und schüttelte die meine mit größerer Herzlichkeit. Eine Sekunde lang sah ich, daß sich Uriahs Gesicht zu einem bösen Lächeln verzerrte. Ich glaube, auch Agnes sah es, denn sie zog sich schaudernd vor ihm zurück.
Was meine Tante sah oder nicht sah, hätte auch der scharfsinnigste Physiognom nicht aus ihren Mienen lesen können. Ich glaube, es hat nie jemand auf der Welt gegeben, der ein so vollkommen steinernes Gesicht machen konnte. Ihre Mienen hätten in dem vorliegenden Fall ebensogut kahles Mauerwerk sein können, so wenig Licht warfen sie auf ihre Gedanken, bis sie mit ihrer gewohnten Plötzlichkeit das Schweigen brach.
»Na, Wickfield!«
Er sah sie jetzt zum ersten Male an.
»Ich habe Ihrer Tochter erzählt, wie gut ich mein Geld allein angelegt habe, weil ich es Ihnen nicht anvertrauen wollte, da Sie in Geschäftssachen ein wenig schläfrig geworden zu sein schienen. Wir haben die Sache zusammen beraten und sind zu einem guten Schluß gekommen. Agnes wiegt meiner Meinung nach die ganze Firma auf.«
»Wenn ich mir die Freiheit nehmen darf«, sagte Uriah Heep und krümmte sich, »so erlaube ich mir, mit Miss Betsey Trotwood ganz übereinzustimmen, und würde mich glücklich schätzen, wenn Miss Agnes mit zum Geschäft gehörte.«
»Sie gehören ja selbst zum Geschäft«, entgegnete meine Tante, »und das ist gerade genug für Sie, sollte ich meinen. Wie befinden Sie sich?«
Auf diese Frage, die mit ungewöhnlicher Schroffheit gestellt wurde, erwiderte Heep, indem er unruhig die blaue Aktentasche umklammerte, daß er sich recht wohl befinde, meiner Tante danke und hoffe, es gehe ihr ebenso.
»Und Ihnen, Master ? ich wollte sagen, Mister Copperfield?« fuhr er fort, »ich hoffe, Sie sind ebenfalls wohl. Es freut mich außerordentlich, Sie zu sehen, Mister Copperfield, selbst unter den gegenwärtigen Verhältnissen.« Ich glaubte ihm das aufs Wort, denn er strahlte vor Schadenfreude.
»Ihre gegenwärtigen Verhältnisse sind wohl nicht so, wie Ihre Freunde wünschen möchten, Mister Copperfield, aber Geld macht nicht den Mann. Es ist – meine bescheidenen Kräfte reichen wahrhaftig nicht aus, es in die richtigen Worte zu kleiden –« sagte Uriah mit einer kriechenden Bewegung, »aber Geld machts nicht.«
Dabei schüttelte er mir die Hand, nicht auf die gewöhnliche Art, sondern indem er in ziemlicher Entfernung von mir stehenblieb und meine Hand wie einen Pumpenschwengel, vor dem er sich ein wenig fürchte, auf und nieder bewegte.
»Und wie finden Sie, sehen wir aus, Master Copperfield – ich wollte sagen, Mister?« schmeichelte er weiter. »Finden Sie nicht Mr. Wickfield blühend aussehend, Sir? In unserm Geschäft machen Jahre nichts aus, Master Copperfield, außer daß sie die Demütigen, nämlich Mutter und mich, erheben – und das Schöne, nämlich Miss Agnes, entwickeln.« Er schnellte sich in so widerwärtiger Weise, daß meine Tante, die ihn starr angesehen, alle Geduld verlor.
»Der Kuckuck hole den Menschen«, sagte sie streng. »Was hat er nur? Zappeln Sie nicht so, Sir!«
»Ich bitte um Entschuldigung, Miss Trotwood«, entgegnete Uriah, »ich weiß, Sie sind nervös.«
»Halten Sie den Mund«, sagte meine Tante, durchaus nicht besänftigt. »Was erlauben Sie sich! Ich bin gar nicht nervös. Aber Sie sind ein Aal und benehmen sich so. Wenn Sie ein Mensch sind, behalten Sie Ihre Glieder in der Gewalt, Sir, – Gott im Himmel!« setzte sie mit großer Entrüstung hinzu. »Ich werde mich nicht aus meinen fünf Sinnen hinausschlängeln und korkziehern lassen.«
Wie leicht begreiflich, war Heep von dieser Explosion ziemlich bestürzt, die noch nachträglich immer stärker auf ihn wirkte, weil meine Tante mit unwilliger Miene auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und ihm böse Gesichter schnitt. Er nahm mich beiseite und sagte zu mir in schüchternem Ton:
»Ich weiß recht wohl, Master Copperfield, daß Miss Trotwood bei aller ihrer Vortrefflichkeit ein reizbares Temperament besitzt, habe ich doch schon das Vergnügen ihrer Bekanntschaft vor Ihnen gehabt, Master Copperfield, als ich noch ein niedriger Schreiber war, und es ist nur natürlich, daß sie in den gegenwärtigen Verhältnissen noch gereizter erscheint. Es ist nur ein Wunder, daß es nicht noch schlimmer ist. Ich komme nur her, um zu erklären, daß wir sehr erfreut sein möchten, wenn mir, Mutter und ich oder Wickfield & Heep, bei den gegenwärtigen Verhältnissen etwas tun könnten. – Darf ich mir so viel herausnehmen?« fragte Uriah mit einem verlegnen Lächeln auf seinen Associé.
»Uriah Heep«, sagte Mr. Wickfield monoton und gezwungen, »ist sehr tätig im Geschäft, Trotwood. Was er sagt, hat meine volle Zustimmung, und du weißt, ich fühlte von jeher ein Interesse für dich. Aber abgesehen davon, stimme ich ganz mit Uriah überein.«
»O, was für ein Lohn es ist«, sagte Uriah und zog ein Bein in die Höhe, auf die Gefahr hin, meine Tante abermals zu reizen, »ein solches Vertrauen zu genießen. Aber ich hoffe, ich bin imstande, ihm die Mühseligkeiten des Geschäftes ein wenig abnehmen zu können, Master Copperfield.«
»Uriah Heep ist eine große Stütze für mich«, sagte Mr. Wickfield mit derselben klanglosen Stimme. »Mir ist eine Last von der Seele, Trotwood, seit ich ihn zum Kompagnon habe.«
Ich begriff, der schlaue Rotfuchs ließ ihn das alles sagen, um ihn mir in der Zwangslage vorzustellen, die er mir in jener Nacht, als er meine Ruhe vergiftete, angedeutet hatte. Ich sah wieder dasselbe häßliche Lächeln auf seinem Gesicht und bemerkte, wie er mich lauernd beobachtete.
»Du gehst doch nicht fort, Papa?« fragte Agnes ängstlich. »Willst du nicht warten, bis Trotwood und ich dich heimbegleiten?«
Mr. Wickfield schien einen fragenden Blick auf Uriah werfen zu wollen, doch kam ihm dieser zuvor.
»Ich habe Geschäfte«, sagte Uriah, »sonst würde ich mich glücklich schätzen, hierbleiben zu können. Aber ich lasse meinen Associé als Stellvertreter der Firma da. Miss Agnes, immer der Ihrige! Ich wünsche Ihnen guten Tag, Master Copperfield, und empfehle mich untertänigst bei Miss Betsey Trotwood.«
Mit diesen Worten entfernte er sich, küßte seine große Hand und schielte uns an wie eine Maske.
Wir saßen wohl ein paar Stunden lang zusammen und sprachen von den schönen alten Zeiten in Canterbury. Neben Agnes gewann Mr. Wickfield viel von seinem alten Wesen wieder, obgleich er eine gewisse Gedrücktheit nie loswerden konnte. Dennoch wurde er fröhlicher und hörte uns mit sichtlichem Vergnügen zu, wenn wir uns die vielen kleinen Vorfälle unseres frühern Zusammenlebens zurückriefen. Er sagte, er erinnere sich so gern an die Zeiten, wo er mit Agnes und mir allein gewesen, und wünschte, sie hätten sich nie geändert. In Agnes' ruhigem Antlitz und in der bloßen Berührung ihrer Hand lag etwas, das Wunder an ihm tat.
Meine Tante, die sich die ganze Zeit über in dem andern Zimmer zusammen mit Peggotty beschäftigt hatte, wollte nicht mit uns gehen, als wir aufbrachen. So aßen wir zu dritt zusammen in Mr. Wickfields Wohnung. Nach dem Essen setzte sich Agnes neben ihren Vater und schenkte ihm seinen Wein ein.
Er trank nur, was sie ihm reichte und nicht mehr – wie ein gehorsames Kind –, und wir setzten uns, als der Abend anbrach, ans Fenster. Als es fast dunkel geworden war, legte er sich auf ein Sofa, und Agnes rückte ihm die Kissen zurecht und beugte sich eine Weile über ihn, und als sie wieder zum Fenster zurückkehrte, konnte ich Tränen in ihrem Auge glitzern sehen.
Wie sie dann mit mir von Dora sprach, als wir im Dunkeln am Fenster saßen, wie sie meine Lobsprüche anhörte und miteinstimmte! Ach Agnes, Schwester meiner Jugendzeit, wenn ich damals gewußt hätte, was ich lange später erst erfuhr!
Auf der Straße begegnete ich einem Bettler, und als ich nach dem Fenster zurückblickte und an Agnes' ruhige Engelsaugen dachte, erschreckte er mich durch sein Gemurmel, das wie ein Echo des Satzes vom verflossenen Morgen klang: »Blind, blind, blind!«